E-Book, Deutsch, Band 20, 244 Seiten
Büch / Döpfner / Petermann Soziale Ängste und Leistungsängste
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8409-2536-8
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, Band 20, 244 Seiten
Reihe: Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie
ISBN: 978-3-8409-2536-8
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Soziale Ängste und Leistungsängste gehören zu den besonders stabilen Angstformen, die dann auftreten, wenn sich Kinder und Jugendliche einer Bewertungssituation ausgesetzt fühlen. Sie beeinträchtigen in erheblicher Weise die soziale Interaktion mit Kindern und Erwachsenen. Der Leitfaden erläutert in Form von Leitlinien das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei sozialen Ängsten und Leistungsängsten im Kindes- und Jugendalter.
Der Band geht zunächst auf alternative Begrifflichkeiten wie soziale Angststörung, soziale Phobie, soziale Unsicherheit oder Prüfungsangst ein und fasst die aktuellen Erkenntnisse zur Beschreibung, Diagnostik und Behandlung sozialer Ängste und Leistungsängste zusammen. Detailliert werden dann in Anlehnung an vorliegende nationale und internationale Leitlinien Empfehlungen zur Diagnostik, Indikationsstellung, Verlaufskontrolle und Therapie von sozialen Ängsten und Leistungsängsten gegeben. Materialien für den Einsatz in der Praxis sowie Fallbeispiele ergänzen den Leitfaden.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
1;Soziale Ängste und Leistungsängste;1
1.1;Einleitung: Grundlagen und Aufbau des Buches;7
1.2;Inhaltsverzeichnis;9
2;1 Stand der Forschung;13
2.1;1.1 Zur Begrifflichkeit;13
2.2;1.2 Klassifikation und Differenzialdiagnose;16
2.3;1.3 Epidemiologie und Verlauf;20
2.4;1.4 Komorbide Störungen;22
2.5;1.5 Pathogenese;23
2.6;1.6 Präventionsansätze;34
2.7;1.7 Therapieansätze;36
3;2 Leitlinien;46
3.1;2.1 Leitlinien zur Diagnostik und Verlaufskontrolle;46
3.2;2.2 Leitlinien zu Behandlungsindikationen;96
3.3;2.3 Leitlinien zur Therapie;106
4;3 Verfahren zur Diagnostik und Therapie;144
4.1;3.1 Verfahren zur Diagnostik und Verlaufskontrolle sozialer Ängste oder Leistungsängste;145
4.2;3.2 Verfahren zur Therapie sozialer Ängste und Leistungsängste;159
5;4 Materialien;167
6;5 Fallbeispiele;173
6.1;5.1 Fallbeispiel soziale Angst (Behandlung im Einzeltherapiesetting);173
6.2;5.2 Fallbeispiel soziale Angst (kombinierte Einzel- und Gruppentherapie);178
6.3;5.3 Fallbeispiel Leistungsangst;184
7;6 Literatur;189
8;CD-ROM;202
1 Stand der Forschung (S. 1-2)
Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen des Kindes- und Jugendalters; hauptsächlich handelt es sich dabei um die Störung mit Trennungsangst, soziale Angststörung (soziale Phobie) und generalisierte Angststörung. Angststörungen beeinträchtigen den familiären Alltag, das Verhältnis zu den Gleichaltrigen und die schulische Leistung. Soziale Ängste und als Spezialfall die Leistungsangst beeinträchtigen in erheblicher Weise die soziale Interaktion von Kindern und Erwachsenen (Alden & Taylor, 2004). In der Regel strahlen die Probleme in den schulischen Kontext aus, das heißt, die Betroffenen zeigen Leistungen, die deutlich unter ihren Fähigkeiten liegen. In der Folge davon weisen betroffene Kinder und Jugendliche ein beeinträchtigtes Selbstbild oder zumindest selbstwertmindernde Kognitionen auf. Eine aktuelle schwedische Studie berichtet zudem darüber, dass Jugendliche mit sozialen Ängsten besonders häufig Viktimisierungserfahrungen machen (vgl. Gren-Landell, Aho, Andersson & Svedin, 2011), wodurch soziale Ängste verstärkt werden und vielfach depressives Verhalten begünstigt wird.
Im Kontext der Verwendung des Begriffes „soziale Angst“ wird eine Vielzahl weiterer Bezeichnungen dafür herangezogen, um vergleichbare Erscheinungsformen zu kennzeichnen (z. B. Schulangst, Schüchternheit, soziale Phobie, soziale Unsicherheit). Diese Begriffsvielfalt soll in knapper Form geordnet werden.
