E-Book, Deutsch, 363 Seiten
Graham Das Begehren des Ritters
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96148-833-9
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, 363 Seiten
ISBN: 978-3-96148-833-9
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Heather Graham wurde 1953 geboren. Die New-York-Times-Bestseller-Autorin hat über zweihundert Romane und Novellen verfasst, die in über dreißig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. Heather Graham lebt mit ihrer Familie in Florida. Von Heather Graham erscheinen bei dotbooks: »In den Händen des Highlanders« »Fieber der Leidenschaft« »Der Lord und die Rebellin« »Die Leidenschaft des Earls« »Das Begehren des Ritters« »Die Gefangene des Freibeuters« »Das Erbe der Liebenden« Die Highland-Kiss-Saga: »In den Armen des Schotten« »Der Highlander und die schöne Feindin« »Gefangen von einem Highlander« »Die Braut des Viscounts« Die Wild-Passion-Saga: »Der Ungezähmte und die Schöne« »Der Laird und die Schöne« »Der Krieger und die Schöne« Die Cameron-Saga: »Der Lord und die ungezähmte Schöne« »Die Geliebte des Freibeuters« Unter dem Autorennamen Shannon Drake veröffentlicht sie bei dotbooks außerdem: »Blutrote Nacht« »Bei Anbruch der Dunkelheit« »Verlockende Finsternis« »Das Reich der Schatten« »Der Kuss der Dunkelheit«
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PROLOG
15. Oktober 1483
»Muß eine Maid ein schönes Antlitz haben?
Muß sie das Aug mit Anmut laben?
O nein!
Sie muß das Leben eines Mannes versüßen
Und freudig seine Leidenschaft begrüßen!«
Übermütig sang Sir Thomas Tidewell die Ballade, schrie sie mit lauter, klarer Stimme dem kühlen Horizont entgegen, der sich allmählich verdunkelte. In seiner Trunkenheit lachte er so heftig, daß er im Sattel seitwärts schwankte. Sicher wäre er vom Pferd gefallen, hätte Jon von Pleasance, der neben ihm ritt, nicht hastig eine Hand ausgestreckt, um ihn festzuhalten. Jon, fast so betrunken wie Thomas, schlang einen Arm um die Schultern seines Freundes. Mühsam hielten sie ihr Gleichgewicht auf den beiden Hengsten und sangen gemeinsam den zotigen Refrain.
»Sie braucht kein schönes Gesicht,
Auch Geist und Anmut nicht.
Sie muß nur die Lust eines Mannes stillen
Und willig sein Schwert umhüllen!«
Als Jon sich aufrichtete, drohte Thomas erneut aus dem Sattel zu stürzen. Diesmal packte ihn der Anführer der Gruppe, der seine Position geerbt hatte – Tristan de la Tere, zweiter Sohn des Grafen Eustace von Bedford Heath. Freundlich grinste Jon ihn an. Tristan hob die dunklen Brauen, erwiderte das Lächeln und schüttelte resignierend den Kopf. Die drei kamen soeben aus London, wo Tristan in langwierige Diskussionen über die Thronbesteigung Richards III. verwickelt worden war. Konnte man das Ereignis als gesetzwidrige Machtergreifung betrachten? Oder als legitim und notwendig, weil der rechtmäßige Erbe, ein zwölfjähriger Junge, außerstande war, ein Land zu regieren, das die »Rosenkriege« – wie die Poeten sie nannten – verwüstet hatten?
Doch es gab noch andere Schwierigkeiten. Jahrelang hatten verschiedene Mitglieder des Hauses York um die Macht gekämpft und kleinere Scharmützel innerhalb der großen Kriege ausgefochten. Tristans Familie war es gelungen, sich aus den internen Konflikten herauszuhalten. Schon als blutjunger Bursche hatte er für König Edward IV. gegen den »Königsmacher« Warwick gekämpft. Während der Regentschaft Edwards herrschte eine gewisse Ruhe in England. Aber 1483, nach seinem Tod, hatte Richard, Herzog von Gloucester, seinem Neffen, Edwards Sohn und Erben, die Krone entrissen. Nur zu gut wußte Tristan, daß neue Probleme auftauchen würden, und diesmal konnte er sich nicht heraushalten.
