Hähnel | Gefallen auf dem Feld der Ehe | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 182 Seiten

Reihe: Edition Totengräber

Hähnel Gefallen auf dem Feld der Ehe

Mordsgeschichten
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95996-023-6
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Mordsgeschichten

E-Book, Deutsch, 182 Seiten

Reihe: Edition Totengräber

ISBN: 978-3-95996-023-6
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



'Ja, ich will. Bis, dass der Tod uns scheidet.' Menschen heiraten aus Liebe. Zumindest glauben sie das im Moment der Eheschließung. Schade, dass dieser Zustand nicht immer von Dauer ist. Scheidung wäre zwar eine Option, doch sind die Protagonisten in den Kurzgeschichten von Krimiautor Stephan Hähnel weitaus kreativer. Und so entledigen sie sich ihrer Ehepartner lieber auf unkonventionelle Weise, manchmal blutig, auch mal unbeabsichtigt, aber stets endgültig. Traurig möchte man meinen, wenn es dabei nicht so unterhaltsam wäre. Geschichten für glücklich bis unglücklich Verliebte, Nicht- oder Nichtmehrverliebte, aber vor allem für Liebhaber des Schwarzen Humors rund um das Thema Angewandte Beziehungsdramatik.

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Der Scheidungsstammtisch


»Ehen werden im Himmel geschlossen und in der Hölle gelebt.«

Maria Callas

Eva zog genervt die Augenbrauen hoch. »Nochmal!«, sagte sie betont ruhig und wandte sich direkt an Anne. »Wenn du dir meinen Mann vornimmst, und ich Claudias eliminiere, dann könnte Paul sich Renates Kerl annehmen und Renate das mit deinem Ex klären. Und Claudia ist für das Miststück von Paul verantwortlich.«

Bei ihrem Bemühen zu sortieren, wer wen umbringen sollte, klappte Anne der Unterkiefer herunter. Als sie endlich begriff, für wen sie zuständig sein sollte, rutschte ihr beinahe das Glas mit dem Latte Macchiato aus der Hand.

»Kann ich mich nicht um Pauls Exfreund kümmern?«, fragte sie fast flehend. Sie wusste, dass Evas Ehemaliger nicht nur über ein preußisches Gardemaß verfügte, sondern auch dreimal die Woche im Fitnesscenter den Alphatierstatus seines Körpers auffrischte. Ihr klang noch in den Ohren, wie Eva, die Initiatorin ihres wöchentlichen Treffens, davon berichtet hatte, dass ihr Verflossener es liebte, wie ein Berggorilla zu brüllen, wenn er endlich den Liebesakt vollbracht hatte. Seitdem verfolgte Anne die Vorstellung, dass Evas Exmann anschließend gebieterisch auf seine zuckenden Brustmuskeln trommelte, als sei ein schwerer Kampf siegreich gefochten worden.

»Ich meine nur«, ergänzte Anne, »von uns allen bin ich doch nun wirklich die Kleinste und Schwächste. Ich will mich ja nicht drücken. Aber wie soll ich denn diesen Unmenschen …«

Die fünf treuen Teilnehmer des Scheidungsstammtisches schauten sich nachdenklich an. Die Bedenken der zarten Frau waren nachvollziehbar. Dennoch, keiner der Anwesenden wollte sich freiwillig bereit erklären, diesem Testosteronmonster den Garaus zu machen.

»Kann ich Ihnen noch etwas bringen?«, fragte die Inhaberin des Chokocafés freundlich und nahm das leere Geschirr weg. Zusammen mit ihrer Schwester hatte sie aus den winzigen Räumlichkeiten ein kleines Paradies geschaffen. Beide sorgten dafür, dass die Gäste sich wohl fühlten. Allein ihre Anwesenheit garantierte, dass sich gestresste Mitbürger bei einer Tasse Kaffee entspannten und mit einem Lächeln alles Belastende vergaßen.

»Vielleicht noch ein Stück Kuchen? Heute gibt es Eierschecke. Kann ich wirklich empfehlen.«

Renate hob als Einzige die Hand. Zu Kuchen konnte sie niemals nein sagen. Ein Sprachfehler, wie sie behauptete.

