Gold / Weinberg / Rohr | Das hat ja was mit mir zu tun!? | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 170 Seiten

Reihe: Beratung, Coaching, Supervision

Gold / Weinberg / Rohr Das hat ja was mit mir zu tun!?

Macht- und rassismuskritische Perspektiven für Beratung, Therapie und Supervision

E-Book, Deutsch, 170 Seiten

Reihe: Beratung, Coaching, Supervision

ISBN: 978-3-8497-8268-9
Verlag: Carl Auer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Verinnerlichte Bilder und (un)bewusste Grundhaltungen haben starke Auswirkungen auf das gesellschaftliche und individuelle Leben. Dementsprechend drückt sich rassistische Diskriminierung durch alltägliche Handlungen, Denkweisen und Verhaltensmuster in vielen Bereichen aus – auch im Kontext professioneller Beratung.

Dieses Buch richtet sich an Berater:innen, die sich mit Rassismus in Bezug auf die eigene Arbeit auseinandersetzen und vermeintliche Gewissheiten und Methoden hinterfragen wollen. Es thematisiert die Frage, wo Systemische Beratung kritische Anschlussmöglichkeiten bietet, wo aber auch Widersprüche zu Macht- und Rassismuskritik bestehen – bis zur Gefahr, Rassismus selbst zu reproduzieren.

Das Zusammenführen von Systemischer Beratung mit macht- und rassismuskritischen Perspektiven ist ein notwendiger Schritt zur weiteren Professionalisierung und Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung in beraterischen Kontexten. Er macht den entscheidenden qualitativen Unterschied einer guten Beratung aus.
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Zielgruppe


Berater:innen
Psychiater:innen
Psychotherapeut:innen
Supervisor:innen
Aus- und Weiterbildungsinstitute

