E-Book, Deutsch, Band 2, 342 Seiten
Franz Maingrab
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8392-7506-1
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 2, 342 Seiten
Reihe: Privatermittlerin Karla Senkrecht
ISBN: 978-3-8392-7506-1
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Notarzt wird nachts zu einem Einsatz im Frankfurter Diplomatenviertel gerufen. Ein Fahrradfahrer soll verunglückt sein. Am nächsten Morgen ist der Arzt tot, eine Joggerin entdeckt seine blutüberströmte Leiche. Von den ebenfalls an den Unfallort bestellten Sanitätern fehlt jede Spur. Wurden auch sie umgebracht? Privatermittlerin Karla Senkrecht greift zu äußerst ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden und sieht sich plötzlich mit der Planung ihrer eigenen Bestattung konfrontiert.
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Kapitel 1
Mittwoch, 19. Juni, Diplomatenviertel, 0:30 Uhr Als der Notarzt Thomas Wacker in der Günther-Groenhoff-Straße eintraf, entdeckte er einen Krankenwagen, der am Ende der Einbahnstraße die Fahrbahn versperrte. Wacker war vor 20 Minuten zum Einsatzort gerufen worden. Seine Kollegen konnten nicht lange vor ihm dagewesen sein. Wacker parkte sein Fahrzeug direkt hinter dem Krankenwagen, dessen Türen offenstanden. Er stellte den Motor ab und stieg aus. Von den Kollegen und vor allem von dem verletzten Fahrradfahrer, der verunglückt war, fehlte jede Spur. Das Fahrrad des angeblichen Opfers war nirgends zu sehen. Er blickte ins Innere des Einsatzfahrzeugs, die Trage befand sich darin. Er ging um den Wagen herum. Vielleicht hatte sich der Unfall vorn abgespielt? Die enge Anliegerstraße grenzte an die Frauenlobstraße. An der Gabelung war ebenfalls nichts Auffälliges zu erkennen. Kein Mensch weit und breit. Nichts deutete auf einen Unfall hin. Thomas Wacker drehte sich um die eigene Achse. Das war unheimlich. Waren sie in die falsche Straße geschickt worden? Wenn ja, wo waren dann seine Kollegen? Und wieso waren die Türen des Krankenwagens geöffnet worden? Gerade wollte er in der Zentrale nachfragen, da hörte er den Schrei: »Hilfe!« Er blieb wie angewurzelt stehen. Ein weiterer Hilferuf. Hastig überquerte Wacker die Frauenlobstraße, den Rufen folgend, lief zum Eckhaus, das von einer roten Sandsteinmauer umgeben war und an die Ginnheimer Landstraße grenzte. »Hilfe!« Eine Frauenstimme. Die Sanitäterin? Er beschleunigte seine Schritte, an der Mauer entlang, die Ginnheimer Landstraße aufwärts. »Ich komme!«, rief er, als er am Ende des ummauerten Eckgrundstücks angelangt war. Ein düsterer Weg mündete in den kleinen, ebenfalls unbeleuchteten Park. Er kannte den Ausläufer des Grüneburgparks, war mehrfach mit seinem Lebensgefährten Martin dort gewesen. Linker Hand ein Hügel mit Baumgruppe, rechts dichtes Gebüsch. Er durchquerte das Gatter, das verhinderte, dass Fahrzeuge in den Park einfuhren, konnte jedoch kaum etwas sehen. »Wo sind Sie?«, rief er. »Helfen Sie mir bitte!