Frey / Töpfer | Ambidextrie in Organisationen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 136 Seiten, E-Book

Frey / Töpfer Ambidextrie in Organisationen

Das Praxisbuch für eine beidhändige Zukunft

E-Book, Deutsch, 136 Seiten, E-Book

ISBN: 978-3-7910-5242-7
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Ambidextrie beschreibt die Gleichzeitigkeit einander widersprechender Bestrebungen unternehmerischen Handelns: Sowohl das Bewahren und Optimieren des Bewährten (Exploit) als auch das Erkunden neuer Wege, Produkte oder Geschäftsmodelle (Explore) sind Aufgaben jeder Organisation. Beide Modi sind jedoch widersprüchlich in Methodik, Instrumenten, Zielsetzung und impliziten Überzeugungen. Um langfristig bestehen zu können, müssen beide Bestrebungen bedient, koordiniert und mit passenden Ressourcen ausgestattet werden.

Das Buch schafft ein vertieftes Verständnis über das ambidextre Spannungsfeld. Es behandelt kulturelle Merkmale, Handlungsroutinen, die Rolle von Führungskräften sowie Chancen und Grenzen beider Modi. Anhand des Ekvilibro-Modells zum Management von Ambidextrie werden konkrete Wege aufgezeigt, um Ambidextrie als Werkzeug für die organisationale Praxis zu etablieren.
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1 Ambidextrie – das Kartoffelsuppenproblem
Ambidextrie bedeutet »Beidhändigkeit«. Man spricht von Beidhändigkeit eigentlich dann, wenn jemand mit beiden Händen nahezu gleich geschickt ist, also mit beiden Händen z. B. leserlich schreiben kann. Das ist allerdings selten, denn meist gibt es eine bevorzugte Hand, während die andere die »unterstützende« Hand ist. Bei ambidextren Personen ist lediglich der Unterschied zwischen der dominanten und der unterstützenden Hand sehr gering. Gleichwohl entscheiden sich auch ambidextre Personen z. B. beim Tennisspielen für eine der beiden Hände als »dominierende« Hand und trainieren diese entsprechend. Bei der organisationalen Ambidextrie sind die beiden Hände zwei »Betriebssysteme«, in denen Unternehmen (oder ihre Teile) operieren können: In der einfachsten Definition bedeutet Ambidextrie in diesem Kontext, dass Unternehmen ihr bestehendes operatives Geschäft bestmöglich betreiben und weiter optimieren (hier packt die eine Hand zu), während gleichzeitig neue Wege, Produkte, Dienstleistungen und Handlungsmöglichkeiten erforscht werden (hier ist die zweite Hand am Werk). Und der Idealfall organisationaler Ambidextrie wäre, wenn ein Unternehmen in diesen beiden Bestrebungen »gleich gut« ist. Gelegentlich wird von einem »Nebeneinander« oder auch von einem »Miteinander« der beiden Bemühungen gesprochen. 1.1 Ist das neu (oder kann das weg)?
Nein, weder ist es neu noch kann es weg. Ambidextrie wurde – wie bereits angedeutet – erstmals von Duncan erwähnt und das schon in den 1970er-Jahren (Duncan 1976)!2 Er sprach von »dualen Strukturen«, die Unternehmen mit dem Ziel einer guten Marktposition Innovationen ermöglichen sollten. Aber erst in den 1990er-Jahren wurde das Phänomen, vielfach im Kontext mit Organisationslernen, detaillierter unter die Lupe genommen. Dieser zeitliche Verlauf ist kein Zufall, denn viele Jahrzehnte lang genügte es für Unternehmen, zunächst in aller Ruhe kreativ ein Produkt zu entwickeln, welches dann mehrere Jahre hergestellt und auf dem Markt vertrieben wurde. Erst wenn sich der Produktlebenszyklus gen Ende neigte, war es Zeit, sich wieder etwas Neues auszudenken, was entweder eine Verbesserung des vorherigen Produkts war oder eben gleich etwas ganz Neues3. Diese Schaukelbewegung funktionierte lange gut. Sie stieß jedoch da an ihre Grenzen, wo durch die Entwicklung eines globalen Markts die Konkurrenz größer wurde und die Innovationen auch infolge der beschleunigten technischen Entwicklung mit mehr Druck auf den Markt gebracht wurden. Ab hier wurde es wichtig, schon bei der Präsentation eines Produkts das nächste quasi fertig zu haben, um es dann zeitnah nachliefern zu können4. Dies alles macht es nötig, sowohl Produktion/Erbringen von Dienstleistungen wie auch das Bestreben um Kreativität und Innovation mit beiden Händen zu packen und gleichzeitig zu betreiben (vgl. auch Christensen/Matzler/von den Eichen 2011). Doch: Warum soll denn das alles so kompliziert sein? Klingt doch ganz einfach, ein paar kümmern sich um das eine und ein paar um das andere Thema … Damit sind große Worte gelassen ausgesprochen, denn Ambidextrie ist mitnichten eine Methode, die man schnell anwendet, wenn man an einem Donnerstagnachmittag mal zwei Stunden Zeit hat. Vielmehr hat die Ambidextrie als ganzheitliches Konzept zur strategischen Ausrichtung von Organisationen enormes Potenzial – damit aber notgedrungen auch Verflechtungen mit allen Themen, die wir zur Begutachtung längst auf dem Tisch haben und die inzwischen eine recht unübersichtliche Gemengelage