E-Book, Deutsch, Band 3, 320 Seiten
Reihe: Jaspari & van Loon ermitteln
Jacob Brennendes Watt
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-641-32375-2
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman. Ein Fall für Jaspari und van Loon
E-Book, Deutsch, Band 3, 320 Seiten
Reihe: Jaspari & van Loon ermitteln
ISBN: 978-3-641-32375-2
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Iska van Loon, erfahrene Beamtin der Nationale Politie, und der ehrgeizige Kriminalhauptkommissar Marten Jaspari stehen vor einem brisanten Fall. Luuk Raand, Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, die das LNG-Terminal bei Eemshaven schützt, wird tot am Strand von Borkum angespült. Eine Spur führt zu radikalen Umweltschützern, die Missstände bei der Erdgasverarbeitung aufdecken wollen, eine andere in das undurchsichtige private Umfeld des Opfers. Als schließlich im Hamburger Hafen der Kapitän eines Containerschiffes verschwindet, erreicht der Fall ungeahnte Dimensionen. Iska und Marten müssen alles riskieren, um zu verhindern, dass an der Nordsee ein flammendes Inferno ausbricht ...
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05
Borkum. Samstag, 23. Mai
10:00 Uhr
»Innerhalb von zwei Tagen von Eemshaven nach Borkum? Puh, keine Ahnung … Kleinen Moment, ich gucke mal nach … Also, wir hatten in den letzten Tagen eine starke Tide und Wind aus Süden und Südwesten. Tja, ich würde mal sagen, das könnte möglich sein, ja. Aber das ist eher eine Vermutung als jetzt ein wissenschaftliches Gutachten oder so.«
Marten bedankte sich und beendete das Gespräch mit dem meteorologischen Dienst, bevor er auf die Fähre stieg. Die Arbeitshypothese war also weiter stabil.
Spurensicherung und Rechtsmedizin hatten an der Leiche keine wesentlichen Befunde machen können. Todeszeitpunkt ungefähr zwei Tage vor dem Auffinden, Todesursache zwei dicht beieinanderliegende stumpfe Schläge gegen den Hinterkopf. Also eher kein Unfall. Ansonsten wurden keine weiteren Auffälligkeiten festgestellt, die nicht durch den längeren Aufenthalt im Wasser zu erklären waren.
Am Fundort allerdings waren frische Fußabdrücke gesichert worden, eine Fußspur, die vom Strand bis zur Leiche führte und nicht von dem Familienvater stammte, der die Leiche am frühen Morgen bei der Hunderunde entdeckt und gemeldet hatte.
Als Marten die Fähre verließ, war es wie bei seinem letzten Besuch auf der Insel. Leichter Nieselregen, Wind aus Südwest, der einen die Augen zukneifen ließ und beständig die Kapuze vom Kopf wehte. Mit einem Seufzer setzte er die graue Mütze auf. Katharina hatte sie damals hier gekauft, für ihn und gegen seinen Willen, und sie hatte gesagt, er sei ein Spinner, wenn er die nicht endlich anziehen würde, strubbelige Frisur hin oder her. Ihr erster gemeinsamer Urlaub, im Sommer nach dem Abitur. Eine Woche in der kleinen Ferienwohnung in der Norderstraße. Sie hatten ihre Koffer durch die halbe Innenstadt ziehen müssen.
Tausend kleine Erinnerungen waren auf der Fahrt hierher wieder hochgekommen, das Läuten der Kirchglocke unweit der Wohnung, das Licht des Neuen Leuchtturms in der Nacht, Krokant-Frieseneis an der Promenade, die Bank, auf der sie in den Sonnenuntergang schauend Zukunftspläne geschmiedet hatten. Die Wanderung zu dieser Aussichtsdüne ganz im Osten, das Picknick ganz in der Nähe, bei diesen alten Bunkerresten, wind- und blickgeschützt … Und diese eine große Erinnerung an das Hochgefühl, das sie damals durch diesen Urlaub getragen hatte. Viel zu schnell waren die Tage vergangen, wie im Rausch. Danach hatte er gewusst, dass sie zusammengehörten.
»Jaspari?« Stephanus stand in der offenen Fahrertür seines Einsatzfahrzeuges. Mit dem grauen Vollbart wirkte er deutlich älter, obwohl er Marten nur zehn Jahre voraushatte. Mit einer Hand hielt er die Schirmmütze fest. »Steigen Sie ein!«
»Danke für den Fahrservice.« Marten warf einen letzten Blick zurück zu der Kleinbahn, in die die meisten anderen Passagiere einstiegen. Wie damals er und Katharina. Er erinnerte sich an die harten Holzbänke.
