E-Book, Deutsch, Band 12, 463 Seiten
Davis Tod eines Mäzens
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-96655-980-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Fall für Marcus Didius Falco - Der zwölfte Fall | Historische Spannung für Fans von Ellis Peters
E-Book, Deutsch, Band 12, 463 Seiten
Reihe: Ein Fall für Marcus Didius Falco
ISBN: 978-3-96655-980-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Lindsey Davis wurde 1949 in Birmingham, UK, geboren. Nach einem Studium der Englischen Literatur in Oxford arbeitete sie 13 Jahre im Staatsdienst, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Ihr erster Roman »Silberschweine« wurde ein internationaler Erfolg und der Auftakt der Marcus-Didius-Falco-Serie. Ihr Werk wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Diamond Dagger der Crime Writers' Association für ihr Lebenswerk. Die Website der Autorin: www.lindseydavis.co.uk Bei dotbooks erscheinen die folgenden Bände der Serie historischer Kriminalromane des römischen Privatermittlers Marcus Didius Falco: »Silberschweine« »Bronzeschatten« »Kupfervenus« »Eisenhand« »Poseidons Gold« »Letzter Akt in Palmyra« »Die Gnadenfrist« »Zwielicht in Cordoba« »Drei Hände im Brunnen« »Den Löwen zum Fraß« »Eine Jungfrau zu viel« »Tod eines Mäzens« »Eine Leiche im Badehaus« »Mord in Londinium« »Tod eines Senators« »Das Geheimnis des Scriptors« »Delphi sehen und sterben« »Mord im Atrium« Ebenfalls bei dotbooks erscheint der historische Roman »Die Gefährtin des Kaisers«, der auch im Sammelband »Die Frauen der Ewigen Stadt« erhältlich ist.
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Kapitel II
Ich muss verrückt gewesen sein. Vielleicht auch noch betrunken.
Warum hatten mich die kapitolinischen Götter nicht beschützt? Na gut, ich gebe zu, dass Jupiter und Minerva mich wahrscheinlich als ihren allerunwichtigsten Diener betrachteten, ein bloßer Sklave einer Pfründe, ein Pöstcheninhaber, ein Karrieremacher, und dazu auch noch ein halbherziger. Aber Juno hätte mir da raushelfen können. Juno hätte sich wirklich aufraffen können, statt lässig auf dem Ellbogen zu lehnen und olympische Brettspiele mit Heldenquälerei und Ehemannverfolgung zu spielen; die Königin des Herzens hätte den Würfel lange genug still halten können, um zu bemerken, dass dem neuen Prokurator ihrer heiligen Gänse eine unmögliche Panne in seinem ansonsten so glatt laufenden Gesellschaftsleben passiert war: Ich hatte mich dummerweise bereit erklärt, die Vorgruppe zur Dichterlesung eines anderen abzugeben.
Mein Schriftstellerkollege war ein Senator im Rang eines Konsuls. Eine Katastrophe. Er würde davon ausgehen, dass seine Freunde und Verwandten auf bequemen Bänken saßen, während meine sich in die paar Zoll der Stehplätze quetschten. Er würde den größten Teil der Lesezeit für sich beanspruchen. Und statt mich tatsächlich als Vorgruppe zu benutzen, würde er als Erster lesen, solange das Publikum noch wach war. Darüber hinaus war er garantiert ein absolut grausiger Dichter. Ich spreche von Rutilius Gallicus. Genau. Dem Rutilius Gallicus, der eines Tages Stadtpräfekt sein würde – des Kaisers Vertreter für Ruhe und Ordnung, Domitians Muskelbubi, der große Mann, der heutzutage von der Bevölkerung so geliebt wird (wie uns jene weismachen, die uns sagen, was wir zu denken haben). Vor zwanzig Jahren, zur Zeit unserer Lesung, war er nur ein x-beliebiger alter Exkonsul. Damals saß immer noch Vespasian auf dem Thron. Als dessen Legat in Tripolitanien hatte Rutilius vor kurzem einen Grenzstreit beigelegt, was immer auch davon zu halten war (nicht viel, außer man hatte das Pech, in Leptis Magna oder Oea zu leben). Er hatte sich noch nicht für den Statthalterposten in einer Provinz qualifiziert, war noch nicht berühmt für seine germanischen Heldentaten, und niemand hätte je erwartet, dass er selbst einstmals der Gegenstand heroischer Dichtung werden würde. Eine Berühmtheit in Wartestellung. Ich hielt ihn für einen freundlichen Menschen mit mäßiger Begabung, einen Provinzler, der sich gerade mal daran aufrecht hielt, eine Senatorentoga zu tragen.
