E-Book, Deutsch, 424 Seiten
Gehlen / Schwarz Esel- und Maultierkrankheiten
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-13-243912-2
Verlag: Thieme
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 424 Seiten
ISBN: 978-3-13-243912-2
Verlag: Thieme
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Esel ist kein kleines Pferd!
Lesen Sie im ersten deutschen Fachbuch zum Thema Esel- und Maultierkrankheiten alles über Haltung, Verhalten, Ernährung, Anatomie, Physiologie, Krankheiten, Diagnostik und Therapie von Eseln und Maultieren. Erfahren sie außerdem, welche Unterschiede es vor allem zu der Behandlung von Pferden zu beachten gibt.
Der strukturierte Aufbau ermöglicht es Ihnen, im Akutfall schnell konkrete Antworten zu finden und gezielt nachzuschlagen:
Teil 1: Haltung, Anatomie, Verhalten, Zucht
- gesetzliche Grundlagen, Haltungsformen, Anatomie und Physiologie, Sozialverhalten, Fortpflanzung
Teil 2: Diagnostik und Erkrankungen
- Propädeutik, Handling, spezielle Untersuchungsmethoden, Leitsymptome, Prophylaxe, Erkrankungen der Haut, des Bewegungsapparates, des Respirationstrakts, des Magen-Darm-Trakts, des Herz-Kreislauf-Systems, des Harn- und Geschlechtsapparats, der Sinnesorgane
Teil 3: Narkose und OP
- Narkose und Sedation, Anästhesie, häufige Operationen
Mit diesem praxisnahem Handbuch gewinnen Sie an Souveränität und Sicherheit im Umgang mit Eseln und Maultieren und in der Beratung ihrer Halter.
Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform VetCenter zur Verfügung (Zugangscode im Buch).
Zielgruppe
Ärzte
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1 Einleitung
Heidrun Gehlen
1.1 Einleitung
Zu den 6 Arten der Familie der Equidae gehört neben dem Pferd (Equus caballus) unter anderem auch der afrikanische Wildesel (Equus asinus africanus). Die Hybriden dieser beiden Arten sind das Maultier (engl. mule) als Kreuzung aus Eselhengst und Pferdestute sowie der Maulesel (engl. hinny) als Kreuzung aus Pferdehengst und Eselstute. Das Maultier ist morphologisch pferdeähnlicher, während der Maulesel eselähnlicher gestaltet ist. Da das Pferd 64, der Esel allerdings nur 62 Chromosomen besitzt, haben ihre Hybriden einen ungeraden diploiden Chromosomensatz von 63 und sind mit Ausnahme weniger dokumentierter Fälle unfruchtbar. Durchschnittlich haben Esel und Maultiere bei artgerechter Haltung eine höhere Lebenserwartung als Pferde und können weit älter als 30 Jahre werden.
Die Eselpopulation der Welt wird auf 44 Mio. geschätzt, verglichen mit etwa 58 Mio. Pferden. In Industrieländern werden Esel oft als wirtschaftlich weniger wertvoll angesehen als Pferde. Sie sind jedoch als Arbeitstiere in Entwicklungsländern von großer Bedeutung. 95 % der Esel und Maultiere leben in Ländern, in denen sie als Arbeitstiere genutzt werden. Mit 11 Mio. Individuen lebt die größte Eselpopulation in China, gefolgt von Äthiopien mit 5 Mio. Eseln. Equiden spielen in diesen Ländern eine wichtige Rolle vor allem in der Landwirtschaft und im Transportwesen, aber auch in vielen anderen Bereichen, in denen Zug- und Tragkraft erbracht werden muss. In China werden sie zudem zunehmend als Lederlieferanten herangezogen. Als Fleisch- und Milchlieferanten hingegen dienen sie nur selten.
Obwohl der Einsatz von Tierkraft in einigen Teilen der Welt rückläufig ist, gibt es in Afrika südlich der Sahara und in Teilen Zentralasiens immer noch Aufwärtstrends beim Einsatz von Eseln. Esel verursachen relativ geringe Kosten, sind einfach zu handhaben und resistent gegen Trockenheit. Sie sind für viele arme Haushalte als direkte oder indirekte Einkommensquelle von entscheidender Bedeutung, zum Beispiel durch den Transport von Wasser und Futtermitteln für andere Tiere. Dennoch liegt die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Eselgesundheit weit hinter denen zu Pferden zurück. Infolgedessen gehen Tierärzte häufig davon aus, dass die gleichen Krankheiten zu erwarten sind wie bei Pferden.
