• Neu
Gasser | Drei Seen und ein Todesfall | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: Alibi

Gasser Drei Seen und ein Todesfall


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-03820-874-7
Verlag: Dörlemann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: Alibi

ISBN: 978-3-03820-874-7
Verlag: Dörlemann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Auf der Fahrt der MS «Stadt Solothurn» von Solothurn nach Biel geht ein betagter amerikanischer Tourist über Bord. Der Hundertjährige wird tot aus der Aare geborgen. Die Lehrerin Marielle Rochat ist die einzige Augenzeugin des Geschehens. Ihr Verhalten weckt bald den Argwohn der Solothurner Kripochefin Katrin Friis. Als sich der Verdacht gegen sie verdichtet, taucht Marielle Rochat unter. Friis verfolgt die Spur der jungen Frau quer durch das Drei-Seen-Land. Auf der Suche nach dem Tatmotiv treten nach und nach dunkle Geheimnisse zutage, deren Ursprung achtzig Jahre zurückliegt.

Christof Gasser, geboren 1960, war zunächst in kaufmännischen Berufen tätig, u.a. in der Uhrenindustrie. Er hatte mehrere Führungspositionen inne und leitete Niederlassungen in Thailand und Malaysia. Doch dann verwirklichte er seinen Kindheitstraum, Detektivgeschichten zu schreiben, und machte Solothurn einen Namen auf der Krimilandkarte der Schweiz. Sein erster Kriminalroman Solothurn trägt Schwarz erschien 2016. Gasser ist verheiratet und lebt in der Nähe von Solothurn.
Gasser Drei Seen und ein Todesfall jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1


Es war wärmer geworden.

Ihr Blick folgte den über dem Fluss aufsteigenden Nebelschwaden, die sich nach und nach auflösten.

Marielle lockerte den Schal. Nachdem es die Nacht über geregnet hatte, zeigte das Thermometer auf ihrem Balkon am frühen Morgen acht Grad an. Mindestens fünf Grad kühler, als die Meteorologen am Vorabend vorausgesagt hatten. Es war gut gemeint, wer will schon Ende Juni, nach zwei Wochen mit Höchsttemperaturen in den Dreißigern, eine Gegenoffensive des Winters angekündigt bekommen, so kurzzeitig sie auch sein mochte.

Sowohl die Hiobsbotschaften zum nasskalten Wetter als auch die gehässigen Reaktionen der Hörer auf den Beitrag dazu hatte Marielle mit halbem Ohr wahrgenommen. Hier ein Sommerfest, das buchstäblich ins Wasser fiel, da die Angst um ein Open Air, das im eiskalten Morast versinken könnte. Was hätte sie darum gegeben, sich um solche Dinge sorgen zu müssen.

Die Schiffsplanken unter ihren Füßen vibrierten. Die Maschinen des Motorschiffs Stadt Solothurn wurden gedrosselt. Seine Bugwelle verlor sich im träge dahinfließenden Wasser. Marielles Blick suchte die Baumkronen und Dächer des Weilers Altreu ab, den das Schiff ansteuerte. Als Kind hatte sie es geliebt, die Weißstörche zu beobachten. Die stolzen Vögel waren Ende der vierziger Jahre in der Witi, der Flussebene zwischen Jurasüdfuß und den Hügelstreifen des Bucheggberges, angesiedelt worden.

Die Störche waren im Frühling aus ihren Winterquartieren zurückgekehrt, um in Altreu und Umgebung den Nachwuchs auszubrüten. Selbst in der Stadt Solothurn waren ihre Nester anzutreffen. Des milden Winters wegen waren sie dieses Jahr früher zurückgekommen. Die Jungvögel waren bereits im April geschlüpft. Blieb zu hoffen, dass der Kälteeinbruch ihnen nicht zusetzte. Die Tiere mussten Kräfte sammeln, bevor sie sich im August auf ihren ersten Zug nach Süden begaben.

Marielle wischte sich verstohlen eine Träne von der Wange, obschon sie die einzige Passagierin auf dem Außendeck war. Von mittschiffs drang Kindergeschnatter zu ihr, eine erste oder zweite Primarklasse auf Schulausflug. Die Abc-Schützen übertrafen sich gegenseitig in der Lautstärke, während sie warteten, bis das Kursschiff zum Stillstand kam.

Marielles Mund verzog sich zu einem Lächeln. Dafür fühlte sich der bleierne Klumpen in ihrem Magen schwerer an. Ihre Hände umklammerten die Reling, als wäre sie ihr einziger Halt, während die Welt um sie herum zusammenbrach.

Die zusteigenden Passagiere warteten auf dem Steg, bis der Sturm kindlicher Fröhlichkeit an ihnen vorübergezogen war.

