Friedlaender | Ist das verboten oder darf ich das? | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Friedlaender Ist das verboten oder darf ich das?

Eine fröhliche Anregung zum Regelnbrechen
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-641-26979-1
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine fröhliche Anregung zum Regelnbrechen

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-641-26979-1
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Darüber spricht man doch nicht! Das gehört sich aber nicht! Das kannst du doch nicht machen!

Wer kennt sie nicht, diese kleine Stimme im Hinterkopf, die uns immer wieder davon abhält, das zu tun, was wir eigentlich wollen. Weil sich das eben nicht gehört. Warum eigentlich nicht?, fragt sich Adrienne Friedlaender und beginnt fröhlich, die ungeschriebenen Regeln zu brechen, die uns von klein auf eingetrichtert werden. Den Heiratsantrag muss ER machen? Pustekuchen. Die Kollegin nach dem Gehalt fragen? Warum eigentlich nicht? Offen über Probleme mit dem wild gewordenen Teenager oder der Sexunlust sprechen? Gewiss doch.
Auf humorvolle, ehrliche und persönliche Weise erzählt die Autorin von eigenen Regelbrüchen und regt an, selbst welche zu begehen. Denn: Wer die Regeln ab und zu bricht, geht gelassener und glücklicher durchs Leben.
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1

Das tut man/frau doch nicht!


Meine Meisterin der Regelbrüche ist Pippi Langstrumpf, die Astrid Lindgren in den Vierzigerjahren zum Leben erweckte. Ob Piraten, Wachtmeister oder Diebe – die neunjährige Pippi kennt keine Angst. Sie ist stärker als jeder Mann, besiegt ihren Vater im Armdrücken und kann sogar ihr Pferd hochheben. Aber Pippi ist nicht nur stark, sondern auch unkonventionell. Sie wohnt allein in der Villa Kunterbunt, schläft mit den Füßen auf dem Kopfkissen. Sie lebt, wie es ihr gefällt, unabhängig davon, was andere denken, und bringt die Welt der Erwachsenen damit ganz schön durcheinander. Sie war und ist meine Heldin. Und vielleicht war sie es sogar, die mich in vielen Lebenssituationen ermutigt hat.

Mein erstes ganz persönliches Pippi-Erlebnis hatte ich kurz nach meinem dreißigsten Geburtstag im Bäderland Blankenese. Zwar gab es hier keine Polizisten, die mich verhaften wollten, dafür aber einen Schwimmbad-Rambo, gegen den es zu kämpfen galt.

Ich bin nicht unbedingt ein Sportgenie, doch beim Schwimmen fällt es mir leicht, richtig Strecke zu machen. Während ich also entspannt Bahn für Bahn die Bewegung im Wasser genoss, beobachtete ich die anderen Badegäste: Kinder tobten neben der abgegrenzten Schwimmerbahn im Wasser, spielten Ball und übten Arschbomben vom Ein-Meter-Turm, Frauen mit Rosenknospen-Badekappen standen im Kreis und schwatzten. Mein meditatives Schwimmen nahm ein jähes Ende, als Mr. Rambo erschien, am Beckenrand Schwimmbrille und Nasenkneifer aufsetzte und sich direkt vor mir ins Wasser warf.

Im letzten Moment gelang es mir, mich am Absperrseil aus der Bahn zu ziehen und vor seinen ausholenden Armbewegungen in Sicherheit zu bringen.

Kraulend durchpflügte er das Becken wie ein Mähdrescher das Maisfeld, ohne beim Auftauchen und Atmen auch nur einmal nach links und rechts zu gucken oder dem Gegenverkehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Dreimal wiederholte sich die Szene, dreimal wich ich dem ru¨cksichtslosen Schwimmer aus, bevor die Pippi in mir zum Leben erwachte. Ich nahm all meinen Mut zusammen, spannte, um den Aufprall abzufangen, mit aller Kraft meine Muskeln an und stellte mich breitbeinig und mit verschränkten Armen mitten in die Bahn. Ein wenig fühlte ich mich wie die Dame auf der Luftmatratze, kurz bevor der weiße Hai zuschnappt. Ich kniff die Augen zusammen und fixierte meinen Gegner, der sich ungebremst näherte. Drei, zwei, eins, klatsch!

