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E-Book

E-Book, Deutsch, 178 Seiten

Durrer Gregors Pläne

Eine Anleitung zum gelingenden Scheitern
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7531-9390-8
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Anleitung zum gelingenden Scheitern

E-Book, Deutsch, 178 Seiten

ISBN: 978-3-7531-9390-8
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Gregors Pläne ist ein fiktives Werk, das einerseits von der Suche nach der idealen Arbeitsstelle berichtet, und sich andererseits mit der Frage auseinandersetzt, ob wir mit unserem beständigen Streben nach Stabilität und Sicherheit nicht einer grandiosen Illusion aufsitzen, die so recht eigentlich ein veritabler Selbstbetrug ist.

Geboren 1953 in Grabs, Schweiz. Ausgebildet in der Schweiz (Basel, Jurisprudenz), Wales (Cardiff, Journalism Studies), Australien (Darwin, Applied Linguistics) und in Schottland (Stirling, Drug and Alcohol Studies). Hauptsächlich geprägt vom neugierigen Unterwegssein in verschiedenen Kulturen, ganz vielen Büchern sowie dem Austausch mit Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Der Mensch ist, was sein Plan ist


Du hast unrecht, Deine Phantasien in eine gewisse

Form, in einen regelrechten Plan bringen zu wollen“, sagte

ich; „siehst Du denn nicht, dass Du ihnen Gewalt antust ...“

George Sand: Geschichte meines Lebens

„Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?“

Der Mann ist ein Trottel, denkt es automatisch in mir. Und genau so automatisch gehen meine Gedanken zu einem anderen Mann, einem cleveren englischen Journalisten, der einst in Hongkong wohnte und ein gescheites Buch über den wirtschaftlichen Aufstieg Asiens geschrieben hatte, in dem er überzeugend darlegte, dass er im Jahr 2030 in Shanghai, dass dannzumal der Mittelpunkt der Welt sein würde, eine Attika-Wohnung besitzen und ... Der Mann starb zwei Jahre später beim Wasserskifahren in Südfrankreich.

„Keine Ahnung“, antworte ich. „Ich finde die Zukunft vorherzusagen etwas schwierig.“

„Darum geht es nicht“, sagt der Personalsachbearbeiter. „Es geht um ihre Pläne, Darum, ob Sie eine Vision für sich haben.“

„War denn Ihre Vision, Personalsachbearbeiter zu werden und Bewerbern solche Fragen zu stellen?“, höre ich mich sagen. „Und Bewerberinnen“, füge ich noch hinzu, bevor ich mich erhebe und zum Ausgang gehe.

Elitär komme ich ihm vor, hatte ein Psychologe beim letzten Bewerbungsgespräch gesagt. Ein paar Tage zuvor hatte ein anderer mich als stark individualistisch eingestuft und eine Personalchefin hatte kurz darauf gemeint, ich käme für die Stelle nicht in Frage, da ich viel zu visionär und unorthodox sei.

Es war offensichtlich: Ich passte nirgendwo dazu. Und obwohl ich fand, dass mich das geradezu auszeichnete, blieb da immer noch die Frage des Geldverdienens.

„Du musst selber was machen“, ermuntert mich meine Bekannte S, die seit über zwanzig Jahren das macht, was ihre Vorgesetzten von ihr erwarten.

„Schon, aber was denn?“

„Du bist doch so vielseitig, da wird sich bestimmt was finden lassen.“

„Vielseitigkeit ist eher ein Problem und nicht unbedingt die Lösung.“

„Ach komm, jetzt sei doch nicht so negativ.“

S war offenbar der Auffassung, ich hätte mich entschieden, 'negativ' zu sein.

Zum Ausgleich fand ich sie entschieden zu 'positiv'. Bei 'positiv' kommt mir regelmässig die Geschichte eines Orchideendiebs in Florida in den Sinn, dem auf einem seiner Beutezüge ein Pflanzengift in eine offene Wunde geriet, sodass sein rechter Unterarm amputiert werden musste. Was ihn jedoch nicht daran hinderte, das Ganze 'positiv' zu sehen, wurde er doch dadurch in die Lage versetzt, einen Artikel über den Vorfall zu schreiben, der dann in einer Gartenzeitung veröffentlicht wurde.

