E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Cohen Falscher Garten
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-903061-99-6
Verlag: Septime Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-903061-99-6
Verlag: Septime Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Valverde, Ex-Knacki und Serienmörder, versucht sich im Berliner Villenviertel Grunewald eine neue Existenz aufzubauen. Kein einfaches Unterfangen für einen von der Liebe ergriffenen Soziopathen mit einer Passion für Kunst und Gerechtigkeit! Er bemüht sich redlich als Liebhaber der Berliner Journalistin Susa und Schummeldaddy ihrer drei Kids. Seinen Job als Gärtner hat er an den Nagel gehängt, nicht zuletzt, weil er fünf seiner korrupten Auftraggeberinnen ermordet und kunstvoll entsorgt hat. Obwohl ihm die Szene zuwider ist und ein geschundenes Knie ein seriöses Handicap zu werden droht, hält er tapfer durch. Langfristig aber braucht er eine andere Perspektive. Cannabis oder Vanille, das ist hier die Frage!
In die Quere kommt ihm sein leicht bizarrer Drang nach Gerechtigkeit. Als die Frau des benachbarten Schokoladenfabrikanten verschwindet, begibt sich Valverde auf ihre Fährte. Luxusescorts, aztektische Götter, Magic Mushrooms und zugedröhnte Kaninchen kreuzen dabei seinen Weg.
Obwohl sich Valverde an Recht und Gesetz zu halten versucht, obsiegt sein archaisches Verlangen nach Rache. Allerdings macht er sich dieses Mal nicht selbst die Hände schmutzig.
Autoren/Hrsg.
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Die Kellnerin lief mit einem Teller Apfelstrudel nah an Hubertus vorbei. Hubertus schnupperte begierig. »Apfelstrudel! Der riecht fast wie zuhause bei meiner Mutter. Gestern aber, du kannst dir nicht vorstellen, was für ein widerliches Zeug die uns bei der Veranstaltung serviert haben. Meine Mutter hätte die Köche vermutlich verdroschen … Kadaver und jetzt noch Apfelstrudel!« Valverde ließ Hubertus’ Lamento an sich vorbeirauschen, seine Ohren machten den Lärm ohnehin nicht mehr mit. Geschirrklappern, Gekicher und Geflöte, das war zu viel für ihn. Sein Pfeifen im Ohr wurde zur Kakophonie. »Valverde! Valverde!«. »Sorry«, sagte er, »ich muss mal eben.« Er stand auf und ging Richtung Toilette. Die Moralratte hatte Futter, und er würde alles daransetzen, diesen Ausbeutern einen Strich durch die Rechnung zu machen. • Valverde rieb sich den Nacken und versuchte, seine verspannten Muskeln zu lockern. Er pinkelte versonnen in das gelblich verfärbte Urinal und überlegte, wie er seinen Plan umsetzen würde. Hubertus ging ihm auf den Keks. Er wollte einfach nur zurück zu Susa und diesen fiesen kleinen Nager in seinem Herzen besänftigen. Wenn er sich im Einstein bloß aus dem Staub machen könnte! Aufs Klo und auf Nimmerwiedersehen! Ab über die Feuerleiter in einen nach heißem Asphalt und räudigen Hunden stinkenden Hinterhof. In New York würde das jetzt genau so passieren, aber Berlin war natürlich wieder eine Sondernummer. Kräutergärtchen und Kinderwagen zum Preis einer gebrauchten Moto Guzzi. Er hätte den Deal mit Ali doch eingehen sollen. Die Guzzi war ein Träumchen! Mit ’ner Ducati hätte er aber richtig Feuer unter dem Arsch. Susa mit auf den Bock und ab an die Ostsee! Was anderes blieb einem in dieser Capitale della merda gar nicht übrig. Jetzt aber galt: Hauptsache weg von diesem alten Nörgler! Aber nein, kaum hatte er die Herrentoilette verlassen, fing ihn Hubertus sofort ab. Herrentoilette! Als hätten diese stinkenden Kloschüsseln diesen Namen verdient. Blütenweiße Hemden, manikürte Pfoten, aber die Pisse, die Pisse roch überall gleich. Stechend, schwefelig. Baff! Eins von diesen Zündhölzern würde genügen, um die Bude in die Luft zu jagen samt all ihrer Anzugträger. Hubertus klopfte Valverde aufmunternd auf die Schulter und drängelte: »Los, Junge! Weiter geht’s! Wir genehmigen uns jetzt einen Drink in der Victoriabar! Mein Gott, wie lange war ich da schon nicht mehr? Na, was kiekste so? Ist dir ’ne Laus über die Leber gelaufen oder hat dir einer zu lange auf den Schwanz gestarrt?