E-Book, Deutsch, Band 4, 704 Seiten
Reihe: DIE SCHLANGENKRIEG-SAGA
Feist Die Schlangenkrieg-Saga 4
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-23300-6
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die zersplitterte Krone
E-Book, Deutsch, Band 4, 704 Seiten
Reihe: DIE SCHLANGENKRIEG-SAGA
ISBN: 978-3-641-23300-6
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die übernatürlichen Gefahren, die Midkemia bedrohen, scheinen nach langem Kampf besiegt zu sein. Doch noch immer ziehen Söldnertrupps plündernd und brandschatzend durch das Königreich. Zwar gelingt es Prinz Patrick, die Hauptstadt Krondor zu befreien. Doch auch damit ist der Krieg in Midkemia noch lange nicht zu Ende. Der selbst ernannte König des Bitteren Meeres, General Fadawah, sammelt seine Kräfte. Er will Krondor um jeden Preis zurückerobern ...
Raymond Feist wurde 1945 in Los Angeles geboren und lebt in San Diego im Süden Kaliforniens. Viele Jahre lang hat er Rollenspiele und Computerspiele entwickelt. Aus dieser Tätigkeit entstand auch die fantastische Welt seiner Romane: Midkemia. Die in den 80er-Jahren begonnene Saga ist ein Klassiker des Fantasy-Genres, und Feist gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Fantasy in der Tradition Tolkiens.
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Winter
Dash wartete. Die eisige Kälte ließ seine Augen tränen, während er den Blick nicht von der Straße wandte. Der Wiederaufbau von Düstermoor gestaltete sich langwierig, da Schnee und Regen die Arbeiten behinderten, und der Winter zeigte sich zudem von seiner unberechenbaren Seite. Wenn nicht gerade Eis für die Handwerker, die mit der Erneuerung der Mauern beschäftigt waren, jeden Schritt zu einem Risiko machte, dann blieben die Wagen mit den dringend benötigten Baumaterialien im knietiefen Schlamm stecken.
Es war wieder kalt geworden, aber Dash begrüßte es, dass wenigstens kein Schnee fiel. Der Himmel war klar, und die Nachmittagssonne spiegelte eine Wärme vor, die nicht zu spüren war. Dash wusste, dass dies nicht nur am Wetter lag, sondern auch an seiner Stimmung, denn dieser Winter hatte länger gedauert als jeder andere in seinem jungen Leben.
Der Lärm der Stadt wurde durch die stille, frostige Luft herangetragen, während der Tag seinem Ende zuging. Mit ein bisschen Glück würde das neue Tor noch vor Sonnenuntergang fertig sein, und damit wäre die Stadt auch wieder ein wenig sicherer.
Er war müde, so erschöpft, wie er es in seinen zwanzig Jahren noch nie gewesen war. Zum Teil musste er dies der scheinbar endlosen Liste von Aufgaben zuschreiben, die erledigt sein wollten, und dazu gesellte sich Sorge, denn sein Bruder Jimmy war überfällig.
Jimmy spielte zurzeit die Rolle eines Kundschafters hinter den feindlichen Linien. Prinz Patrick von Krondor hatte sich entschlossen, im Frühjahr rasch und mit ganzer Härte gegen die Bedrohung durch die keshianischen Streitkräfte vorzugehen, die an der Südflanke des Königreichs einmarschiert waren. Damit würde die Wiedereroberung jener Gebiete, die während der Invasion im vergangenen Sommer verloren gegangen waren, Owen Greylock, dem Feldmarschall von Krondor, Erik von Düstermoor, Hauptmann der Blutroten Adler, sowie einer kleinen Zahl auserlesener Männer zufallen.
Aus diesem Grund musste der Prinz erfahren, auf welche Weise der Feind zwischen Düstermoor und Krondor agierte. Und Jimmy hatte sich für diese Aufgabe freiwillig gemeldet.
Inzwischen hätte er seit drei Tagen zurück sein sollen.
Also hatte sich Dash zum Rand des bewachten Gebiets begeben, einer Reihe niedergebrannter Mauern am Westende von Düstermoor. Die Armee des Prinzen sorgte im Umkreis eines Tagesritts um die Stadt für eine gewisse Sicherheit, diese Mauerruinen und Schutthaufen boten allerdings reichlich Gelegenheit für einen Hinterhalt, und hier hatte mehr als eine Bande von Plünderern und Ausgestoßenen Zuflucht gefunden.