Ich gehe Brot kaufen. Die junge Frau in der Bäckerei gibt mir falsch heraus. Als ich sie darauf aufmerksam mache, gibt sie sich eine Kopfnuss.

„Bringt das die Dinge in Ihrem Kopf wieder in die rechte Ordnung?“, erkundige ich mich.

„Genau!“, lacht sie.

Kaum dass du anfängst Pläne zu machen, übernimmt das Leben das Ruder. Das habe ich in einem Thriller gelesen. Und es stimmt. Jedenfalls gemäss meiner Erfahrung. Nicht dass mich das hindern würde, weiterhin Pläne zu machen. Schliesslich geht es nicht um Entweder/Oder, sondern um Und/Und/Und. Wobei: So ist das natürlich nicht richtig. Auf jeden Fall nicht immer, denn es kommt vor, dass Entweder/Oder nötig ist. Für mich gilt es herauszufinden, was ich ändern kann. So ziemlich gar nichts, scheint mir.

***

Als ich heute um zwanzig Minuten vor sechs aufwache, steht bereits die Sonne über der nahen Bergspitze. Wenn das nicht ein Zeichen ist!, durchfährt es mich. Ein Zeichen wofür? Zugegeben, das weiss ich auch nicht. Ein Zeichen eben, Zeichen stehen doch so recht eigentlich immer für etwas Verheissungsvolles. Nicht immer? Stimmt, aber meistens. Okay, manchmal auch nicht. Gott, ist das schwierig!

Jedenfalls: Ich stehe ganz beschwingt auf und greife, mein Morgenritual, zu meinen beiden, eins genügt nicht, Bändchen mit weisen Sprüchen, in der Erwartung (mein Leben, so denkt es manchmal in mir, ist nichts weiter als eine endlose Folge von Erwartungen), die Einträge für den heutigen Tag müssten irgendwie bedeutsam sein. Sind sie nicht, beide nicht. Nichts als die üblichen Aufmunterungen, die man in Null-Komma-Nichts vergessen hat. Ich erspare sie Ihnen.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe nichts gegen Plattitüden, aber nicht, wenn ich etwas anderes erwarte, etwas in der Art philosophische Erleuchtung, und das tue ich meistens. Unbewusst natürlich. Auch Klischees mag ich, die treffen meist den Kern einer Sache. Klar, man darf sie nicht allzu ernst nehmen. Doch nimmt man sie leicht, erfüllen sie ihren Zweck – uns über unsere Simplifizierungen lachen zu lassen. Andererseits: In der Einfachheit liegt der Schlüssel, das weiss doch nun wirklich jeder, sogar die sogenannten Experten für Krisenkommunikation, die ihren Klienten (erwarten Sie jetzt bitte nicht, dass ich auch noch Klientinnen hinzufüge! Nur schon, dass ich das in Betracht ziehen, geht mir auf die Nerven) jeweils raten, die Wahrheit zu sagen. Schon erstaunlich, wofür man heutzutage alles Berater braucht.

***

Wer sich nicht klar ausdrücken kann, hat nicht klar gedacht, pflegte einer meiner Juraprofessoren zu sagen. Ich mag diesen Satz, schätze die Haltung dahinter. Auch die Strenge sagt mir zu. Juristisches hingegen weniger.

Jura habe ich studiert, weil ich mir Medizin nicht zutraute, da ich weder Physik noch Chemie begriff. Heute bedauere ich das und wünsche mir, ich hätte mir damals einen Tritt in den Hintern gegeben, mich angestrengt und meinen Blick auf die Zukunft gerichtet, die berufliche, denn dann hätte ich bestimmt nicht Jura studiert. Streithähne verachte ich.

