E-Book, Deutsch, Band 54, 100 Seiten
Reihe: Der junge Norden
Grahl Ein eingebildeter Kranker
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-69049-151-8
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der junge Norden 54 - Arztroman
E-Book, Deutsch, Band 54, 100 Seiten
Reihe: Der junge Norden
ISBN: 978-3-69049-151-8
Verlag: Blattwerk Handel GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Er kommt aus Gran Canaria und ist der Sohn von Dr. Daniel Nordens Cousin Michael und dessen spanischer Frau Sofia. Alexander kennt nur ein Ziel: Er will Arzt werden und in die riesigen Fußstapfen seines berühmten Onkels, des Chefarztes Dr. Daniel Norden, treten. Er will beweisen, welche Talente in ihm schlummern. Dr. Norden ist gern bereit, Alexanders Mentor zu sein, ihm zu helfen, ihn zu fördern. Alexander Norden ist ein charismatischer, unglaublich attraktiver junger Mann. Die Frauenherzen erobert er, manchmal auch unfreiwillig, im Sturm. Seine spannende Studentenzeit wird jede Leserin, jeden Leser begeistern! »Na, Herr Beier, wie gehts Ihnen heute?« Alex lächelte Jost Beier freundlich zu, doch Jost erwiderte das Lächeln nicht. Stattdessen wies er mit einer knappen Bewegung seines Kinns auf das Gefährt, auf das er sich stützte. »Sehr schlecht, wie man sieht«, erwiderte er mit Leichenbittermiene. »Ginge es mir einigermaßen gut, wäre ich wohl nicht mit diesem Gefährt unterwegs. Zum Vergnügen benutze ich das Ding jedenfalls nicht.« »Plagen Sie Ihre Gliederschmerzen wieder?«, erkundigte sich Alex teilnahmsvoll. Jost Beier arretierte das Gefährt, um es als Sitzgelegenheit zu nutzen. Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich darauf nieder. »Meine Gliederschmerzen, ja. Das dürfen Sie laut sagen«, gab er zurück. »Sie waren gestern und vorgestern schon schlimm genug, aber seit heute früh sind sie kaum noch auszuhalten.« Ein weiterer Seufzer folgte. »Und es sind ja nicht nur die Glieder. Wenn es nur die Glieder wären, würde ich bestimmt nicht jammern. Ich bin, weiß Gott, nicht empfindlich. Ich bin seit Jahren gewohnt, ständig Schmerzen zu haben.
Carolin Grahl ist eine erfahrene Serienschriftstellerin, die schon in verschiedenen Romangenres tätig gewesen ist. Serien wie Der Sendlinger und Gut Waldeck tragen die unverwechselbare Handschrift der am Bodensee ansässigen Autorin. Mit der seit kurzem von uns veröffentlichten Originalserie Der junge Norden hat sie ihre schriftstellerische Meisterschaft einmal mehr unter Beweis gestellt. Der spanische Wurzeln tragende Alexander Norden, ein Neffe des berühmten Dr. Daniel Norden, wird in München Medizinstudent, von seinem Onkel aufmerksam beobachtet. Das aufregende Studentenleben des sehr und vielseitig begabten Alexander wird von Carolin Grahl auf einzigartige, spannende Weise geschildert.
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»Na, Herr Beier, wie gehts Ihnen heute?« Alex lächelte Jost Beier freundlich zu, doch Jost erwiderte das Lächeln nicht. Stattdessen wies er mit einer knappen Bewegung seines Kinns auf das Gefährt, auf das er sich stützte. »Sehr schlecht, wie man sieht«, erwiderte er mit Leichenbittermiene. »Ginge es mir einigermaßen gut, wäre ich wohl nicht mit diesem Gefährt unterwegs. Zum Vergnügen benutze ich das Ding jedenfalls nicht.« »Plagen Sie Ihre Gliederschmerzen wieder?«, erkundigte sich Alex teilnahmsvoll. Jost Beier arretierte das Gefährt, um es als Sitzgelegenheit zu nutzen. Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich darauf nieder. »Meine Gliederschmerzen, ja. Das dürfen Sie laut sagen«, gab er zurück. »Sie waren gestern und vorgestern schon schlimm genug, aber seit heute früh sind sie kaum noch auszuhalten.« Ein weiterer Seufzer folgte. »Und es sind ja nicht nur die Glieder. Wenn es nur die Glieder wären, würde ich bestimmt nicht jammern. Ich bin, weiß Gott, nicht empfindlich. Ich bin seit Jahren gewohnt, ständig Schmerzen zu haben. Nur dieses Schwindelgefühl, das Herzklopfen und die Müdigkeit, die im Laufe des Vormittags noch dazukamen …« Jost schloss für einen Moment erschöpft die Augen und atmete schwer. »Haben die Ärzte endlich herausgefunden, was mir fehlt?