E-Book, Deutsch, 248 Seiten
Decker Not Available
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-95575-616-1
Verlag: Ventil Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Platten, die nicht erschienen sind
E-Book, Deutsch, 248 Seiten
ISBN: 978-3-95575-616-1
Verlag: Ventil Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
"Not Available" behandelt im Detail die großen und etwas kleineren verlorenen und verlorengeglaubten Werke der Musikgeschichte. Mit von der Partie: The Beach Boys, Faust, 50 Cent, Kraftwerk, Adele, Weezer, Kesha, Prince, Neil Young, The Beatles, Beastie Boys, Frank Sinatra, The Who, The Sisters of Mercy, Pink Floyd, Nirvana, sowie mindestens 400 weitere Interpret*innen und Bands.
Der Musikjournalist Daniel Decker sondiert ein vermintes Gelände der Popgeschichte, in dem neben Mythen und Anekdoten auch haufenweise Gerüchte um gescheiterte Meisterwerke sowie peinliche Rohrkrepierer kursieren.
Autoren/Hrsg.
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WENN MARKT UND LABEL ÜBER VERÖFFENTLICHUNGEN ENTSCHEIDEN
Es gibt viele Gründe, warum ein Album letztendlich nicht erscheint, doch oft liegt es gar nicht an den Künstler*innen selbst. Schließlich war es lange Zeit das Label, das über die Veröffentlichung einer Platte entschied und sich dabei nicht immer auf das eigene Gespür, sondern vor allem auf die Gesetze des Marktes verließ. Sofern sich etwas verkaufen lässt, wird es auch in die Läden gestellt, und wenn es sich nicht verkaufen lässt, dann eben nicht. So klischeebehaftet der Topos der raffgierigen Tonträgerfirmen als Halunken und der idealistischen Künstler*innen als Held*innen ist, so wenig lässt er sich doch in Gänze abstreiten. Trotz aller Kunst folgt auch das Musikgeschäft den Regeln des Kapitalismus. Dies bekamen auch Superstars wie SONNY & CHER zu spüren. Nachdem ihr Film »Good Times« 1967 an den Kinokassen floppte, nahmen sich die beiden viel Zeit für ihr nächstes Album, »This Good Earth«. Ein Hit war dringend nötig. Doch gleich mehrere Vorabsingles wie »A Beautiful Story«, »Good Combination«, »Plastic Man« oder »Circus« floppten und besiegelten damit das Ende des Albums. ATCO, ihr damaliges Plattenlabel, zog die Notbremse und »This Good Earth« bleibt bis dato unveröffentlicht. Es war offensichtlich, dass das Album keinen Hit enthielt. Angeblich sind weitere Aufnahmen von Songs wie »Honey Lamb«, »Born To Be With You«, »Just a Little« und »Play Me Some Music« gänzlich verschollen. Ab 1974 ging das Ehepaar dann vorerst getrennte Wege – privat wie geschäftlich. Zwei Jahre später kam es trotz Rosenkrieg und medialer Schlammschlacht zum Comeback. Mit der »Sonny & Cher Show« wollten sie an die Erfolge ihrer »Sonny & Cher Comedy Hour« anknüpfen, doch nach nur zwei Staffeln wurde die Sendung wegen Erfolglosigkeit eingestellt. Dies besiegelte auch das Ende des Comebacks auf Albumlänge. Insgesamt wurden zwar 15 Songs aufgenommen, doch nur die Single »You’re Not Right for Me / Wrong Number« erschien 1977 bei Warner Bros. Records. Auch Eugene Klein und Stanley Eisen von WICKED LESTER mussten sich von ihrem Label viel Kritik gefallen lassen, bevor sie zu Weltstars wurden. 1972 lernten sie Ron Johnson kennen. Johnson arbeitete als Toningenieur in den legendären Electric Lady Studios, die 1970 von Jimi Hendrix gegründet wurden, und erlaubte der Band, ungebuchte Zeit in den Studios für eigene Aufnahmen zu nutzen. Erscheinen sollte die Platte dann bei Epic. Doch nachdem sie das Album fertigstellten, sagte Epics A&R Don Ellis, dass er die Platte regelrecht hasse. Gene und Stanley wären aber nie zu denen geworden, die sie heute sind, wenn sie nicht eine eigene Version der Geschichte hätten. In dieser waren sie es, die die Platte in die Tonne schmissen. »Wicked Lester fehlte einfach ein typischer Sound, eine Identität mit Wiedererkennungswert.« In ihrer Version war es also nicht Don Ellis, der das Album zurückhielt, sondern die Band selbst, die nicht nur keinen Hit hörte, sondern sich sicher war, dass sie selbst kein Hit waren. Ein neues Konzept musste her. Gene und Stanley entschieden sich dafür, die Band umzugestalten und sich Künstlernamen zuzulegen. Von nun an waren sie Gene Simmons und Paul Stanley. Auch die neue Richtung war klar. Weg vom Pop, Folk und Country, hin zum energiereichen Hard Rock Richtung Slade und Humble Pie. Daher mussten die restlichen Bandmitglieder weiterziehen. Über eine Anzeige fanden sie Peter Criss als neuen Schlagzeuger und im November 1972 versuchte die Band nochmals Don Ellis von der Qualität der Band zu überzeugen – weiterhin unter dem Namen Wicked Lester. Gespielt wurden drei Stücke: »Deuce«, »Strutter« und »Firehouse«. Außerdem setzte das Trio auf Showelemente, schminkte seine Gesichter komplett