« Wacker versuchte, sich im Dunkeln zu orientieren, während er in der Gesäßtasche nach seinem Handy suchte, um dessen Taschenlampenfunktion zu aktivieren. Da verspürte er einen schmerzhaften Stich zwischen den Schulterblättern. Er stöhnte auf und fiel keuchend bäuchlings zu Boden. * Diplomatenviertel, 5:36 Uhr Der kleine Park war mit Absperrbändern versehen, Polizei und Spurensicherung waren vor Ort. Um den Toten vor den neugierigen Blicken der Schaulustigen zu verbergen, war ein weißes Zelt über dem Leichnam aufgebaut. Spurenkarten markierten Blut- und Fußspuren. Am frühen Morgen war eine Hundehalterin auf den Mann aufmerksam geworden, der blutüberströmt bäuchlings liegend den Zugang zum Park blockierte. Sie hatte die Polizei alarmiert. Ein von der Polizei hinzugezogener Notarzt hatte nur noch seinen Tod feststellen können. Der Krankenwagen, der zu diesem Zeitpunkt noch in der Günther-Groenhoff-Straße gestanden hatte, war kurze Zeit später von der Polizei gesichert, auf Spuren untersucht und abgeschleppt worden. Die am Fundort eingetroffenen Polizisten vom Kriminaldauerdienst hatten sogleich die Spurensicherung und die Staatsanwältin informiert, um eine rechtsmedizinische Untersuchung mit anschließender Obduktion zu erwirken. Erschienen war Frau Dr. Ricarda Jacoby vom rechtsmedizinischen Institut. Jacoby erkannte schnell, dass der Tod durch scharfe Gewalt eingetreten war. »Etliche Messerstiche, ganz klar erkennbar. Ist er einer der Sanitäter?« Der Beamte vom Dauerdienst schüttelte den Kopf. »Er war vermutlich der Notarzt. Zumindest den Papieren nach.« In diesem Moment hielt ein Einsatzfahrzeug auf dem Radweg nahe dem Parkeingang. Ein Mann und eine Frau stiegen aus, beide trugen weiße Overalls, streiften sich Füßlinge über, zogen drei Lagen Gummihandschuhe übereinander und näherten sich entlang der Absperrbänder dem Tatort. Hauptkommissar Kai Herbracht, 47 Jahre alt und erfolgreicher Ermittler der Frankfurter Mordkommission, und seine Kollegin Mia Dragovic, eine 34 Jahre junge und erfolgversprechende Kriminalpolizistin. »Würdet ihr bitte aufpassen, wo ihr hintretet? Hier wimmelt es nur so von Fußspuren, da will ich nicht auch noch eure fälschlicherweise sichern«, rief Jens Sailer von der Spurensicherung den beiden zu, während er ein benutztes Papiertaschentuch mit einer Einmal-Pinzette in eine der atmungsaktiven Deba-Breathe-Tüten schob. Herbracht blickte zu dem Leichnam hinüber, der auf dem Bauch in einer Blutlache lag. »Habt ihr im Blut Fußspuren ausmachen können?« »Eine Spur. Die hört aber gleich daneben wieder auf.« Sailer deutete auf einen dunklen Abdruck etwa zwei Meter neben der Blutlache. »Wir gießen den aus. Und wir haben noch etwas entdeckt.« Sailer holte eine Tüte aus dem Asservatenbeutel und hielt sie den Polizisten vor die Nase. Herbracht verengte die Augen. Dragovic stutzte. »Was soll das sein, eine Schlaufe?« »Ja, eine dunkelblaue Schlaufe aus Gummi mit einem Metallstück daran in derselben Farbe.« »Das hat im Blut gelegen?«, fragte Herbracht. »Exakt.« »Was könnte das sein? Der Schieber eines Reißverschlusses?« »Vielleicht von einem Rucksack?«, ergänzte Herbracht. »Vielleicht auch von der Jackentasche eines Gummimantels?« »Wir werden das Ding genauer unter die Lupe nehmen«, sagte Sailer und steckte die Tüte zurück in den Asservatenbeutel. »Ah, da hockt ein bekanntes Gesicht am Boden.« Herbracht kannte die Rechtsmedizinerin, die neben der Leiche kniete. »Guten Morgen, Dr. Jacoby.« Die Ärztin blickte auf. »Guten Morgen, Hauptkommissar Herbracht. Schön, Sie zu treffen, würde in diesem Zusammenhang allzu makaber klingen.« »Sieht ziemlich schlimm aus«, befand Herbracht. »Das ist meine Kollegin, Kommissarin Mia Dragovic.