« »Das weiß ich leider nicht«, erwiderte Alex. »Aber ich denke, dass Dr. Norden Ihnen Ihr Untersuchungsergebnis heute Vormittag noch mitteilen wird.« »Es wird auch allmählich Zeit«, wiederholte Jost Beier ungeduldig. »Inzwischen liege ich bereits über eine Woche hier in der Behnisch-Klinik und lasse jeden Tag von morgens bis abends ein halbes Dutzend Untersuchungen über mich ergehen. Irgendwann müssen die Ärzte bei einem derartigen Aufwand doch dahinterkommen, woran ich leide. Oder soll ich etwa den Rest meines Lebens in der Behnisch-Klinik verbringen, weil sich die Suche nach meiner Krankheit als eine ›unendliche Geschichte‹ entpuppt?« »Nein, Sie werden mit Sicherheit noch vor dem Wochenende entlassen«, beschwichtigte Alex. »Aber die Ärzte bemühen sich eben, so gründlich wie möglich vorzugehen. Und gut Ding will bekanntlich Weile haben. Es braucht nun einmal alles seine Zeit.« »Zeit«, schnaubte Jost. »Zeit, die ich leider nicht mehr habe. Meine Jahre oder vielleicht sogar meine Monate sind gezählt.« Alex hob halb skeptisch und halb vorwurfsvoll eine Augenbraue. »Sie sind siebenundfünfzig, Herr Beier, wenn ich mich nicht irre. Das ist doch im Grunde noch gar kein Alter. Ausgehend von der statistischen Lebenserwartung haben sie locker noch ein Vierteljahrhundert Lebenszeit vor sich.« Jost Beier lachte bitter auf. »Ein Vierteljahrhundert? Das soll wohl ein Witz sein. Ich meine, wenn ich gesund wäre, würde ich Ihnen natürlich Recht geben, Alex. Aber ich bin nun einmal nicht gesund. Ich bin ein schwer kranker Mann. Das spüre ich. Das fühle ich.« »Aber, aber. Wer wird denn gleich so rabenschwarz sehen?«, versuchte Alex, Jost aufzumuntern. »Wetten, dass Ihr Untersuchungsergebnis viel besser ausfällt, als Sie annehmen?« »Keinen Pfifferling wette ich darauf«, unkte Jost. »Nicht einmal einen einzigen Cent würde ich verwetten.« Alex zuckte die Schultern. »Aber …« »Lassen Sie’s gut sein, Alex«, wehrte Jost Beier ab. »Dass Sie immer wieder versuchen, mir Mut zu machen, ist eine sympathische Geste, die ich durchaus zu schätzen weiß. Sie sind ein unverbesserlicher Optimist, und das ist, jung wie Sie sind, auch Ihr gutes Recht. Aber in meinem Alter fängt man an, die Dinge realistisch und ohne rosarote Brille zu sehen. Und sie so zu akzeptieren, wie sie nun einmal sind.« »In diesem Punkt stimme ich Ihnen durchaus zu«, meinte Alex, »auch wenn …« Jost winkte ab, um Alex zum Schweigen zu bringen. »Einerseits kann ich es kaum erwarten, mein Untersuchungsergebnis in Händen zu halten«, sagte er, »aber andererseits habe ich auch Angst vor diesem Moment. Große Angst sogar. Mit unwiderruflicher Sicherheit zu wissen, dass ich Krebs oder eine andere schlimme Krankheit habe, ist wahrscheinlich noch einmal eine ganz andere Nummer, als es bloß zu vermuten. Wenn ich daran denke, meine arme Frau mit der traurigen Wahrheit konfrontieren zu müssen, wird mir schon jetzt schwer ums Herz.« Jost zog seinen weinroten Frottee-Bademantel über seiner blau und weiß gestreiften Schlafanzughose zusammen und schaute niedergeschlagen auf seine bloßen Füße, die in schwarzen Badeschlappen steckten. »Sabine und ich – wir haben vor zwei Jahren Silberhochzeit gefeiert«, begann er nach einer Weile wieder. Gedankenverloren umfasste er dabei mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand den schmalen Goldreif an seinem rechten Ringfinger und drehte ihn hin und her. »Siebenundzwanzig glückliche Jahre mit meiner Sabine. Eine wunderbare Zeit geht zu Ende. Wissen Sie, die Gedichtzeile ›vom ersten Kuss bis in den Tod sich nur von Liebe sagen‹ könnte als Motto über unserer Ehe stehen. Wie Sabine damit umgehen wird, vielleicht schon in einem Jahr alleine leben zu müssen, nur mit ihren Erinnerungen … Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.« Alex trat unbehaglich von einem Bein aufs andere und war sichtlich erleichtert, als plötzlich sein Onkel um die Ecke bog. Dr. Norden nickte Alex kurz zu und wandte sich dann an Jost Beier. »Da sind Sie ja, Herr Beier«, sagte er mit einem Anflug von Ungeduld in der Stimme. »Als ich zur Visite gekommen bin, waren Sie nicht in Ihrem Krankenzimmer, und nun suche ich Sie schon seit über zehn Minuten. Zuerst auf Ihrer Station und dann in der ganzen Klinik.