Couperus | Der verliebte Esel | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 131 Seiten

Couperus Der verliebte Esel


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-0792-0
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 131 Seiten

ISBN: 978-3-8496-0792-0
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der berühmte holländische Romancier Couperus hat den 'Goldenen Esel' des Lucius Apuleius in seinem Roman 'Der Verliebte Esel' neu gestaltet und dabei auch das magisch-mystische Element betont.

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8.



Als ich mir meiner Verwandlung vollkommen bewußt ward, waren mit Charis die tanzenden Jungfrauen in dem rosigen Schatten verschwunden, und ich trabte als Esel aus dem Schilf hervor auf den Weg. Ich dachte an den fernen Asterngarten, der nun Hunderte von Meilen von hier entfernt lag, und stand da in düsterer Verzweiflung.

In diesem Augenblick erklangen derbe Stimmen. Ich sah drei Männer daherkommen. Zwei Knaben begleiteten sie. Es waren Holzhacker. Sie trugen Beile in der Hand und Taue um den Gürtel geschnürt. Sie sprachen laut und mißvergnügt, während sie an ihre Arbeit gingen. Ich begriff sogleich, daß sie Sklaven des Menedemus waren und daß sie wegen der schweren Arbeit ihre Aufseher verfluchten. Während ich noch finster und verzweifelt dastand, rief einer der Männer: "Seht doch nur! Da steht ein Esel."

"Ein herrenloser Esel," rief ein anderer.

Und die dritte Stimme sprach: "Den die mitleidigen Götter sicherlich auf unseren Weg führten, um uns unsere Arbeit zu erleichtern."

Ich begriff, daß mir Gefahr drohte. Ich versuchte, im Eselstrabe zu entfliehen. Aber es ist seltsam: ein Tier, das nicht wild ist, vermag gegen fünf Menschen nicht viel auszurichten. Die drei Männer und die beiden Knaben hatten sich alsbald auf dem Wege aufgestellt, banden ihre Taue los, versahen sie mit Schlingen und warfen sie nach mir.

Eine Schlinge fiel über meinen Kopf. Der Mann, der mich gefangen hatte, zog mich zu sich hin. Ich stemmte mich auf die Hinterhufe, widersetzte mich störrisch. Doch plötzlich fühlte ich einen heftigen Knüppelschlag über meinem Rücken, so daß ich, während ich mein Hinterteil vor Schmerz einzog, entrüstet vorwärts schoß.

Zwei, drei, vier weitere Knüppelschläge regneten auf meinen Rücken herab, und an Silberastern war nicht mehr zu denken. Ich war nicht mehr Charmides, des Lysias Sohn aus Epidaurus, ich war ein Esel, ein herrenloser Esel, den niedere Sklaven, unzufriedene Holzhacker, eingefangen hatten.

