E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Hoke Ganz wie ein Mensch
24001. Auflage 2024
ISBN: 978-3-96161-192-8
Verlag: Eisele eBooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman | Ein Puma unter Menschen - »Einzigartig und fesselnd.« Boston Globe - Nominiert für den PEN / Faulkner Award - Hochwertiger Leinenband
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-96161-192-8
Verlag: Eisele eBooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Henry Hoke machte seinen Abschluss am California Insitute of the Arts, an dem er fünf Jahre lehrte, und unterrichtet heute Kreatives Schreiben an der University of Virginia. Seine Arbeiten erschienen in Electric Literature, Triangle House und The Offing. Er ist außerdem Autor mehrerer Bücher und lebt in Brooklyn. Die Gedankenwelt des Berglöwen in Ganz wie ein Mensch hat Henry Hoke zwar erfunden, den Berglöwen gab es jedoch tatsächlich. Sein Name war P-22 und er lebte in den Hollywood Hills, bis er 2022 eingeschläfert werden musste. Sein Tod löste Beileidsbekundungen und Lobeshymnen aus. Ganz wie ein Mensch war 2024 unter den Finalisten für den PEN/Faulkner Award for Fiction.
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Ich habe noch nie einen Menschen gefressen aber heute könnte es so weit sein
In meinem Gestrüpp werde ich vom Knallen einer Peitsche geweckt und gucke raus und sehe einen wuchtigen Mann in einer braunen Lederjacke mit einem braunen Hut auf dem Kopf der die Peitsche über zwei anderen Menschen schwingt einem Mann und einer Frau
Die Frau hält ein Telefon hoch und sagt
Der Mann mit der Peitsche lächelt und lässt sie noch mal knallen und da ist was tief in meinem Bauch was kein Hunger ist
Hunger habe ich auch
Der Mann ohne Peitsche legt sich auf den Rücken und spreizt die Beine und hebt die Füße zum Himmel und ruft
Der Mann mit der Peitsche reißt den Arm nach hinten und nach vorn und die Peitsche knallt vor dem liegenden Mann auf die Erde und der liegende Mann sagt
Die Frau drückt auf ihr Telefon und sagt
Ich versuche die Menschen zu verstehen aber sie machen es einem schwer
Der Mann auf dem Boden ist dünn und die Frau mit dem Telefon ist dünn aber der Mann mit der Peitsche in der Hand ist dick und sein Hals quillt aus dem Kragen von seinem beigen Hemd und ich sehe eine Vene und höre das Blut durch seinen Arm fließen und immer wenn er die Peitsche schwingt spannt sich sein Arm und wird fleischig
Die Peitsche knallt auf den Boden und wirbelt Staub auf und es klingt wie das womit alle großen Katzen gequält werden
Scheiß auf den Kerl
Ich kann seine Innereien riechen
Mir läuft das Wasser im Maul zusammen und der Geifer läuft runter und macht mir die Tatzen nass
Ich schmatze lauter als die Peitsche knallt und die Leute stehen still als hätten sie mich gehört und der liegende Mann steht auf und die Frau dreht das Telefon in meine Richtung und der Mann mit der Peitsche hält die Peitsche bereit
sagt die Frau als wäre sie was gefragt worden
Ich fürchte mich nicht vor ihren Augen
Ich habe die gleiche Farbe wie mein Gestrüpp und die gleiche Farbe wie der Boden
Keiner sieht mich wenn ich es nicht will
Die Peitsche macht den wuchtigen Mann mutig und er geht langsam auf mich zu kneift die Augen zusammen und beugt sich vor und ich kann die pochende Ader in seinem Hals genau erkennen
Mein Maul öffnet sich und ich schätze die Entfernung zwischen dem Mann und seinen dünnen Freunden ab und versuche zu entscheiden ob ich ihn schnell genug ins Gestrüpp zerren kann
Ich frage mich ob sie uns verfolgen oder wegrennen würden
Ich habe seit Wochen nichts Größeres als einen Waschbären gefressen
Ich denke daran wie oft ich von dem Mann fressen kann und dass ihn die Geier nicht finden wenn ich ihn unten in den Höhlen aufhebe und dass ich dann immer und immer wieder hingehen und noch ein bisschen fressen kann
Ich denke an die vielen Nächte die wir zusammen verbringen werden
Dieser Mann und seine Eingeweide und ich
sagt der Mann und wickelt sich dabei die Peitsche um die Faust und zieht den Hals aus der Bahn von meinen Zähnen
Die Frau klatscht in die Hände und sagt
Ich sehe zu wie sie schnell den Weg runtergehen und ich lege mich schlafen weil Schlaf den Hunger vertreibt
Beim Aufwachen höre ich die letzten Wanderer für heute an meinem Gestrüpp vorbeigehen
Zwei Mädchen mit riesigen Wasserflaschen die das Sonnenlicht durch die Äste in meine Augen werfen