« Jost senkte schuldbewusst den Kopf. »Eigentlich wollte ich vor der Visite noch in die Cafeteria, um ein Stück Kuchen und ein Tässchen Kaffee zu mir zu nehmen. Koffeinfrei natürlich. Aber unterwegs bin ich dann auf Alex getroffen und habe mich ein bisschen mit ihm unterhalten. Tut mir leid, dass Sie nach mir suchen mussten, Herr Doktor. Es wird nicht wieder vorkommen.« »Immerhin habe ich Sie nun gefunden«, lenkte Dr. Norden ein. Er hielt Jost mehrere mit einer silberfarbenen Büroklammer zusammengeheftete Blätter hin. »Ihr Untersuchungsbericht, Herr Beier«, sagte er. »Wenn Sie möchten, begeben wir uns jetzt in Ihr Krankenzimmer, um ihn zusammen durchzugehen.« Jost nickte beklommen. Er erhob sich ächzend und machte sich bereit, Dr. Norden zu folgen. Dabei warf er Alex einen hilfesuchenden, fast verzweifelten Blick zu. »Drücken Sie mir die Daumen, Alex«, bat er. Alex hob sofort beide Fäuste, was Dr. Norden ein belustigtes Lächeln entlockte. Als Dr. Norden und Jost Beier im Lift verschwunden waren, machte Alex sich auf den Weg ins Dienstzimmer, aus dem ihm mit Riesenschritten Chris, der Krankenpfleger entgegenkam. »Holst du etwa jetzt erst deinen Dienstplan, Alex?«, erkundigte er sich. »Kurz vor der Mittagspause?« »Nein. Ja. Außerdem ist noch längst nicht Zeit für die Mittagspause. Allerhöchstens in deiner Fantasie«, gab Alex gereizt zurück. Chris musterte Alex mit einem leicht spöttischen Blick. »Wer hat dich denn so lange in Beschlag genommen?«, fragte er. »Doch nicht etwa Jonna, die neue Schwesternschülerin?« Alex runzelte die Stirn. »Eine neue Schwesternschülerin? Davon habe ich noch gar nichts mitbekommen.« »Klar. Du bist, was flotte Mädels angeht, ja auch nicht unbedingt ein Schnellspanner«, gab Chris grinsend zurück. »Wäre Sina dir mit ihrer Karosse damals nicht in Fee Nordens Auto geknallt, würdest du wahrscheinlich immer noch als Single durch die Welt laufen.« Ein weiterer spöttischer Blick traf Alex. »Sag bloß, du hast dich den halben Vormittag lang von diesem Jost Beier bequatschen lassen. Den habe ich nämlich vor einer Weile auf der Suche nach einem Opfer gesehen.« Alex musste lachen, ob er wollte oder nicht. »Er war nicht auf der Suche nach einem Opfer, sondern – nach eigenen Angaben – unterwegs in die Cafeteria. Wahrscheinlich war ihm in seinem Krankenzimmer langweilig, und er hatte einfach das Bedürfnis, ein bisschen unter Menschen zu sein.« Chris schürzte abfällig die Lippen. »Unter Menschen sein? Das hätte Herr Beier allerdings einfacher haben können«, meinte er. »Er hätte eben nicht schon mit fünfundfünfzig Jahren in Rente – pardon, in Pension – gehen müssen. Als Lehrer hätte er immer Menschen um sich gehabt: Kinder, Kollegen, Eltern. Da wäre für Langeweile kein Platz gewesen. Manchmal hat es eben auch Nachteile, wenn man sich Faulheit leisten kann.« »Herr Beier ist aus gesundheitlichen Gründen in Frühpension gegangen, nicht aus Faulheit«, korrigierte Alex. Chris verdrehte die Augen. »Alles klar. Wenn du ihm diesen Unsinn abkaufst, verstehe ich, warum er dir auflauert, um dich mit Geschichten über seine eingebildeten Krankheiten zuzulabern. Für mich gehört der Kerl nicht auf die Interne Abteilung der Behnisch-Klinik, sondern ins Sprechzimmer eines Psychotherapeuten.« »Jost Beier hat Gliederschmerzen, Herzklopfen, Schwindel, fühlt sich oft müde und schlapp und ist sehr anfällig für Erkältungskrankheiten«, hielt Alex dagegen. »Das sind durchaus reale Beschwerden.« »Klar doch. Und wegen dieser Kinkerlitzchen ist er überzeugt, ein Todeskandidat zu sein«, ergänzte Chris. »Wenn du mich fragst: Dieser Mann ist der Prototyp eines eingebildeten Kranken, der immer im Mittelpunkt stehen und Aufmerksamkeit erregen will. Um das zu erkennen, braucht man kein Arzt zu sein. Das sieht sogar ein Blinder.« »Dass Herr Beier todkrank ist, glaube ich genauso wenig wie du«, räumte Alex ein. »Aber ein eingebildeter Kranker … Zwischen einem eingebildeten Kranken und einem ängstlichen Menschen bestehen, wie ich...