O über die Schrecken dieses Winters! Ein strenger Winter herrschte auf den waldbedeckten Bergen Thessaliens und auf den schneebedeckten Hügeln der Othryskette, wo die Lapithen und Zentauren in mythologischer Zeit die im Epos besungenen Kämpfe miteinander gekämpft hatten. Wie mit den Schreien und dem dumpfen Geheul jener entsetzlichen Fabelwesen fuhren die kalten Schauer des Boreas durch die kahlgepeitschten Zweige an den gerüttelten Stämmen entlang, und während der stürmischen Nächte schien es, als jagten dichte Horden höllischer Wesen, Dämonen und Hexen, auf den tiefhängenden Wolken dahin über Berge und Wälder und als zerstreuten sie sich plötzlich in alle Richtungen, gleich als schössen unheilspendende Strahlen aus bösen Fernen. Bitterschwere Not litten nicht nur die Holzhacker in der armseligen Hütte hoch oben auf der Berglehne, sondern auch ihr Esel in seinem baufälligen Stall. Des Nachts stand ich schlaflos da, die Schneeflocken drangen in die Spalten ein und fielen wie eiskaltes Feuer auf die Wunden meines abgeschundenen Rückens, den die Holzhacker mir mit ihren Schlägen tagtäglich wund prügelten. Die entsetzlichen Winde bliesen mir um die Ohren, und geduldig erlitt ich die immerfort währende Strafe. Am Morgen zerrten mich die Männer aus dem Stall, und wenn sie Holz gehackt hatten, beluden sie meinen Rücken damit. So schwer war die Last von Zweigen und Asten, die sie mich schleppen ließen, daß ein Elefant sich besser dazu geeignet hätte als ein Esel, so übermäßiges Gewicht zu tragen. Dann zwangen sie mich hinabzusteigen, und wenn ich über die Wurzeln der Bäume oder über das scharfe Felsgestein strauchelte und auf meine zerfleischten Knie niederstürzte, bohrten sie mit spitzen Stöcken in der blutigen Wunde, stets der gleichen, an meiner linken Seite. Wenn wir einen tiefer fließenden Nebenfluß des Spercheios durchwaten mußten, dann setzten sich oftmals die beiden Knaben, die mich in die Stadt oder in das Dorf brachten, noch vorne und hinten auf den Stapel Holz, und wenn ich auf der Landstraße nicht schnell genug trabte mit meiner unerträglichen Last, banden sie mir Brennesseln und dornige Gewächse zwischen die Hinterbeine, so daß ich unter Folterqualen trabte, trabte in der Hoffnung, daß man mich zum Lohn für meinen Eifer von dem Marterwerkzeug befreien werde.

In meinem schmerzbeladenen Dasein dachte ich oftmals an Davus. Was mochte aus ihm geworden sein? Suchte er mich? Hatte er meinen Eltern Botschaft gesandt, daß ich verschwunden, vielleicht sogar verhext sei? Ich dachte auch oftmals an Charis. Ich vergaß sie niemals. In den entsetzlichen Nächten in meinem schneedurchwehten Stall erschien oftmals ihr liebliches Bild vor meinem Geiste, so wie ich sie gesehen hatte das letztemal jenseits der Bucht, wo die Lotosblumen blühten. Dann fragte ich mich, während menschliche Gedanken sich in meinem Eselskopfe regten, warum nur über ihrer Schönheit eine so tiefe Wehmut gleich einem Schleier gebreitet lag, als ich sie gesehen hatte, wie sie inmitten der tanzenden Jungfrauen der Freude wehrte.