Es ist nicht leicht mit leerem Bauch zu schlafen aber anscheinend habe ich es geschafft
Ein Mädchen sagt
sagt das andere
Das Mädchen trinkt einen Schluck aus seiner Flasche und sagt und das erste Mädchen sagt
sagt das zweite Mädchen und das erste Mädchen sagt
Ihre Stimmen werden leiser und dann kann ich sie nicht mehr hören und ich gähne und strecke die Pranken aus und ihre Wasserflaschen verschwinden zusammen mit ihren Körpern im Sonnenuntergang
Ich habe hier nichts verloren und sie auch nicht
Jetzt wo die Wanderer weg sind kann ich aus meinem Gestrüpp rauskommen und in die ausgetrocknete Schlucht runtergehen wo früher jede Menge Wasser geflossen ist und ich fresse Insekten und nuckle an den kleinen Rinnsalen damit mein Durst kleiner wird
Ich erinnere mich an den letzten Regen und dass ich nicht froh drüber war aber ich weiß nicht wie lang das her ist
Jetzt brauche ich Wasser aus dem Himmel oder sonst woher
Ich brauche mehr als einen schmutzigen Schluck
Ich denke an die wandernden Mädchen und die glänzenden Flaschen aus denen sie in großen Schlucken trinken und ich scharre in der Erde nach mehr Raupen und fresse sie und ich weiß ich muss eine neue Stelle zum Trinken finden
Die Zeiten ändern sich
Vor einer Weile hätte ich nie im Leben daran gedacht einen Menschen zu fressen
Was die Mädchen gesagt haben macht Sinn
Ich weiß nicht genau was eine Scare-City-Mentalität ist
Aber ich habe eine
Hier wird von verschiedenen Leuten verschieden genannt
Meist sagen sie Ellej aber sie sagen auch der Park oder Hollywood
Das Wort höre ich oft
Ich weiß ich lebe unter dem Hollywood-Schriftzug weil die Wanderer sagen und sie sagen und sie fragen
Ich war schon mal oben aber nachts gehen Lichter an und man ist von überall zu sehen also bleibe ich hier unten wo ich jetzt bin
Die Aussicht interessiert mich sowieso nicht
Die Wanderer sagen Sachen wie oder Sachen wie
Was sie sehen bringt sie dazu mit dem Finger zu zeigen oder stehen zu bleiben und sich umzudrehen und die Hände in die Hüften zu stemmen und tief durchzuatmen aber die Ferne die sie so lieben ist ein verschwommener Fleck wenn ich gucken will wohin sie gucken
Ich kann bloß sehen was genau vor mir ist
Als die Sonne hinter dem Bergkamm versinkt gehe ich von der ausgetrockneten Schlucht zum Camp
Im Camp wohnen meine Leute
Sie sind zu viert und sie haben drei Zelte aufgestellt hinter ein paar Baumreihen wo die Wanderer sie nicht sehen
Aber ich sehe im Dunkeln
Die Leute im Camp riechen vertraut ein Geruch wie Wärme oder der Wald nicht der süße Wanderergeruch von dem mir der Kopf wehtut
Und so habe ich sie vor einer Weile gefunden und ihren Müllhaufen und die kleineren Tiere die kommen und ihren Müll fressen und sich mir zum Fressen anbieten
Manchmal machen die Leute nachts ein Feuer und ich muss mich von dem Leuchten fernhalten aber das haben sie seit Monaten nicht gemacht sie fürchten sich genauso vor der Trockenheit wie ich
In der Lichtung hinter dem Camp gibt es eine Wasserpumpe und darum haben sie das Camp dort errichtet
Das ist nicht schlecht gemacht
Ich gehe zur Wasserpumpe und darunter ist eine tiefe Pfütze und ich schlecke und schlecke und schlecke
Ich bin der geheime Campbewohner
Ich bleibe an den Rändern und lasse ihre Zelte und Abdeckplanen und Vorräte in Ruhe aber ich höre sie über mich reden
Der ältere Mann im linken Zelt nennt mich Puma
Das Paar im mittleren Zelt nennt mich Leh-onn
Der junge Mann im rechten Zelt gibt mir jeden Tag einen anderen Namen aber er endet immer auf -katze
Dreckskatze oder Scheißdreckskatze oder gottverdammte Scheißkatze
Das macht mir nichts aus
Sonst ist er nett und stellt seinen Müll an einen Baum und heute Nacht ist es ein Eimer mit Hühnerknochen aber auf dem Boden vom Eimer ist noch Huhn
Das Fleisch und die Knochen schmecken nach Spucke von vielen Menschen und bald ist mein Bauch voll und ich bin dankbar und meine Augen werden feucht
Ich will meinen Leuten danken aber ich weiß wenn sie mich sehen ist unsere Beziehung am Arsch
Es wird hell und das heißt es ist Zeit zu gehen und ich nehme einen Knochen mit in mein Gestrüpp
Die Wanderer fangen früh an und ich höre Stimmen sobald ich mich versteckt habe und auf dem Knochen rumkaue
Das heißt ich höre eine Stimme eine Männerstimme
sagt der Mann und ich sehe bei ihm ist eine Frau die neben ihm wandert
Der Mann sagt