Buch, Deutsch, 180 Seiten, PB, Format (B × H): 1400 mm x 2050 mm, Gewicht: 270 g
Buch, Deutsch, 180 Seiten, PB, Format (B × H): 1400 mm x 2050 mm, Gewicht: 270 g
ISBN: 978-3-940259-13-4
Verlag: Schweikert-Bonn-Verlag
Gernot Dilger, der hier den ersten Teil seiner Erinnerungen vorlegt, entstammt einer schwäbischen Bauernfamilie, deren mütterliche Seite tief im Pietismus verwurzelt ist. In dieser speziellen Form, sich das Leben schwerer zu machen als nötig - „dia gangad zom Lacha en dr Kellr“ - mögen viele Leser ihre eigene Prägung wiedererkennen, vermutlich auch dann, wenn sie sich zeitlich oder weltanschaulich weit davon entfernt glauben.
Der nicht streng chronologisch angeordnete Text lebt von der genauen Alltagsbeobachtung und von den bisweilen ins Skurrile hinüberspielenden Personenporträts. Es ist jedenfalls eine Kunst für sich, eine stinknormale Konfirmation so zu schildern, dass sie nicht mehr, aber auch nicht weniger bedeutet als die Summe all ihrer Peinlichkeiten – und dennoch durchblicken zu lassen, dass man einzig auf diese rituelle Weise die Schwelle zur Welt der Erwachsenen übertreten konnte.
Zielgruppe
ältere Menschen, Nachkriegsgeneration, Schwaben, evangelische Kirchengemeindemitglieder, Pietisten, Theologen, Religionslehrer, Gläubige
Weitere Infos & Material
Vorwort 9
Prolog 11
Ein dummer Streich 13
Die Kugel darf das Land nicht verlassen! 15
Schießen macht Spaß! 17
Oma und die Landplagen 18
Die Hölle auf Erden 21
Das Leben ist eine Plage – s’Leba isch a Plag! 24
Das schöne Landleben 25
Erntezeit 26
Schule für die Braven 28
Lohn 29
Die Besatzer – Mai 1945 30
Eine wichtige Aufgabe 30
Auf d’Gass 34
Im Apfelhimmel 34
Die Fabrikanten 36
Im nahen Eichenwald lag unser Trainingscamp 39
Gürklesgeschichte! 40
Eine andere Welt – Zwischen den Welten 43
Das andere Geschlecht 47
Schule 50
Umzug – Schulwechsel 52
Wie das Leben im Dorf geregelt wurde 54
Das Wochenende 54
Samstag – der sechste und letzte Tag der Arbeitswoche 56
Am Sabbath sollst du ruhn – Der siebte Tag 58
Pubertät 60
Die ersten Versuche beim anderen Geschlecht 61
Konfirmation – Der Eintritt in die Erwachsenenwelt 64
Der Tag der Tage 67
Eroberung der Umgebung 72
Es geht uns gut 75
Vorbilder 77
Meine Zelluloidwelt 80
Kritisches Denken 82
Berufsfindung 83
Die Lehre 84
Eine bequeme Reise 85
Meine erste Liebe 91
Konflikt mit dem Vater 101
Bergunfall 102
Reise nach Italien 106
Wer eine Reise tut … 108
Bei den Pyramiden 116
In der Wüste 117
Am Kanal 119
Schilfsmeergeschichte – Durchzug durchs Meer 120
Ostern in der koptischen Kirche 121
Amöbenruhr 121
Heimkehr 122
Im Kibbuz 122
Jerusalem 131
Berufsfindung – Was soll ich werden? 135
Kirchentag 136
Meine Ausbildungsstätte 142
Im pädagogischen Neuland 144
Die angenehmen Seiten im Heimalltag 146
Praktikum in der Vorstadtgemeinde 148
Die theoretische Ausbildung 149
Kirche im Umbruch 149
Qumran 151
Urchristentum 152
Bibelschule Beatenberg am Thuner See in der Schweiz 153
Ausbildungsabschluss 156
Meine erste „richtige“ Stelle! 157
Schon wieder Schule! 160
Weihnachten – Unser Weihnachtsspiel 166
Aller Anfang ist leicht 170
Sozialer Einsatz 172
Schwäbische Aussichten 173
Der Titel des Buches bringt es auf den Punkt: Wer den Pietismus in die Wiege gelegt bekommen hat, muss für die weltliche Revolution nicht verloren sein. Der Ausdruck „Pietkong“, mit dem sich Herbert Wehner einst über seinen Parteigenossen Erhard Eppler lustig machte, kann unter selbstironischen Vorzeichen durchaus einen Erklärungsnotstand beseitigen: Wie viel Enge und moralische Rigidität muss man erfahren haben, um zum “Achtundsechziger” werden zu können?
