Hammond | Miteinander | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Hammond Miteinander

Wie wir freundlicher zu anderen und uns selbst werden
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8321-8293-9
Verlag: DuMont Buchverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie wir freundlicher zu anderen und uns selbst werden

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-8321-8293-9
Verlag: DuMont Buchverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Auf der Grundlage neuester Forschungsergebnisse aus Psychologie und Neurowissenschaften nimmt uns Claudia Hammond mit auf eine augenöffnende Reise: Sie zeigt, was Freundlichkeit in unserem Leben bewirken kann. Denn Freundlichkeit ist nicht nur der Schlüssel für ein gelungenes Miteinander, sie ist auch unerlässlich für unsere Selbstfürsorge. Kurz gesagt, ein freundliches Miteinander macht glücklich. Mit ihren »sieben Schlüsseln der Freundlichkeit« gibt Hammond uns effektive Strategien an die Hand, um mehr Freundlichkeit und Zugewandtheit in unser Leben zu integrieren - und erklärt, warum die Welt schon jetzt ein freundlicherer Ort ist, als man bei allen schlechten Nachrichten annehmen würde.

CLAUDIA HAMMOND arbeitet als Rundfunksprecherin bei der BBC und als Dozentin für Psychologie an der Boston University in London. Sie ist Autorin populärwissenschaftlicher Bücher, für die sie den British Psychological Society Book Award erhalten hat. Bei DuMont erschien 2021 >Die Kunst des Ausruhens<.

