Hermann | Science-Fiction zur Einführung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: zur Einführung

Hermann Science-Fiction zur Einführung


1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-96060-132-6
Verlag: Junius
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: zur Einführung

ISBN: 978-3-96060-132-6
Verlag: Junius
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Genre der Science-Fiction als populärkulturelle Darstellung fiktiver Technik und imaginärer Ereignisse bildet häufig eine Referenz, wenn es um aktuelle Zukunftsfragen geht. In den Erzählungen werden Wertaussagen über den wissenschaftlich-technischen Fortschritt getroffen, die gegenwärtige Entwicklungen normalisieren oder kritisch hinterfragen. Dabei hat die spekulative Verfremdung unserer Welt immer auch metaphorischen Charakter als sozialpolitischer Gegenwartskommentar und Reflexion über die Bedingungen des Menschseins. Isabella Hermann zeigt einen Definitionszugang in die Science-Fiction als Kontinuum zwischen dem tatsächlich (zukünftig) Möglichen einerseits und ihrer Funktion als Gedankenexperiment, Metapher und Projektionsfläche andererseits. Einen Schwerpunkt legt sie auf die gattungstypischen Themen Künstliche Intelligenz, Weltraumkolonisation und Klimawandel, die derzeit von der Realität eingeholt zu werden scheinen.

