E-Book, Deutsch, 300 Seiten
Humberg Gotham Noir
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-95936-200-9
Verlag: In Farbe und Bunt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Teil 1: Kollateralschaden
E-Book, Deutsch, 300 Seiten
ISBN: 978-3-95936-200-9
Verlag: In Farbe und Bunt Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tauchen Sie ein in die Welt der gefeierten Mystery-Reihe 'Gotham Noir' aus der Feder von Christian Humberg, Gewinner des Deutschen Phantastik Preises!
Die junge New Yorker Polizistin Sarah Dolan landet im 'Revier 666' - der Sammelstelle für alle Fälle, die ihren Kollegen vom NYPD lächerlich erscheinen. Während sie widerwillig angebliche Elvis-Sichtungen bearbeitet und sich wirre Phantasten die Klinke ihrer Bürotür in die Hand geben, stößt die ehrgeizige Sarah auf eine Verschwörung, die die Grenzen der Wirklichkeit zu sprengen droht. Und mit einem Mal scheint tatsächlich Unheimliches im Big Apple zu geschehen! Unterstützt von Flynn Elliot, einem geheimnisvollen (und viel zu attraktiven) Privatdetektiv, kämpft Sarah fortan gegen normale und paranormale Verbrechen - und um den eigenen Verstand.
Bestsellerautor Christian Humberg arbeitet seit Ende der Neunziger als freier Autor von Romanen, Comics, Sachbüchern und Theaterstücken für Kinder und Erwachsene sowie als Literaturübersetzer und Lektor. Dabei unternimmt der studierte Buchwissenschaftler und gelernte Journalist immer wieder Ausflüge in popkulturelle Welten. So schreibt er exklusiv in Hollywoods Auftrag Comicabenteuer für die jungen Helden aus 'Drachenzähmen leicht gemacht' und 'Hotel Transsilvanien', verfasst international gefeierte Romane aus dem 'Star Trek'-Universum und spannende Abenteuer mit Perry Rhodan. Er übersetzt die Reisen des Raumschiffs Enterprise ins Deutsche und lektorierte bereits einen gewissen Doctor Who.
Anlässlich der Frankfurter Buchmesse wurde er 2015 mit dem Deutschen Phantastikpreis ausgezeichnet. Heute erscheinen Humbergs Kolumnen und Kurzgeschichten bundesweit in der Presse sowie im S.Fischer-Verlag und auf SYFY.de.
Als Autor erfolgreicher Kinderbuchserien - darunter 'Drachengasse 13', 'Sagenhaft Eifel!', 'Die Wächter von Aquaterra' und 'Die unheimlichen Fälle des Lucius Adler' - liest Humberg bundesweit an Schulen, in Büchereien, auf Literaturfesten und auf Conventions. Dort erzählt er von seinem Autorenleben und plaudert bereitwillig aus dem beruflichen Nähkästchen. Außerdem unterrichtet er den Autorennachwuchs im Auftrag mehrerer Kultureinrichtungen im Kreativen Schreiben.
Christian Humbergs Romane erreichen Leser auf der ganzen Welt, wurden sie doch bereits in sieben Fremdsprachen übersetzt, darunter Englisch, Türkisch und Russisch. Man hat sie vielfach für die Bühne adaptiert und mit Preisen ausgezeichnet. Humberg lebt vor einem PC-Monitor, der ihm die Sicht auf den Mainzer Dom versperrt.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1: Vom Ende aller Dinge Gregory Boswick starrte in das Dunkel der Nacht, und das Dunkel starrte zurück. Zumindest kam es Greg so vor. Verflucht, seit wann war er so schreckhaft? Jedes Rascheln des Windes in den Büschen, jedes Plätschern des Wassers am Inselufer war eine Zerreißprobe für seine angespannten Nerven. Und das alles wegen Mitch. »Sind Sie wirklich sicher, dass Sie allein hier warten wollen, Sir?«, fragte Anslin. Es klang ungläubig – und mehr als ein bisschen angewidert. Greg wandte sich um. Sein Assistent trug einen langen, braunen Mantel, der leicht im Nachtwind wehte. Hinter ihm konnte Greg die Skyline Manhattans glitzern sehen, so nah und doch wie aus einer anderen Welt. Greg nickte seufzend. »Ganz sicher. Mitchs Nachricht war eindeutig: Er und ich, unter vier Augen auf Ellis Island.« »Um Mitternacht, Sir?« Verdammt, was wollte der Glatzkopf von ihm hören? Dass New York Citys oberster Mann weitaus Besseres zu tun hatte, als sich an einem gottverlassenen Ort wie diesem seine alten Knochen steif zu frieren? Dass dieser Hang zur Dramatik, den Mitch manchmal an den Tag legte, lächerlich war? Mitch war eben Mitch. Einem wie ihm widersprach man nicht, man rollte höchstens mit den Augen. »Was der Mensch braucht, das muss er haben«, antwortete Greg gottergeben und winkte ab. »Gehen Sie ruhig, Anslin. Ich komme schon klar. Sowie die Besprechung vorüber ist, kehre ich aufs Boot zurück.