Der wöchentliche Scheidungsstammtisch fand regelmäßig im Chokocafé in Charlottenburg statt. Seit einem Vierteljahr traf man sich jeden Sonnabend in der Bleibtreustraße im Herzen Berlins. Die fünf Leiderprobten informierten sich gegenseitig bei ihren Treffen ausgiebig über die aktuellen Stände ihrer Tragödien und der Ungerechtigkeiten, die ihnen widerfahren waren. In der kleinen Conciergeloge, dem beliebtesten Platz des Cafés, gleich neben dem Eingang, tranken sie köstliche Kaffeespezialitäten in allen Varianten, aßen den selbstgebackenen Kuchen oder futterten Bioschokolade zur Auffrischung des Glückshormonspeichers. Dabei lauschten sie den neuen Ungeheuerlichkeiten und lästerten ausführlich über ihre bösartigen Expartner .

Kennengelernt hatten sich die Leidensgenossen durch eine Anzeige, die Eva in einem Frauen-Internet-Portal aufgegeben hatte, wo sie mit dem schlichten Motto ›Männer sind Evolutionsmüll – Scheidung als Chance‹ nach Gleichgesinnten gesucht hatte. Claudia und Renate hatten sich sofort angesprochen gefühlt. Anne behauptete, sich nur informieren zu wollen, konnte und wollte sich dann aber der kleinen Gemeinschaft nicht mehr entziehen. Als Letzter vervollständigte Paul die Runde. Ihm waren sie auf ihrem Heimweg begegnet, als er weinend und theatralisch am Straßenrand den vorbeirasenden Autos brüllend zur Kenntnis gab, dass ein Alessandro Tommaso Mastrostefano ein elendes untreues Miststück sei.

Bei ihrem folgenden Treffen und nach drei Gläsern Prosecco waren die Mitglieder des Scheidungsstammtisches übereingekommen, dass, wenn auch nicht die gesamte maskuline Population, so doch zumindest ihre Exmänner, aus einer minderwertigen Linie stammen mussten.

Die wöchentliche Zusammenkunft glich einem Wettbewerb, bei dem man bestimmte, wer den miesesten Charakter hatte ertragen müssen. Detaillierte Beweisführungen über Stunden dokumentierten umfassend das menschliche Debakel, dem jeder der Betroffenen zum Teil jahrzehntelang ausgesetzt gewesen war. Allen tat es gut, in der kleinen separaten Turmloge die Seele durch exzessives Jammern zu putzen. Warum überhaupt eine der beteiligten Personen den Partner geheiratet und über einen längeren Zeitraum bei ihm geblieben war, gehörte zu den Tabuthemen.

Eva hatte ihre Scheidung als wirtschaftlichen Totalschaden umschrieben. Ihr Mann glaubte ernsthaft, seine Männlichkeit mit Hilfe einer fünfzehn Jahre jüngeren Frau und den Errungenschaften der Pharmaindustrie zurückgewinnen zu können. Innerhalb kurzer Zeit verwandelten sich seine Geldbestände in Designerkleidung, elegante Schuhe, sündhaft teure Taschen sowie wertvollen Schmuck. Nach nicht einmal einem Jahr war das Bankkonto geplündert. Der ›Es hat mich völlig unerwartet erwischt‹- und ›Ich kann gar nichts dagegen tun‹-Grund war weitergezogen. Selbst die Kosten der Scheidung waren an Eva hängengeblieben.

Wirtschaftliche Probleme ließen sich für das Dilemma, das Claudia gezwungen hatte, sich von ihrem Mann zu trennen, nicht verantwortlich machen. Ein Staatsanwalt hatte ihr in einem Brief verklausuliert mitgeteilt, dass es mehrere Frauen gleichen Nachnamens gab. Dummerweise hätten alle denselben Ehepartner.

Paul hatte herausbekommen, dass sein italienischer Freund regelmäßig in der Szenebar Stahlrohr verkehrte und es mit der Treue nicht allzu ernst nahm. Das Letzte, was Alessandro Tommaso Mastrostefano ihm mitgeteilt hatte, war ein Geständnis. Er habe sich bei einem One-Night-Stand etwas zugezogen, das auch bei Paul eine umfangreiche Behandlung nötig mache.

Renate, deren Mann Archäologe war, hatte jahrelang geglaubt, dass er als Professor in Thailand an der Ausgrabung sensibler Artefakte beteiligt sei. Stattdessen hatte er mit seinem Pinsel asiatische Schönheiten bearbeitet, wie die Fotos auf seinem Handy bewiesen.

