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E-Book, Deutsch, 0 Seiten

Coney Flut

Roman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-641-15080-8
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

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ISBN: 978-3-641-15080-8
Verlag: Heyne
Format: EPUB
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Wettlauf gegen die Zeit

Arkadia ist ein erdähnlicher Planet, aber zu neun Zehnteln von Wasser. Alle 52 Jahre stehen die sechs Monde des Planeten in einer Reihe. Dann werden die Küsten des kleinen Kontinents von einer gewaltigen Springflut heimgesucht - doch das ist noch nicht alles: Bei der letzten Flut geschahen in den Küstenstädten rätselhafte Dinge. Die sonst so friedlichen Kolonisten gerieten aneinander, es gab Mord und Totschlag, nur wenige Siedler überlebten den Aufruhr, und sämtliche Küstenstädte brannten nieder. Die Aufzeichnungen sind spärlich, aber die Wissenschaftler vermuten, dass die Ursache für die plötzliche Aggressivität in einer Besonderheit der arkadischen Ökologie liegen muss. Die nächste Flut steht kurz bevor, die Nervosität wächst, es kommt zu den ersten Aggressionen – aber die Forscher tappen noch immer im Dunkeln, und die Zeit wird knapp …

Michael Coney wurde 1932 in Birmingham geboren und besuchte die King Edward's School. Er wurde zunächst Buchhalter, übte dann eine Reihe unterschiedlicher Berufe aus: Unter anderem betrieb er ein Pub in Devon, später leitete er ein Hotel auf der Karibikinsel Antigua. Anfang der Siebzigerjahre siedelte er mit seiner Familie nach Kanada über und wurde Feuerwächter der Columbia Forestry Commission. Seit 1966 schrieb er Science Fiction, mit seinen grandiosen Schilderungen außerirdischer Welten wurde er schnell zu einem der zentralen Autoren der Siebziger und Achtziger. Die beiden „Pallahaxi“-Romane gelten als seine bedeutendsten Werke. Michael Coney starb 2005 an Krebs.
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1. Kapitel


Die dunkle See war ganz ruhig, und kleine Wellen schlugen in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne gegen das Schiff. Die Ruderpinne in meiner Hand rührte sich ein wenig, leicht angeschubst von den Wellen, und zitterte zum gedämpften Tuckern des fünfeinhalb PS-Außenbordmotors. Es herrschte schwacher Wind, gerade ein leichter Hauch auf unseren Gesichtern, als Jane und ich in geselligem Schweigen im kleinen Cockpit der Karussell saßen. Über uns schwang schlaff die Spiere zum einschläfernden Schaukeln des Bootes; nachlässig aufgerollte Segel hingen herab. Ich mag die alten Segelboote. Und sie haben noch ihren Platz, trotz allen Fortschritts, wie ja so oft von den Fischern von Riverside angesichts der neuen Luftkissentrawler behauptet wird, die sie sich selbst nicht leisten können. Es dauert viele Generationen, ehe eine neue Kolonie den Lebensstandard der Erde erreicht hat …

Im Süden kroch der letzte der arkadischen Monde auf den Horizont zu. »Da geht Gimel hin«, bemerkte ich. Meine Stimme klang laut in der Abendstille.

Jane sah sich um und blickte nach der kleinen Silberscheibe. »Ist ein merkwürdiges Gefühl«, sagte sie. »Ich bin neunzehn Jahre alt und habe noch keine Nacht ohne Mond erlebt. Ich kann es mir gar nicht vorstellen. Einfach nur ganz schwarz. Ohne etwas da oben.« Ein Drachenkäferchen – ein winziger, glühender Käfer an einem dreieckigen schimmernden Gewebe hängend – segelte am Mast vorbei.

»Es sind ja immer noch die Sterne da«, erinnerte ich sie.

»Das ist nicht das Gleiche. Es hat so etwas … Endgültiges an sich, den letzten Mond untergehen zu sehen. Als ob alles zu Ende wäre.«

Ich lachte. Jane hatte eine Tendenz zu übersteigerter Phantasie. »Denk dran, auf der anderen Seite der Welt stehen alle sechs Monde. Und morgen werden sie über uns stehen. Du siehst sie nur nicht im Tageslicht. Aber wir wissen, dass sie da sind …«

»Du meinst die Gezeiten?«

»Ich denke, wir sind darauf vorbereitet.«

Nichtsdestotrotz war ich besorgt. Die Monde von Arkadia beschreiben unregelmäßige Bahnen: Das Phänomen, das in den nächsten paar Wochen eintreten würde, trat nur alle zweiundfünfzig Jahre auf. Wir konnten nur hoffen, dass alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden waren. Eine weitere Komplikation stellte die Skizzenhaftigkeit aller Aufzeichnungen dar, die die vorherigen Male beschrieben. Ich bin Arkadier der fünften Generation. Der Planet, der zu neunzig Prozent aus Wasser besteht und nur einen einzigen äquatorialen Kontinent besitzt und ein paar verstreute Inseln, wurde von der Erde vor hundertdreißig Jahren kolonisiert. Ich bin zweiunddreißig Jahre alt und war noch nie Zeuge dieser einzigartigen Konstellation der sechs Monde.

