E-Book, Deutsch, Band 7, 370 Seiten
Reihe: Britta Sander
Davis Aachener Zwietracht
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-95441-613-4
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der siebte Fall für Britta Sander
E-Book, Deutsch, Band 7, 370 Seiten
Reihe: Britta Sander
ISBN: 978-3-95441-613-4
Verlag: KBV
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Britta Sander und die finsteren Geheimnisse der Kaiserstadt Am Osterwochenende wird eine junge Frau tot in ihrem Haus in der Soers aufgefunden. Ihr lebloser Körper liegt am Fuß einer Treppe - Unfall oder Mord? Bei ihren Ermittlungen stoßen die Privatdetektivin Britta Sander und Kriminaloberkommissar Körber auf immer mehr Menschen, die Grund genug gehabt hätten, Juliane Kren zu töten. Bald schon taucht im Aachener Umland eine zweite Frauenleiche auf, und einer der Ermittler gerät plötzlich selbst unter schweren Verdacht. Die Loyalität Brittas und ihres Teams wird auf eine harte Probe gestellt, und doch setzen sie alles daran herauszufinden, wer die beiden Frauen wirklich getötet hat. Kein leichtes Unterfangen, denn ihr Gegner ist eiskalt, rücksichtslos und macht anscheinend keine Fehler ...
Ingrid Davis (Jahrgang 1969) ist gebürtige Aachenerin und begann bereits im Alter von zehn Jahren mit dem Schreiben von Kurzgeschichten, Novellen und Gedichten. Ihr Weg führte sie nach dem Studium Englischer Literatur und Geschichte jedoch zunächst nicht in die Schriftstellerei, sondern ins Marketing und Projektmanagement. Hauptberuflich ist sie auch heute noch als Marketingmanagerin tätig und lebt in Aachen. Neben dem Krimischreiben verbringt sie ihre Freizeit gerne mit Reisen, Kino, Literatur und Strategiespielen.
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MONTAG, 2. APRIL
00:05 Uhr
Herzlich Willkommen, Frau Sander. Willkommen bei der Gilde der Unsichtbaren!« Die Stimme der groß gewachsenen Frau im grauen, bodenlangen Kapuzenumhang und goldener Augenmaske klang freundlich, aber bestimmt, und aus den Augenschlitzen der venezianischen Maske funkelten uns wache, grüne Augen entgegen. Ich nahm an, dass es sich um die Präfektin der Gilde höchstselbst handelte, die uns ein halbes Jahr zuvor auf die Fährte des berüchtigten Postkartenkillers geführt und uns vor wenigen Wochen die Einladung zu dieser Veranstaltung anonym hatte überbringen lassen. Die Tatsache, dass hinter der Frau ungefähr einhundert weitere maskierte Gestalten in grauen Kapuzenumhängen standen, hätte man vielleicht als bedrohlich empfinden können. Aber ich war viel zu neugierig auf die Auflösung des Rätsels um die geheimnisvolle Gilde der Unsichtbaren, das uns jetzt schon über so viele Monate hinweg begleitete. Selbst jetzt, als ich in einem Raum mit der Gilde stand, hatte ich noch immer keinen blassen Schimmer, wer diese Leute waren und was sie von mir wollten. »Sie wundern sich vermutlich über die Umstände unseres Zusammentreffens«, fuhr die Frau fort. Wie sie darauf nur kommt. »Das kann man wohl sagen«, antwortete ich, während ich mir das Hirn zermarterte, warum mir der Festsaal, in dem wir standen, so bekannt vorkam. »Schönes Ambiente und schicke Kostüme, wirklich. Am meisten wäre uns allerdings mit Informationen gedient.« Ich zählte an den Fingern meiner rechten Hand ab: »Wer Sie sind; warum Sie sich verkleiden; und vor allem, was Sie von mir wollen.