bilden: Führung, Organisationsstrukturen, Strategieentwicklung, Organisationsentwicklung, Change Management, Selbststeuerung, Innovationsmanagement, Exzellenz, Qualität, Hierarchie, komplexes Problemlösen, Agilität, Aspekte von Kultur und Identität, soziale Verflechtungen, Kontrolle und Feedback, … All diese Aspekte sind schon dutzendfach untersucht und beschrieben worden. Sie haben in verschiedene Methoden und Modelle Eingang gefunden und unter den jeweiligen Vertretern teilweise recht ruppige Grabenkämpfe ausgelöst. Wie man über das große Ganze den Überblick behält, darüber könnte die Ambidextrie etwas sagen, doch sie schweigt sich bisher vornehm aus. Sie verrät uns nicht (obwohl sie es könnte), was wann wichtig ist, wie man feststellt, dass gerade das eine oder das andere angezeigt wäre, und schon gar nicht, wie man dahin kommt, wenn man denn festgestellt hat, dass man hierhin oder dorthin sollte. Die leider ziemlich wachsweiche Definition lautet: Von Ambidextrie spricht man, wenn ein Unternehmen einerseits effizient ist und seine vorhandenen Ressourcen optimal ausnutzt und andererseits flexibel ist und neue Wege auskundschaftet. Hm. Das ist ungefähr so, wie wenn ein Rezept für Kartoffelsuppe wie folgt aussähe: Abb. 1: Das Kartoffelsuppenproblem Das Problem ist offensichtlich, denn es sind leider nur die Einzelteile. Daraus kann man sich zwar mit etwas Vorwissen zusammenreimen, wie das Rezept vielleicht funktionieren könnte. Eine klare Anleitung ist es aber nicht. Dem wollen wir Abhilfe schaffen und wir beginnen mit den Basics. 1.2 Ambidextrie in a Nutshell
In der Ambidextrie werden Exploit- und Explore-Modus als unterschiedliche »Betriebssysteme« (die beiden »Hände«) beschrieben, in denen Unternehmen agieren können. Beide Modi sind jedoch widersprüchlich in Methodik, Instrumenten, Zielsetzung und impliziten Überzeugungen (March 1991): Im Exploit-Modus (von engl. »to exploit« = ausnutzen, verwenden) ist das Unternehmen bestrebt, den aktuellen Zustand möglichst gut (schnell, mit hoher Qualität und wenig Mitteleinsatz) zu bewältigen, sich vielleicht hier und da noch weiter zu verbessern und das am liebsten planungsfokussiert und mit erprobten Tools zur Nachverfolgung des Status quo (wir denken da an Excel-Tabellen oder ihre zeitgemäßeren Äquivalente), kombiniert mit diversen Kennzahlen und Fortschrittsreports. Im Explore-Modus (von engl. »to explore« = auskundschaften, entdecken, erkunden) hingegen ist das Unternehmen kreativ, innovativ, entwickelt neue Produkte und Dienstleistungen. Es fügt Strukturen ad hoc zusammen und löst sie nach Bedarf wieder auf. Dabei geht es spontan und erprobend vor, stellt Grundannahmen infrage und ist mit Freude und Überzeugung sowie ohne jedes schlechte Gewissen ein bisschen chaotisch. Beide Modi sind für das langfristige Bestehen von Unternehmen wichtig, weil sie unterschiedlichen Zielen dienen, die alle für das Fortbestehen von Unternehmen elementar sind (Raisch et al. 2009). Hingegen sind die Modi einzeln für das Unternehmen nicht zielführend: Bei einem Unternehmen als Konglomerat wissensdurstiger Forscher und Tüftler (extreme Explore-Orientierung) ist so wenig Struktur zu finden, dass jede Form und Richtung verloren geht – am Ende steht die Handlungsunfähigkeit, die eine Gefahr für das Unternehmen darstellt. Andererseits werden extrem stark reglementierte und spezialisierte Systeme (extreme Exploit-Orientierung) unempfindlich für neue Rückmeldungen/Umweltreize, was besonders in Umgebungen mit hoher Entwicklungsgeschwindigkeit eine genauso große Gefahr darstellt. Beide Extreme können für Unternehmen gefährlich sein (Weick/Westley 1999). Das Bestreben, ein »Nebeneinander« oder »Miteinander« der beiden Modi zu erreichen, ist für Unternehmen also unerlässlich. Wie beide Modi sich zueinander verhalten, ist Gegenstand einer regen Debatte und stellt die eigentliche Gretchenfrage dar. Grundsätzlich kann man zwei Denkrichtungen unterscheiden (Hobus/Busch 2011)5: Es gibt Vertreter jener Denkschule, die die beiden Modi als komplett unvereinbar ansehen (conflict school), was in der Konsequenz heißt, dass man sie in getrennten organisatorischen Einheiten ansiedeln sollte. Gleichermaßen gibt es jene Vertreter, die die beiden Phänomene als sich aufs Schönste ergänzend ansehen (complement school), was bedeutet, dass im jeweiligen Kontext entschieden werden muss, welcher Modus »zum Zug kommt«. In beiden Fällen kann man konstatieren, dass die Widersprüchlichkeit zu Problemen führt, denn die beiden Modi konkurrieren im Unternehmen um Ressourcen. Die Arbeitsweisen, impliziten Annahmen und die Ergebnisse sehen so unterschiedlich aus, dass Menschen, die den Exploit-Modus für den einzig richtigen halten, alle anderen zumeist mit großem Argwohn beäugen – und umgekehrt. Das Ergebnis: ständiger Sand im...