Er suchte den Horizont nach seinem Bruder ab. Aus dem winterlichen Wald vor ihm war nur selten ein Laut zu hören. Gelegentlich vernahm Dash ein dumpfes Rauschen, wenn Schnee von den Bäumen rutschte, oder ein lautes Knacken, wo einige Meilen entfernt das Eis zu schmelzen begann. Ein Vogel rief, und manchmal raschelte ein Tier im Gebüsch. In der kalten Luft trugen die Geräusche über Meilen hinweg.
Schließlich drang noch etwas aus weiter Ferne an sein Ohr. Es handelte sich leider nicht um den erhofften Hufschlag. Stattdessen knirschte es, als würde jemand über eine verharschte Schneeschicht laufen. Wer immer dieses Geräusch verursachte, er kam gleichmäßigen, gelassenen Schritts und ohne Eile auf ihn zu.
Dash schloss die Finger, die in Handschuhen steckten, zur Faust, öffnete sie wieder und zog das Schwert. Wenn der Krieg ihn etwas gelehrt hatte, dann, stets auf der Hut zu sein. Außerhalb der Festungsmauern der Stadt Düstermoor gab es keine wirklich sicheren Gebiete.
In einiger Distanz bemerkte er eine Bewegung und sah genauer hin. Eine einsame Gestalt marschierte die Straße entlang. Der Mann ging zunächst langsam, aber während Dash ihn beobachtete, beschleunigte er zu einem leichten Trab. Dann nahm er wieder hundert Schritt langsam und erneut hundert schneller, so wie es Dash und sein Bruder in der Kindheit von ihren Waffenmeistern gelernt hatten. Ein Mann ohne Reittier konnte auf diese Weise an einem Tag fast die gleiche Strecke wie ein Pferd zurücklegen, über Wochen hinweg kam er vielleicht sogar weiter.
Dash ließ ihn nicht mehr aus den Augen. Wie bald zu erkennen war, trug der Mann einen schweren grauen Mantel. Im Dämmerlicht des Winters konnte man ihn wegen der Farbe aus der Ferne leicht übersehen. An hellen Tagen, wenn der Himmel heiter war, konnte man den Träger jedoch leicht entdecken.
Während sich der Mann näherte, bemerkte Dash, dass er keinen Hut trug, sondern den Kopf mit einer Schärpe oder einem Fetzen von einem anderen Kleidungsstück umwickelt hatte. An der Seite baumelte ein Schwert. Seine Handschuhe waren aus zwei verschiedenen Paaren zusammengestellt. Die Stiefel waren mit Schlamm und Eis überzogen.
Das Knirschen unter seinen Füßen wurde lauter und lauter, und schließlich hatte der Wanderer Dash erreicht. Er hielt direkt vor dem jungen Wartenden an. »Du stehst mir im Weg.«
Daraufhin drängte Dash sein Pferd zur Seite und drehte es in Richtung Düstermoor. Er steckte das Schwert in die Scheide und ließ das Tier neben dem Mann gehen. »Hast du dein Pferd verloren?«, fragte er.
Jimmy, Dashs Bruder, deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Weit hinter mir.«
»Ganz schön unvorsichtig«, erwiderte der jüngere Bruder. »Außerdem war das Tier nicht ganz billig.«
»Das weiß ich auch. Bloß wollte ich es nicht unbedingt tragen. Es war tot.«
»Zu schade. War wirklich ein gutes Tier.«
»Du vermisst es mit Gewissheit nicht halb so sehr wie ich«, erwiderte Jimmy.
»Möchtest du ein bisschen reiten?«, fragte Dash.
Jimmy blieb stehen, drehte sich um und blickte seinen Bruder an. Die beiden Söhne von Lord Arutha, Herzog von Krondor, ähnelten sich nicht. James kam nach seiner Großmutter, schlank, blond und mit gewinnenden Gesichtszügen, die man nicht anders als feingeschnitten und vornehm bezeichnen konnte. Dash hingegen erinnerte eher an seinen Großvater, der die gleichen lockigen braunen Haare, die gleichen dunklen Augen und die gleiche spöttische Miene gehabt hatte. Doch was den Charakter betraf, waren die zwei wie Zwillinge. »Wurde auch Zeit, dass du mir das anbietest«, beschwerte sich Jimmy und hielt Dash die Hand hin.