Weitere Infos & Material


2Selbstpositionierung, Weißsein, Selbstbezeichnungen
Im Folgenden nehmen wir eine Selbstpositionierung vor, thematisieren Weißsein und stellen die Relevanz von Selbstbezeichnungen bei der Benennung von Menschen, die Rassismuserfahrung machen, dar. 2.1Selbstpositionierung
Als weißes Autor*innenteam, das sich mit Rassismus und entsprechenden gesellschaftlichen Machtstrukturen auseinandersetzt, sehen wir eine kritische Betrachtung der eigenen Positioniertheit5 als zentralen Bestandteil. Dabei ist es essenziell anzuerkennen, selbst Teil der rassistischen und diskriminierenden Strukturen zu sein, die in unserer Gesellschaft permanent wirksam sind. Deshalb ist uns bewusst, dass wir selbst, auch wenn wir dieses Buch schreiben, uns in einem andauernden Lernprozess befinden, der weder linear verläuft, noch jemals abgeschlossen sein kann. In der kritischen Auseinandersetzung ist es für uns wichtig, nicht von individueller Schuld zu sprechen, da wir sonst die strukturelle Wirkmächtigkeit verleugnen würden. Vielmehr geht es uns um die Übernahme von Verantwortung, die wir im Kontext von Rassismus deutlich bei weißen Menschen verorten. Darin sehen wir die unbedingte Notwendigkeit, dass sich weiße Personen ernsthaft mit ihrer Positioniertheit und ihren Privilegien auseinandersetzen und diese dazu nutzen, die rassistische Machtstruktur aufzuzeigen und letztendlich aufzubrechen. Aus diesem Grund wollen wir die Privilegien, die wir unter anderem durch unser eigenes Weißsein haben, dazu verwenden, das Thema Rassismus im Kontext Systemischer Beratung sichtbar(er) zu machen und dabei den Fokus auf die eigenen Verstrickungen zu legen. Hierbei betrachten wir die Perspektiven von Expert*innen of Color und Schwarzen Expert*innen als grundlegendes Element der Auseinandersetzung. Daher freuen wir uns sehr, dass sich drei Expertinnen zu einem Interview für unser Buch bereit erklärt haben. Nichtsdestotrotz sind wir uns bewusst, dass aufgrund unserer weißen Perspektiven an vielen Stellen im Buch ein »Sprechen über« stattfindet. Neben der Homogenität im eigenen Weißsein verfügen wir als Autor*innenteam über weitere Merkmale und Hintergründe, durch die wir uns unterscheiden und die relevant im Kontext gesellschaftlicher Machtstrukturen sind: vom Geschlecht über verschiedene soziale sowie familiäre Hintergründe und unterschiedliche Arbeitsverhältnisse bis hin zu Alter und Migrationsgeschichte, die jedoch nicht mit Rassismuserfahrungen einhergeht. Für uns ist es an dieser Stelle sehr wichtig zu betonen, dass wir als weiße Personen aufgrund all dieser Merkmale unsere Privilegien im Kontext von Rassismus nicht verlieren. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass die Auseinandersetzung mit den eigenen Privilegien von starker innerer Abwehr begleitet sein kann und es gerade deswegen eine tiefgreifende sowie kritische Betrachtung der eigenen Biografie und der eigenen Wissensbestände erfordert und – um es erneut zu betonen – der Prozess dabei niemals abgeschlossen sein kann. 2.2Weißsein
»Mir wurde beigebracht, Rassismus nur in einzelnen Handlungen der Gemeinheit zu sehen, nicht in unsichtbaren Systemen, die meiner Gruppe Dominanz verleihen.«6 Peggy McIntosh In der kritischen Auseinandersetzung mit Rassismus ist es wichtig, auch einen Begriff für die Menschen zu bilden, die von Rassismus profitieren. Denn wenn diese ohne Bezeichnung bleiben, kann das dazu beitragen, dass von Weißsein als selbstverständlicher Norm ausgegangen wird. Weiße Menschen als solche zu benennen, ist daher ein relevanter Schritt, um rassistische Machtstrukturen zu beleuchten. Das Antidiskriminierungsbüro Köln (Öffentlichkeit gegen Gewalt e. V.) definiert Weißsein wie folgt: »Als weiß in diesem Land gelten Menschen, deren Zugehörigkeit zu Deutschland nicht in Frage gestellt wird und die nicht negativ von Rassismus betroffen sind. Es wird kursiv geschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um ein Konstrukt und nicht um eine reale Hautfarbe handelt« (ADB Köln 2017, S. 5). Interessant im Zusammenhang mit Weißsein ist die Tatsache, dass die meisten weißen Personen überhaupt kein Bewusstsein von ihrem Weißsein und dessen Auswirkungen haben (ebd.). Denn sie haben das enorme Privileg, sich nicht mit Rassismus auseinandersetzen zu müssen, da sie nicht durch selbigen diskriminiert werden, sondern durch ihn profitieren. Sich selbst nicht im Kontext von Rassismus zu verorten und die eigene Positioniertheit nicht reflektieren zu müssen, ist nur eins von zahlreichen Privilegien. Weitere Privilegien sind zum Beispiel: Wenn weiße Personen eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz suchen, stellt Weißsein kein Hindernis dar (siehe Kap. 4.4.1); wenn die Polizei weiße Personen kontrolliert, können diese sich sicher sein, dass ihre Hautfarbe nicht der Grund dafür ist; weißen Personen wird nicht akut bewusst gemacht, dass ihre Form, ihr Verhalten oder ihr Körpergeruch auf alle Menschen zurückfallen wird, die auch weiß sind (vgl. McIntosh 1989, S. 10). Weiße Privilegien müssen auch auf den Kontext rassistischer Gewalt bezogen werden, konkret beispielsweise auf die Situation nach dem rassistischen Terroranschlag in Hanau am 19. Februar 2020. Denn auch hier wird deutlich, dass weiße Personen sich nicht mit der dauerhaften Angst und dem Schrecken auseinandersetzen müssen. Denn für sie selbst besteht nicht die akute Gefahr und auch nicht die permanente Sorge um das eigene Leben und um das Leben der eigenen Community (vgl. Agar u. Kalarickal 2020). Weiße Personen profitieren von rassistischen Machtstrukturen, ob nun bewusst oder unbewusst. Denn diese wirken allgegenwärtig (vgl. Yeboah 2017, S. 154 ff.). Weißsein ist somit eine Machtposition, die nicht abgelegt werden kann, auch wenn weiße Personen zum Beispiel von anderen Diskriminierungsformen betroffen sind: »Durch Weißsein ist man privilegiert. Natürlich werden Positionen in gesellschaftlichen Ordnungen nicht allein durch Weißsein geprägt. Geschlecht, Klasse, Gesundheit usw. schaffen ebenfalls Machtstrukturen. Dass Weiße etwa arm oder reich, gesund oder beeinträchtigt, jung oder alt sein können, bedeutet nicht, dass manche von ihnen die Privilegien des Weißseins verlieren würden. Auch wenn Weißsein damit dynamisch und flexibel ist, bedeutet das jedoch nicht, dass es individuellen Spielräumen obliegt, das eigene Weißsein abzulegen. Als systemische Position ist Weißsein keine Weltanschauung, sondern eine Machtposition und als solche ein kollektives Erbe des Rassismus und auch am Werk, wenn Weiße es nicht bemerken (wollen)« (Arndt 2017, S. 43). Aktuell erfolgt nur sehr vereinzelt eine kritische Beschäftigung mit dem eigenen Weißsein und der damit verbundenen Anerkennung rassistischer Machtstrukturen. Eine solche Auseinandersetzung in ihrer gesamtgesellschaftlichen Breite ist in Deutschland längst überfällig. Wenn Forschung in diesem Bereich getätigt wird, erscheint es wichtig, auch diese kritisch zu diskutieren. Denn es ist fragwürdig, wenn in Teilen der kritischen Weißseins-Forschung wieder ausschließlich weiße Personen, deren Umgang mit der eigenen Positioniertheit und deren »Leid« im Fokus der Betrachtung stehen. Bei einer solchen Fokussierung besteht die große Gefahr, die weiße Vorherrschaft wieder zu reproduzieren und weiße Personen erneut in die relevanteste Position zu rücken. Wenn die kritische Weißseinsforschung dagegen versucht, Weißsein zunächst sichtbar zu machen und anschließend als zentrale normstiftende Position aufzuheben, dann kann sie als Herrschaftskritik anerkannt werden (vgl. Stark u. Noack 2017, S. 896; Yeboah 2017, S. 156 f.; El-Tayeb 2017, S. 8 ff.). In der Auseinandersetzung mit Rassismus, Weißsein und Privilegien betont Arndt (2017, S. 43), dass es dabei nicht um »Schuldzuschreibungen« geht, sondern um die Anerkennung von Rassismus »als ein komplexes Netzwerk an Strukturen und Wissen«, das weltweit prägend für Sozialisation und kontinuierliche Reproduktion wirkt. Somit »ist das Nicht-Wahrnehmen von Rassismus ein aktiver Prozess des Verleugnens, der durch das weiße Privileg, sich mit Rassismus nicht auseinandersetzen zu müssen, gleichermaßen ermöglicht wie abgesichert wird« (ebd., S. 43). Wenn es doch zu einer Auseinandersetzung mit diesen Privilegien kommt, führt dies zunächst meist zu einer starken Abwehr. Jedoch werden auch andere Reaktionen beschrieben, die häufig abhängig von der Phase der Reflexion der eigenen Positioniertheit in der rassistischen Machtstruktur sind. Diese Reaktionen reichen von der Unterstellung einer...