Obwohl es viele Ähnlichkeiten gibt, zeigen Esel erhebliche Unterschiede in Bezug auf ihr Verhalten, ihre Schmerzreaktion, Dursttoleranz, Darmfunktion und ihren Stoffwechsel. Esel haben im Vergleich zu Pferden eine höhere Lebenserwartung und können eine Lebensdauer von 30 bis 50 Jahren erreichen. Daher ist die Zahl der geriatrischen Esel in Industrieländern, in denen Esel als Haustiere oder zum Reiten gehalten werden, hoch. Das mittlere Alter bei Tod betrug 31 Jahre in einer Studie von Morrow und anderen.
Esel haben einen geringen Anschaffungspreis, sind leicht zu erziehen und effiziente Futterverwerter. Somit stellen sie die günstigste Form von Arbeitsenergie dar. Ohne größere Probleme können Esel bis zu 20 % Dehydratation aushalten, ohne in einen Erschöpfungszustand zu geraten. Diese Toleranz beruht auf ihrer Fähigkeit, ihr Blutvolumen ohne Wasserzufuhr aufrechtzuerhalten. Sie ermöglicht den Eseln, auf der Futtersuche in semiariden und ariden Gebieten lange Strecken zwischen weit entfernten Wasserstellen zurückzulegen. Zusätzlich können sie schneller rehydrieren und tolerieren extremere Temperaturschwankungen als Pferde. Somit können Esel in Gegenden überleben, in denen dies für Pferde kaum möglich ist.
Maultiere haben im Vergleich zu Eseln einen höheren Anschaffungspreis und können im Umgang anspruchsvoller sein. Dafür sind sie in Bezug auf ihre Größe sehr leistungsfähig, haben eine hohe Arbeitskapazität und Tragleistung, eine gute Ausdauer, sind äußerst trittsicher und langlebig und können bei guter Pflege bis ins hohe Alter arbeitsfähig bleiben. Zusätzlich zeichnen sie sich durch ihre Besonnenheit in Gefahrensituationen und ihre Robustheit aus. Somit ist ihr Einsatz im Hochgebirge, in extremem infrastrukturarmem Gelände sowie unter widrigsten Witterungsbedingungen in nahezu allen Klimazonen möglich. Insgesamt verspricht man sich von den Kreuzungsprodukten aus Eseln und Pferden die Vereinigung positiver Eigenschaften der Elterntiere.
Im Gegensatz zu jenen Ländern, in denen sie als Arbeitstiere dienen, weisen Länder, in denen diese Tiere hauptsächlich als Hobbytiere gehalten werden, nur sehr kleine Eselpopulationen auf. In vielen Ländern in Europa und Nordamerika sind die Bestände sogar drastisch zurückgegangen. Starkey und Starkey beschrieben für Deutschland eine kleine, aber konstante Eselpopulation. Genaue Daten zur Haltung von Eseln und Maultieren in Deutschland liegen nicht vor. Die Interessengemeinschaft für Esel- und Mulifreunde in Deutschland e. V. führt in ihrem Stammbuch jedoch fast 4000 Tiere. Allerdings wird eine große Dunkelziffer vermutet, da trotz der Registrierungspflicht für alle Equiden seit dem 01.07.2009 gemäß EG-Verordnung Nr. 504/2008 und der Pflicht zur Anzeige der Tierhaltung (§26 ViehVerkV) viele Esel und Maultiere unregistriert bleiben. Für Deutschland existieren hier keine Zahlen, aber nach Cox et al. besitzen 41 % der Esel und Maultiere im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland keinen Equidenpass. Der Deutsche Zuchtverband für Esel e.V. schätzt, dass der gesamte Haltungsbestand nach einem Anstieg in den letzten Jahren derzeit 7000–10000 Tiere beträgt. In der Schweiz sind etwas mehr als 10000 Esel und etwa 540 Hybriden registriert.
Hierzulande werden Esel hauptsächlich als Freizeittiere gehalten. Oft dienen sie als Beistelltiere für Pferde. Der moderne Arbeitsesel in Deutschland wird eher als Therapietier im Rahmen der „Asinotherapie“ oder als Reittier für Touristen genutzt.