Gernot Dilger, der hier den ersten Teil seiner Erinnerungen vorlegt, entstammt einer schwäbischen Bauernfamilie, deren mütterliche Seite tief im Pietismus verwurzelt ist. In dieser speziellen Form, sich das Leben schwerer zu machen als nötig - „dia gangad zom Lacha en dr Kellr“ - mögen viele Leser ihre eigene Prägung wiedererkennen, vermutlich auch dann, wenn sie sich zeitlich oder weltanschaulich weit davon entfernt glauben.
Einer Generation zugehörig, die mitten in den Krieg hineingeboren und deren Jugend dann doch von der Thermik des Wirtschaftswunders erfasst wurde, lässt uns Gernot Dilger teilhaben an den Freuden und Nöten eines von Fluchtinstinkten und erotischer Abenteuerlust getriebenen, letztendlich aber doch immer wieder im Schoß der Kirche landenden, „Lockenkopfes“ – worunter man sich die am besten noch von Bob Dylan verkörperte Unlust vorzustellen hat, sich die Flausen austreiben zu lassen. Die Welt, die sich dem Heranwachsenden zwischen den hehren Glaubenswahrheiten der Mutter, dem Feldwebelgebaren des Vaters und dem als Hallodri verschrienen Onkel, zwischen Wildwestromanen, Stuttgartausflügen und Bibel auftut, enthält jedenfalls den Stoff, aus dem die Träume sind.
Was den frisch konfirmierten Buben zunächst einmal mit dem neuen Dreigangfahrrad über die Schwäbische Alb ins Oberland, dann über Aachen nach Holland, später per Anhalter nach Italien, auf dem Schienenweg nach Griechenland, mit dem Schiff nach Ägypten, per Flugzeug nach Israel und den Reformbewegten schließlich auf den Kirchentag nach Berlin treibt, ist unschwer nachzuvollziehen. Das in Schlagern verbreitete Fernweh der fünfziger Jahre findet hier allerdings zu seiner individualtouristischen Variante; eine Entwicklung, die in den sechziger und siebziger Jahren die Jugendlichen der Wohlstandsländer in immer exotischere Fernen getragen hat, auch in mentaler Hinsicht.
Die Idee beispielsweise, Urchristentum und Urkommunismus in eins zu denken, wurde in den südamerikanischen Befreiungstheologien jener Zeit politisch scharf gemacht und hierzulande von den radikaleren Elementen innerhalb und außerhalb der Kirche begierig aufgesogen. Etwas von dieser Neubesinnung auf die revolutionären Wurzeln des Christentums hat Gernot Dilger in seinen zahlreichen kirchlichen Funktionen in die Schulen und in die Gemeindearbeit tragen können. Als progressiver, will sagen: traditionsabgewandter Religionslehrer war er bei seinen Schülern beliebt, nicht zuletzt wegen seiner Fabulierlust, mit der er den als langweilig verschrienen Unterricht durch eine hohe Zufuhr von „Selbsterlebtem” würzte.
Doch anders als bei der noch von ihren Kriegserlebnissen zehrenden Vorgängergeneration waren diese Geschichten nicht retrospektiv orientiert, sondern konnten den nur wenig jüngeren Schülern offenbar das Gefühl vermitteln, das Leben habe erst angefangen und stecke noch voller Abenteuer. Es kommt eben, hätte er ihnen sagen können, darauf an, was man jeweils daraus macht.
Ein Teil dieser Geschichten ist wohl auch in das vorliegende Buch eingegangen. Einigen merkt man an, dass sie nicht zum ersten Mal erzählt worden sind. Und dennoch gleiten sie an keiner Stelle ins gefällig Anekdotische oder Glattgeschliffene ab. Auch versucht der Autor nie, das Erlebte ins allzu Sinnfällige zu übersetzen. Der nicht streng chronologisch angeordnete Text lebt von der genauen Alltagsbeobachtung und von den bisweilen ins Skurrile hinüberspielenden Personenporträts. Es ist jedenfalls eine Kunst für sich, eine stinknormale Konfirmation so zu schildern, dass sie nicht mehr, aber auch nicht weniger bedeutet als die Summe all ihrer Peinlichkeiten – und dennoch durchblicken zu lassen, dass man einzig auf diese rituelle Weise die Schwelle zur Welt der Erwachsenen übertreten konnte.
Harry Walter