Marielles rechte Hand wanderte von der Reling in die Tasche ihrer Regenjacke. Sie befühlte den Gegenstand. Zwei Herzschläge lang war sie versucht, ihn ins Wasser zu werfen. Sie wandte den Kopf zum Bordrestaurant. Die Aufmerksamkeit ihrer kleinen Reisegruppe war auf die Kellnerin gerichtet, die in diesem Moment den Kuchen auftrug, den Marielle organisiert hatte, eine originale Solothurner Torte. Scarlett hatte sie darum gebeten. Martin liebte cremige Süßigkeiten. Die Spezialität aus Mandelmeringue und Haselnussbiskuit mit Buttercremefüllung würde ihm bestimmt schmecken. Verzicht war für ihn kein Thema, schon gar nicht die ärztlich verordnete Zurückhaltung bei Süßem. An seiner Stelle würde sie sich ebenso verhalten. Ärzte hatten keine Ahnung. Wozu sich kurz vor seinem Hundertsten um eine Diät scheren? Welchen Schaden konnte ein Stück Torte anrichten, wenn man in seinem Leben zwei Kriege an vorderster Front überlebt hatte?

Die Tür des Bordrestaurants wurde geöffnet. Sie hörte das trockene Tappen eines Gehstockes auf den Planken. Ihre Hand umklammerte die Injektionsspritze in der Jackentasche.

* * *

»Erde an die Liebe meines Lebens, jemand zu Hause?«

»Hm?«

Katrin Friis riss sich vom Anblick des alten Herrn am Stock los, der auf die jüngere Frau an der Reling zuging. Vorhin war ihr aufgefallen, wie sie an der Schiebetür gezerrt hatte. In der Geste hatte Verzweiflung gelegen. Friis hatte gedacht, dass sie dringend frische Luft benötige. Beide, der alte Mann und die Frau, gehörten zur fünfköpfigen, Englisch sprechenden Gruppe, welche die vorderste Sitznische des Bordrestaurants in Beschlag nahm. Sie hatten sich das Kapitäns-Zmorge gegönnt. Friis und ihr Mann begnügten sich mit der Variante für Matrosen, gleiches Frühstück ohne Zopfbrot, Schinken, Ei, Joghurt und Orangensaft. Den glamourösen Bestandteil hatte Magnus in Form einer Flasche ihres Lieblingsproseccos beigesteuert, die in einem Eiskübel auf ihrem Tisch stand. Ihre Tischnachbarn, die sich bis auf die junge Frau draußen als Amerikaner entpuppten, hatten sich den Glückwünschen des Servierpersonals zur Kristallhochzeit angeschlossen.

»Katrin?«

»Was?«

Ihre Aufmerksamkeit war erneut von Magnus zu den beiden auf dem Außendeck abgedriftet.

Er hob sein Glas.

»Auf uns und weitere fünfzehn, hoffentlich etwas ruhigere Jahre.«

»Was meinst du mit ruhiger? Ist doch gut, wie’s ist.«

Magnus lachte.

»Wenn du es sagst. Die bist diejenige, die jeden Tag frühmorgens aus dem Haus geht, und sich nicht mit zwei Teenagern herumschlagen muss.«

»Du Armer. Linne und Rasmus entwickeln sich doch großartig, dank dir.«

Bei ihrer Arbeit sah Friis weit Schlimmeres als zwei zeitweilig nervige Heranwachsende. Linne, die ältere, war in diesem Jahr fünfzehn geworden und trieb im Strudel einer pubertären Windhose. Dem zwei Jahre jüngeren Rasmus stand das erst bevor. Aber es sprach viel dafür, dass die Phase bei ihm glimpflicher ablief.

Friis fühlte sich glücklich. Sie würde sich jederzeit wieder auf Magnus einlassen. Es hatte Leute gegeben, darunter ihre Mutter, die nicht eingesehen hatten, weshalb Friis die Namenswahl der Kinder ihrem dänischen Ehemann überlassen hatte. Friis liebte alles, was Dänisch war. Aus diesem Grund hatte sie bei ihrer Heirat, ohne zu zögern, ihren Mädchennamen Wyss gegen den von Magnus eingetauscht.

Sie erhob sich von ihrem Platz und setzte sich mit dem Glas in der Hand neben ihren Mann. So hatte sie das Außendeck und dessen Ablenkungen im Rücken. Dann tat sie etwas, das sie normalerweise nie in der Öffentlichkeit tat: Sie legte ihren Mund auf Magnus’ Lippen. Der Kuss dauerte lange genug, um das Geborgenheitshormon Oxytocin auszuschütten. Die Aktion blieb nicht unbemerkt. Die Amerikaner am Nebentisch applaudierten.

»Wofür war das?«, fragte Magnus, nachdem er Atem geholt und sich von der Überraschung erholt hatte.