Der Triumpf war größer als der Schmerz des Zusammenstoßes. Verblüfft hob der Mann den Kopf aus dem Wasser, sortierte Arme, Beine und den verrutschten Nasenkneifer, strafte mich mit einem vernichtenden Blick und schwamm wortlos weiter. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass eine der Rosenknospen-Damen lachend auf mich zeigte und mir verschwörerisch zublinzelte, eine andere aus der Runde klatschte. Mr. Rambo ließ mich während der nächsten zehn Bahnen nun nicht mehr aus den Augen. Bei jeder Begegnung feuerte er tötende Blicke auf mich ab, die ich im Siegesrausch souverän von mir abprallen lassen konnte.

Ein paar Jahre später erwachte erneut die Pippi in mir, als ich an ganz anderer Stelle Regeln und Konventionen brach.

Vorsichtig, um verräterisches Klirren zu vermeiden, wickelte ich die beiden Sektgläser in eine Serviette, zog den Flaschenkühler über die Champagnerflasche und legte beides zusammen mit Keksen und Trinkflasche für unseren Kleinen in den Buggy. Wenig später brachen mein Partner und ich samt Sohn und Hunden zum ausgedehnten Elbspaziergang auf.

Vielleicht bin ich altmodisch oder romantisch verklärt, aber ich fand die Idee, den Vater meines Sohnes zu heiraten, ganz wundervoll. Ich hatte allerdings überhaupt keine Lust gehabt, hochschwanger und Hals über Kopf zum Standesamt zu rennen, wie es die Großmütter sich vermutlich gewünscht hätten. Denn zu einer Hochzeit, so finde ich, gehört nun mal ein rauschendes Fest und auch das eine oder andere Glas Sekt. Und keine Braut mit Walfischumfang im Sack-Outfit, die alle halbe Stunde über der Kloschüssel hängt, weil ihre Hormone verrücktspielen. Mittlerweile war unser Sohn ein Jahr alt. Warum also sollte ich warten, bis den ersten Schritt tun würde?

Neulich stolperte ich über einen Artikel, der für die ungeduldig wartende und heiratswillige Dame die Frage klären sollte, ob sie bald zur Braut machen würde, und mit Sätzen wie diesem lockte:

Besagter Artikel zur Entlarvung ehewilliger Männer stammte keinesfalls aus dem letzten Jahrhundert, sondern dem Jahr 2012. Fassungslos las ich: »Auch Männer haben eine biologische Uhr. Tickt sie, dann macht er vielleicht Scherze über sein Alter … Von seinen Freunden sind viele schon verheiratet – Bingo! Dann will er es auch bald. Er bezieht sie in wichtige Entscheidungen mit ein, spricht mit ihr über Probleme in seinem Job, über Krankheiten – gut so. Er akzeptiert die Frau als echte Lebenspartnerin, die er auch heiraten könnte.«

Ich meine, ich versuche doch auch nicht aus Bemerkungen wie »Ich koche so gern Pasta« darauf zu schließen, dass der Geliebte plant, ein italienisches Restaurant zu eröffnen. Nein! Ich frage direkt nach und schmiede lieber gemeinsam Zukunftspläne. Warum sollte ich wie eine Detektivin in geheimer Mission nach Anzeichen suchen, ob und was für Lebens- und Liebesabsichten der Mann an meiner Seite hat? Klar ist es eine Tradition, dass der Mann seiner Angebeteten einen Heiratsantrag macht. Aber muss das so sein?

Auf den Heiratsantrag warten manche Frauen länger als auf die überfällige Gehaltserhöhung. Weil Mädchen und Jungs lernen: Es muss der Mann sein, der beim Sonnenuntergang am Meer, unter Wasser, beim Fallschirmsprung, unterm Weihnachtsbaum oder wo auch immer vor der Angebeteten auf die Knie fällt und um ihre Hand anhält. Ich kenne keinen Roman oder Film, in dem es umgekehrt wäre. Manche Traditionen haben ein langes Verfallsdatum – was mich an diesem Morgen an der Elbe aber keineswegs davon abhielt, die Regel zu brechen.

Während mein Noch-nicht-Ehemann Stöckchen für unsere Hunde warf und unser Sohn selig in der Karre schlief, öffnete ich, Simsalabim, die Schampusflasche.