»Sing mit, Tristan!« verlangte Jon. »Du kennst doch den Text!«
»Ja, den Text schon«, bestätigte Thomas und rückte seinen Hut zurecht, »aber nicht das Gefühl. Ah, diese schönen Damen, das süße, weiche Fleisch, das wir in Mr. Walcox' Taverne genossen!« Anklagend zeigte er mit einem Finger auf Tristan. »Und du wolltest keine einzige anrühren. Schande über dich, mein Lehnsherr! Vor der Hochzeit warst du ein richtiger Teufel. Keiner wußte seinen Becher Ale schneller zu leeren als du und die hübschesten jungen Dinger zu verführen – mochten es feine Damen oder Huren gewesen sein.«
Wieder zog Tristan die Brauen hoch. Schweigend musterte er seine Freunde, ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. Zahlreiche Tage im Sattel, Turniere und die wilden Machtkämpfe zwischen den Häusern York und Lancaster hatten diese jungen Männer gestärkt, ihre Muskeln und Herzen gestählt.
Auf Tristans Schultern lastete eine schwere Verantwortung. Sie alle hatten in der Domäne seines Vaters das Licht der Welt erblickt. Jederzeit konnte Graf Eustace ein tausendköpfiges Gefolge zu den Waffen rufen. Bis zum Horizont erstreckten sich seine Felder und Weiden, viel weiter, als das Auge reichte. Die Wolle, die auf seinen Farmen erzeugt wurde, war sogar jenseits des Kanals berühmt.
Eines Tages würde Tristans älterer Bruder den Titel des Vaters und dessen Stellung erben. Aber Tristan hatte sich, im Gegensatz zu vielen jüngeren Söhnen, nicht der Kirche zugewandt und statt dessen große Bedford Heath-Ländereien erhalten. Eustace hatte alle seine Leibeigenen freigelassen, doch Tristan durfte auf die Treue vieler hundert Pächter und Landedelmänner wie Thomas und Jon bauen.
Schon als junger Bursche war er sich seiner Pflichten bewußt gewesen. Er trank zwar gern mit seinen Freunden, gestattete sich aber keinen Vollrausch. Ebensowenig konnte er die Politik außer acht lassen und vergessen, daß die Loyalitäten den Männern manchmal aufgezwungen, manchmal aus freien Stücken gewählt wurden, aber stets einen hohen Preis verlangten.
Während die drei jungen Freunde an diesem Herbsttag nach Hause ritten, schien Frieden zu herrschen. Aber Tristan ahnte, daß seine Landsleute bald wieder kämpfen würden. Richard hatte seinen Neffen entthront, sich der Krone bemächtigt, und das war in London akzeptiert worden. Denn der englische Thron mußte Stärke zeigen.
Auch Tristan hatte sein ursprüngliches Urteil revidiert und die Überzeugung gewonnen, es wäre besser, wenn der ältere, erfahrene Richard das Land regierte – zumindest, bis der rechtmäßige Erbe, ein bockiger Bücherwurm, die nötige Reife erlangte.
Aber dann waren der Knabe und sein jüngerer Bruder aus ihrem Gefängnis im Tower verschwunden. Man munkelte, Richard habe die Ermordung seiner Neffen angeordnet. Als Sohn eines angesehenen Peers hatte Tristan verlangt, die Kinder zu sehen. Richard versuchte, ihn mit Ausflüchten zu beschwichtigen. Aber Tristan ließ sich nicht beirren. Dann übte Buckingham, Richards eifrigster Verfechter vor dessen Machtübernahme, Verrat und zettelte einen Aufstand im Süden an. Tristan hatte es abgelehnt, für die Krone zu kämpfen, und dem König erklärt, er würde erst zu den Waffen greifen, wenn Richard seine Unschuld am Verschwinden der beiden Jungen bewiesen habe. So standen die Dinge, während sie an diesem Abend von London aus nach Norden ritten – Thomas und Jon völlig betrunken, Tristan belustigt, aber auch nachdenklich. Es drängte ihn, endlich das große Schloß zu erreichen, dessen Bau er eben erst vollendet hatte. Es war eher ein komfortables Zuhause als eine Verteidigungsbastion. Dort erwartete ihn seine schöne Gemahlin Lisette.