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1
Es gibt mehr Freundlichkeit auf der Welt, als Sie denken Vor ein paar Jahren stolperte eine Freundin über den Roller, den ihr zwei Jahre alter Sohn auf der Straße liegen gelassen hatte, und schnitt sich dabei so heftig, dass sie aufschrie vor Schmerz. Sie musste sich die Wunde später im Krankenhaus nähen lassen. Ein Passant, ein Erwachsener, eilte ihr zu Hilfe, ihr Sohn jedoch nahm keinerlei Notiz von ihr. Dass sie Schmerzen hatte, interessierte ihn offenbar nicht. Sein Wutanfall ging fast ohne Unterbrechung weiter. Geschichten dieser Art lassen uns vermuten, Kleinkinder wären egoistische kleine Ungeheuer, wie sehr wir sie auch lieben. Es hat häufig den Anschein, als interessierten sie sich schlicht nur für sich selbst, und es gibt ja auch Belege dafür, dass die Kleinkindzeit der Lebensabschnitt ist, in dem wir am aggressivsten sind und am stärksten zur Gewalt neigen. Mit zunehmendem Alter lässt das aber bald nach, sodass es in der Adoleszenz deutlich friedfertiger zugeht.1 Es hat jedoch einen guten Grund, weshalb Kleinkinder den Schmerz anderer nicht beachten oder sogar selbst verursachen. Wie tausendfach in psychologischen Studien nachgewiesen, tun sich Kinder in diesem frühen Alter schwer, den Standpunkt anderer wahrzunehmen, sogar wenn es sich dabei um die eigene Mutter handelt. Das liegt daran, dass ihr Gehirn noch nicht entwickelt genug ist und ihre kognitiven Fähigkeiten noch beschränkt sind. Es ist nicht ihre Schuld, dass sie auf sich selbst fixiert sind. Wir sollten jedoch auch nicht glauben, dass kleine Kinder völlig unfähig zur Freundlichkeit sind. Die gar nicht so schrecklichen Kleinen
Gesehen haben wir das alle schon: ein Zweijähriger, der nicht teilen will, sein Spielzeug an die Brust drückt, fest entschlossen, dass kein anderes Kind damit spielen darf. Es dauert seine Zeit, bis Kinder gelernt haben, »schön zu teilen«, ein Charakterzug, den ja nicht einmal alle Erwachsenen besitzen. Etwas sein eigen zu nennen ist ein starkes Gefühl, in der Psychologie bekannt als Besitztumseffekt. Wir möchten an dem festhalten, was uns bereits gehört, sträuben uns, es wegzugeben oder auch nur einzutauschen. In meinem Buch Mind Over Money habe ich von einigen aufschlussreichen Experimenten berichtet, mit denen sich dieser Effekt messen lässt.2 Geben Sie beispielsweise jemandem einen Kaffeebecher, wohlgemerkt gratis, werden Sie feststellen, dass der Beschenkte den Becher äußerst ungern an Sie zurückverkauft, es sei denn, Sie zahlen ihm dafür mehr als den ursprünglichen Wert, auch wenn er ihn eigentlich umsonst bekam. Haben und nicht mehr hergeben: das ist vielfach unsere Devise. Wenn es sich schon bei Erwachsenen so verhält, wie ist es dann erst bei Kleinkindern? So schlimm steht es um das Abgeben und Teilen in der Phase nach dem zweiten Lebensjahr aber gar nicht. Zumindest zeigt das eine von Julia Ulber und ihrer damaligen Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig durchgeführte Untersuchung. Ulber händigte zu Beginn zwei Zweijährigen ein Tütchen Murmeln aus. Den Kindern wurde auch eine verschlossene Box mit einem Loch darin gezeigt – in der Box lag ein Xylophon. Wurde eine Murmel durch das Loch in der Box fallen gelassen, landete sie auf dem Xylophon und erzeugte, wie von den Forschern vorgeführt, ein lautes Klimpern – ein Geräusch, wie kleine Kinder es besonders mögen. Sie meinen, ein solches Szenario könne doch nur in Tränen enden? Die Zahl der Murmeln war schließlich begrenzt, und welches kleine Kind würde nicht alle an sich reißen, um maximales Xylophongeklimper zu erzeugen? Die Ergebnisse waren jedoch ermutigender, als Sie vielleicht glauben. Sicher, in 19 Prozent aller Testpaarungen riss ein Kind alle Murmeln an sich und brachte das andere Kind zum Weinen oder löste Wut in ihm aus. Doch das war nicht die ganze Geschichte und auch nicht die entscheidende Erkenntnis. Denn fast die Hälfte der Zeit teilten die Kinder die Murmeln – und jetzt kommt’s – zu gleichen Teilen unter sich auf.3 Manchen Eltern mag das vorkommen wie der Stoff, aus dem Märchen gemacht sind. Doch die Studie erbrachte nicht nur dieses Ergebnis, es wurde sogar noch viel besser. Als das Experiment mit unfairen Parametern stattfand und ein Kind zu Beginn mehr Murmeln bekam als das andere, gab ein Drittel der Kinder dem anderen, benachteiligten, Kind sogar einige seiner Murmeln ab. Ein bemerkenswertes Ergebnis. Und doch sind Ulbers Funde keine Ausreißer. Kleinkinder können, wie sich herausstellt, nicht nur freundlich sein, sondern freuen sich auch, wenn sie anderen helfen können – eine Reaktion, die, wie ich mehrfach im Buch erörtern werde, den Akt der Freundlichkeit nicht schmälert, sondern verstärkt. Stellen Sie sich das nächste Experiment bildlich vor. Ein Wissenschaftler hängt Wäsche auf eine Leine und benutzt dafür Wäscheklammern. Derweil spielt ein kleines Kind, es rollt Murmeln in eine Röhre, was ein lustiges Geräusch erzeugt. Zu gegebener Zeit hat das Kind keine Murmeln und der Wissenschaftler keine Klammern mehr, woraufhin er eine Box vom Fensterbrett nimmt und so tut, als bekäme er den Deckel nicht auf. Das Kind schaut zu. Die Box bleibt auf dem Boden liegen, der Deckel ist