»Ich dachte, ich meine, also jetzt, wo wir schon zwei Jahre zusammen sind und überhaupt, weil … Willst du mich heiraten?«

Nicht gerade filmreif, das Gestottere, aber immerhin war es raus. Dann überreichte ich ihm mit etwas zittrigen Händen mein Geschenk. Man muss ja nicht alle Traditionen über den Haufen schmeißen, und ich finde, für einen Heiratsantrag braucht es nicht nur eine große Portion Mut, sondern auch ein Geschenk. Allerdings hatte ich statt des obligatorischen Rings ein Fernglas gekauft. »Damit wir unsere Liebe im Auge behalten.«

Ich füllte den Schampus in die Gläser, stieß vor Aufregung etwas zu heftig an und leerte das Glas in einem Zug. Puh! Ich gebe zu, dass er schon etwas verblüfft geguckt hat. Aber dann sagte er, ohne zu zögern, Ja. Bis heute weiß ich nicht, ob aus Überraschung oder Überzeugung. Auf jeden Fall: Wir haben geheiratet.

Meiner Mutter habe ich vorsichtshalber verheimlicht, dass ich es war, die den Antrag gestellt hat. Vermutlich wäre sie vor Entsetzen sonst gar nicht zur Hochzeit erschienen. Und was meine Freundinnen betrifft: Als ich von unseren Heiratsabsichten erzählte, folgten ihre aufgeregten Fragen nach der Antrags-Inszenierung so automatisch, wie man den Blinker setzt, wenn man abbiegt. Bei ihnen kniff ich nicht. Die Reaktionen? Alle waren enttäuscht, keiner verstand, warum ich mir die Chance auf ein romantisches Großereignis genommen hatte. Allerdings bin ich mega-ungeduldig und hätte es niemals ausgehalten, jeden Morgen aufzuwachen mit dem Gedanken: Fragt er mich vielleicht heute? Ich träumte auch von einem Heiratsantrag mit allem Drum und Dran – aber bitte schön zu meinem gewünschten Zeitpunkt.

»Das tut man nicht, das sagt man nicht, das fragt man nicht …« Von all den Regeln und ungeschriebenen Gesetzen sind Frauen, wie schon angedeutet, am meisten betroffen. Ich spreche dabei keineswegs nur von so irrwitzigen Gesetzen wie etwa in den USA, wo Frauen in einigen Staaten der Besitz von mehr als zwei einsatzfähigen Dildos verboten ist und Single-Frauen nicht am Sonntag Fallschirm springen dürfen. Ebenfalls nicht gestattet ist es, im Badeanzug in der Öffentlichkeit zu singen, den Staubsauger dem Nachbarn zu borgen oder beim Friseur unter der Trockenhaube einzuschlafen. Aber nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa staunt man über skurrile Gesetze: In Griechenland sind High Heels verboten, in Paris das Küssen auf Bahnhöfen, und in Liverpool dürfen Frauen nicht barbusig in einem Geschäft stehen, es sei denn, es handelt sich um einen Laden für tropische Fische. Auch in Deutschland leben wir nach Regeln, deren Ursprünge wir häufig gar nicht mehr kennen und die teils auch keinen Sinn mehr ergeben. Zum Beispiel all die lustigen Knigge-Regeln, wie etwa, dass man Brot nur mit der linken Hand essen darf und Anstoßen nur mit alkoholischen Getränken erlaubt ist – oder eben, dass Männer immer für den Heiratsantrag zuständig sind. Was würde eigentlich passieren, wenn wir diese Regeln brächen? Ist...


Friedlaender, Adrienne
Adrienne Friedlaender, Jahrgang 1962, ist freie Journalistin. Seit mehr als zehn Jahren schreibt sie Porträts, Kurzgeschichten, Interviews und Reisereportagen aus aller Welt für Tageszeitungen, Magazine und Online-Medien. 2017 erschien ihr erstes Buch »Willkommen bei den Friedlaenders!«, mit dem sie die SPIEGEL-Bestsellerliste eroberte. Seitdem widmet sie sich in ihren fröhlichen und lebensklugen Büchern den Themen, die sie ganz persönlich bewegen. Adrienne Friedlaender lebt mit zwei ihrer vier Söhne in Hamburg.



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