Anne hatte sich mit ihrem Partner auseinandergelebt. Besser gesagt, ihr Kinderwunsch war unerfüllt geblieben. Zwar war er stets bemüht, aber die Natur hatte beschlossen, auf seine Gene zu verzichten. Ihr Mann wollte das als Trennungsgrund nicht akzeptieren, schloss aber auch jede andere denkbare Option aus. Eine künstliche Befruchtung durch einen Spender kam für ihn genauso wenig infrage wie eine Adoption. Dummerweise hatte Anne in ihrer Naivität einen Ehevertrag unterschrieben und – was schwerer wog – für seine Firma gebürgt. Damit versuchte ihr Mann nun, sie zu erpressen. Im Falle einer Scheidung würde er Insolvenz anmelden und sie müsste für seine Schulden haften. Noch befand sich Anne im Trennungsjahr. Die Einsicht, dass das Ableben ihres Mannes ihr und ihren künftigen Kindern ein sicheres Einkommen garantieren würde, hatte auch sie von Evas teuflischem Vorschlag überzeugt.

Jedes Mitglied des Stammtisches hatte demzufolge einen nachvollziehbaren Grund, sich Evas Racheplan anzuschließen.

»Du musst die Eierschecke probieren! Geht zwar ungepuffert auf die Hüfte. Aber das ist so was von ein Traum …«

Anne reagierte nicht auf Renates Schwärmerei. Noch immer schwebte die Frage über dem Tisch, warum gerade sie den Berggorilla eliminieren sollte. Eierschecke würde als Mordinstrument wohl kaum geeignet sein und wenn, dann konnte ja Renate sich dieser Waffe bedienen.

»Süße, nun bleib doch mal ganz ruhig«, sagte Eva, während Claudia Paul zunickte, der daraufhin verständnisvoll seine Hand auf Annes Arm legte. »Selbstverständlich helfen wir dir.«

Selbst Renate bemühte sich, keinen Zweifel zuzulassen, auch wenn sie mehr damit beschäftigt schien, mit der Zungenspitze zu prüfen, ob sich nicht in den Mundwinkeln noch etwas von der leckeren Creme finden ließe. Plötzlich bemerkte sie, dass die beiden Inhaberinnen des Cafés sie beobachteten. Genüsslich verdrehte sie die Augen, um ihr Wohlbefinden zu unterstreichen.

»Können wir nicht jemanden engagieren? Einen Russen oder so?«, fragte Claudia.

»Gute Idee!«, meinte Renate und schlug Paul begeistert auf den Oberschenkel. »Da bekommen wir bestimmt Rabatt.«

»Vielleicht hat der ja so eine Karte, die er abstempelt. Nach vier Aufträgen gibt’s den fünften Mord gratis. Das machen die hier im Chokocafé auch«, gab Paul zu bedenken.

»Das ist viel zu auffällig!«, protestierte Eva. »Abgesehen davon haben wird doch gar nicht das Geld dafür.«

Schlagartig war es wieder ruhig am Tisch. Das mit der Bezahlung war wirklich ein Problem.

»Wenn Anne das mit meinem Exmann nicht kann, dann bitteschön, muss sich jemand anderes finden. Freiwillige?«

Eva schaute jedem Einzelnen ins Gesicht. Niemand meldete sich. Claudia meinte plötzlich, etwas in ihrer Tasche suchen zu müssen und fand es offensichtlich nicht. Renate starrte auf ihren Teller, entdeckte dabei einen Krümel, hielt es aber für unklug, ihn in dieser Situation mit der Fingerspitze aufzunehmen. Paul hielt die Luft an.

»Gut, dann müssen wir wohl nächste Woche noch einmal darüber reden«, sagte Anne resignierend.

Die anderen stöhnten auf. Seit sechs Wochen wurde dieser Punkt diskutiert, ohne einer Lösung näher zu kommen.

Um die verschworene Gemeinschaft zu...


Hähnel, Stephan
Stephan Hähnel wurde als Weihnachtsgeschenk 1961 in Berlin geboren. Hier ging er zur Schule, machte eine Ausbildung zum Schlosser und leistete seinen Wehrdienst, wurde Produktionsarbeiter, Kneipenbetreuer, Wirtschaftsingenieur, Finanzbuchhalter, Systemadministrator, Projektmanager, Unternehmer, Callcenter Agent und Personalberater, Ehemann und Familienvater.
Und weil das alles noch nicht reichte, ist er auch noch passionierter Autor geworden. Seit 2005 veröffentlichte er zehn Bu¨cher, vorwiegend mit Krimi-Kurzgeschichten, was ihm in den Titel „Meister des Schwarzen Humors“ einbrachte. Des Weiteren schreibt er Romane und ist in diversen Anthologien vertreten.
Stephan Hähnel ist Gru¨nder des Berliner Krimimarathons und lebt, wenn er mal nicht auf Lesereise ist, im Helmholtz-Kiez.
www.stephan-haehnel.de



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