E-Book, Deutsch, 314 Seiten
Herzner Links die Berge - Rechts das Meer
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7543-6258-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Fahrradtour nach Sizilien
E-Book, Deutsch, 314 Seiten
ISBN: 978-3-7543-6258-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit dem Fahrrad von München nach Sizilien? Und das auch noch alleine? Norbert Herzner, Ende sechzig, ist zunächst wenig begeistert, als ihm seine bessere Hälfte Evelyn bei einem gemütlichen Abendessen mit Freunden diesen Vorschlag macht. In seiner Jugend hätte er nicht gezögert, aber jetzt? Doch die Idee lässt ihn nicht mehr los und so steht schon bald sein Entschluss fest: Er wird es wagen, sich in dieses Abenteuer zu stürzen. Das passende Equipment - ein günstiges gebrauchtes Fahrrad, ein quietschgelbes Wurfzelt und allerlei weiteres Zubehör - ist schnell gefunden und die unglaubliche Reise beginnt. Unterwegs trotzt Norbert Dauerregen und Unwetter, übernachtet im Zelt, in Hostels und auch mal spontan am Bahnhof, entdeckt die wildromantischen Landschaften und die Hauptstadt Italiens und lernt die Einheimischen und ihre grenzenlose Hilfsbereitschaft kennen. Dabei brilliert er zwischendurch nicht nur als dreisprachiger Hostel-Concierge, sondern schließt auch Freundschaft mit einem Pfarrer und macht Bekanntschaft mit der Polizei. Humorvoll, ehrlich und mit einem stets offenen Blick für seine Umgebung und Mitmenschen schildert Norbert die Erlebnisse seiner siebzehntägigen Tour, bei der er nie sein Ziel aus den Augen verliert. Und am Ende ist er sich sicher: Man kann immer etwas Neues wagen, es lohnt sich!
Norbert Herzner arbeitete, nach einer Ausbildung als Industrie- und Verkaufsleiter für Bravo, vierzig Jahre als erfolgreich als Film-Editor.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Montag, 14. Juli 2014 – erster Reisetag
Es ist so weit. Um 13.38 Uhr soll der Zug abfahren. Evelyn begleitet mich. Zusammen fahren wir zur S-Bahn-Station, sie auf dem Klapprad, ich mit voller Ausrüstung neben ihr. Sie sperrt ihr Fahrrad ab und wir warten auf dem Bahnsteig. Eigentlich dachte ich, schon hier haften alle Blicke auf mir. Aber die meisten ignorieren mich und beschäftigen sich mit ihren Smartphones. Sollen sie. Kann mir nur recht sein. Anders dann in der S-Bahn. Sie ist ziemlich voll und durch die sperrige Ausrüstung müssen alle ein bisschen zusammenrücken. Die entstandene Unruhe macht sie auf mich aufmerksam. Dabei starren sie abwechselnd aufs Fahrrad und mich. So aufgerüstet sind häufig auch andere unterwegs. Aber das ausladende Wurfzelt, leuchtend gelb, ist ein echter Hingucker. Ich versuche in die Gedanken der Beobachter zu schlüpfen. Finden sie mich zu alt? Das Fahrrad zu schäbig? Der Helm ist unter dem Gepäcknetz verstaut. Mit ihm auf dem Kopf wäre mir der letzte Funken Selbstvertrauen flöten gegangen. Na, hoffentlich wachsen da keine Neurosen. Sollte gelassener damit umgehen; stolz sein auf das, was ich demnächst meistern werde. Doch meine Gefühle schwimmen in flauer Ungewissheit. Die Fahrt mit der S-Bahn dauert quälende zwanzig Minuten. Zwanzig Minuten, in denen die Gedanken vom Hier und Jetzt zur bevorstehenden Reise wandern. Wie wird sie werden? Wird alles gut gehen? Als Jugendlicher wären solche Gedanken gar nicht hochgeschwappt. Jetzt, als Grufti, lähmen sie meine Vorfreude. Um nicht schon vor der Abfahrt unliebsame Überraschungen zu erleben, war ich schon ein paar Tage vorher am Bahnhof. Wollte wissen, ob tatsächlich das gesamte Gepäck – immerhin fünf Gepäcktaschen plus Wurfzelt und eine Lenkertasche – ins