noch immer verschlossen. Das Kind, nun ohne Murmeln, die es ablenken, beginnt, die Box zu untersuchen. Es testet den Deckel, den es natürlich – wie geplant – ohne Weiteres abnehmen kann. Darin findet es einen von drei Gegenständen: ein nutzloses Stück Plastik, eine Murmel oder eine Wäscheklammer. All diese Abläufe sind auf Film festgehalten, damit die Arbeitsgruppe Mimik und Körpersprache der kleinen Testpersonen analysieren kann. Und in dieser Phase des Experiments wird es besonders interessant, denn es gibt eindeutige und messbare Unterschiede in der Reaktion der jeweiligen Kinder, abhängig davon, was sie in der Box vorfanden. War es das nutzlose Stück Plastik, reagierten die Kinder gleichgültig bis enttäuscht. Der Fund einer Murmel machte ein Kind natürlich viel glücklicher. Fanden die Kinder in der Box allerdings die Wäscheklammer, wirkten sie (mit Ausnahme eines Kindes) am zufriedensten. Die Kamerabilder zeigen, wie sie mit stolzgeschwellter Brust und einem Lächeln, noch strahlender als nach dem Fund der Murmel, zu dem Wissenschaftler gehen. Sie sind, das ist deutlich erkennbar, begeistert von einem Fund, der ihnen selbst gar kein besonderes Vergnügen bereitet, dem Erwachsenen, wie sie beobachtet haben, aber beim Aufhängen der Wäsche hilft. Ich gestehe, dies ist eins meiner Lieblingsexperimente in der Kinderpsychologie, da sich hier die noch sehr kleinen Kinder sehr liebenswürdig und unverkennbar freundlich verhalten.4 Kleine Samariter
Entgegen landläufiger Meinung können kleine Kinder freundlich sein, anderen helfen oder mit ihnen teilen. Und sogar in noch jüngeren Jahren sind Kinder erwiesenermaßen bereits fähig zu einer weiteren Art freundlichen Verhaltens – zum Trösten. Gezeigt hat das eine Studie aus den Neunzigerjahren, durchgeführt von der Psychologin Carolyn Zahn-Waxler am National Institute of Maryland. Sie hat Mütter instruiert, ihren ein bis zwei Jahre alten Kindern vorzuspielen, es ginge ihnen nicht gut, und danach die beobachteten Reaktionen der Kinder festzuhalten. (Stichprobenartig wurden einige Szenen videoüberwacht, um zu verhindern, dass wohlwollende Mütter ihren Kindern übermäßiges Mitgefühl attestierten.) Die Mütter husteten oder rangen zehn Sekunden lang nach Luft. Oder sie täuschten vor, sie hätten sich am Fuß oder am Kopf gestoßen, sagten Au, rieben sich die Stelle oder gaben sich lustlos und saßen zehn Minuten lang seufzend da; oder aber – hochdramatisch! – sie täuschten zehn Sekunden lang vor, zu schluchzen. Ergänzend zu den im Experiment gewonnenen Daten hielten die Mütter auch fest, wie ihre Kinder sich bei ähnlichen Vorkommnissen im Alltag verhielten. Carolyn Zahn-Waxler und die Mütter suchten Fälle, in denen die Kleinkinder ihre Mütter umarmten, tätschelten oder küssten oder, sofern sie bereits im sprechfähigen Alter waren, etwas Tröstliches oder Mitfühlendes sagten. Alternativ begannen einige Kinder aber auch ihrerseits zu quengeln oder zu schluchzen. Die Studie zeigte, dass über die Hälfte der Kleinkinder, die das erste Lebensjahr bereits überschritten hatten, eine irgendwie geartete freundliche Reaktion erkennen ließen, vornehmlich indem sie ihre Mütter umarmten oder tätschelten. Die Einjährigen ließen bei zehn Prozent der Male, die ihre Mütter traurig waren, Anteilnahme erkennen – kein großer Prozentsatz, aber doch beachtlich. Und hatten die Kinder das zweite Lebensjahr vollendet, reagierten sie in beeindruckenden 49 Prozent der Fälle mit Freundlichkeit. Welche Schlüsse ziehen wir aus diesen Befunden? Erstens, dass schon Einjährige es verstehen, wenn ihre Mütter traurig sind, und erwiesenermaßen freundlich darauf reagieren können. Freundlichkeit ist allerdings nicht die Standardreaktion von Kindern dieses Alters. Denken Sie an meine Freundin mit der Verletzung nach dem Stolpern über den Roller. Es gab sogar Fälle, bei denen sich die Kleinen über den erkennbaren Kummer ihrer Mütter zu freuen schienen, vor allem wenn sie selbst die Ursache dafür waren. Doch auch das war nicht unbedingt ein Indiz für kindlichen Sadismus, da die gespielte Szene durch Übertreibungen der Mütter, so Zahn-Wexlers Vermutung, auch ins »Komische« gekippt sein konnte.5 Diese Videos, das muss ich zugeben, würde ich wirklich zu gern sehen. Ein anderer einflussreicher Wissenschaftler, der sich für Altruismus bei Kleinkindern interessiert, ist Michael Tomasello, ebenfalls am Max-Planck-Institut tätig, der an einigen der...


Morawetz, Silvia
SILVIA MORAWETZ wurde für ihre Übersetzungen mehrfach ausgezeichnet. Gemeinsam mit Theresia Übelhör übersetzte sie für DuMont ›Das Mädchen mit dem Poesiealbum‹ von Bart van Es (2019) sowie ›Die Kunst des Ausruhens‹ von Claudia Hammond (2021).

Hammond, Claudia
CLAUDIA HAMMOND arbeitet als Rundfunksprecherin bei der BBC und als Dozentin für Psychologie an der Boston University in London. Sie ist Autorin populärwissenschaftlicher Bücher, für die sie den British Psychological Society Book Award erhalten hat. Bei DuMont erschien 2021 ›Die Kunst des Ausruhens‹.

Übelhör, Theresia
THERESIA ÜBELHÖR übersetzt aus dem Englischen und Französischen. Für DuMont hat sie u. a. die Übersetzung des ›Atlas unserer Zeit‹ (2017) vorgelegt.



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