1.1 Zur Begrifflichkeit
Soziale Ängste, soziale Angststörung und soziale Phobie. Sozial ängstliche Kinder vermeiden Sozialkontakt, da sie fürchten, sich durch ihr Verhalten zu blamieren und zu erniedrigen. Die Kontaktvermeidung bezieht sich vor allem auf unvertraute sowie fremde Personen und auf Anlässe, in denen eine soziale Hervorhebung und Bewertung erfolgen kann. Die Begriffe „soziale Angststörung“ und „soziale Phobie“ werden von uns synonym verwendet. Sie beschreiben ein Störungsbild bzw. eine Diagnose. Der Begriff „soziale Ängste“ ist dagegen breiter gefasst und schließt auch subklinische Ängste mit ein.
Schüchternheit. Dieses auffällige Verhalten bezieht sich vor allem auf neue und unvertraute Situationen. Schüchterne Kinder und Jugendliche reagieren in diesem Kontext mit einem geringen Selbstbewusstsein, sie trauen sich wenig zu oder reagieren von Anfang an mit Vermeidung (Petermann, in Vorb.). Schüchternheit wird mit Zurückhaltung in sozialen Situationen gleichgesetzt, „die entweder auf Ungeselligkeit (besonders bei erzwungenen Situationen) oder auf sozialer Ängstlichkeit beruht“ (Asendorpf & Neyer, 2012, S. 140).
Eine große norwegische Längsschnittstudie (Karevold, Ystrom, Coplan, Sanson & Mathiesen, 2012) beschäftigt sich damit, ob Schüchternheit im Kindesalter generell ein Risiko für sozial-emotionale Störungen bedeutet. Die Kinder wurden vom zweiten bis 13. Lebensjahr wiederholt untersucht. Es zeigte sich, dass Schüchternheit deutlich mit Ängsten, geringen sozialen Kompetenzen und etwas geringer mit Depressionen korreliert. Schüchternheit nimmt nach den Ergebnissen dieser Längsschnittstudie kontinuierlich über die untersuchte Entwicklungsspanne zu, wobei dieser Anstieg bis zum Alter von viereinhalb Jahren stärker ausgeprägt war als in der anschließenden Altersperiode (bis 13 Jahre).
Soziale Unsicherheit. Es handelt sich um einen Sammenbegriff, der Verhaltensweisen umfasst, die bei unterschiedlichen Angststörungen auftreten können, vor allem bei der Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters und bei den sozialen Phobien aber auch bei der Trennungsangst und den generalisierten Ängsten (Petermann & Petermann, 2015). Leistungsangst, Prüfungsangst und Schulangst. Die Begriffe „Leistungsangst“, „Prüfungsangst“ und „Schulangst“ werden in der Regel nebeneinander und in derselben Weise verwendet (vgl. Rost & Schermer, 2010, S. 451). Diese Tatsache verdeutlicht, dass die Auslöser und in manchen Fällen auch die Ursachen der Leistungsangst in den schulischen Lernbedingungen und den Leistungserwartungen der Beteiligten zu suchen sind. Leistungsängstliche Kinder und Jugendliche lassen sich in der Bewältigung schulischer Anforderungs- und Stresssituationen durch einige Auffälligkeiten kennzeichnen, die Rost und Schermer (2010, S. 413) wie folgt zusammenfassen: Die Betroffenen zeigen
–– häufiger ein negatives Selbstkonzept,
–– sie sind weniger beliebt und häufig sozial isoliert,
–– sie leisten in fast allen Schulfächern weniger als unauffällige Schüler,
–– sie neigen dazu, Misserfolge im Lernen durch ihre unzureichende Begabung zu erklären,
–– sie weisen eine schlechte Arbeitshaltung und unangemessene Lernstrategien auf,
–– sie fehlen häufiger in der Schule und
–– sind häufiger krank als unauffällige Schüler.
Im Alltag kann es bei Kindern und Jugendlichen zu einer verminderten kognitiven Leistungsfähigkeit kommen und im Extremfall zu einer völligen Schulverweigerung.
Leistungsängste weisen, wie bei Ängsten generell, auf vier Ebenen Auffälligkeiten auf:
–– emotionale Symptome (z. B. Versagensängste, massive Selbstzweifel),
–– kognitive Verzerrungen (z. B. angstgetönte Gedanken, Gedächtnisprobleme),...