Zugabteil muss. Ja, muss es. Hm. Wie schleppe ich das alles? Hab ja nur zwei Hände. Natürlich hab ich’s vorher geübt: Die Dreier-Packtaschen vom hinteren Gepäckständer über die Schulter; die zwei von vorne über den einen Unterarm; die Lenkertasche um die Hüfte, an der schon das Wimmerl mit den wichtigsten Papieren und dem Geld hängt; das Wurfzelt in die zweite freie Hand; den Helm …? Oje. Auf dem Kopf. Geht nicht anders. Wär ja nicht so wild. Nur mich plagt eine Aversion gegen jegliche Art von Kopfbedeckungen. Wann diese Neurose sich meiner bemächtigt hat, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls schleichend. Sie war irgendwann einfach da. Dabei gab es Zeiten, da fand ich es ausgesprochen chic, einen Hut zu tragen. Hätte er nicht darunter gelitten, er wäre sogar im Bett mein treuer Begleiter gewesen. Irgendwann hat sich das umgekehrt. Es ging so weit, dass ich bei einem Besuch mit meiner Ex-Familie im Salzbergwerk als einziger von vierundzwanzig Personen kein Bergmannskäppi trug. Wie es dazu kam? Im Umkleideraum, in dem für jeden »Einfahrenden« eine Bergmannskluft samt Bergmannskäppi bereitlag, beobachtete ich die anderen. Einige haben sich das Käppi auf den Kopf gestülpt und fanden das auch ganz lustig, andere standen ohne herum. Prima. Die waren mir sympathisch. Kann ich auch darauf verzichten. Dann wurden wir aus der Umkleidekabine in den Vorraum vor die Lore gebeten, die uns dann in die Tiefen des Stollens transportiert hat. Bevor wir allerdings ins Bergwerk einfuhren, mussten wir uns für ein Gruppenfoto aufstellen. Die, die vorher ohne ihre Käppis herumstanden – die einstmals Sympathischen –, setzten sie jetzt auf. Die Verräter hatten sie vorher in der Hand oder Hosentasche. Nur ich stand ohne da. Es war mir fürchterlich peinlich. Am liebsten wäre ich zu allen hingegangen und hätte ihnen einen plausiblen Grund dafür genannt, den es aber nicht gab. Mit der Zeit hab ich mich dann wieder beruhigt und mir vorgenommen, so was passiert mir in Zukunft nicht mehr. Ab jetzt geht es um Substanzielleres und ich werde brav den Helm tragen, schon deshalb, weil ich es Evelyn versprochen habe. Doch ernsthaft muss ich mich mit diesem Problem erst bei der Ankunft am Brenner auseinandersetzen. Wir haben nämlich beschlossen, die extremen Pässe bis zur italienischen Grenze auszulassen. Zum einen könnte das Wetter regnerisch und kalt sein (bin bekennender Warmduscher), zum anderen sollen nicht alle Kräfte schon erschöpft sein, bevor das sonnige »Bella Italia« erreicht ist. Eine gute Stunde vor Abfahrt sind wir am Hauptbahnhof. War mein Wunsch, so früh dort zu sein. Der Zug ist noch nicht eingefahren und es bleibt noch Zeit sich ein bisschen umzusehen. Wieder das verdammte, flaue Gefühl. Immer wieder hab ich mich gedanklich mit der Reise beschäftigt, im Geiste die Urlaubsfahrt x-mal durchlebt, sogar genossen. Aber jetzt, so neben dem vollbepackten Fahrrad, ist es doch anders. Das Warten ist quälend. Daran hab ich nicht gedacht, als ich mich für den frühen Aufbruch entschied. Evelyn, mit ihren feinen Sensoren, spürt natürlich, welchem Druck ich ausgesetzt bin, obwohl sie’s nicht versteht und meine Qual für unangebracht hält. »Ich kauf dir was zu essen und zu trinken«, flötet sie. »Brauch ich nicht!