Chydenius / Prollius | Ausgewählte Texte | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 214 Seiten

Chydenius / Prollius Ausgewählte Texte

Reformer, Ökonom, Geistlicher
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8192-1949-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Reformer, Ökonom, Geistlicher

E-Book, Deutsch, 214 Seiten

ISBN: 978-3-8192-1949-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
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Lange stand der schwedisch-finnische Reformer, Ökonom und Geistliche Anders Chydenius (1729-1803) im Schatten bekannterer Namen wie Adam Smith. Dieses Buch bringt die Stimme des frühliberalen Reformers ins Deutsche: übersetzte Originaltexte, historische Anmerkungen und ein Blick auf Chydenius' Zeit machen deutlich, wie aktuell seine Gedanken zu Meinungsfreiheit, gesundem ökonomischen Denken und praktikablen Reformen heute noch sind. Eine Einladung zur Wiederentdeckung des vergessenen Revolutionärs der Freiheit. «Vorschriften, Verordnungen, ausschließliche Privilegien, Verbote aller Art bis hin zu offenkundigem Neid zwischen Staaten und Bürgern sind die Schritte, mit denen Schweden beschlossen hat, die Spitze seines Glücks zu erklimmen. Was für eine sinnlose Verkomplizierung und vergebliche Anstrengung!» (Anders Chydenius, 1765.)

Anders Chydenius (1729-1803), finnisch-schwedischer Vordenker der Aufklärung, Pionier wirtschaftlicher und politischer Freiheit.
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ZEITGENÖSSISCHE EINORDNUNG


Anders Chydenius war eine besondere Persönlichkeit. Ein echtes Landei und ein Kleriker, der weitaus mehr Intellekt, Gerechtigkeitsgefühl und Verantwortungsbewusstsein besaß als erforderlich für die Ausübung seines Berufs.

Ich halte es für angemessen, Anders Chydenius im Kontext seiner Zeit zu betrachten statt ihn darüber hinaus zu ikonisieren. Seine Schriften enthalten Formulierungen, die Carl G. Uhr veranlassten, ihn als finnischen Vorgänger von Adam Smith zu bezeichnen.2 Das ist unzutreffend und wird weder dem Schotten noch dem Finnen gerecht.

Oberflächlich betrachtet lässt sich mit Eli F. Heckscher3 eine «verblüffende Ähnlichkeit» zwischen den Vorstellungen beider — Smith und Chydenius — über eine soziale Gesellschaft konstatieren. Das würde indes auch für eine Reihe anderer Frühliberaler gelten von denen Chydenius seine Auffassungen über Wirtschaft und Gesellschaft übernommen und dann zugespitzt hat.

Chydenius war kein Theoretiker, hatte sich selbst gebildet, alle wesentlichen Auffassungen von seinen Zeitgenossen übernommen und ging nur punktuell darüber hinaus durch seine konsequente, grundsätzliche, zuweilen als radikal, also grundsätzlich bezeichnete Art. Die Ideen lassen sich auf konkrete Herausforderungen in Finnland und Schweden zu seinen Lebzeiten beziehen. Das verwundert nicht, nahm Chydenius doch an Debatten seiner Zeit engagiert teil.