Die mit etwa 40 Tieren größte Maultierpopulation Deutschlands wird hingegen zum Tragen von Lasten bei der Bundeswehr in Bad Reichenhall eingesetzt. Zur Versorgung der Gebirgsjäger in schwierigem Gelände, in welchem andere Transportmittel nicht mehr eingesetzt werden können, sind sie unentbehrlich. Beim Train in der Schweizer Armee wird das Maultier ebenfalls weiterhin als Tragtier sehr geschätzt.
Weltweit ist eine gute tiermedizinische Versorgung von Eseln und Maultieren aus den verschiedensten Gründen häufig nicht gewährleistet. In den ärmeren Ländern fehlen die finanziellen Mittel und nicht selten auch das veterinärmedizinische „Know-how“. Zusätzlich fehlt es oft an Wissen und Verständnis für die Bedürfnisse dieser Tiere. Esel werden von vielen Tierärzten immer noch als kleine Pferde angesehen und entsprechend untersucht, befundet und behandelt. Allerdings bestehen nicht nur im Verhalten deutliche Unterschiede zwischen Eseln, Maultieren und Pferden, sondern auch in der Anatomie und Physiologie der Tiere. Die vielfältigen Unterschiede lassen sich durch die voneinander abweichende Geschichte und Herkunft der Tiere erklären. Im Vergleich zu Pferden zeigen Esel häufig dezente oder nur subklinische Symptome vieler Krankheiten. Beispielsweise zeigen sie aufgrund ihres stoischen Wesens, ihrer Willensstärke und Besonnenheit ein vergleichsweise reduziertes oder introvertiertes Schmerzverhalten. Bewegungsunlust, Apathie und Anorexie sind oft die einzigen äußerlich erkennbaren Symptome, wodurch sich das klinische Bild von Erkrankungen deutlich dezenter darstellen kann als bei Pferden. Somit entsteht das Risiko einer fehlerhaften Bewertung mit verspäteter Diagnose und Therapie.
1.1.1 Warum ein Esel- und Maultierbuch?
Von den Referenzwerten des Pferdes abweichende physiologische Parameter bei vielen hämatologischen und biochemischen Parametern stellen eine diagnostische Herausforderung dar. Die optimale medikamentöse Therapie vieler Krankheiten wird durch speziesspezifische Unterschiede in der Pharmakokinetik zwischen Eseln, Maultieren und Pferden erschwert. Beispielsweise scheiden Esel einige Wirkstoffe aufgrund der abweichenden physiologischen Verhältnisse in ihrem Wasserhaushalt deutlich schneller aus als Pferde und somit unterscheiden sich die erforderlichen Dosierungen voneinander. Diese Unterschiede in der Pharmakokinetik sind in ihrer Ausprägung bei Pferden, Maultieren und Eseln jedoch nicht immer gleichmäßig und können somit nicht von einem Wirkstoff auf andere übertragen werden. Leider gibt es nach wie vor nur wenige Studien und Daten zur Pharmakokinetik und Pharmakodynamik bei Eseln und Maultieren. Lediglich für Antiphlogistika, einige Antibiotika sowie Sedativa und Anästhetika wurden Untersuchungen durchgeführt und Abweichungen beschrieben. Da außerdem nur wenige Medikamente für den Gebrauch bei Eseln zugelassen sind, müssen viele Medikamente bei entsprechender Indikation umgewidmet werden. Meistens werden dann, aufgrund fehlender Dosierungsangaben für Esel und Maultiere, die für das Pferd empfohlenen Arzneimitteldosierungen angewendet.
In diesem Buch soll der Fokus auf die häufigsten Erkrankungen bei Eseln und Maultieren sowie deren Besonderheiten in Bezug auf Untersuchungstechnik, Diagnostik und Befunde gelegt werden. Abgerundet wird es durch ergänzende Informationen zur Geschichte, Haltung, Verhalten und den anatomischen Besonderheiten.
1.2 Literatur
[1] Ashley FH, Waterman-Pearson AE, Whay HR. Behavioural assessment of pain in horses and donkeys: application to clinical practice and future studies. Equine Vet J 2005; 37: 565–75
[2] Burden FA, DuToit...