Er schwang sich hinter seinen Bruder, und gemächlich ritten die beiden auf die Stadt zu. »Wie schlimm war es?«, fragte Dash.
»Schlimmer.«
»Schlimmer, als wir angenommen haben?«
»Schlimmer als alles, was du dir vorstellen kannst.«
Daraufhin sagte Dash nichts mehr, weil er wusste, dass sein Bruder dem Prinzen sofort nach ihrer Ankunft Bericht erstatten würde, und dann erfuhr auch er die Einzelheiten.
Jimmy nahm den heißen Becher mit Kaffee, in den er Honig und Sahne rührte, und nickte zum Dank. Der Diener eilte hinaus und schloss die Tür hinter sich.
Der Sohn des Herzogs saß im privaten Arbeitszimmer des Prinzen, der ebenso wie Feldmarschall Owen Greylock, Herzog Arutha und Erik von Düstermoor auf seinen Bericht wartete.
Patrick, Prinz von Krondor und Herrscher des Westlichen Reiches des Königreichs der Inseln, erkundigte sich: »Nun denn. Was habt Ihr herausgefunden?«
Zunächst nippte Jimmy an seinem heißen Kaffee, bevor er verkündete: »Die Sache stellt sich viel schlimmer dar, als wir befürchtet hatten.«
Patrick hatte fünf Männer in den Westen nach Krondor, seiner Hauptstadt, geschickt, und von denen waren bislang nur drei zurückgekehrt. Das Bild, das sie ihm vermittelt hatten, musste man als äußerst düster bezeichnen. »Fahrt fort.«
Jimmy stellte den Becher auf dem Tisch ab und zog sich den schweren Mantel aus, während er erzählte. »Ich habe es bis Krondor geschafft. Das war zwar nicht ganz einfach, aber die meisten Soldaten zwischen hier und der Stadt sind Banditen. Nach zwei Monaten Schnee und Regen haben sie sich verkrochen, hocken um ihre Feuer und wollen nur noch überleben.«
»Und Krondor?«, fragte Patrick.
»So gut wie verlassen. Ich bin auf ein paar Menschen gestoßen, aber keiner wollte sich mit mir unterhalten, und, offen gesagt, war ich selbst auch nicht gerade auf Gespräche versessen. Die meisten, die ich beobachtet habe, waren Soldaten, die im Schutt nach allem stöbern, was zu gebrauchen ist.« Jimmy richtete sich müde auf. Erneut trank er einen Schluck Kaffee. »Obwohl ich nicht recht weiß, was sie dort noch zu finden hoffen.«
Er sah Patrick an. »Hoheit, den Anblick, den Krondor bietet, hätte ich mir in meinen schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können. Jeder Stein ist vom Feuer geschwärzt, kein Stück Holz wurde nicht verkohlt. In der Luft liegt der Geruch von Asche, und dabei sind die Brände schon vor Monaten erloschen. Regen und Schnee müssen die Stadt erst reinwaschen. Der Palast …«
»Was ist mit dem Palast?«, wollte Patrick beunruhigt wissen.
»Verschwunden. Die Außenmauern stehen, aber mit großen Löchern. Vom Inneren ist lediglich ein Schutthaufen geblieben. Das Feuer war so heiß, dass selbst die dicksten Balken verbrannt und einige der Innenwände eingestürzt sind. Allein der alte Bergfried steht noch, wenn man den Ausdruck ›stehen‹ großzügig auslegt. Er ist eine verkohlte Steinhülle. Ich bin die Steinstufen hinaufgestiegen – kein Stück Holz hat die Katastrophe unversehrt überstanden – bis zum Dach. Von dort aus konnte ich die gesamte Stadt und das Gebiet im Norden und Westen überblicken. Im Hafen liegt eine Flotte gesunkener Schiffe, deren verbrannte Masten vor sich hin rotten. Die Anleger sind verschwunden. Die Straßen am Hafen sind eingeebnet. Die Gebäude im Westviertel sind alle entweder ausgebrannt oder eingestürzt, da das Feuer dort am schlimmsten gewütet hat.«
Arutha, Herzog von Krondor, nickte. Sein...