Busch | Über den Wolken | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 267 Seiten

Busch Über den Wolken

Kurioses aus dem Fliegeralltag

E-Book, Deutsch, 267 Seiten

ISBN: 978-3-8387-5347-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: Kein



Wie beruhigt man 20 orthodoxe Juden, die auf einem Flug von Frankfurt nach New York keinen Platz zum Beten finden? Wie befreit man eine korpulente Dame, die mit heruntergelassener Hose in der winzigen Flugzeugtoilette feststeckt? Und wie hält man ein frisch vermähltes Paar davon ab, die anderen Passagiere durch wilde Sexspiele zu belästigen? Als erfahrene Stewardess hat Claudia Busch so viele menschliche und technische Turbulenzen gemeistert, dass sie nichts mehr aus den Pumps haut. Hier erzählt sie die komischsten Geschichten aus ihrem abgedrehten Alltag als fliegende Saftschubse.
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DREAMS ...
So würde sie klingen, die fachmännische Ansage von mir, wenn, ja, wenn ich Flugbegleiterin wäre. Bin ich aber nicht. Ich bin Lehrerin. Demnächst, falls ich das Referendariat überhaupt überlebe. Und dann das Staatsexamen bestehe. Wenn ich im Anschluss daran verbeamtet werde und eine Planstelle ergattere, werde ich die nächsten einhundert Jahre Kinder mit Gruppenhusten unterrichten. Mindestens. Und das ohne wirkliche Begeisterung. »Was ist los mit dir, Süße?«, fragt Michael und lässt sich auf den Hocker neben mich plumpsen. Er zwinkert dem Barkeeper zweideutig zu, und keine Sekunde später stellt ihm dieser einen Prosecco auf Eis vor die Nase. »Und du? Noch ein Bier?«, fragt mich der Barkeeper und lässt Michael dabei keinen Moment aus den Augen. Ich nicke. »Hallo? Erde an Claudia! Was ist los?« Michael knufft mich in die Seite. Dem kann man aber auch gar nichts vormachen. Wir sind schon seit dem Sandkasten befreundet, seit damals, als er mir meine Arielle-die-Meerjungfrau-Barbie geklaut und niemals wieder zurückgegeben hat. Sie sitzt heute noch in seinem Schlafzimmer im Regal, wie eine Jagdtrophäe. »Nichts«, winke ich ab. »Kummer mit Gregor?« Ich schüttele den Kopf. »Schön wär’s«, murmele ich. Gregor ist mein Lebensgefährte, wie man heutzutage so schön sagt. Mein Freund. Er ist dreißig und somit fünf Jahre älter als ich. Ideal, hat meine Mutter entschieden. Wir sind seit fast drei Jahren ein Paar. Gregor ist Immobilienmakler und sehr erfolgreich, gerade jetzt, wo Waschbeton wertvoller ist als jede noch so sichere Rente. Gregor ist der Traumschwiegersohn schlechthin, ein Frauenversteher mit romantischer Ader, aber trotzdem sehr männlich. Der Beschützertyp. Vor vierundzwanzig Stunden hat Gregor höflich darum gebeten, mein zukünftiger Ehemann werden zu dürfen. »Spuck’s aus, Claudi! Irgendwas ist doch«, meint Michael treffend. »Wir waren gestern Häuser gucken«, wimmere ich. »Häuser?« »Ja, Gregor hat eine Mappe angelegt mit Objekten, die ihm zum Verkaufen angeboten wurden. Zwei davon, meint er, wären ideal für uns. Und die haben wir uns angeschaut.« »Und wo ist der Haken?« »Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht«, hauche ich schwach. Michael schweigt, schlürft an seinem Prosecco. Ich nehme einen großen Schluck Pils und unterdrücke ein Rülpsen. »Er möchte das Haus kaufen, für uns. Und nächstes Jahr im Mai will er heiraten. Und in zwei, drei Jahren soll das erste Kind kommen. Vorher könnten wir uns einen Hund anschaffen, hat er gesagt. Zum Üben.