« Hubertus krümmte sich vor Lachen. Valverde nutzte die Gelegenheit und fummelte sein Handy aus der Jackentasche. »Du, ich glaub, Susa …«, haspelte er. »Susa, Susa, sag mal, hast du eigentlich noch irgendetwas anderes im Kopf? Seit wann stehst du denn so unter ihrer Fuchtel?« Valverdes Augen blitzten giftig. »Oh, oh«, Hubertus hob abwehrend die Arme, »ist ja gut, Brauner! Ha, Brauner! Oder soll ich lieber Kahli sagen? Deine Haare kann man ja auch bald an einer Hand abzählen.« Hubertus strich Valverde über das blanke Haupt und lächelte mitleidig. »Sag mal, was hast du dir denn eingeworfen?«, Valverde klang inzwischen bedrohlich. Hubertus ruderte einen Schritt zurück und besänftigte seinen Kumpel. »Susa ist ein Schatz, weiß ich doch! Aber«, er scharrte mit dem Fuß wie ein alter Gaul und blickte ihn todtraurig an, »hast wohl vergessen, dass ich heute Geburtstag habe.« »Mensch, Junge, warum sagst du denn nichts?« Valverde blickte Hubertus schuldbewusst an und schlug ihm vor: »Lass uns zu mir fahren und ich koch dir dein Leibgericht, hm? Wie wär’s? Schnitzel mit lauwarmem Kartoffel-Gurken-Salat?« »Und die drei Blagen plärren mir die Ohren voll! Nee, danke, heute bestimme ich mal, wo’s langgeht. Susa und die Kids hin oder her! Und …«, er hob mahnend den Zeigefinger, »keine Widerrede!«. Er hakte sich bei Valverde unter und zog ihn auf das Trottoir. »Taxi!« Mit einem Satz war Hubertus auf der Fahrbahn und stoppte den nächstbesten freien Wagen. Valverde war erstaunt über Hubertus’ Gelenkigkeit. Vielleicht lag es daran, dass der alte Krauderer doch immer wieder bei den Frauen punktete. Erst letzte Woche hatte er von seiner kubanischen Eroberung geschwärmt. Getänzelt hatte er und mit den Fingern geschnippt und dann auch noch Gainsbourgs Couleur café, J‘aime ta couleur café angestimmt, mit einem fürchterlichen deutschen Akzent allerdings. Valverde lugte mitleidig zu Hubertus hinüber, als er sich neben ihn auf die Rückbank des Taxis zwängte. Auf seinen französischen Akzent bildete er sich fast ein bisschen was ein. Nicht dass er so eine bescheuerte Es-prickelt-so-schön-in-meine-Bauchnabel-Story erlebt hätte. An die kleene Tigerin mit ihren cyclamroten Krallen und diesem gurrenden-schnurrenden Je t‘aime, mon p‘tit Val dachte er aber doch ganz gern zurück. Wie sie sich räkelte und mit den falschen Wimpern klimperte … »Stop! Sagen Sie mal, kennen Sie denn die Victoriabar nicht! So halten Sie doch an!« Hubertus tippte dem Fahrer auf die Schulter. Erschrocken riss sich dieser die Airpods aus den Ohren und grummelte etwas Unverständliches vor sich hin. »Macht dann 18,95«, sagte er und blickte misstrauisch in den Rückspiegel. Hubertus saß seelenruhig da und rührte sich nicht vom Fleck. Der Fahrer rieb sich den akkurat getrimmten Bart und wiederholte in nun wesentlich schärferem Ton: »18,95«. Hubertus pfiff, den Blick auf den gegenüberliegenden Winterpalast gerichtet, den Titelsong von Berlin Babylon, einer Serie, in die er vernarrt war. Auch Susa konnte sich stundenlang eine Episode nach der anderen ansehen, während Valverde ihr die Füße massierte und durch das Fenster argwöhnisch zu den Ballenbergs hinüberschielte. »Stimmt so«, sagte Valverde und hielt dem Fahrer einen Zwanziger hin. Er zog Hubertus am Ärmel aus dem Wagen und konnte es sich nicht verkneifen, zu fragen, ob er im Einstein die Zeche geprellt habe. »Sag mal, hast du sie noch alle!? Wo denkst du hin!