Einige der älteren Mitglieder der Siedlung von Riverside erinnern sich, aber sie sind auf merkwürdige Weise verschwiegen. Alles, was man weiß, ist, dass es unerklärliche Ausschreitungen und Überschwemmungen gegeben hat. Einige der ältesten hatten seltsame Theorien. Sie sprachen von einem Werwolfeffekt – Gott weiß, wer auf die Idee gekommen ist, aber sie entsprang sicherlich der reinen Phantasie. Vor ein paar Wochen hatte ich mich mit Jed Spark im Clubtreff darüber unterhalten. Er ist sechzig Jahre alt, Arkadier der dritten Generation, und er spricht mit einer Autorität, die aus seinem Greisenalter erwächst.

»Es ist einleuchtend«, sagte er. »Wenn du alle sechs Monde nebeneinander reihst, so hat das eine Auswirkung auf das Denken der Leute. Die Gravitation zerrt am Gehirn; sie verdreht es. Ich erinnere mich – ich war damals noch ein Kind –, dass es das letzte Mal ungefähr um die Weihnachtszeit geschah. Meine Leute übergaben mir ein Geschenk, ein großes Paket. Ich sah es an und sah sie an, und plötzlich wusste ich, was in der Verpackung drin war. Als ich sie öffnete, stellte sich meine Annahme als richtig heraus; es war eine altmodische Eisenbahn mit einer roten Lokomotive, die von der Erde importiert worden war. Es muss sie ein Vermögen gekostet haben. Aber das Gefühl, das Ding durch das Geschenkpapier hindurch erkannt zu haben, warf mich ein bisschen aus der Bahn, das kann ich Ihnen sagen.« Er schauderte theatralisch und ließ sich für die geistige Erschöpfung ein Bier ausgeben.

Damals hatte ich gelächelt, aber vor ein paar Wochen kamen vier Männer in der Forschungsstation an. Ich kannte einen von ihnen flüchtig, einen Mann namens Arthur Jenkins; ich hatte ihn bei einem Wissenschaftskongress vor neun Monaten getroffen. Obwohl unsere Gebiete völlig entgegengesetzt sind, hatten wir eine interessante Unterhaltung während eines besonders langweiligen Vortrags. Ich bin Meeresbiologe, und er findet diesen Forschungsbereich faszinierend – ich habe ihn während der letzten zwei Wochen jedoch kaum gesehen. Arthur und seine Männer bilden offensichtlich eine Art Team, und der Gegenstand ihrer Forschungen ist geheim. Eines weiß ich – Arthur ist Psychiater, was vermuten lässt, dass sie uns, die Leute von Riverside, untersuchen und unsere Reaktion auf das Zweiundfünfzig-Jahre-Phänomen. Es erscheint schon ziemlich merkwürdig, dass die Reaktion, wie immer sie sein mag, lediglich bei den Leuten in Küstenbereichen eintritt. Oldhaven, unser nächster großer Hafen, wurde damals bis auf die Grundmauern niedergebrannt; die Leute griffen ihre besten Freunde an, sagt man …

Ich sah zu, wie eine lautstarke Meute Nöler sich um einen Fisch stritt, den einer von ihnen bei einem ihrer typischen, ungeschickten Tauchversuche gefangen hatte. Um sie her schwebten winzige Meuler über die Oberfläche – Seevögel, deren Nahrung aus Plankton besteht, das sie mit ihren winzigen, nadelähnlichen Schnäbeln von der Wasseroberfläche picken.

Ich richtete mein Denken wieder auf die Gegenwart – Jane sagte eben: »Sie behaupten, der Unterschied zwischen Ebbe und Flut könne bis zu fünfundzwanzig Meter betragen.« Bei der normalen Konstellation der arkadischen Monde ist der Tidenhub kaum ein Fünftel davon.

