Dee | Dark Land 35 - Horror-Serie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 35, 64 Seiten

Reihe: Anderswelt John Sinclair Spin-off

Dee Dark Land 35 - Horror-Serie

Der Clan vom Long River
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7325-5943-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Der Clan vom Long River

E-Book, Deutsch, Band 35, 64 Seiten

Reihe: Anderswelt John Sinclair Spin-off

ISBN: 978-3-7325-5943-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



'Mister Esrath ist in der Stadt!', rief Kenny begeistert, als er in das Zimmer seiner Schwester Lizzy stürmte. Lizzy blickte von ihrem Teenagermagazin hoch und sah ihren Zwillingsbruder gelangweilt an. 'Mister Esrath? Dieser Spinner, der behauptet, Tote zum Leben zu erwecken?'
'Mister Esrath ist kein Spinner!', empörte sich Kenny. 'Wir haben doch damals selbst gesehen, wie er ...' Lizzy verdrehte die Augen. 'Oh, Kenny, wirst du denn nie erwachsen? Damals lebte Dad noch, und wir waren zehn Jahre alt! Es war ein Trick!' Kenny sah sie mit ernstem Blick an. 'Nenn mich ruhig einen Narren - ich werde Mister Esrath fragen, ob er Dad zum Leben erweckt. Du kannst ja hierbleiben und weiter Trübsal blasen ...'