« »Hallo, Frau Dragovic. Ich hatte schon oft mit Hauptkommissar Herbracht zu tun. Sind Sie neu im Team?« »Ja, das bin ich.« »Dann werden Sie jetzt gleich so richtig ins kalte Wasser geworfen. Das hier muss das Werk eines Wahnsinnigen sein.« Sie deutete auf den Toten, der über und über mit Blut besudelt war. »Meine Arbeit ist beendet. Die Leiche kann ins rechtsmedizinische Institut überführt werden.« »Können Sie uns vorab schon ein paar Informationen geben? Wie lange der Mann tot ist beispielsweise?«, fragte Herbracht. »Nur in etwa.« Jacoby richtete ihren Blick auf den Leichnam. »Die Leichenstarre ist bereits ausgeprägt, die Leichenflecken sind deutlich sichtbar. Ich habe seine Temperatur gemessen. Wenn ich von der Normaltemperatur, nämlich von 37 Grad Celsius, ausgehe, dann ist seine Körpertemperatur um 2,5 Grad gesunken. Die Temperatur sinkt nach Eintritt des Todes pro Stunde um 0,5 bis 1,5 Grad Celsius, wie Sie wissen.« Herbracht stimmte zu. »Die Nacht war allerdings sehr lau.« »Richtig, deshalb gehe ich von einer geringeren Absenkung aus, da die Außentemperatur heute Nacht bei 17,5 Celsius lag und jetzt schon wieder deutlich höher ist. Mithilfe der Henßge-Tabelle lässt sich also errechnen, dass der Mann wahrscheinlich heute Nacht zwischen 0:30 Uhr und 1 Uhr verstarb.« Giulio Esposito, ebenfalls Kripobeamter, kam hinzu und reichte Herbracht ein Dokument. »Tag, Kai. Das ist der Ausweis des Toten. Es handelt sich um den Notarzt Thomas Wacker. Er wurde heute Nacht zu einem Fahrradunfall in der Günther-Groenhoff-Straße gerufen. Der Notruf ging um 0:10 Uhr bei der Zentrale ein. Der Anrufer, sein Name war Müller, meldete einen Schwerverletzten in der Günther-Groenhoff-Straße. Die Verbindung war laut Zentrale schlecht. Die Nummer des Anrufers wird von den Kollegen derzeit überprüft. Ich melde mich diesbezüglich bei dir. Laut Zentrale haben sich zwei Sanitäter unmittelbar auf den Weg gemacht, während der Notarzt um 0:20 Uhr aufbrach, also etwa zehn Minuten später. Den Krankenwagen fanden wir verwaist und mit offen stehenden Türen in der Günther-Groenhoff-Straße, Ecke Frauenlobstraße. Von dem angeblichen Unfall keine Spur, kein Blut, kein Fahrrad, nichts. Wir haben die Anwohner mittlerweile alle befragt. Die schlafen anscheinend alle nach hinten raus. Jedenfalls will niemand etwas gehört haben. Nun gut, ist eine Anliegerstraße mit wirklich hohen, dichten Hecken. Man kann kaum die wenigen Häuser dahinter erkennen. Allem Anschein nach scheint es keinen Unfall gegeben zu haben. Echt irre.« Esposito biss sich auf die Unterlippe. »Wo sind die Sanitäter?«, fragte Herbracht. Der Beamte zuckte die Schultern. »Die haben sich in Luft aufgelöst. Von ihnen fehlt jede Spur. Selbst unsere Suchhunde sind bisher nicht fündig geworden. Sie haben im vorderen Bereich des Parks angeschlagen, weiter drinnen nicht mehr.« »Also dort, wo der Leichnam liegt?« »Ja.« »Was ist mit der Tatwaffe?« »Fehlanzeige. Sämtliche Büsche und das kleine Wäldchen dort«, er deutet auf den Hügel, »wurden durchkämmt. Aber ich habe die Namen der beiden Sanitäter. Es waren ein Mann und eine Frau.« Dragovic nickte zu einer am Rande des Parks stehenden, blass aussehenden Frau im Jogginganzug, die von einem Mann gestützt wurde. Er hielt einen Labrador an der Leine. »Zeugen?« »Die junge Frau hat den Leichnam gefunden«, sagte der Beamte. »Okay, lass uns mal hingehen, sie macht nicht den...