Juristen sind häufig ziemlich eingebildet. In dieser Hinsicht kann ich mich mit ihnen bestens identifizieren, nur schaffe ich es nicht, das Fabrizieren von Problemen, die nur von denen gelöst werden können, die sie erschaffen haben, wirklich ernst zu nehmen. Ich weiss, ich weiss, die Juristerei hat reale Konsequenzen. Ich schaffe es trotzdem nicht, finde sie theatralisch, aufgeblasen und essentiell hohl.

Doch Jurist klingt in meinen Ohren einfach besser als Historiker, denen meist nur gerade ein Lehrerdasein blüht. Furchtbar! Wer um Himmels Willen will sich schon mit Teenagern auseinandersetzen, die so ziemlich Null-Interesse am Schulstoff haben. Und überhaupt: Lehrer nimmt doch nun wirklich niemand ernst.

Am Rande: Ich habe viele Jahre später brasilianische Teenager in Englisch unterrichtet – sie waren neugierig, interessiert und lernbegierig.

Juristen wird nachgesagt, sie könnten gut reden. Ich sehe mich gerne als guten Redner. Rechthaberische Neigungen habe ich auch. Als Jurist zu arbeiten kann ich mir trotzdem nicht vorstellen. Und so habe ich nach meinem Abschluss ein Medienstudium angefangen. An einer renommierten Uni in Grossbritannien, „Oxbridge für Journalisten“, laut Wikipedia. Nächstens werde ich meinen Magister machen.

34 Studenten sind wir, die Hälfte Frauen, aus 24 Ländern, von China bis zur Karibik. Im Alter von Mitte zwanzig bis Ende vierzig. Der Fernsehsender, bei dem sie angestellt sind, habe fast die ganze Studioausrüstung von einer englischen Firma bezogen, erzählt F aus Ghana. Im Gegenzug habe sich die englische Regierung mit drei Stipendien erkenntlich gezeigt. Südkoreaner berichten, dass sie nur unter der Bedingung aufgenommen worden seien, dass sie vorgängig einige Monate einen teuren Intensiv-Englisch-Kurs in Grossbritannien belegten. Die Briten verstehen sich aufs Abzocken.

Als ein Studenten-Rekrutierer in Tokio mit zwei Kandidatinnen ein höchst anregendes Gespräch über Shakespeare, Dekonstruktivismus und japanisches Essen geführt hatte, sie dann aber bedauernd wegschickte, da sie kein Englisch sprachen, hörte er seinen Supervisor rufen:

„Weshalb schickst die beiden weg?“

„Sie sprechen kein Englisch!“

„Schick sie doch einfach zu mir, bitte!“

Bei den Gebühren, die internationale Studenten zahlen, musste doch da was zu machen sein. Und in der Tat gibt es im Vereinigten Königreich den personal tutor, der jedem Studenten beigegeben ist und dazu schauen soll, dass der Student nicht totalen Schrott abliefert. Meiner, der auch noch für andere Studenten zuständig ist, meinte einmal, er könne gar nicht mehr zählen, wie viele Magisterarbeiten er schon geschrieben habe. Und meine Kollegin S, die von ihrem Klassenlehrer aufgefordert wurde, die eingereichte Arbeit noch einmal mit dem Tutor durchzugehen, erzählte mir, der Klassenlehrer hätte ihre revidierte Version enthusiastisch mit „Super, ich habe sie gar nicht wieder erkannt“ kommentiert. „Als Kompliment kam mir das nicht gerade vor“, lachte sie.

Meine Kollegin M, Inderin aus der Südsee, offenbart mir, während wir im Regen vor dem Eingang des Hauptgebäudes uns die Beine vertreten, ihre Schwierigkeiten, sich anzupassen. Sie habe vor zwei Jahren in den USA das Studium abgebrochen, da es mit ihren Bedürfnissen absolut gar nichts zu tun gehabt habe. Und jetzt fürchte sie sich davor, es auch dieses Mal nicht zu schaffen. Unverzüglich rate ich ihr, wie es so...



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