« Mein bester Freund Tahar Karim, französischer IT-Spezialist und so gut wie immer an unseren Ermittlungen beteiligt, hatte mich sicherheitshalber zu diesem geheimnisvollen ersten Treffen mit der Gilde begleitet, und aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich bei meinen Worten ein Grinsen auf seinem Gesicht breitmachte. »Wie immör ausnehmönd diplomatisch«, flüsterte er, »bloß nicht gleich mit der Tür ins Haus fallön.« Die vermeintliche Präfektin lächelte amüsiert. »Ich hatte schon gehört, dass Sie nicht lange um den heißen Brei herumreden, Frau Sander. Ich muss Sie noch um ein kleines bisschen Geduld bitten, aber ich darf Ihnen versichern, dass Sie heute Nacht Antworten auf all Ihre Fragen bekommen werden.« »Wird auch Zeit«, brummte ich. In dem Rucksack, den ich auf dem Rücken trug, befanden sich ein grauer Kapuzenumhang, wie alle anderen Anwesenden ihn trugen, eine tiefschwarze Augenmaske aus Samt und eine blutrote Spange, mit der man den Umhang am Hals verschließen konnte. Diese drei Gegenstände hatte ich, immer im Abstand von einigen Monaten, anonym vor meiner Wohnungstür gefunden – ohne eine Erklärung, was es damit auf sich hatte. Jetzt sah ich, dass auch die Spange der Präfektin, wie ihre Maske, goldfarben war, während alle anderen graue Masken und in dunklem Grün schimmernde Spangen trugen. Irgendetwas hatten die abweichenden Farben meiner Maske und meiner Spange also zu bedeuten. Nur was? »Wären Sie so freundlich, mir Ihre Gilden-Insignien auszuhändigen?«, sagte die Präfektin, und nach einem kurzen Blick zu Tahar, der auch nur ratlos mit den Schultern zucken konnte, nahm ich den Rucksack ab und reichte ihn ihr. Daraufhin drehte sie sich um, und ohne dass sie etwas sagen musste, öffnete sich in der Menge zu unserer Rechten eine Gasse, durch die sie auf ein leicht erhöhtes Podest am Kopfende des Saals zuschritt. Tahar lehnte sich zu mir herüber. »Hast du einö Ahnung, wo wir sind?«, raunte er mir ins Ohr. Ich sah mich etwas genauer um. Der große Festsaal war in freundlichem Gelb gestrichen, und auf der langen Raumseite uns gegenüber gab es drei große Fensternischen, umrahmt von roten, gerafften Vorhängen. Rechts und links standen zwei waschechte Ritterrüstungen und in der mittleren Nische eine Art Thron. Die Lichter in den schwarzen Deckenleuchtern waren zwar elektrisch, wirkten aber eher wie helles Kerzenlicht. Als ich die Ritterrüstungen registrierte, fiel mir auch wieder ein, wann ich die schon mal gesehen hatte. »Im Festsaal der Burg Stolberg«, flüsterte ich zurück. »Also nicht allzu weit von zu Hause.« Meine Schwester Petra und ihr Mann Gregor hatten ihre Hochzeit hier gefeiert, aber da der Saal ohne Tische, Stühle und Hochzeitsdeko ganz anders aussah, war ich nicht sofort darauf gekommen. Die Präfektin war inzwischen an der kleinen Podestbühne am Kopfende des Saals angekommen und hatte sich vor einem der zwei Stühle, die dort standen, aufgestellt. Mein Rucksack war auf wundersame Weise verschwunden, während ich mich im Saal umgesehen hatte. Mit einer Hand machte sie eine einladende Geste, die mich aufforderte, nach vorne zu gehen und auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz zu nehmen. »Ach, was soll’s«, sagte ich, zuckte mit den Schultern und marschierte auf sie zu, Tahar dicht auf meinen Fersen. Als ich mich auf den freien Stuhl gepflanzt hatte, nahm die Präfektin ebenfalls Platz und wartete, bis sich die Reihen der Anwesenden wieder geschlossen hatten. Sie fixierte mich mit einem durchdringenden Blick. »Wenn Sie gestatten, erläutere ich Ihnen kurz, wer wir sind, was uns umtreibt und warum wir Sie hergebeten haben. Danach können Sie entscheiden, ob Sie mit uns zusammenarbeiten wollen oder nicht.