« »Wahnsinn.« »In der Tat«, sage ich. »Du bist meine erste Brautjungfer. Ich darf doch davon ausgehen, dass du kommst und rosa Wattebäuschchen schmeißt?« Michael lächelt. »Sag mir rechtzeitig vorher Bescheid, damit ich dann meine Off-Tage nehmen kann.« Ich blicke ihn von der Seite an. Michaels dunkles Haar glänzt, es ist wohl noch feucht von der Dusche. Braun gebrannt und entspannt sieht er aus. Er riecht sogar ein wenig nach Sonnenmilch, bilde ich mir ein. Wir haben Januar, und niemand braucht in Deutschland Sonnenmilch. »Wo kommst du eigentlich gerade her?« »Malediven. Es war traumhaft.« Er grinst breit. »Nur Margo meinte, sie müsse die Paxe erschrecken. Kurz vor der Landung schaute sie auf die Tragfläche und schrie: ›Was ist denn das?‹ Sie hat sich kaputtgelacht. Aber die Paxe fanden das weniger witzig.« Ich kichere. Die Paxe, das weiß ich inzwischen aus all den farbenfrohen Erzählungen von Michael, sind die Passagiere. »Wie geil! Ich kann es mir bildlich vorstellen.« »So lustig war das gar nicht. Wir hatten einen Mann dabei, der litt unter extremer Flugangst. Er hat den ganzen Flug über in eine Papiertüte geatmet. Ich glaube, der ist fast gestorben. Ich kann Margo ja verstehen – ein wenig Spaß muss sein –, aber doch nicht, wenn jemand beinahe einen Herzinfarkt bekommt! Auf dem Rückflug wollte doch tatsächlich jemand …« Und dann fängt er an zu erzählen. Michael ist Flugbegleiter bei BlueSky International. Er hat drei Semester Design studiert, dann hat er sich bei BlueSky beworben. Das ist jetzt fast vier Jahre her, und seitdem beneide ich ihn. Aber nur heimlich. »Über den Wolken«, summe ich gedankenverloren, »muss die Freiheit wohl grenzenlos sein …« »Du gefällst mir gar nicht«, sagt Michael. »Eigentlich müsstest du doch überglücklich sein. Der Traum aller Heten geht für dich in Erfüllung. Habt ihr euch schon für ein Haus entschieden? Darf ich mit dir das Brautkleid aussuchen? Sag bitte bitte ja!« »Ich habe aber noch gar nicht ja gesagt.« »Dann mach es jetzt. Ich werde auch alles für dich tun, sogar die Einladungskarten entwerfen. Und eine Kutsche, ihr braucht unbedingt eine Kutsche!« »Michael, ich habe zu Gregor noch gar nicht ja gesagt.« »Was?« Er starrt mich an, sodass ich instinktiv über meinen Mund wische, um das zu entfernen, was dort hängen könnte – ein Bierschaumbärtchen zum Beispiel. »Du hast noch nicht ja gesagt? Wieso nicht?« Tja. Wieso nicht? Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit. Eigentlich sollte ich superdupermegaglücklich sein. Ich habe studiert, stehe kurz vor dem Abschluss und werde wahrscheinlich an meiner bisherigen Schule bleiben können und Beamtin auf Lebenszeit sein. Und ich habe einen Heiratsantrag von dem Mann erhalten, den ich liebe. Das tue ich doch – oder? »Ich weiß nicht, ob ich ihn liebe«, gestehe ich leise. »WIE BITTE?«, brüllt Michael so laut, dass der Barkeeper guckt. »Na ja, also, natürlich liebe ich ihn. Gregor ist echt ein Schatz. Wirklich. Und wir streiten uns auch nie. Wir haben keine Auseinandersetzung, noch nicht mal darüber, was es am Sonntag zu essen geben soll. Er würde mir die Sterne vom Himmel holen, ohne Leiter und so. Das weiß ich alles. Aber …« Ich stocke. »Du als zukünftige Lehrerin müsstest doch wissen, dass alles, was vor einem Aber steht, nichts gilt. Also – was aber?