Frey, Christoph
Dipl. Psych. Christoph Frey arbeitete nach seinem Psychologiestudium fünf Jahre als wissenschaftlicher Angestellter einer Universität, bevor er sich 2002 selbstständig machte und die WORTFOLIO Personal- und Organisationsentwicklung gründete. Seither arbeitet er in deutscher und englischer Sprache als freiberuflicher Trainer, Coach, Moderator und Speaker mit den Arbeitsschwerpunkten Personalauswahl und -entwicklung, Talententwicklung, Führung und Teamentwicklung. Zu seinen Kunden zählen kleinere und größere Mittelständler, kommunale Verwaltungen, Non-Profit-Organisationen und international aufgestellte Konzerne. Sein persönliches Projekt besteht darin, zu verstehen, warum Menschen handeln wie sie handeln. Er geht aber nicht davon aus, diese Frage abschließend klären zu können. Er findet, das macht nichts.

Töpfer, Gudrun L.
Dr. Gudrun L. Töpfer ist Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Unternehmensberatung Wechselwerk. Ihre Schwerpunktthemen sind Organisationsentwicklung in all ihren Facetten wie z. B. Führungskräfteentwicklung, Umgang mit großen Veränderungsprozessen, Coaching/Counseling und Teamentwicklung. Im Rahmen ihrer Promotion hat sich Gudrun Töpfer mit der Frage der Strategieentwicklung durch Ambidextrie befasst und leitet den Thinktank Ambidextrie.

Christoph Frey

Dipl. Psych. Christoph Frey arbeitete nach seinem Psychologiestudium fünf Jahre als wissenschaftlicher Angestellter einer Universität, bevor er sich 2002 selbstständig machte und die WORTFOLIO Personal- und Organisationsentwicklung gründete. Seither arbeitet er in deutscher und englischer Sprache als freiberuflicher Trainer, Coach, Moderator und Speaker mit den Arbeitsschwerpunkten Personalauswahl und -entwicklung, Talententwicklung, Führung und Teamentwicklung. Zu seinen Kunden zählen kleinere und größere Mittelständler, kommunale Verwaltungen, Non-Profit-Organisationen und international aufgestellte Konzerne. Sein persönliches Projekt besteht darin, zu verstehen, warum Menschen handeln wie sie handeln. Er geht aber nicht davon aus, diese Frage abschließend klären zu können. Er findet, das macht nichts.





Gudrun L. Töpfer

Dr. Gudrun L. Töpfer ist Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Unternehmensberatung Wechselwerk. Ihre Schwerpunktthemen sind Organisationsentwicklung in all ihren Facetten wie z. B. Führungskräfteentwicklung, Umgang mit großen Veränderungsprozessen, Coaching/Counseling und Teamentwicklung. Im Rahmen ihrer Promotion hat sich Gudrun Töpfer mit der Frage der Strategieentwicklung durch Ambidextrie befasst und leitet den Thinktank Ambidextrie.


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