Gruber | Man muss das Kind im Dorf lassen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Gruber Man muss das Kind im Dorf lassen

Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land
14004. Auflage 2014
ISBN: 978-3-492-96656-6
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-492-96656-6
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das bayerische Landleben ist wie gemacht für eine Komikerin, die ihren Mitmenschen gern genau aufs Maul und noch lieber ins Herz schaut. Monika Gruber berichtet von den großen und kleinen Missgeschicken ihrer Jugend, von Bosheiten, ländlichen Eigenarten und von teils seltsam anmutenden dörflichen Gepflogenheiten, die ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Es treten wortkarge Bauern, fahrende Händler und sämtliche Beteiligten eines intakten Gemeindelebens auf; man erfährt von Dorfhochzeiten und Hofschleichern, von einer freien, unbeschwerten Kindheit und einem Gemeindeleben, das Männer und Frauen ab und an noch räumlich trennt, bei dem aber alle trotzdem an Leid und Freud der Anderen Anteil nehmen. Denn Heimat ist mehr als nur der Ort, an dem man aufgewachsen ist.

Monika Gruber wurde in der Nähe von Erding geboren. Aufgewachsen auf dem elterlichen Bauernhof, besuchte sie die Schauspielschule Ruth-von-Zerboni in München. Ihre ersten kabarettistischen Soli schrieb sie 2004 in ihrer Figur als »Kellnerin Monique«. Der Durchbruch gelang ihr mit ihrem zweiten Bühnen-Solo »Hauptsach g'sund«. Mit ihren Auftritten füllt sie seit Jahren die Hallen und ist regelmäßig im TV und in Kinofilmen zu sehen. Ihr Buch »Man muss das Kind im Dorf lassen« stand über 40 Wochen, »Und erlöse uns von den Blöden« (mit Andreas Hock) über 80 Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste, zum Start auf Platz 1.
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Einleitung Heimat Strawanzen Erster Schultag Paps Die Mama, die Oma und Valentino Familienbande Das Häusl Kirchgang Der Jackl Frauenfußball und der Kaba-Mann Allein unter Brüdern Der Flocki Bauernhochzeiten Der Häuslschleicha Die armen Seelen Ungeschriebene Gesetze des Landlebens Nomen est omen Servicewüste Gruber Die Bühne Ganz zum Schluss …


Heimat

Heimat ist für mich ein bissl Landschaft, viel Geruch und wenig Gred. Heimat ist natürlich noch viel, viel mehr, aber wenn ich das, was ich persönlich damit verbinde, in einem Satz zusammenfassen müsste, dann würden diese Schlagwörter übrig bleiben: ein bissl Landschaft, viel Geruch, beziehungsweise Gerüche, und wenig gesprochene Worte.

Die Landschaft ist natürlich schon ein ganz wesentlicher Teil des Heimatgefühls, aber wenn man vom Bauernhof stammt, dann schaut man sich nicht ständig die Landschaft an. Der Regisseur Franz Xaver Bogner hat einmal zu mir gesagt: »Der Bauer schaut sich die Landschaft um ihn herum nicht an, der Bauer ist die Landschaft.«

Wenn man in der Stadt aufgewachsen ist, dann ist es verständlich, dass man sich gern im Grünen aufhält, die Natur bewundert. Dass man sonntags an den Tegernsee fährt oder nach Garmisch, eine kleine Bergwanderung unternimmt und schließlich, irgendwo vor einer Hütte sitzend, auf die bayerischen Berge schaut und zwischen zwei Brocken saurem Presssack vor sich hin seufzt: »Mei, is’ scho schee, unser Bayern, gell.«

Aber als wir Kinder klein waren, ist mein Vater mit uns selten ins Grüne gefahren, weil: Wozu soll man sich in den wenigen Stunden zwischen Mittagessen und dem Zeitpunkt, wenn man wieder zur Stallarbeit daheim sein muss, ausgerechnet das anschauen, was man sechs Tage die Woche sowieso vor der Nase hat. Deshalb fuhr mein Vater mit uns regelmäßig in die Stadt oder vielmehr durch die Stadt. Nach der Nachspeise – sonntags gab es nämlich immer eine Ananas-Quark- oder eine Schwarzwälder-Kirsch-Creme – hat er uns drei Kinder und die Mama in seinen distelgrünen 190er Mercedes Einspritzer geschlichtet und uns kreuz und quer durch München geschaukelt, ohne auch nur einmal anzuhalten. Und wir Kinder starrten mit offenen Mündern auf die Sehenwürdigkeiten dieser großen, großen Stadt mit den vielen, vielen Menschen, die alle Fahrrad fuhren. Bei uns auf dem Land fuhren nur alte Weiber mit Kopftüchern und Kinder mit dem Radl. Die Erwachsenen waren entweder mit landwirtschaftlichen Gefährten oder mit dem Auto unterwegs. Auf ein Dorffest oder in den Biergarten, da fuhr man schon mal mit dem Radl hin, allein schon deshalb, weil man damals noch betrunken wieder heimfahren durfte, ohne gleich auf einen schweren geistigen Defekt untersucht und für den Rest seines Lebens schikaniert zu werden.