« Sie waren mit einer kleinen Jacht gekommen, die im Besitz der Stadt war. Normalerweise diente sie Empfängen und Partys, die die Grenzen des Protokolls sprengten, als extravaganter Rahmen. Anslin nickte gehorsam und wandte sich um in Richtung Anleger. Nach wenigen Schritten verschmolz seine gertenschlanke Gestalt mit dem Dunkel, und Greg war allein mit der Nacht. Schweigend schlug er seinen Kragen hoch und rieb sich die Hände. Die Kälte war wirklich unmenschlich. Verblüffend, wie stark sie sich von der Tageshitze, die jetzt im Sommer vorherrschte, unterschied. Nicht einmal neunzehneinundneunzig in den Armeezelten vor Kuwait war es nachts so kalt gewesen. Wenn der Alte nicht bald auftaucht, dachte Greg grimmig, bin ich ein Eisblock. Anslin, dieser Stiefellecker, hatte nicht unrecht: Was sie hier taten, war lächerlich. Mitch wollte vermutlich aus der Sache aussteigen. Warum sonst hätte er sich vor dem eigentlichen Termin melden sollen? Aber dafür hätte auch ein Anruf genügt oder ein Treffen irgendwo in Manhattan. Tagsüber. Stattdessen schlich Greg nun zur Geisterstunde um die altehrwürdigen Mauern der ehemaligen Einwanderungsstation herum. Noch dazu um deren südliche Bauten, die von der Renovierung und Umgestaltung in ein Museum ausgenommen worden waren. Wo am Nordende der Insel roter Backstein, militärisch streng gestutzter Rasen und polierte Fahnenmasten dominierten, die ab Sonnenaufgang wieder von Heerscharen von Touristen heimgesucht würden, herrschten hier halbe Ruinen vor, deren Fenster wirkten wie dunkle, glotzende Augen. Dichtes Buschwerk wucherte wild. Die Stille war beinahe ohrenbetäubend. Wären da nicht der Wind und die leise Andeutung von Verkehrslärm aus der Battery gewesen, die über den Hudson herüberwehten, Greg wäre sich vorgekommen wie der letzte Mensch auf Erden. Langsam fuhr er mit der Hand unter den Mantel und tastete nach dem Revolver. Er führte stets einen bei sich, aus Prinzip. Als leitender Bürgermeister einer der größten Städte der Welt musste er wachsam sein, Bodyguards hin oder her. Andererseits: War nicht auch das lächerlich? Vor wem fürchtete er sich denn? Etwa vor Mitch und dem Wind? Greg zuckte zusammen, als seine Armbanduhr piepste. Punkt Zwölf. Weit und breit keine Spur von … »Guten Abend, Mr Mayor.« Im ersten Schreckmoment hätte er fast aufgeschrien. Dann fasste er sich, ignorierte sein wild pochendes Herz und drehte sich um. Fahler Mondschein fiel durch die Wipfel der Bäume und zauberte ein stetig wogendes Bild aus Nacht und Licht vor ihn. Inmitten dieses Bildes stand jemand. »Mitch?«, fragte Greg und kniff die Lider enger zusammen. War das wirklich sein alter Partner? »Erwartest du jemand anderen?«, erklang die vertraute Stimme. Noch immer konnte Greg sein Gegenüber kaum erkennen. Hier, wo nicht einmal mehr Straßenlaternen brannten, war alles Schemen und Schatten. »Nein. Ich … ich hab dich nur nicht kommen hören.« Greg schüttelte den Kopf, verscheuchte die Skepsis. »Also, was gibt’s? Was kann nicht bis morgen warten und auf dem Festland besprochen werden? Warum dieser irre Aktionismus, hm?« Wolken zogen vor den Mond. Die Schatten wurden wieder dichter. Fast schien es Greg, als stünde ihm doch niemand gegenüber. Dann sprach Mitch weiter. »Es muss hier beginnen.« Greg stutzte. Klang so jemand, der aussteigen wollte? »Wovon redest du?« »Von Ellis Island. Tor zur Neuen Welt. Symbol und Hoffnungsträger. Der perfekte Platz für einen Anfang.« »Wie überaus pathetisch …«, spottete Greg. Der Wind frischte auf und zerrte an seinem dünnen, grauen Haar. »Wirst du sentimental auf deine alten Tage? Überhaupt: Welchen Anfang meinst du? Sollte der Anfang nicht schon längst in der Stadt geschehen sein und …« Greg verstummte, als Mitch einen Schritt näher trat und er sein Gesicht besser erahnen konnte. Weißes Haar, fahle Haut, dunkle Augen? Pechschwarze Augen. Ohne Weiß. »Mitch? Was in aller Welt ist mit dir?