Falsch, Falco. Er war mein Freund, wie es schien. Ich betrachtete diese Ehre mit großer Vorsicht, da ich schon zu dem Zeitpunkt den Eindruck hatte, dass er sich bei Domitian einschleimte, unserem am wenigsten geliebten kaiserlichen Prinzlein. Rutilius schien zu glauben, das würde ihm Vorteile einbringen. Ich wählte meine Kumpel sorgfältiger aus.
Zu Hause bei seiner matronenhaften Frau, die aus seiner eigenen Heimatstadt stammte – Augusta Taurinorum in Norditalien –, und bei seiner Familie, wie immer die auch aussehen mochte (wie sollte ich das wissen? Ich war nur ein vor kurzem beförderter Ritter; er mochte sich mit mir als Leidensgenossen im Exil angefreundet haben, als wir uns im entlegenen Afrika getroffen hatten, aber in Rom würde ich nie in sein Haus eingeladen werden, um seine edle Verwandtschaft kennen zu lernen), zu Hause wurde der fröhliche Gallicus wahrscheinlich Gaius oder so gerufen. Ich war nicht dazu berechtigt, sein Praenomen zu benutzen. Und auch er würde mich nie Marcus nennen. Ich war Falco; für mich würde er »Herr« bleiben. Ich wusste nicht, ob er den versteckten Spott in meinem respektvollen Ton bemerkte. Ich trug nie zu dick auf, wollte mir nichts zu Schulden kommen lassen. Außerdem, falls er tatsächlich Domitians Busenfreund wurde, wusste man nie, wohin Speichelleckerei führen konnte.
Tja, einige von uns wissen es jetzt. Aber damals hätte niemand vermutet, dass Rutilius Gallicus es mal zu Gunst und Ehren bringen würde.
Einer der Vorteile, sich die Bühne mit einem Patrizier zu teilen, lag darin, dass er einen eindrucksvollen Vortragsort wählte. Unsere Bühne war nichts Geringeres als die Gärten des Maecenas – diese luxuriösen Spazierwege an der Rückseite des Oppius, quer durch die alten republikanischen Stadtmauern, angelegt auf den uralten Begräbnisstätten der Armen. (Eine Menge Dünger in situ, wie Helena bemerkte.) Jetzt befanden sich die Gärten im Windschatten des neueren Goldenen Hauses, waren weniger gepflegt als früher, existierten aber noch und gehörten der kaiserlichen Familie, seit Maecenas vor siebzig Jahren gestorben war. In der Nähe stand ein Pavillon, von dem aus Nero angeblich das Wüten des Großen Feuers beobachtet hatte.
Maecenas war Augustus’ berüchtigter Finanzier: Geldbeschaffer für Kaiser, Freund berühmter Dichter – und ein rundherum wirklich abscheulicher Perverser. Doch wenn ich jemals einen etruskischen Edelmann finden sollte, der mich zum Essen einlud und meine Dichtkunst förderte, würde ich mich wohl damit abfinden können, dass er hübsche Jungs betatschte. Vermutlich gab er auch ihnen zu essen. Jedes Patronat ist eine Art Zuhälterei. Ich hätte mich fragen sollen, welche Dankesbezeigungen Rutilius von mir erwartete.
Nun ja, unsere Situation war anders, sagte ich mir. Mein Patron war ein wohlerzogener flavischer Tugendbold. Aber kein Tugendbold ist perfekt, zumindest nicht aus der Sicht der aventinischen Plebs, in der Charakterfehler sprießen wie Schimmel in schlecht gepflegten Badehäusern, in rüpelhaften Familien wie meiner Verheerung anrichten und uns mit der hochmütigen Elite in Konflikt bringen. Warum ich so drauf rumhacke? Weil Gallicus’ großer Augenblick in Tripolitanien darin bestanden hatte, die öffentliche Hinrichtung eines Säufers anzuordnen, der die örtlichen Götter beleidigt hatte. Zu spät hatten wir entdeckt, dass der glücklose Schreihals, der von dem Löwen gefressen wurde, mein Schwager war. Rutilius musste unsere gemeinsame Lesung wohl aus Schuldgefühl mir gegenüber, seinem damaligen Hausgast, finanzieren.