Ilja Gold, Studium der Politikwissenschaft und Erziehungswissenschaft, arbeitet als Referent für politische Bildung und Systemischer Berater (DGSF) in Köln. Er ist Mitarbeiter der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Köln sowie als Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln tätig. Schwerpunkte: Qualifizierung und Weiterbildung von Multiplikator:innen zu den Themen Rassismus, Diskriminierung und extreme Rechte sowie entsprechende Beratungstätigkeiten für unterschiedliche Zielgruppen und Organisationen.

Eva Weinberg, Studium der Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Systemsiche Beratung. In ihrem Masterstudium in Erziehungs- und Rehabilitationswissenschaften fokussiert sie sich auf die Zusammenhänge von psychischen Erkrankungen und gesellschaftlichen Ungleichheiten. Dabei liegt ein besonderes Interesse auf der Erforschung von Traumatisierungen. Neben ihrem Studium war sie drei Jahre lang in der projektbezogenen Jugendarbeit mit dem Fokus auf Machtkritik sowie in der intersektionalen Mädchenarbeit und Sexualpädagogik tätig.

Dirk Rohr, Dr.; Studium von Sonderpädagogik und Sport (1. und 2. Staatsexamen) sowie Diplom-Heilpädagogik (Schwerpunkt Beratung); Gestalttherapeut, systemischer Lehr-Supervisor (DGSv/DGSF) sowie Instituts- und Weiterbildungsleiter „Systemische Beratung“ im koelner institut für Beratung & pädagogische Professionalisierung; als Akademischer Direktor Leiter des Arbeitsbereiches Beratungsforschung sowie des Zentrums für Hochschuldidaktik an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln; Präsident der European Association for Counselling (EAC) sowie Member Executive Council der International Association for Counselling (IAC). Herausgeber der Reihe Beratung, Coaching, Supervision im Carl-Auer-Verlag; Publikationen u. a.: „Über die Arbeit mit Genogrammen“ (2017).


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