weiß und ließ bei »Firehouse« passend zum Thema eine Alarmglocke erklingen. Angeblich dachte Ellis, dass es sich um einen echten Feueralarm handelte, während Paul Stanley einen mit Konfetti gefüllten Eimer über ihm ausleerte. Sichtlich angefressen stürmte er aus dem Raum, stolperte, fiel hin und wurde vom betrunkenen Bruder von Peter Criss auch noch angekotzt. So eine häufig kolportierte Version der Geschichte. Die Band hörte daraufhin nie wieder ein Wort von Epic. Criss, Simmons und Stanley komplettierten ihr Line-Up mit dem Gitarristen Ace Frehley, benannten sich in KISS um und wurden schnell zur erfolgreichen Gelddruckmaschine. Einige ihrer Wicked-Lester-Songs nahmen sie sogar neu auf. So z. B. »Sunday Driver«, das unter dem Titel »Let Me Know« auf ihrem Debütalbum zu hören ist. Auf »Dressed to Kill« (1975) greifen Stanley und Simmons wiederum auf die Stücke »Love Her All I Can« und »She« zurück. Mit dem Erfolg von KISS erinnerten sich Geschäftsmänner bei Epics Schwesternlabel Columbia wieder an Wicked Lester und den kleinen Schatz, den sie in ihrem Giftschrank liegen hatten. Um an dem Erfolg der Band mitzuverdienen, sollte das geschasste Debüt 1977 doch noch erscheinen. Ron Johnson mischte die zehn Stücke neu ab, zur Veröffentlichung kam es dennoch nie. Neil Bogart, Präsident von Casablanca Records, bei denen KISS unter Vertrag standen, kaufte in Absprache mit der Band die Bänder, um sie verschwinden zu lassen. So bleibt dieses Frühwerk weiterhin in den Tiefen der Archive. Ebenfalls an der Nachfrage scheiterte DAVE DAVIES. 1967 wollten Pye Records, die damals die KINKS betreuten, den Leadsänger als Solokünstler aufbauen und brachten den Song »Death of a Clown« als Solosingle heraus. Dabei war das Stück ein Kinks-Song, geschrieben von Ray Davies und mit der gesamten Band eingespielt. Daher ist der Song auf dem im selben Jahr erschienenen Kinks-Album »Something Else« ebenfalls zu finden. Für Pye war die Single, die den zweiten Platz der britischen Charts erreichte, jedoch ein voller Erfolg. Im November erschien daher mit »Susannah’s Still Alive« abermals ein Kinks-Song als Dave-Davies- Solo-Single. Da die Verkäufe dieses Mal enttäuschend waren, legte Pye die Idee eines ganzen Soloalbums vorerst auf Eis. Weitere Singles sollten zeigen, ob die Fans wirklich Interesse an einer solchen Platte haben würden. Dies war nicht ungewöhnlich für Pye Records, die viel mehr an Singleverkäufen interessiert waren als an Alben. Aufgrund eines Interviews mit Davies bekam das in Planung befindliche Album 1968 sogar einen launischen Titel: »A Hole in the Socks of Dave Davies«. Im August 1968 erschien mit »Lincoln County« ein weiterer Flop. Als letzter Appetithappen für die LP kam dann im Januar 1969 »Hold My Hand« heraus. Aufgrund der geringen Resonanz wurde das Projekt Solokarriere abgeblasen. Nicht unwahrscheinlich, dass der gleichzeitige Misserfolg der Kinks keine unwesentliche Rolle bei der Entscheidung für Pye Records spielte, denn auch diese hatten mit schlechten Verkäufen zu kämpfen. Kommerzialität ist der häufigste Grund, warum ein Label sich gegen seine Künstler*innen entscheidet. 1991 musste selbst ein Major-Artist wie ADAM ANT ein komplett fertiges Album hinter sich lassen. Sicherlich waren bei der für MCA eingespielten Platte »Persuasion« mehrere Faktoren entscheidend, doch die schlechten Verkäufe des Vorgängers »Manners & Physique« dürften eine wesentliche Rolle gespielt haben. Nach der Übernahme durch die japanische Firma Matsushita Electric wurden alle Künstler*innen aus ihren Verträgen entlassen, deren letztes Album keinen Gold-Status erreichte. Damit ließ MCA auch Ant fallen. Besonders bitter für Ant war allerdings, dass das Label die Masterbänder des bereits aufgenommenen Albums nicht rausrücken wollte und sich kein Label fand, das eine Ablöse zahlen wollte. Dabei wurde sogar eine ganze Tour geplant, um »Persuasion« zu promoten. Ant selbst bezeichnete das Album als eines der besten, das er seit langer Zeit aufgenommen hatte: eine tanzbare Rock-Pop-Platte mit expliziten, sexuell aufgeladenen Texten. Das Album, an dem Ant mit Bernard Edwards von Chic sowie Larry Blackmon von Cameo arbeitete, bleibt dennoch bis dato unveröffentlicht. Auch bei den BEE GEES war es der Misserfolg des Vorgängeralbums, der die Veröffentlichung einer weiteren Platte verhinderte. »Life in a Tin Can« von 1973 brachte lediglich eine Single hervor, die gerade mal Platz 94 in den US-Charts erreichte. Robert Stigwood, Chef von RSO Records und gleichzeitig Manager der Band, lehnte den Nachfolger mit dem wunderschönen Titel »A Kick in the Head Is Worth Eight in the Pants« ab, nachdem die Vorabsingle »Wouldn’t I Be Someone« floppte. Einige der aufgenommen Songs schafften es dann immerhin...