»Für all die Jahre, die du es mit mir ausgehalten hast und für die zwei wunderbaren Menschen, die du aus unseren Bälgern gemacht hast.«

Magnus räusperte sich.

»Nichts, was du nicht auch allein geschafft hättest.«

Friis hatte ihren Gatten bei einem Europol-Führungslehrgang in Den Haag kennengelernt. Drei Tage und einen langen Spaziergang am Strand von Scheveningen später hatte der kühle Wikinger aus Kopenhagen das in Gefühlsdingen zurückhaltende Herz der Katrin Wyss aus Olten erobert.

»Stell dein Licht nicht unter den Scheffel«, sagte sie. »Ohne dich hätte ich nichts geschafft, weder die Erziehung unserer Kinder noch meinen Job.«

»Den Job hättest du bestimmt ohne mich hinbekommen. Heute wärst du vielleicht eine alte Jungfer, aber sonst …«

»Hey!«

Grinsend wich er dem liebevollen Hieb in seine Seite aus.

»Weißt du, was ich jetzt am liebsten täte?«

»Sag’s mir.«

Er blickte sich um und senkte den Kopf zu ihr herab.

Sie wandte das Gesicht ab.

»Sag’s mir ins Ohr.«

Sie kannte ihn zu lange, um das hinterhältige Zucken seiner Mundwinkel nicht richtig zu interpretieren. Er war drauf und dran, etwas zu sagen, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Friis schloss die Augen.

Dann hörten sie den Schrei.

Es war von draußen gekommen.

Friis fuhr herum. Auch die Aufmerksamkeit der anderen Passagiere im Speiseraum richtet sich auf das Außendeck. Die Frau stand allein dort. Sie musste geschrien haben. Für eine Sekunde kreuzten sich ihre Blicke. Die Fassungslosigkeit stand der rund zehn Jahre Jüngeren ins Gesicht geschrieben, die sich in diesem Moment, gefährlich weit über die Reling lehnte.

Wo war der alte Mann?

Friis sah sich um. War er hereingekommen, als sie mit Magnus beschäftigt war? Aber er saß weder an seinem Platz bei den Amerikanern, noch konnte sie ihn sonst wo im Raum entdecken.

Friis sprang auf.

»Kantonspolizei! Das Schiff stoppen, sofort!«, rief sie der Bedienung zu. »Ein Passagier ist über Bord gegangen.«

Sie rannte hinaus, wo die Frau im Schock erstarrt auf das Wasser zeigte.

»Er … er ist hineingefallen«, sagte sie leise.

»Wo ist er?« Friis zog ihr Veston aus und streifte die Schuhe ab.

»Dort!« Die Frau deutete auf einen Punkt im Wasser.

Friis kniff die Augen zusammen. Sie sah ihn. Die Strömung trug ihn flussabwärts Richtung Altreu und Solothurn. Friis kletterte über die Reling.

»Katrin!«

Magnus kam mit einem Matrosen angelaufen.

»Alarmiert die Rettungskräfte!«, rief sie ihnen zu und sprang.

Die tiefe Temperatur und der Regenfall in der Nacht hatten die Aare merklich abgekühlt. Friis schnappte nach Luft. Die Reue, dem Matrosenfrühstück und vor allem dem Prosecco zugesprochen zu haben, kam zu spät. Sie zählte auf den Adrenalinschub. Vor Jahren hatte sie in einem Schwimmclub mitgemacht. Einmal hatte sie es sogar zur kantonalen Jugendmeisterin gebracht.

Sofern man das in dieser Situation sagen konnte, hatte sie Glück. Sie bekam den Mann am Mantelkragen zu fassen, bevor er versank. Er war nicht reaktiv....


Gasser, Christof
Christof Gasser, geboren 1960, war zunächst in kaufmännischen Berufen tätig, u.a. in der Uhrenindustrie. Er hatte mehrere Führungspositionen inne und leitete Niederlassungen in Thailand und Malaysia. Doch dann verwirklichte er seinen Kindheitstraum, Detektivgeschichten zu schreiben, und machte Solothurn einen Namen auf der Krimilandkarte der Schweiz. Sein erster Kriminalroman Solothurn trägt Schwarz erschien 2016. Gasser ist verheiratet und lebt in der Nähe von Solothurn.

Christof Gasser, geboren 1960, war zunächst in kaufmännischen Berufen tätig, u.a. in der Uhrenindustrie. Er hatte mehrere Führungspositionen inne und leitete Niederlassungen in Thailand und Malaysia. Doch dann verwirklichte er seinen Kindheitstraum, Detektivgeschichten zu schreiben, und machte Solothurn einen Namen auf der Krimilandkarte der Schweiz. Sein erster Kriminalroman Solothurn trägt Schwarz erschien 2016. Gasser ist verheiratet und lebt in der Nähe von Solothurn.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.