«, erwidere ich knapp. Allerdings nur, weil ich zu nervös bin, um so banale Bedürfnisse wie Hunger und Durst zu empfinden. Wir gehen normalerweise sehr liebenswürdig miteinander um und selten bin ich so patzig wie jetzt. Aber ich will endlich in diesen Scheißzug einsteigen, der leider noch nicht auf seinem Gleis steht. Unbeeinflusst zieht Evelyn los. Sie kennt mich. Spätestens wenn der Zug losgefahren ist, bekomme ich Kohldampf, denn das Frühstück fiel eher spärlich aus, weil es mir die Gurgel zugeschnürt hat vor Aufregung. Einsam im Menschengewimmel – wie ein ausgesetztes Findelkind – warte ich auf sie. Die Leute hasten wie Schemen vorbei; die Lautsprecherdurchsagen höre ich zwar, aber sie dringen nicht ins Bewusstsein; das Geschnatter der Leute schwillt an, wenn sie vorbeihasten, aber die aufgefangenen Wortfetzen prallen an meinem Schutzwall ab, hinter dem ich mich verschanzt habe. Evelyns Rückkehr bringt mich wieder zurück in die Bahnhofshalle. »Da, mein Schatz. Stärkung für die ersten hundert Kilometer.« Sie drückt mir einen Hamburger in die eine Hand und in die andere eine Cola. (Wir mampfen höchst selten Junkfood. Nicht das gesündeste, schon klar. Aber mit dieser Sünde läuten wir häufig unseren Urlaub ein.) Ich beiße in den Hamburger und zuzle an der Cola. Köstlich. Evelyn strahlt aufmunternd. Nach ihrer Vorstellung werde ich das aufregendste Abenteuer seit langem durchleben – und genießen. Sie und ihren Optimismus werde ich auf der Reise vermissen. »Mach doch kein so finsteres Gesicht, Schnuffbär. Freu dich. In ein paar Wochen bist du in Sizilien und hast deinen Wunsch erfüllt.« »Ja, ja!« Meinen Wunsch? Waren doch eigentlich eher die anderen, die diesen Wunsch hatten. Ganz so stimmt es nicht. Die letzten Wochen hab ich mich wirklich auf die Reise gefreut. Wurde immer neugieriger wie’s wohl werden wird. Hab mir ausgemalt, was da alles an Überraschungen auf mich zukommt, und es waren eher positive Bilder, die meine Fantasie gemalt hat. Und daran hat sich eigentlich nichts geändert. Also liegt Evelyn schon richtig. Ich sollte mich darauf freuen. Aber so einfach geht das nicht. Schon gar nicht auf Knopfdruck. Ein Rest Skepsis bleibt einfach. Deshalb verspeisen wir halt weiterhin schweigend unsere Hamburger und nuckeln an den Getränkeflaschen. Evelyn weiß genau: Die Stimmung kippt, sobald ich im Zug sitze. Dann fährt er ein. Endlich. Bin froh, wieder aktiv werden zu können. Evelyn wartet mit dem Gepäck, bis das Fahrrad verstaut ist. Im separaten Waggon stapeln sich schon Fahrräder. Gehören einige davon vielleicht meinen ersten Begleitern? Oder wird es das Ehepaar, das sich dem Bahnsteig nähert, ebenfalls mit vollbepackten Fahrrädern? Passend auch, weil sie in etwa im gleichen Alter sind. Hab zwar kein Problem mit jüngeren Begleitern. Aber die Oldies hier werden nicht schon auf den ersten hundert Metern davonsprinten und mich alt aussehen lassen. Wie auch immer: Freudige Erwartung steigt auf und das macht auch Evelyn glücklich. Nachdem das Fahrrad verstaut ist (zur Identifikation musste noch ein Nummernzettel an den Rahmen geklebt werden), gehen wir mit dem Gepäck in den Waggon für Passagiere. Jetzt ist Evelyn die dritte und vierte Hand und das macht es einfacher. Wie es dann ohne sie gehen wird, versuche ich erst mal zu verdrängen. Bravo! Immerhin ein erster Versuch, das Ganze lockerer zu sehen. Es gibt keine Zugabteile, nur offene Zweier- und Dreiersitzreihen. Gar nicht so einfach, das sperrige Gepäck durch den schmalen Mittelgang zu schleppen, ohne damit an die Ellbogen oder Köpfe der Fahrgäste zu stoßen. Es gibt noch einen freien Fensterplatz neben einem jungen Typen. Die Sitzbank gegenüber ist hochgeklappt, warum auch immer. Praktisch, weil davor reichlich Platz für mein umfangreiches Gepäck bleibt. Sogar fürs Wurfzelt. Ein paar Minuten verweilen wir noch auf dem Bahnsteig. Zwischen vielen Küssen wünschen wir uns alles Gute für die Zeit der getrennten Wege....