Besorgt fragte ich mich, ob meine Schwester ihre Witwenschaft durch einen Besuch der Veranstaltung beleben würde. Wenn ja, würde sie meine Verbindung zu Rutilius durchschauen? Maia war die Kluge in unserer Familie. Wenn ihr klar wurde, dass ich gemeinsam mit dem Mann las, der ihren verstorbenen Mann verurteilt hatte, was würde sie ihm dann antun – oder mir?
Besser, ich dachte nicht darüber nach. Ich hatte genug Sorgen.
Schon einmal hatte ich versucht eine öffentliche Lesung zu veranstalten, aber aufgrund eines Missgeschicks bei der Werbung war niemand erschienen. Offenbar hatte am selben Abend ein rauschendes Fest stattgefunden. Alle, die ich eingeladen hatte, ließen mich im Stich. Jetzt fürchtete ich mich vor noch mehr Beschämung, war aber trotzdem entschlossen, meinem engsten Freundes- und Familienkreis zu beweisen, dass die Liebhaberei, die sie verspotteten, gute Ergebnisse hervorbringen konnte. Als Rutilius mir gestand, er würde ebenfalls dichten, und diese Lesung vorschlug, hatte ich erwartet, dass er dafür vielleicht seinen eigenen Garten zur Verfügung stellen würde, für eine kleine Gruppe vertrauenswürdiger Bekannter, denen wir in der Abenddämmerung ein paar gemurmelte Hexameter vortragen würden, begleitet von Süßigkeiten und mit viel Wasser verdünntem Wein. Aber er war derart ehrgeizig, dass er loszog und Roms elegantesten Saal mietete, das Auditorium in den Gärten des Maecenas. Ein exquisiter Ort, in dem die Echos von Horaz, Ovid und Virgil herumspukten. Um dem Ganzen Ehre zu machen, erfuhr ich, dass die persönliche Gästeliste meines neuen Freundes von seinem anderen lieben Freund Domitian angeführt wurde.
Ich stand an der äußeren Schwelle des Auditoriums, eine ganz neue Schriftrolle unter den Arm geklemmt, als mein Kumpel mir stolz diese Nachricht verkündete. Wie er sagte, gehe sogar das Gerücht, dass Domitian Cäsar auftauchen werde. Gute Götter.
Es gab kein Entkommen. Alle Speichellecker von Rom hatten die Nachricht vernommen, und die sich hinter mir drängende Menge ließ mir keine Möglichkeit, mich zu verdrücken.
»Was für eine Ehre!«, höhnte Helena Justina, während sie mich mit der flachen Hand zwischen meinen plötzlich schweißnassen Schulterblättern die berühmte geflieste Eingangsrampe runterschob. Es gelang ihr, ihre Brutalität mit einem gleichzeitigen Zurechtrücken ihrer feinen, mit geflochtenen Borten verzierten Stola zu überdecken. Ich hörte zartes Geklimper von den vielen Goldplättchen ihrer Ohrringe.
»Was machst du da mit mir? Nüsserollen?« Die Rampe war sehr steil. Mumienartig in meine Toga gewickelt, schlitterte ich die lange Schräge hinunter wie eine Haselnuss bis zu dem großen Durchgang ins Innere. Helena schob mich direkt hindurch. Mich überkam Nervosität. »Oh, schau mal, Liebste, man hat einen Sittsamkeitsvorhang aufgehängt, hinter dem sich die Frauen verbergen sollen. Zumindest kannst du dort einschlafen, ohne dass es jemand merkt.«
»Ich geb dir gleich Nüsserollen«, erwiderte die wohlerzogene Senatorentochter, die ich manchmal wagte meine Frau zu nennen. »Wie altmodisch! Wenn ich ein Picknick mitgebracht hätte, würde ich mich vielleicht dahinter zurückziehen. Da mich niemand vor dieser Abscheulichkeit gewarnt hat, Marcus, werde ich in aller Öffentlichkeit sitzen und bei jedem deiner Worte entzückt lächeln.«
Ich brauchte ihre Unterstützung. Aber abgesehen von meiner Nervosität staunte ich jetzt mit offenem Mund über die Schönheit der Lokalität, die sich Rutilius Gallicus für unser großes Ereignis unter den Nagel gerissen hatte.
Nur ein außergewöhnlich reicher Mann mit einer Neigung für die Vermischung von Literatur mit üppigen Banketts konnte es sich leisten,...