Von der Höhe herab, wo die Holzhacker wohnten und ich meinen Stall hatte, konnte ich an hellen Tagen ringsum über die tiefer liegenden Täler schauen. Sie zogen sich wogend dahin, von vielen Nebenflüssen des Spercheios durchschnitten. Sicherlich würden sie nach Ablauf des Winters üppiges Wiesen- und Ackerland bieten. Das alles gehörte Menedemus, und seine Höfe lagen verstreut zwischen den jetzt entblätterten Rebstocken. Weit breitete sich die Landschaft ringsum, und die Sonne warf zwischen den Wolken große Lichtflecken und wechselnde Schatten auf das weit sich erstreckende Gelände. Doch meistens blies der Wind, und der Regen strömte, wenn nicht gar grauweiße Schneeflocken umherwirbelten. Wenn die Hacker ihr Holz an den Abhängen des Gebirges gefällt hatten, ließen sie sich nieder und verzehrten ihr dürftiges Mahl, und ich erhielt meinen kärglich zugemessenen Teil Heu. Hunger litt ich und Armut, das stille Elend eines abgerackerten Tieres, das niemals mit einer anderen Klage als dem possierlichen Hihahen seinen Schmerz zu äußern vermag. Dabei empfand ich in meinem Menschenhirn die seltsame Angst, einstmals ganz zum Esel werden und alles verlieren zu können, was in mir noch an Menschenseele übriggeblieben. Denn ich fühlte, wie ich immer mehr zum Esel wurde. Ich hatte den Starrsinn des Esels sogar dann, wenn die Stockschläge auf meinen Rücken herabprasselten. Oftmals hatte ich auch die Geduld eines Esels und seine philosophische Gelassenheit, wenn ich mich fügte und mit Holz beladen vorsichtig zwischen Holzklötzen und Baumwurzeln hinabstieg, um unten abgeladen zu werden und wieder emporzuklimmen, und nachdem ich einen Augenblick aufgeatmet, die neue Last auf mich zu nehmen, die meiner harrte. Wenn ich mich mit gesenktem Kopf widergespiegelt sah zwischen den Spiegelungen der weißen Wolken am blauen Himmel, sah ich mich nicht nur als einen störrisch geduldigen Esel mit grauem, rauhem Fell, da wo es noch auf meinem verprügelten, enthäuteten und entfleischten Körper wuchs. Ich sah den traurigen Kopf eines Arbeitsesels, das vor Krankheit tränende Auge voller Wehmut, sah mein vor Müdigkeit geiferndes Maul. Ich sah meinen ganzen mageren, zusammengefallenen Tierkörper auf den müde einknickenden Füßen, auf den bereits sich plattdrückenden Hufen – weil ich immerfort schwer beladen abwärts steigenmußte –, sah meinen enthaarten Schwanz, den ich trübselig einzog zwischen meinen von Dornen und Stacheln gepeinigten Hinterbeinen. Ich vergaß oft, wer ich gewesen, und in meinem stummen Duldertume ward mir dumpf und stumpf zumute, gleich als wolle meine Menschenseele in meiner Tiergestalt allmählich absterben.

Diesmal – es war während einer schaurigen Sturmnacht – waren die Holzhacker unten im Hofe geblieben, von dem aus das gefällte Holz weitergeführt wurde, und man hatte mich allein gelassen in meinem auf dem Berggipfel gelegenen Stall. Sturm und Regen umtobten die morsche Bretterwand, die mich nur dürftig beschützte. Kaum dachte ich an Flucht, wiewohl die geborstene Tür meines Stalles sicherlich meinen Tritten hätte weichen müssen. Fröstelnd stand ich da auf meinem besudelten Stroh und vor meiner leeren Krippe und klemmte meinen Schwanz zwischen die Beine. Menschliche Spannkraft schien in mir nicht mehr zu leben, höchstens noch etwas klares Denken. Denn ich dachte: Wo sollte ich hingehen, wenn es mir wirklich gelänge, zu entfliehen? Wohin sollte ein abgearbeiteter Esel sich wenden, selbst wenn er sich aus der Sklaverei herzloser Holzhacker zu befreien wüßte? So stand ich da, während der eindringende Wind mit den schmutzigen Haarbüscheln meines Schwanzes zwischen meinen Hinterbeinen spielte. Draußen schienen die Schatten der Zentauren und wilden Lapithen in wütendem Kampfe durcheinander zu wühlen. Plötzlich hörte ich Stimmen, Stimmen von Menschen, Stimmen, die noch derber waren als die der Holzhacker. Ich begriff, daß es Räuber waren, elende Räuber, Wesen, die die Berghöhlen bewohnen, kaum noch Menschen zu nennen, durch Elend vertiert, die in den Nächten der tobenden Stürme sich hinausschleichen, auf Höfe und in Hütten, um an den Bergabhängen vergessenes Gerät, ein paar Hühner, ein Stück Vieh zu stehlen. Ich hörte schon, wie sie die Hütte aufbrachen. Aber bald stießen sie Verwünschungen aus. Denn sie fanden nichts anderes als einen zerbrochenen Krug und eine geborstene Schüssel, einen zerrissenen Mantel und eine verschlissene Matte. Dann schlugen sie auf die Stalltür. Im Augenblick...



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