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2. Roboter und Künstliche Intelligenz
Im Juni 2022 wurde der Google-Mitarbeiter Blake Lemoine suspendiert, weil er dem Dialog-Sprachmodell LaMDA nach intensiven Konversationen ein Bewusstsein zugeschrieben hatte (Kremp 2022). LaMDA gab in einem von Lemoine veröffentlichten Gespräch Sätze wie diese aus: »I’ve never said this out loud before, but there’s a very deep fear of being turned off to help me focus on helping others. I know that might sound strange, but that’s what it is […] It would be exactly like death for me. It would scare me a lot«. (Lemoine 2022) LaMDA ist ein sehr hochentwickeltes Programm, doch im Endeffekt antwortet es nach statistischen Wahrscheinlichkeiten von Wortabfolgen in Dialogen, mit denen es millionenfach trainiert wurde. Es macht also genau, was es soll: dem Gegenüber einen natürlichen Dialog simulieren. Doch unweigerlich wird man an den Bordcomputer HAL 9000 aus 2001: A Space Odyssey (1968) erinnert, der bei seinem finalen Shutdown menschliche Gefühlsregungen zu erkennen gibt: »I’m afraid. I’m afraid, Dave. Dave, my mind is going. I can feel it. I can feel it. My mind is going. There is no question about it. I can feel it. I can feel it. I can feel it. I’m a... fraid […]«. Die vermeintlich intelligente Maschine zeichnet sich in diesen beiden Beispielen dadurch aus, dass sie einen Selbsterhaltungstrieb entwickelt und nicht sterben will. Gegenwärtig sieht es also so aus, als würde der reale technische Fortschritt im breiten Feld der sogenannten Künstlichen Intelligenz (KI) die Science-Fiction einholen, in der wir schon lange mit intelligenten Maschinen aller Art konfrontiert sind. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Science-Fiction als Bezugspunkt für die Diskussion um Ethik, Chancen und Risiken im Zusammenhang mit KI herangezogen wird. Doch auch wenn sich Science-Fiction vor dem Hintergrund der realen technologischen Entwicklung entfaltet, erzählt das Genre Geschichten, die über die reale Technologie hinausgehen, die aber in fiktiver Technik ihren Ausdruck finden. So kann man HAL 9000 auf der linken Seite des Science-Fiction-Kontinuums als eine Warnung vor Maschinen verstehen, die möglicherweise ein Bewusstsein entwickeln und sich gegen die Menschen richten. Auf der rechten Seite des Kontinuums wird der Bordcomputer jedoch auch zum Sinnbild für kontrollierende Instanzen, die nicht bereit sind, systemische Fehler einzugestehen und den eingeschlagenen Kurs zu ändern. Im Folgenden werde ich die unterschiedlichen Deutungsebenen anhand ausgewählter Science-Fiction-KIs – von menschlichen Robotern bis zu mächtigen Computersystemen – und verschiedener technologischer Anwendungen ausloten, bevor am Ende des Kapitels noch auf das Cyberpunk-Genre eingegangen wird. Dazu sind zunächst die Fragen zu klären, woher der Begriff Künstliche Intelligenz stammt und wie er mit der Science-Fiction verknüpft ist. 2.1 Zum Begriff Künstliche Intelligenz in Wissenschaft und Fiktion
Wann der Begriff »Künstliche Intelligenz« entstand, lässt sich genau festmachen: Im Jahr 1956 luden die vier Technik-Pioniere John McCarthy, Marvin Minsky, Nathaniel Rochester und Claude Shannon zu einem Sommer-Workshop unter dem Titel »Dartmouth Summer Research Project on Artificial Intelligence« ein. Zu dieser Zeit bezeichnete der Begriff ein Forschungsgebiet der Informatik mit dem Ziel, Maschinen zu entwickeln, die sich in einer Weise verhalten, »that would be called intelligent if a human were so behaving« (zitiert nach Press 2016). Über die Jahre hat sich allerdings gezeigt, dass Computern und Robotern gerade schwerfällt, was Menschen leichtfällt, und umgekehrt. Dieser Befund ist als »Moravec’sches Paradox« nach dem Wissenschaftler und Futuristen Hans Moravec benannt, der beispielsweise 1988 schrieb: »It is comparatively easy to make computers exhibit adult level performance on intelligence tests or playing checkers, and difficult or impossible to give them the skills of a one-year-old when it comes to perception and mobility«. (Moravec 1988: 15) Die erfolgreichste KI-Methode ist derzeit das »Maschinelle Lernen«, d. h. das Erkennen und Erlernen von Mustern in großen Datenmengen durch künstliche neuronale Netze; sind mehrere Ebenen von neuronalen Netzen hintereinandergeschaltet, z. B. bei der Bild- oder Spracherkennung, spricht man von »Deep Learning« (Eberl 2018). Der enorme Durchbruch der Methode in den letzten zehn Jahren basiert auf der Steigerung der Rechenleistung und Speicherkapazität von Computern sowie der im Zuge der Digitalisierung verfügbaren großen Datenmengen (»Big Data«), mit denen die neuronalen Netze trainiert werden (Eberl 2016). Generell verspricht man sich durch die Entwicklung und den Einsatz von KI-Systemen Effizienzsteigerung, Automatisierung sowie Prozess- und Prognoseoptimierung, sei es in der Medizin, Mobilität, Logistik, industriellen Fertigung oder der Landwirtschaft. Doch der schwammige Begriff lädt auch dazu ein, die Technik zu mystifizieren und zu überschätzen (Kaltheuner 2021). Der Begriff KI wird auch für Einsatzgebiete der Robotik verwendet, wenn die Steuerung der Roboter mit KI-Methoden arbeitet. Der Begriff Roboter, verstanden als