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Er wandte sich um und wollte Lizzys Zimmer bereits wieder verlassen, aber der Ruf seiner Schwester hielt ihn zurück. »Halt mal! Jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt!« Genervt legte sie das Magazin beiseite. Genervt war sie öfter seit Dads Tod vor einem Jahr. Aber Kenny hatte das Gefühl, dass es nicht nur daran lag, dass ihr Vater an dieser heimtückischen Krankheit gestorben war, die die Blutegel übertragen hatten. Es lag wohl eher daran, dass Lizzy in »das schwierige Alter« gekommen war, wie ihre Tante es nannte. Einem Alter, in dem – zumindest auch nach Kennys Meinung – alle Mädchen merkwürdig wurden. Auch die Mädchen in seiner Klasse. Sie hatten keine Lust mehr, mit den Jungs Fußball zu spielen oder herumzutoben, standen stattdessen kichernd herum, schminkten sich und interessierten sich eher für die Jungs in den höheren Klassen. Er seufzte innerlich, wenn er daran dachte, wie sehr sich Lizzy verändert hatte. Früher hatten sie alles gemeinsam gemacht, waren in den Wäldern herumgestrolcht, hatten im Long River gebadet oder dort am Ufer gezeltet. Aber nach und nach hatte sie sich von ihm entfernt, und obwohl sie einige Minuten nach ihm auf die Welt gekommen war, hatte er den Verdacht, dass sie ihn mehr und mehr als kleinen Bruder ansah. Außerdem hatte sie Geheimnisse vor ihm. Auch das war etwas völlig Neues für ihn, mit der er zurechtkommen musste. Neuerdings verschloss sie die Badezimmertür von innen, verbot ihm, in ihr Bett zu steigen, wenn ihm kalt war, und einige Male hatte er sie dabei ertappt, wie sie etwas (Was nur?) in ein Notizbuch schrieb, das sie jedes Mal vor ihm rasch zu verstecken versuchte, wenn er unverhofft ihr Zimmer betrat. Nein, er war nicht eingeschnappt. Und schon gar nicht, weil sie seinen Enthusiasmus für Mr. Esraths magisches Wunderkabinett nicht teilte. Eher machte sich eine gewisse Traurigkeit in ihm breit. Damals, als sie kleiner gewesen waren und mit ihrem Dad das erste Mal Mr. Esraths Aufführungen besucht hatten, waren sie so begeistert gewesen von seinen magischen Künsten, dass sie ihren Vater jedes Jahr angebettelt hatten, wieder seine Vorstellung zu besuchen. Und kurz nachdem ihr Vater vor einem Jahr gestorben war, hatten sie beide den Plan geschmiedet, Dad wieder zum Leben zu erwecken – mit Mr. Esraths Hilfe. Offensichtlich hatte seine Schwester sich inzwischen von dem Plan verabschiedet. »Dann mache ich es eben allein«, sagte er trotzig. »Ich habe das Plakat gelesen. Mister Esrath ist ab heute wieder in der Stadt! Er wird Dad wieder lebendig machen.« »Ach, Kenny, sei doch nicht so ein Dummkopf! Mister Esrath ist ein Scharlatan, ein Hochstapler. Wer kann schon Tote zum Leben erwecken? Das kommt nur in den Märchen vor.« »Ich gehe heute Nachmittag zu ihm!«, beharrte Kenny. »Du weißt aber schon, dass sie Kinder allein nicht reinlassen«, erinnerte ihn Lizzy. »Donald kommt mit. Außerdem bin ich kein Kind mehr!« Na ja, fast kein Kind mehr. »Donald?« »Donald Wasteland, ja. Er ist zwei Klassen über uns, und manchmal spielen wir Fußball zusammen, und außerdem hat er mir auch schon ein paarmal bei den Hausaufgaben geholfen …« »Du brauchst mir nicht zu erklären, wer Donald ist. Wir haben auch schon ein paarmal zusammen die Hausaufgaben gemacht.« Kenny fand seine Schwester in diesem Moment ziemlich affektiert, als sie sich über die langen schwarzen Haare strich – und auch ihr Augenaufschlag wirkte ziemlich befremdlich. Als sie dann auch noch ein Lächeln andeutete, ihre spitzen Reißzähne hervorblitzten und sie sagte: »Oh ja, Donald ist wirklich zum Anbeißen«, hätte er diesmal am liebsten die Augen verdreht. So aber sagte er: »Heißt das, du kommst doch mit zu Mister Esrath?« »Natürlich komme ich mit, Bruderherz. Oder hast du gedacht, ich lasse dich allein zu dem Scharlatan gehen?« *** Sie machten sich früh genug auf, um ja nicht den Anfang der Vorstellung zu verpassen. Trotz des Nebels, der seit einigen Tagen sein weißes Netz über Riverpool gespannt hatte, herrschte auf den Straßen emsiges Treiben. Sie wählten den Weg am Hafenbecken entlang. An den Quais und Landungsbrücken zeigte sich die übliche Hektik. Arbeiter waren dabei, die Lastkähne zu beladen, während die Passagiere eines angelegten Raddampfers gerade von Bord gingen, um sich an Land die Füße zu vertreten. Wie oft hatte Kenny hier schon gesessen und sehnsüchtig den Schiffen hinterhergeschaut. Zumeist denen, die flussaufwärts fuhren, denn dort sollte es noch Gebiete geben, in die noch keiner – weder Mensch noch Dämon – einen Fuß gesetzt hatte. Davor aber lagen noch die