« Die Äste wogten weiter im Wind, raubten hier Mondlicht und schenkten es dort. Mitch wanderte mit ihnen. Hatte er Greg eben noch gegenüber gestanden, befand er sich einen Augenblick später rechts von ihm, dann links. Als wäre er ein Teil der Nacht und über Naturgesetze erhaben. Was passiert hier?, dachte Greg Boswick. Er ahnte es, doch diese Wahrheit erschien zu grauenvoll, um sie ernsthaft zu erwägen. »W… wer sind Sie?«, stotterte er die Schatten an, und ihm war plötzlich, als gleite eine Hand aus Eis über seinen Rücken und besudele seine Seele. »Nicht Mitch, so viel ist klar. Also, was wird das hier?« »Ein Anfang«, antwortete das Ding in der Finsternis. Sehnsucht und Verlangen lagen in den zwei Worten. Entschlossenheit. Dann schritt es wieder auf Greg zu – und New Yorks Bürgermeister sah! Einen Sekundenbruchteil später wirbelte Greg herum und rannte panisch ins Dunkel. Nein, dachte er flehend. Unmöglich. Das ist un-möglich. Jedes Wort war wie ein Rettungsring im Meer des Chaos, dessen Wellen über ihn zu schwappen drohten. Wahnsinn und Verzweiflung zerrten an seinem Geist, nackte Angst an seinem Herzen. Anslin – das war die Lösung! Er musste Anslin finden, und dann würde schon alles normal werden, sich fügen. Selbstverständlich würde es das. Was denn sonst? Doch die Schatten waren überall. Hinter jeder Hausecke, um die Greg eilte, und neben jedem Busch, den er umrundete: Das grauenvolle Ding war bereits da. Es erwartete ihn im Spiel des Mondlichts mit den Wolken und den Bäumen. Und es schien zu grinsen. »Anslin!«, schrie Greg panisch, peitschte sich weiter. »Anslin, wo sind Sie?« Keine Antwort. Da waren nur der Wind und die Wellen und die Nacht. Die Nacht. Greg war, als riefe sie nach ihm. Jeder dunkle Winkel, den er bei seiner Flucht passierte, schien plötzlich tentakelartige Auswüchse zu besitzen und ihn packen zu wollen. Was eben noch der breite Schatten eines Baumstamms auf dem Kiesweg gewesen war, mutete nun an wie ein klaffendes Loch in der Wirklichkeit – ein Abgrund, der gierig auf ihn wartete. Mannshohe Büsche mutierten vor seinen schreckensweit aufgerissenen Augen zu sinisteren Ungeheuern, die sich auf ihn stürzen und ihm die Seele rauben würden, wenn er ihnen zu nahe kam. Findlinge, die nachtschwarz auf dem Rasen standen, wurden zum überdimensionierten Gelege einer ihm unvorstellbaren Höllenbrut. Das bildest du dir nur ein, redete der analytische Teil seines Verstandes ihm zu. Und trotzdem ist es echt, erwiderte seine Furcht. »Anslin!« Ein neuer Versuch, schriller und flehender als zuvor. So schrien Kinder, keine mächtigen Politiker. »Ansliiin!« Nichts. Dieser elende Landesteg mochte genauso gut auf der Rückseite des Mondes liegen. Greg rannte und rannte, und mit einem Mal wusste er, dass er die Jacht nie erreichen würde. Die Schatten ließen es nicht zu. Sie hatten ihn herbestellt – zu dieser Stunde, an diesen verlassenen Ort –, und nun würden sie ihn nie wieder freigeben. »Anslin«, keuchte er, einen kalten Stein der Erkenntnis in seinen Eingeweiden. Dann stolperte er über einen echten und fiel der Länge nach ins Gras. Als der erste Schmerz verging, stand das Ding direkt über ihm. Eine Gestalt aus Mondschein und Finsternis, die ihre unheiligen Arme nach ihm auszustrecken schien. Ihr Mund öffnete sich, weiter als es menschenmöglich schien, und Greg war, als sähe er in dieser Öffnung das Ende aller Dinge. Ars, flüsterte der Unheimliche, und irrte Greg sich, oder erklangen diese Laute plötzlich hinter seiner Stirn? Ars diavoli … Das genügte. Die höhnischen Laute rissen Greg aus seiner Starre – und einen Herzsschlag später riss er den Revolver empor! Laut hallten die Schüsse durch die Stille der Nacht. Sie trafen … nichts. Unmöglich, keuchte Gregs Logik entsetzt, Schutzschild vor dem Wahnsinn. Tödlich, ahnte sein Instinkt. Das Ding beugte sich zu ihm nieder – unbeirrt und unverwundet. Die gierigen Hände kamen näher und näher. Gregory Boswick starrte in das Dunkel der Nacht,...