»Das stimmt schon. Wir haben alles ausgearbeitet. Ein paar Leute werden aus ihren Wohneinheiten evakuiert werden müssen auf höheres Gelände, und wir haben Notunterkünfte im Forschungszentrum errichtet und ein paar Leute, die höher wohnen, haben Quartiere bereitgestellt. Sobald die Flut ausläuft, werden wir alle runtergehen und Hand anlegen, um ihre Wohnungen wieder herzurichten. Es ist nur eine Frage der gemeinsamen Anstrengung. Ich glaube, dass alle helfen werden.« Riverside hat etwa fünfhundert Einwohner, von denen etwa ein Fünftel in der Station beschäftigt ist; die Subkolonie ist auf verschiedenen Höhen an den Hängen links und rechts der Flussmündung gelegen. Ich nahm an, dass etwa dreißig Wohneinheiten für eine Periode von mindestens zwei Wochen unbewohnbar sein würden – in der Tat waren schon viele der tiefliegenden Häuser zu jeder normalen Flut fast überschwemmt.

»Und was ist mit den Fischen?«, fragte Jane.

Das war ein größeres Problem. Die Privatkolonisten von Riverside hingen vom Fischfang und von der Landwirtschaft ab.

Eine Zeitlang lag die Fischerei ganz in den Händen einer Flotte von acht kleinen Trawlern; diese stachen noch jeden Tag den drei Kilometer langen Mündungsarm hinab in See und kehrten am Abend bis an die Schandeckel beladen zurück. Doch vor fünf Jahren erschien ich auf der Szene, und die Riverside-Biologie-Forschungsstation wurde errichtet. Unser erstes Projekt war, die Bedingungen für Fischzucht, wie sie auf der Erde betrieben wird, zu untersuchen. Wir müssen mit der Zeit gehen; eine Kolonie darf nicht stagnieren, was die Technik betrifft, trotz ihres Reichtums an natürlichen Nahrungsquellen wie auf Arkadia. Mit einem minimalen Budget und gegen den Widerstand zahlreicher lokaler Opponenten stellte ich die Sache auf die Beine. Heute erstreckten sich sechzehn Gehege westlich der Flussmündung und bedecken ein Gebiet von fast tausend Hektar. Jetzt war ich mit dem größten Problem konfrontiert. Zur Zeit der Ebbe würde die Population zu dicht werden und die Fische verhungern – der arkadische Fatty hat einen hohen Stoffwechsel –, wohingegen sie bei Flut in der Lage sein würden, über die Käfige hinauszuschwimmen und so zu entkommen.

»Wir werden sie bei jeder Flut füttern«, erklärte ich. »Wir fahren mit Schiffen über die Gehege hinweg und streuen Trockenfutter aus. Das sinkt dann auf den Meeresboden. Das wird die Fatties ermutigen, in den Gehegen zu bleiben und sich vom Meeresboden zu ernähren. Selbst wenn die Ebbe kommt und es eng wird, haben sie noch genug zu fressen.«

»Das wird eine Masse Arbeit. Wie werden wir mit sechzehn Gehegen zurechtkommen?«

»Ich habe die Trawler requiriert. Sie liegen an der Mündung vor Anker, vollgeladen mit Trockenfutter, wir werden sie zu den Gehegen fahren und dort das Futter ausstreuen wie Saatgut.«

Jane lachte. »Ich glaube nicht, dass du dich damit bei den Fischern beliebt machen wirst.« Die Fischer dachten – und zu Recht –, dass die Fischzucht sie irgendwann einmal arbeitslos machen wird. Das ist der Hauptgrund für jene unterschwellige Missstimmung zwischen den Kolonisten und der Forschungsstation.

»Sie können die Trawler doch für nichts anderes gebrauchen. Bald wird die Mündung mit jeder Ebbe austrocknen, abgesehen von ein paar Pfützen. Und die Flut wird so stark sein, dass sie ihr Leben riskieren, wenn sie versuchen, in See zu stechen. Ich glaube nicht, dass sie ernsthaft betrübt sind. Und es gibt ihnen die Gelegenheit, sich wieder einmal über die Behörden zu beklagen, was ja doch ihre Lieblingsbeschäftigung ist.«

»Deswegen hast du das ganze Zeug den Pfad hinauf auf die Landzunge geschafft. Du hast das schon vor Monaten...


Coney, Michael
Michael Coney wurde 1932 in Birmingham geboren und besuchte die King Edward's School. Er wurde zunächst Buchhalter, übte dann eine Reihe unterschiedlicher Berufe aus: Unter anderem betrieb er ein Pub in Devon, später leitete er ein Hotel auf der Karibikinsel Antigua. Anfang der Siebzigerjahre siedelte er mit seiner Familie nach Kanada über und wurde Feuerwächter der Columbia Forestry Commission. Seit 1966 schrieb er Science Fiction, mit seinen grandiosen Schilderungen außerirdischer Welten wurde er schnell zu einem der zentralen Autoren der Siebziger und Achtziger. Die beiden „Pallahaxi“-Romane gelten als seine bedeutendsten Werke. Michael Coney starb 2005 an Krebs.



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