In Schweden entwickelte sich seit den 1720 er Jahren eine Denkrichtung, die den Merkantilismus kritisierte. Diese utilitaristische Denkrichtung oder Schule wurde als «Reform-Merkantilismus» bezeichnet. Am Anfang stehen Persönlichkeiten und Autoren wie Christopher Polhem (1661-1751), Emanuel Swedenborg (1688-1772) und Lars Salvius (1706-1773), die bereits den Dirigismus der regierenden Fraktion der «Hüte» kritisierten — die Gegenfraktion hieß «Kappen». Gegenstand der Kritik zur Zeit von Chydenius war die Privilegierung der Manufakturen zum Nachteil der Landwirtschaft. Hierbei stachen Autoren hervor wie etwa Anders Nordencrantz (1697-1772), den Chydenius explizit als herausregenden Lehrer ansah, ferner Carl Leuhusen und Per Stenhagen sowie die finnischen Brüder Edvard Fredric und Ephraim Otto Runeberg.4 Auch hier gilt, dass die Kritik kaum kohärent ökonomisch theoretisch fundiert war, sondern sich durchdacht auf politische Missstände richtete. Chydenius wird den schwedischen «Reform-Merkantilisten» zugerechnet. Sein Eintreten für Freihandel, freie Marktwirtschaft, solides Geld, komparative Vor teile und seine Ablehnung von Subventionen und einer damaligen Form von Industriepolitik lassen ihn in Verbindung mit seinem Eintreten für politische Freiheiten eher als Frühliberalen erscheinen. Manches erinnert an eine ordoliberale Weltanschauung.

Nur sehr spärlich finden sich in den Schriften von Chydenius explizit Hinweise auf andere ökonomische Autoren, die er gelesen hatte. Seine Lektüre umfasste auch die namhaften Philosophen seiner Zeit, darunter Montesquieu, Voltaire, Hume und Mandeville.

Konsequent


Chydenius gilt als jemand, der die reformerischen Ideen seiner Zeit in Schweden besonders grundsätzlich und konsequent vertrat. Er ging an die Wurzeln der Probleme, d. h. er verhielt sich radikal (radix, die Wurzel). Chydenius kritisierte

  • wirtschaftliche Regulierung durch den Staat und schloss darin seinerzeit ungewöhnlicherweise auch die Landwirtschaft ein,
  • die merkantilistische Auffassung, nur der Staat könne ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Branchen und ihren Produkten herstellen,
  • die beschränkte Rechte von Bediensteten und Arbeitern und forderte stattdessen freie Verträge zwischen Herren und Dienern, da alle Bürger frei seien,
  • die Zensur, die unwirksam und schädlich zugleich die Wissensmehrung des Landes beschränkte,
  • die Korruption, welche er als wesentlich für ein staatliches Privilegien- und Monopolsystem ansah und insbesondere die Händler in Stockholm begünstigte,
  • das Finanzsystem mit seinem inflationären Papiergeld und forderte stattdessen wertbeständiges, gedecktes Geld (Silberstandard),
  • und besonders prominent die Handelsbeschränkungen und forderte stattdessen insbesondere freie Stapelrechte für finnische Hafenstädte. Arbeitsteilung sah er nicht nur innerhalb eines Landes als positiv für den Wohlstand an, sondern über die Grenzen hinaus durch den Handel mit Ausländern.

Aufgrund seiner radikalen, d. h. konsequent grundsätzlichen Eintretens für wirtschaftliche Freiheit und gegen politisch-ökonomische Privilegien und deren Profiteure, wurde Chydenius vom Reichstag 1766 abberufen. Stein des Anstoßes war seine Forderung nach einer grundlegenden Reform des Finanzsystem, das er in einer umfangreichen Schrift darlegte («Ein Heilmittel für das Land durch ein natürliches Finanzsystem» vom 11. Juni 1766). Er konnte nach diesem Ausschluss nicht am nächsten Reichstag 1769 teilnehmen. Sein Ausschluss war ein erheblicher Dämpfer für seine politische Karriere und er nahm erst wieder 1778 /79 teil und noch einmal am sehr kurzen Reichstag 1792.

Anders Chydenius entwickelt eine grobe Theorie des komparativen Vorteils im internationalen Handel, ähnlich wie sein Zeitgenosse Josiah Tucker in England und später grundlegend Adam Smith. Jedes Land solle das exportieren, wofür es am besten geeignet ist.