« Als ich nichts sagte, sprach sie weiter. »Wie Sie Ihrer Einladung entnommen haben, befinden Sie sich auf einer Versammlung der Gilde der Unsichtbaren, genauer gesagt auf einer Versammlung des Ältestenrats der Gilde. Unser Bund hat sehr viel mehr Mitglieder, als heute hier sein können, aber alle, die anwesend sind, gehören unserer Gilde bereits seit vielen Jahren, teils schon seit Jahrzehnten an.« Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort. »Die Gilde selbst wurde 1978 hier in Aachen gegründet. Wir feiern also in diesem Jahr unser vierzigjähriges Bestehen und sind inzwischen in ganz Deutschland vertreten. Ich selbst habe vor einigen Jahren das Amt der Präfektin übernommen und trage die Verantwortung für die gesamte Gilde.« Erneut schien sie abzuwarten, ob ich etwas sagen würde, und sprach dann weiter. »Der Auslöser für die Gründung der Gilde waren Ereignisse, die den Gründungsmitgliedern vor Augen geführt haben, in welch besonderer Situation sie waren und welche Verantwortung für das Gemeinwesen diese mit sich bringen kann.« Bis jetzt verstehe ich Bahnhof. »Es war an einem lauen Juliabend im Sommer 1977, als eines unserer Gründungsmitglieder in einem alteingesessenen Unternehmen hier in Aachen seiner Arbeit nachging, die darin bestand, die Büroräumlichkeiten zu reinigen. Auf Wunsch der Firmenleitung wurden die Büros am Abend geputzt, wenn die Belegschaft bereits nach Hause gegangen war. Wie so oft war aber an diesem Abend der Juniorchef des Unternehmens noch in seinem Büro, und wie immer schenkte er der Frau, die für Ordnung und Sauberkeit sorgte, keinerlei Beachtung. Sie war für ihn unsichtbar.« Nachtigall, ick hör dir trapsen. »Allerdings war die Frau doch sehr überrascht, wie vollkommen unsichtbar sie für besagten Juniorchef war. Denn während sie noch seine Regale abstaubte, tauschte er sich am Telefon mit einem Komplizen aus – über den Betrug, mit dem er seinen Vater und dessen Firma um Millionen erleichtert hatte. Wie Sie sich vorstellen können, traute die Frau ihren Ohren kaum. Und nachdem sie einige Tage mit sich gerungen hatte, wie sie mit dem Gehörten umgehen sollte, vertraute sie sich einem Kollegen an – dem Chauffeur des Juniorchefs. Sie kannte den Chauffeur seit vielen Jahren, da sie auf die gleiche Schule gegangen waren. Trotzdem befürchtete sie, von ihm verlacht zu werden. Stattdessen vertraute er der Frau umgekehrt an, dass Dinge, die er in der Vergangenheit im Auto des Juniorchefs gehört und nicht verstanden habe, auf einmal einen sehr unerfreulichen Sinn ergäben.« Ich hatte mich vorgebeugt, denn langsam fing es an, interessant zu werden. Als die Präfektin eine wohlgesetzte Pause machte, sagte ich ungeduldig: »Und?« »Die beiden fassten sich ein Herz und vertrauten sich dem Seniorchef an. Und verloren zum Dank beide ihren Job. Der alte Patriarch wollte nicht wahrhaben, dass sein Sohn ihn systematisch hinterging und ausnahm – und, was man damals noch nicht wusste, er hatte selbst einiges zu verbergen. Zudem empörte er sich darüber, dass das ›niedere Fußvolk‹, wie er das nannte, Vorwürfe gegen jemanden erhob, der in Hierarchie und Gesellschaft – aus seiner Sicht – über ihnen stand.« So was hab ich doch schon mal irgendwo gehört. »In diesem...