»Schau dir sein Gesicht an, Jon!« rief Thomas angewidert. »Der Mann findet keinen Geschmack mehr an vergnüglichen Ausschweifungen und kann nur noch an sie denken!«
Jon lachte. »Nun, auch ich würde an sie denken, wäre sie mein eigen.«
»Aber sie ist seine Frau«, klagte Thomas. »Gattinnen, pah! Verzärtelte kleine Dinger von edlem Geblüt, die nichts weiter in die Ehe mitbringen als ihren Reichtum! Tristan, lieber Freund, du sollst dich nicht mit ihr amüsieren. Dafür sind die netten Huren in den Tavernen da.«
Lachend lenkte Tristan sein Pferd näher an Thomas heran und schlang einen Arm um die Schultern des jüngeren Mannes. »Da irrst du dich. Bei einer Hure finde ich nur käufliche Liebe, und die ist niemals so exquisit wie jene, die mir willig geschenkt wird. Meine Frau liebt mich. Freudig begrüßt sie mich, wann immer ich heimkehre. Und wie schön sie ist mit ihren strahlenden Augen! Nein, Thomas, wie könnte ich jemals eine andere begehren? Sie duftet so süß, und ihre Haut schmeckt sauber wie die Frühlingsluft, während deine Huren wie ein Saustall stinken.«
»Die Ehe hat ihn völlig verdorben«, beschwerte sich Thomas bei Jon. Wieder brach Tristan in lautes Gelächter aus und warf den Kopf in den Nacken. Jon schaute ihm grinsend in die Augen, die nun nachtschwarz wirkten, obwohl sie normalerweise indigoblau schimmerten.
In der Tat, Tristan und Lisette waren ein beneidenswertes Paar. Die Eltern hatten die Heirat arrangiert. Aber nun lebten sie schon seit sechs Monaten glücklich zusammen, der große, bärenstarke, attraktive Tristan und die schöne Lisette mit ihrem glänzenden dunklen Haar, der sanften Wesensart, der melodischen Stimme und dem Gesicht eines Engels. Um das Glück noch zu vervollkommnen, erwartete sie bereits den Erben ihres Mannes.
Thomas verdrehte die Augen. »O Gott, er spricht wie ein Dichter, Jon!« Dann lächelte er den Mann an, dem er die Lehnspflicht schuldete. »O ja, sie ist schön, Tristan, und süß und gut. Doch das Vergnügen, das wir nun meinen ...«
»Was weißt du schon von Tristans Glück?« fiel Jon ihm fröhlich ins Wort. »Nachdem du eine reiche Witwe mit Schnurrbart heiraten mußtest!« Da mußte Tristan wieder lachen. In der Tat, Thomas' Frau war die Tochter eines reichen Kaufmanns und häßlich wie die Nacht, aber geistreich und witzig, und Tristan mochte sie. Ein Jahr nach der Hochzeit hatte sie ihrem Mann einen gesunden, kräftigen Sohn geschenkt, also durfte Thomas sich nicht beklagen.
»Mögen dich die Pocken befallen, Jon!« rief Thomas. »Und möge deine künftige Gattin so frigide sein wie eine Nonne!«
Jon wollte protestieren, doch die Worte blieben ihm in der Kehle stecken, als er Tristans gerunzelte Stirn sah. Und dann erkannte er, was den Unmut seines Herrn erregte. Sie hatten eine Hütte an der Grenze von Tristans Ländereien erreicht, die niedergebrannt war. Daran gab es trotz der Dunkelheit keinen Zweifel. In der Nachtluft stieg immer noch Rauch empor. Erbost spornte Tristan seinen Hengst an. Jon und Thomas, sofort ernüchtert, galoppierten hinter ihm her.
Vor der Hütte angekommen, sprang er aus dem Sattel, beugte sich über einen alten Bauern und berührte ihn am Hals. Dann richtete er sich auf. Das Blut, das seine Finger befleckte, war noch warm. Auch Jon und Thomas stiegen ab. Mit schnellen Schritten ging Tristan zu der qualmenden Ruine, blieb auf der Schwelle stehen, und Jon trat an seine Seite. Erstaunt stellten sie fest, daß die Einrichtung zerstört worden war, bevor man das kleine Haus angezündet hatte.
Hinter ihnen hielt Thomas den Atem an. Alle drei entdeckten die Frauenleiche. Entsetzt...