«, antwortete Hubertus empört. »Dieser Genosse, du weißt schon, der Lobbyist, der mir neulich einen Job angeboten hat, ist großzügiger als ich dachte. Kleiner Geburtstagsgruß von der Partei.« Die Tür zur Bar öffnete sich und eine Blondine im himbeerfarbenen Hosenanzug torkelte lachend am Arm eines kleinwüchsigen Kahlkopfes ins Freie. Hubertus stieß Valverde mit dem Ellbogen in die Seite und flüsterte: »Die wäre was für mich! Was will die denn mit diesem Zwerg?« Fiese eisblaue Husky-Äuglein blitzten in seine Richtung. Valverde machte eine beschwichtigende Handbewegung und zog Hubertus vorbei an den vollbesetzten Ledersofas an die Bar. Er atmete tief den Geruch nach Whiskey, gesalzenen Erdnüssen und einer Melange aus ledrig-holzigen Parfums ein. Fast nur Männer saßen auf den Barhockern und klammerten sich an ihren Cocktails fest wie Schulmädchen an einem Lakritzstengel. Waren das noch Zeiten, als Valverde, Barfly von Gottes Gnaden, lässig auf einem Hocker saß, umhüllt von Pfirsich-Patchouli-Wolken, klebrige pinkfarbene Lippenstiftabdrücke auf den Wangen. Damals war es ihm noch ein Anliegen, auf charmant-galante Art den Mädels eine Einführung in die Kopf-, Herz- und Basisnoten zu geben, über Aldehyde, Veilchen- und Rosendüfte zu parlieren und dabei im rechten Moment natürlich den Online-Parfumhandel zu erwähnen, den ein Kumpel auf die Beine gestellt hatte. Valverde war damals der Lockvogel, saß in Cafés und Bars und machte Werbung für den Laden. Eine ganze Weile lief das wie am Schnürchen, bis sich herausstellte, dass der Laden mehr Geld wusch, als Kosmetika vertickte. Außerdem ließ sein Kumpel Leo weit mehr in die eigene Tasche wandern als in die Brieftaschen der Kiezgrößen, die schwer in das Geschäft investiert hatten. Die Moral von der Geschicht war: Lieber Jod als tot! Die Kiezbosse hatten ihnen ganz schön die Fresse poliert und sich den Online-Handel schließlich komplett selbst unter den Nagel gerissen. »Ah, wie hat mir das gefehlt!« Hubertus breitete die Arme aus und klopfte mit der flachen Hand auf den Tresen. Der Barkeeper drehte sich nach Hubertus um, überlegte einen Moment, ob er ihn ignorieren solle, entschied sich dann aber für einen festen männlichen Händedruck. »George, das ist mein Freund Val! Heut geht alles auf ihn. Sag Happy Birthday, und mach uns zwei Wodka Sour!« Er beugte sich über den Tresen, zog den Barkeeper an seinem blütenweißen Hemd und flüsterte: »Aber den guten Wodka, hörst du? Nicht dieses Billigzeugs, das ihr diesen Banausen serviert.« George blickte ihn pikiert an, eine harsche Entgegnung bereits auf den Lippen. »Scherz, Alter, Scherz.« Hubertus prustete vor Lachen und griff in eine Schüssel mit Erdnüssen. Er hielt Valverde einen Drink hin, prostete ihm zu und stürzte den Wodka in einem Zuge hinunter. »Noch zwei«, rief er George zu und schnappte sich den erstbesten Barhocker. Das blonde Bürschchen neben ihm faselte etwas von Toilette und zog es mit einem Seitenblick auf Valverde vor, seinen Platz zu räumen. Wahrscheinlich hielt der Lackaffe ihn für einen Bodyguard und fürchtete um seine Designerbrille, die er sich einem Diadem gleich ins Haar gesteckt hatte. »Haste das gesehen?« fragte Hubertus und schob sich zwei Oliven in den Mund, »der Robert Pfaller hat schon recht mit seiner infantilen Gesellschaft. Diese Bubis haben einfach keinen Mumm in den Knochen! Kaum steht einer wie du vor ihnen, ziehen sie den Schwanz ein und gehen scheißen.« Valverde rollte mit den Augen. Jetzt fängt er wieder mit diesem österreichischen Slang an, bloß, weil er als Kleinkind ein paar Jahre im Salzburger Land verbracht hatte. »Ständig müssen sie gepampert werden, ständig haben sie Angst vor Gott und der Welt! Den Hintern versohlen müsste man diesen verzärtelten...