Den Schlüssel für Wohlstand sah er indes in Vollbeschäftigung, ohne Manufakturen exklusive Privilegien zu gewähren. Das galt auch im Vergleich mit anderen Ländern: Schweden solle seine billigen Arbeitskräfte und reichlichen Rohstoffe als «komparativen Vorteil» nutzen. So würde sich Vollbeschäftigung im Inland mit steigenden Exporten verbinden.

Obwohl zeitgemäß und wegweisend erweckt Chydenius den Eindruck, einem folgenschweren und heute noch dominierenden Irrtum zu unterliegen: Exporte sind kein nationaler Gewinn und Importe keine nationaler Verlust, wenn diese die Exporte übersteigen. Der Wohlstand wird durch den Import von Waren für die sie nutzenden Menschen erhöht. Deshalb ist ein Wohlfahrtsziel: Import. Zudem wird die Handelsbilanz per se durch die Kapitalbilanz (nahezu) ausgeglichen. Ein vermeintlicher Verlust durch vermeintlich zu hohe Importe steht fast automatisch ein tatsächlicher Gewinn durch Kapitalimporte gegenüber, die die Kapitalexporte übersteigen.

Geradezu erstaunlich ist indes sein Verständnis der Entstehung und Verbreitung von Wissen und der Funktionsweise von Wissenschaft. Ersteres regt zu Querverbindungen an in Richtung von Friedrich von Hayeks berühmtem Aufsatz «Use of Knowledge in Society» (1945).

Theologie und Moralphilosophie


Chydenius schreibt über «natürliche Freiheit» und dem «Recht des Einzelnen auf Glück». Grundlage dafür sei ein göttliches Naturrecht, denn «natürliche Freiheit» wurde von Gott geschaffen. Sobald ein Mensch nach Freiheit strebt, erfülle er somit Gottes Plan.

Zugleich hat Chydenius damit eine Grundlage für seine Kritik an der Masse der Wirtschaftsgesetzgebung seiner Zeit gelegt, weil sich der Mensch nicht in die natürlichen Dinge einmischen soll. Das schließt unnatürliche Privilegien für Manufakturen und Einschränkungen von Export ein. Diese radikale Auslegung der auf dem Naturrecht basierenden Moralphilosophie, die rechtlich von Hugo Grotius und Samuel von Pufendorf im 17. Jahrhundert entwickelt worden war, ist gleichsam das Markenzeichen von Chydenius. In Turku war Carl Fredrik Mennander sein Philosophielehrer, der Naturrecht und die Gleichheit der Menschen qua Geburt lehrte. Ungleichheiten resultierten aus Verträgen, die Menschen in ihrem Leben miteinander schlossen, nicht aus ein natürlichen Schichtung der Gesellschaft.

Eine andere Ursache für die Beschränkung und Kontrolle der Staatsmacht liegt für Chydenius in einer gleichermaßen negativen wie realistischen Menschensicht. Der Mensch sei von Natur aus frei, vernunftbegabt und werde von egoistischen Interessen und Leidenschaften angetrieben.

Seine theologische Prägung kommt auch zum Ausdruck, indem er harte Arbeit als Mittel zur Steigerung des Wohlstands befürwortete und Luxuskonsum als Prahlerei unheilvoll ansah.

Finnland und Schweden im 18. Jahrhundert


Finnland bestand aus mehreren Provinzen, die seit dem Mittelalter zu Schweden gehörten und legislativ, administrativ und politisch vollkommen integriert waren. Erst 1809 unter russischer Herrschaft entstand ein autonomes finnisches Großherzogtum. Im Vergleich zu dem schwedischen Hauptland verfügte Finnland über eine geringe Zahl von Städten mit Stapelrechten, ohne die keine Waren auf eigenen Schiffen direkt in ausländische Häfen exportiert werden durften.

Im Großen Nordischen Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum verlor Schweden 1721 seinen Großmachtstatus, währen Russland im selben Jahr ein Kaiserreich wurde.

Schweden behielt sein mehrere Jahrhundert altes System der vier Stände bei mit Adel,...



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