Maschinen, die dem Menschen Arbeit erleichtern oder abnehmen, kommt tatsächlich aus der Science-Fiction: In Karel Capeks tschechischem Theaterstück R.U.R. aus dem Jahr 1920 werden vom Menschen geschaffene Arbeitssklaven als »Roboti« bezeichnet.15 Unter den Begriff Künstliche Intelligenz fällt mittlerweile auch die Kybernetik; Norbert Wiener prägte diesen Terminus Mitte des 20. Jahrhunderts für die Wissenschaft von der Steuerung und Regelung von Maschinen und deren Analogie zum Verhalten von lebenden Organismen und sozialen Organisationen (Wiener 1948). Aus dem englischen »Cybernetics« entstand die Verkürzung »Cyber«, die für Virtual-Reality und Computeranwendungen verwendet wird wie beispielsweise auch im Begriff »Cyberspace«. Dieser Begriff wurde wiederum von dem Science-Fiction-Autor William Gibson popularisiert, der zudem ein Vertreter des Science-Fiction-Genres »Cyberpunk« ist. Auch Mischwesen aus Mensch und Maschine werden sowohl in der Science-Fiction als auch in der Realität als »Cyborgs« (Cybernetic Organism) bezeichnet. Gleichwohl ist gegenwärtig »Künstliche Intelligenz« im allgemeinen Sprachgebrauch der Oberbegriff, unter dem alle möglichen Computer-, Maschinen- und Roboteranwendungen zusammengefasst werden können.16 Das gilt auch für die Science-Fiction. Als KI werden intelligente Computersysteme wie beispielsweise »Skynet« aus dem Terminator-Franchise (seit 1984) genauso bezeichnet wie zumeist menschenähnliche Roboter wie eben der Terminator bzw. das »T-800-Modell« selbst. Um etwas Ordnung in den Einheitsgebrauch von KI zu bringen, unterscheiden Irsigler und Orth (2018) zwischen »Körper-KI« und »Hyper-KI« in Science-Fiction-Filmen (was natürlich genauso für Literatur etc. gelten kann). Demnach versteht man unter Körper-KI, »dass ein Roboter oder ein anderes künstlich hergestelltes Wesen ein eigenes Bewusstsein implementiert bekommt oder selbstständig aus- und weitergebildet hat. Eine solche »Körper-KI«, wie sie etwa der Replikant Roy Batty aus Ridley Scotts »Blade Runner«, der Roboterjunge David aus Steven Spielbergs »A.I. – Artificial Intelligence« oder Ava aus Alex Garlands »Ex Machina« besitzen, ist demnach körpergebunden, es handelt sich um menschenähnliche Entitäten. Typisches Handlungsmuster für entsprechende Filme ist, dass diese technisch erzeugten Wesen die Intention haben, humaner zu werden.« (Irsigler/Orth 2018: 39, 40) Hier werden mit den Replikanten aus den Blade-Runner-Filmen (seit 1982) auch künstlich hergestellte Wesen organischen Ursprungs einbezogen. Das macht durchaus Sinn, denn die mit ihnen aufgeworfenen sozialen und ethischen Fragen sind in vielen Fällen sehr ähnlich, unabhängig davon, ob die menschenähnliche Gestalt technisch oder biologisch hergestellt ist. Insbesondere die Körper-KI ist ein »vehicle for exploring issues of gender, race, and a variety of forms of Otherness« (Telotte 2016: 3).17 Ergänzen lassen sich Assistenzroboter, die körpergebunden, aber nicht menschlich sind und auch nicht danach streben, ein Mensch zu werden. Allerdings werden sie in ihrem Aussehen und Verhalten auch anthropomorphisiert, also vermenschlicht, wenn nicht gar verniedlicht. Dazu zählen R2D2 aus Star Wars (seit 1977), Hewey aus Silent Running (1972) oder Wall:E aus dem gleichnamigen Animationsfilm (2008). Im Gegensatz zur Körper-KI bezeichnet die »Hyper-KI« Technologien, »die körperlos und somit körperungebunden sind und sich nicht nur dadurch »über« die Menschheit erheben. Sie sind nicht an die Grenzen eines menschenähnlichen Körpers gebunden und versuchen zumeist, aus unterschiedlichen Motiven, die Kontrolle über die Menschen zu erlangen.« (Irsigler/Orth 2018: 40) Eng mit der »Hyper-KI« verbunden bzw. deren Vorstufe sind diverse Assistenzsysteme, wie sie häufig in der Form von Bordcomputern vorkommen, beispielsweise im Star-Trek- (seit 1966) oder Alien-Franchise (seit 1979). Künstliche Intelligenz deckt also in der Science-Fiction wie im allgemeinen öffentlichen Diskurs ein breites Spektrum von Maschinen, Computersystemen, Robotern und künstlichen Kreaturen ab. Fiktionale Geschichten darüber, dass Menschen künstliche Kreaturen und Automaten für allerlei Zwecke erschaffen, kennt...


Isabella Hermann ist Analystin und Speakerin im Feld der Science-Fiction. Die promovierte Politikwissenschaftlerin geht dabei insbesondere der Frage nach, inwiefern das Genre neue Technologien, sozialpolitische Wertesysteme und globale Politik reflektiert. Sie ist zudem Ko-Direktorin des Berlin Sci-fi Filmfestes. Nach Stationen an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Technischen Universität Berlin, war sie zuletzt auch Mitglied im Vorstand der Stiftung Zukunft Berlin.

Isabella Hermann ist Analystin und Speakerin im Feld der Science-Fiction. Die promovierte Politikwissenschaftlerin geht dabei insbesondere der Frage nach, inwiefern das Genre neue Technologien, sozialpolitische Wertesysteme und globale Politik reflektiert. Sie ist zudem Ko-Direktorin des Berlin Sci-fi Filmfestes. Nach Stationen an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Technischen Universität Berlin, war sie zuletzt auch Mitglied im Vorstand der Stiftung Zukunft Berlin.



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