Manchmal machten wir auch sonntags eine kleine Runde mit unseren Fahrrädern über die Felder, weil der Babba schauen wollte, »wie die Gerstn steht und ob in die Zuckerrüben ned an Haufen Disteln drin san«. Aber vormittags, in die Kirche, die nur zwei Kilometer entfernt war, da fuhr man mit dem Auto, schließlich wollte man weder die frisch geföhnte Frisur noch das schöne Feiertagsgewand ramponieren.

In München dagegen fuhr anscheinend jeder mit dem Fahrrad. Zumindest am Sonntag. Die Autofahrer stammten allesamt aus dem Umland wie wir. Hauptsächlich sah man folgende Autonummern, für die wir Kinder uns die passenden Ausschreibungen ausdachten: FFB (Fünf Flaschen Bier), DAH (Die Amsel hustet), GAP (Ganz arme Penner), EBE (Ein bisserl Einbahnstraße). Mein Vater schuckelte die Leopoldstraße hinunter, vorbei an Eisdielen, Cafés und Bars mit coolen Namen in Richtung Siegestor und Universität, über die er fast ein wenig feierlich sagte: »Da gehen nur die ganz Gscheiden hin, die Gstudierten!« Sowohl das mächtige Gebäude mit dem gewaltigen Brunnen davor als auch die Tatsache, dass es in München unfassbar viele »gscheide Leut’« geben musste, imponierten uns mächtig. Dann weiter in die Brienner Straße mit dem Nymphenburger-Porzellan-Geschäft (»Kinder, da wenns ihr an Teller zammhauts, der kost’ so viel wie unser Bulldog!«), mit ihren feinen Läden und Kunstgalerien in Richtung Königsplatz, wo der Babba nur meinte: »Des hat alles der Hitler gebaut.« Aha. Bei uns auf dem Hof baute immer alles der Käsmaier Erich aus Thalheim, aber der hatte eh schon so viel Arbeit, und München war auch ganz schön weit weg, sodass die Münchner eben andere Baufirmen hatten, zum Beispiel diese Firma Hitler.

Wenn wir auf der Donnersberger Brücke waren, fuhr er immer ein bisschen langsamer, damit wir sehen konnten, wie die Züge in den Hauptbahnhof ein- und ausfuhren: »Kinder, schauts die langen Züge an!« Und wir taten, wie uns befohlen, denn es konnte nicht mehr lange dauern, und unsere Geduld würde vielleicht mit einem Eis belohnt werden.

Wenn wir die Maximilianstraße mit ihren Luxusgeschäften fast im Schritttempo entlangkrochen (und dabei ständig von den Taxlern angehupt wurden, wovon sich mein Vater überhaupt nicht aus der Ruhe bringen ließ), damit wir besser in die Schaufenster der edlen Geschäfte schauen konnten, dann meinte der Babba nur: »Des is’ nur was für die ganz Noblen, so wie die Oper vorn. Des is’ nur was für feine Leut’.« Damit war klar: Das war alles nichts für uns, aber anschauen durfte man die prachtvollen, beleuchteten Auslagen und die luxuriösen Autos, die vor dem Hotel Vier Jahreszeiten parkten, auch wenn man nicht zu den feinen Leuten gehörte.

Während also die Stadtbevölkerung am Wochenende aufs Land fuhr, um Seen, Berge und Almhütten zu bestaunen, brachen wir Kinder beim Anblick der Münchner Großmarkthalle und des Schlachthofes in begeisterte »Ahs« und »Uihs« aus, bevor wir dann schlussendlich vor der Heimfahrt in irgendeinem Gasthof einkehrten. Bevor wir über die Schwelle des Wirtshauses traten, stellte die Mama kurz sicher, dass sie sich mit uns nicht würde blamieren müssen: »Gell, und ihr seids brav und sagts schön Grüß Gott, bitte und danke, weil sonst bleibts das nächste Mal daheim!« Da diese Ausflüge eher selten waren und wir Kinder uns die Chance auf Würschtl mit Pommes und danach ein Eis nicht verbauen wollten, hockten wir brav und schweigsam auf unserem Hosenboden, und wenn wir die Mama etwas fragen wollten, dann flüsterten wir ihr das ins Ohr.

Einmal schüttete mein Bruder Seppi aus Versehen sein Limo über die Tischdecke und war darüber so bestürzt, dass er sofort zu weinen anfing und erst durch die tröstenden Worte unserer Mama zu beruhigen war. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass Kinder, die sich so schlecht benehmen, erst aus dem Lokal geworfen und anschließend zur Adoption freigegeben würden.