Gebirge, in die es mehr und mehr Abenteurer, Glücksritter und Diamantsucher zog. Besonders die kostbaren Blutdiamanten in Sgoth waren es, die in den letzten Jahren einen wahren Rush erzeugt hatten. Manchmal, wenn die riesigen Raddampfer in Riverpool Station machten, stiegen die abenteuerlichsten Gestalten aus, und dann stellte sich Kenny vor, einer von ihnen zu sein und mit ihnen wieder an Bord zu gehen und weiter gen Norden zu fahren … Früher, wenn man ihn gefragt hatte, was er denn werden wolle, hatte er stets »Flusslotse« oder »Kapitän« geantwortet. Aber seit der Rush eingesetzt hatte, wollte er lieber Schatzsucher werden, um eines Tages mit einem Sack voller Blutdiamanten nach Riverpool zurückzukehren, seiner Mum, Lizzy und sich das größte Haus in der Stadt bauen lassen (größer noch als die weiße Prachtvilla des Bürgermeisters) und ansonsten all das zu tun, was reiche Männer zu tun pflegen. »Träum nicht!«, tadelte Lizzy ihn und zog ihn weiter. »Oder willst du die Vorstellung versäumen?« »Ich glaube, du hast eher Sorge, dass Donald nicht auf dich wartet«, neckte er sie. Mittlerweile hatte er sich einige Gedanken gemacht, was Lizzy und Donald betraf, und sich vorgenommen, ein Auge auf die weitere Entwicklung zu werfen. Alles hatte seine Vor- und Nachteile: Denn so sympathisch ihm Donald war, so würde er bestimmt sehr viel weniger Zeit haben, ihm bei den Hausaufgaben zu helfen und mit ihm und den anderen Jungs Fußball zu spielen, wenn er sich mehr mit Lizzy herumtrieb. Donald wartete an der nächsten Straßenecke auf sie, direkt vor dem Bloody Inn. Seinem Vater gehörte die zumeist von Vampiren frequentierte Kneipe, und man munkelte, dass nicht nur Alkohol und Tierblut über den Tresen gingen, sondern auch Menschenblut. Kenny hatte noch nie Menschenblut gekostet, aber es stand ganz oben auf der Liste der Dinge, die er sich als (zurückgekehrter!) reicher Mann gönnen würde. Donald war ein groß gewachsener sehniger Junge mit blonden Haaren. Im Gegensatz zu Kennys rotem Haarschopf sahen sie immer gekämmt aus. In Donalds Augen trat ein eigentümlicher Glanz, als er die beiden begrüßte, wobei Kenny den Eindruck hatte, dass sich Donald in erster Linie für seine Schwester interessierte. Und die sich für ihn. Es war geradezu peinlich, wie sich die beiden anlächelten. »Und wie machen wir es, dass du uns mit reinschleust?«, fragte er Donald, um die beiden endlich zum Aufbruch zu bewegen. »Wenn einer fragt, sage ich, ich bin achtzehn und ihr meine sechzehnjährigen Geschwister.« »Sechzehn? Echt?« Kenny warf sich in die Brust. Wenn das wirklich funktionierte, würde er sich demnächst auch für älter ausgeben – und endlich in die Kinovorstellungen reinkommen, die ihn schon immer gereizt hatten, ihm aber bisher verwehrt geblieben waren. Donald musterte ihn skeptisch von oben bis unten. »Hm, hast recht, bei dir könnte es schiefgehen. Siehst eher aus wie acht. Aber bei deiner Schwester könnte es klappen.« Er maß auch sie mit Blicken – durchaus anzüglichen Blicken, wie Kenny feststellte. Als Donald Kennys betrübte Miene sah, schlug er ihm mit der Hand auf die Schulter und lachte. Und auch Lizzy prustete plötzlich los. »Heh, war nur ein Scherz, Kumpel«, sagte Donald. »Natürlich kommst du damit durch!« Dennoch fühlte sich Kenny ab sofort noch kleiner, und mit jedem Meter, den sie sich dem Eingang zu Mr. Esraths Wunderkabinett näherten, zweifelte er ein wenig mehr daran, ob man ihn hineinlassen würde. Die Schlange vor ihnen war lang. Offensichtlich hatte es sich herumgesprochen, dass die Vorstellungen ihr Geld wert waren. Jetzt, am Nachmittag, waren es zumeist Väter oder Mütter mit ihren Kindern oder ältere Jugendliche, die in der Schlange standen. Es gab auch noch Abend- und sogar Nachtvorstellungen – für die Erwachsenen, und Kenny mochte sich nicht vorstellen, welche makabren Wunder Mr. Esrath in ihnen vollbrachte. Für ihn waren die Nachmittagsvorstellungen schon gruselig genug. Er hatte in seinem Leben schon vier oder fünf erlebt, und insbesondere die Totenerweckung, die als Höhepunkt der Show zum Schuss zelebriert wurde, hatte ihm schlaflose Nächte bereitet – oder Albtraum durchtränkte Nächte, je nachdem. Dabei hatte er das Gefühl gehabt, dass Mr. Esrath jedes Mal ein wenig mehr an der Schraube drehte, um auch jene noch zu überraschen und zu schockieren, die die Show bereits kannten. Nur allmählich rückten sie dem Eingang näher. Donald und Lizzy hatten sich hinter Kenny eingereiht. Er hörte die beiden miteinander tuscheln, aber immer, wenn er sich umdrehte, taten sie so, als gehörten sie nicht...



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