« »Ich bin zu jung.« »Aber du musst dir doch nicht gleich ein Baby andrehen lassen, Liebes.« »Nein, ich bin für das alles zu jung. Zum Heiraten, zum Dreißig-Jahre-lang-einen-Job-Ausüben, oder, was viel wahrscheinlicher ist, siebzig Jahre, wenn die Politiker so weitermachen. Zum Haus-Kaufen. Und für den Hund bin ich auch zu jung. Ich will Abenteuer, Freiheit, was erleben.« Ich hole tief Luft und spreche zum ersten Mal aus, was ich schon länger denke. »Ich will so leben wie du.« Michael sieht mich mit skeptisch hochgezogener Augenbraue an. »Ist das jetzt die komische Version eines Outings?« »Herrgott. Nein! Ich bin immer noch sehr, sehr hetero, zumindest ist das Stand des heutigen Tags, aber ich will Flugbegleiterin werden. Die Welt sehen. Reisen. Globetrotten. Stempel im Pass sammeln, mit unterschiedlichen Menschen zu tun haben und all das!« »Aha.« Es gab in den gemeinsamen Jahren unserer Freundschaft nur sehr wenige Augenblicke, in denen Michael sprachlos war. Dies ist einer davon. Meine Mutter reagiert ganz anders. »Was willst du? Hast du Drogen genommen? Komm mal her, vielleicht ist es Fieber.« Sie zieht mich an sich und drückt mir die Hand auf die Stirn. Währenddessen brabbelt sie unentwegt weiter. »Ich habe von einem Meningitisfall in der Stadt gehört, vielleicht hast du dich angesteckt? Hast du Streit mit Gregor? Das gibt sich wieder. Gregor ist so ein Netter, der wird dir das verzeihen, was auch immer du getan hast«, sprudelt es aus ihr heraus. »Mutter«, sage ich betont ruhig und langsam. »Ich habe kein Fieber, und ich habe auch keinen Streit mit Gregor.« »Noch nicht«, wispert Michael, den ich als moralische Unterstützung mitgenommen habe. Ob das so eine gute Idee war, wird sich erst noch zeigen. »Na, dann ist ja gut«, seufzt meine Mutter, lässt von mir ab und drückt sich theatralisch die Hand aufs Herz. »Dann ist das nur ein kurzer Moment der Unsicherheit, bevor du in den Stand der Ehe trittst.« »Woher weißt du das?« Ich starre sie fassungslos an. »Das habe ich doch noch niemandem –« »Gregor.« Sie strahlt. »Und er hat mir auch das Exposé von eurem Haus gezeigt. Das wird so schön!« »Mutter, ähm …« Ich fange einen Blick von Michael auf, der mir unmissverständlich klarmacht, dass in dieser Situation keine Ausreden gelten. Na gut, dann halt auf die herkömmliche Art: Pflaster ab und weiter im Text. »Also, ich mach es kurz: Ich werde Gregor nicht heiraten, und wir werden auch nicht in das Haus ziehen.« »Aber –« »Ich möchte etwas anderes machen in meinem Leben. Etwas Aufregendes. Ich möchte kein langweiliges, spießiges Leben, ich möchte Abenteuer erleben. Und fremde Länder sehen. Und all das.« »Aber ihr könnt doch reisen. Als Lehrerin hast du doch so viel Urlaub. Da könnt ihr doch fahren, wohin ihr wollt. Ich nehme auch den Hund.« »Welchen Hund?« »Gregor möchte doch einen Hund. Hat er mir letzte Woche verraten.« »Aha. Mir hat er es erst gestern gesagt.« Plötzlich ist mir ganz klar, dass ich mich dringend von Gregor trennen muss, bevor mich die Erkenntnis trifft, in einer Partnerschaft gefangen zu sein, die maßgeblich von meiner Mutter...


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