Viele Jahre später, als ich immer am Sonntagmittag beim Alten Wirt in Goldach kellnerte und junge Mütter mit ihren Monsterkinderwägen den Kücheneingang blockierten und stolz schweigend ihren Ablegern dabei zuschauten, wie diese sich gegenseitig am Tisch mit Spätzle bewarfen oder zwischen den Tischen Fangen spielten, dachte ich oft daran zurück, wie die Leute früher ihre Kinder erzogen hatten. Ich habe einmal in einem meiner Programme gesagt, dass ich nach solchen Kellnertagen heimfuhr und eine ganze Schachtel Antibabypillen auf einen Sitz auffraß. Das war natürlich eine gnadenlose Übertreibung um eines billigen Lachers willen, aber unsere Eltern hätten eben auch nie zugelassen, dass wir Kinder uns so aufführten. Und dazu mussten sie nicht einmal die Stimme heben, es genügte schon, wenn meine Mutter lediglich die linke Augenbraue leicht hob, dann wussten wir genau: »Au weh, jetzt heißt’s brav sein!«

Außerdem mussten wir allein deshalb schon still sein, weil sich meine Eltern in der knapp bemessenen Freizeit, die sie hatten, unterhalten wollten. Miteinander. Nicht mit uns. Uns störte das aber nicht weiter, denn wir waren mit dem Festessen beschäftigt, das es daheim nie gab: Pommes, die wir mit den Fingern essen durften, weil es dann leichter war, den glibberigen Ketchup so zu balancieren, dass er im Mund und nicht auf dem Feiertagsgewand oder der Tischdecke landete.

Und wenn wir dann nach der Brotzeit aus München hinausfuhren, durch die flache, spärlich bewaldete Landschaft des Erdinger Moos, und uns schließlich dem Ortsschild von Tittenkofen näherten, von wo aus man bereits die hügeligen Ausläufer des Holzlandes erkennen konnte, dann stellte sich immer unmittelbar – spätestens, wenn wir bei uns durch die Hofeinfahrt fuhren – das wohlige Gefühl des Heimkommens ein. Und fast jedes Mal, wenn meine Mama in der Garage aus dem Auto stieg, sagte sie seufzend: »Mei, auf d’Nacht is’ ma einfach froh, wenn ma wieder heimkommt!« Vier Stunden waren ja auch ein ziemlich langer Ausflug.

Aber tatsächlich verbinde ich den Begriff Heimat in erster Linie mit Gerüchen, den Gerüchen meiner Kindheit: dem Duft von fast trockenem Heu, das in der flirrend heißen Sommerluft gewendet wird, von herbstlichen Maisfeldern, die gerade abgedroschen werden … irgendwie leicht grasig-säuerlich, aber auch satt und sonnengereift. Und dazu die letzten Herbststrahlen einer späten Nachmittagssonne, die nicht mehr so recht Kraft hat und bald der stechend kühlen Novemberluft und dem über Wochen undurchdringlichen Nebel des Erdinger Moos weichen wird. Der ganz spezielle Geruch unseres Hausflurs daheim (der »Flez«) erinnert mich sofort an die Spiele unserer Kindheit, als mein Bruder seine dreckigen Spielzeugtraktoren mit Anhänger voller Maiskolben, Sämaschinen und überhaupt sein ganzes Glump in unserer Flez vor dem angekündigten Regen in Sicherheit brachte, sodass man sich trotz der stattlichen Größe unseres Hausflurs kaum noch umdrehen konnte, ohne über einen Pflug oder ein halb mit Regenwasser gefülltes Odelfassl zu stolpern.

Der Geruch in der Küche meiner Mutter, der ganz eigen war und vor allem appetitanregend. Dieser Duft lässt einen sofort hungrig werden, wenn man von der Flez aus in die Küche kommt, denn die Luft duftet immer so,...


Gruber, Monika
Monika Gruber, wurde in der Nähe von Erding geboren. Aufgewachsen auf dem elterlichen Bauernhof, besuchte sie die Schauspielschule Ruth-von-Zerboni in München. Ihren ersten kabarettistischen Soli schrieb sie 2004 in ihrer Figur als »Kellnerin Monique«. Der Durchbruch gelang ihr mit ihrem zweiten Bühnen-Solo »Hauptsach g’sund«. Neben diversen TV-Auftritten ist sie auch als Schauspielerin in u.a. »München 7« zu sehen sowie in Kinofilmen wie »Eine heiße Nummer« und »Vatertage«.

Monika Gruber wurde in der Nähe von Erding geboren. Aufgewachsen auf dem elterlichen Bauernhof, besuchte sie die Schauspielschule Ruth-von-Zerboni in München. Ihre ersten kabarettistischen Soli schrieb sie 2004 mit ihrer Figur als »Kellnerin Monique«. Der Durchbruch gelang ihr mit ihrem zweiten Bühnen-Solo »Hauptsach g’sund«. Neben diversen TV-Auftritten ist sie auch als Schauspielerin in u.a. »München 7« zu sehen sowie in Kinofilmen wie »Eine heiße Nummer« und »Vatertage«.



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