»Sie haben sich die richtige Zeit für eine Morduntersuchung ausgesucht. Genau zu Pfingsten.«
»Noch ist es einfach ein ungeklärter Todesfall.« Zumindest offiziell. »Ist viel los auf der Insel?«
»Sie machen Witze, oder?« Stephanus steuerte auf die Reedstraße, die die kleine Siedlung am Fähranleger mit dem Dorf verband. Sie fuhren parallel zur Eisenbahnstrecke, nach den letzten Häusern fiel zu beiden Seiten das Gelände zum Watt hin ab, trockene Wildwiesen gingen in sumpfige Salzwiesen über, dahinter braune Wasserflächen. Irgendwelche Vögel hoben über dem Naturschutzgebiet ab. »Das halbe Ruhrgebiet ist gefühlt hier. Jazztage. Und heute Abend wird ja auch der Baum aufgestellt.«
Er erzählte von der alten Tradition, dass der Borkumer Junggesellenverein einen Baum in der Form eines rahgetakelten Mastes schmückt, der dann in der Süderstraße aufgestellt wird. Ganz oben befinde sich in einem Korb ein gestohlener Hahn – dass der gestohlen ist, sei wichtig, schmunzelte Stephanus. Wenn der Hahn morgens an den Feiertagen kräftig krähe, dann gebe es eine gute Fangsaison.
»Ich glaube Ihnen kein Wort«, lachte Marten.
»Doch, doch. Auch auf den westfriesischen Inseln gibt es so ähnliche Traditionen«, gab Stephanus trocken zurück, und Marten wusste nicht, ob der Kollege ihn gerade aufs Glatteis führte oder nicht. »Jedenfalls ist die Insel proppenvoll. Wir haben schon zwei Kollegen als Unterstützung vom Festland hier, diese Nacht wird groß gefeiert, es könnte etwas lebhafter werden.«
»Kein Problem. Ich will nur mal mit den Leuten von sprechen und mir außerdem den Fundort einmal selbst ansehen. Konnten Sie bereits etwas zu den Fußspuren herausfinden?«
»Nein, bisher nicht direkt. Wir haben allerdings mögliche Zeugen aufgerufen, sich bei uns zu melden, sofern sie beim Fundort oder in der Nähe Leute gesehen oder Ungewöhnliches wahrgenommen haben sollten. Aber wenn sie mich fragen …«
»Ja?«
»Nun, Sie wollen ja eh mit reden …« Stephanus murmelte etwas in seinen Bart. Es klang nach einem Fluch. »Da in der Nähe ist ein wichtiges Vogelschutzgebiet, und da treiben die sich natürlich auch herum. Vielleicht …«
Das kam überraschend. Marten hatte seinen Kollegen als besonnenen Polizeibeamten in Erinnerung, diese Anschuldigung ohne gesicherte Erkenntnisse passte so gar nicht zu ihm. ». Machen Ihnen die Leute Ärger?«
»Ich sag mal so …« Stephanus wägte seine Worte ab, dann war es ihm offensichtlich egal. »Ja.«
»Inwieweit?«
»Junge Leute, ich hab ja für vieles Verständnis, aber der Zweck heiligt nicht immer die Mittel. Einige sind ja ganz okay, das sind so Naturliebhaber, aber es gibt auch welche, die haben die Moral für sich gepachtet und machen einfach Stress. Letztens haben sie rote Lebensmittelfarbe in der Bismarckstraße verteilt. Blut würde an unseren Händen kleben, warum genau, weiß ich jetzt nicht.« Er bremste kurz ab, um zwei Radfahrern vor ihnen das Überqueren der Straße zu ermöglichen. »Vor allem protestieren sie gegen die neue Bohrplattform im Nordwesten. Es hatte angefangen, als sie vor ein paar Wochen über Nacht so ein riesiges Banner oben am Neuen Leuchtturm befestigt hatten. Es hatte Stunden gedauert, bis wir es wieder entfernen konnten. Seitdem ist eigentlich jeden dritten Tag irgendetwas. Vorgestern gab es eine Sitzblockade auf der Promenade, danach ein , untergehakt, versteht sich, bei der sie die Fußgängerzone praktisch lahmgelegt haben. Überall finden sich Flyer von ihnen. Letztens haben sie die Waggons der Kleinbahn mit ihren Slogans beschmiert. «
»Nicht gerade kreativ. Stoßen sie denn auf Zustimmung bei Einwohnern? Und Urlaubern?«
»Das ist es ja. Eigentlich sind es ja offene Türen, die sie einrennen. Aber sie tun das auf so eine nervtötende Art, dass es mir jedenfalls echt zu viel wird. Und das geht nicht nur mir so. Es gab schon ein paar Prügeleien, weil sich einige von ihnen persönlich angegriffen fühlen. Mit einem Bier mehr intus geht das ganz schnell.«
»Konnten sie denen denn was nachweisen?«
»Nichts Gerichtsfestes« sagte Stephanus nach einer kurzen Pause. »Es gibt eine Wortführerin, mit der bin ich ziemlich aneinandergeraten. Wanda Biek. Sie lebt hier bei ihren Eltern, studiert aber eigentlich wohl Meeresbiologie in Bremen, auch wenn sie jetzt dort irgendwie auf Jura umgestiegen ist, wenn man ihrem Instagram-Profil glaubt, na ja, zurzeit wohl außerhalb des Hörsaals. Jedenfalls wissen die von genau, wie weit sie legal gehen können. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie auch hinter den illegalen Aktionen stecken. Warten Sie, ich zeig Ihnen was.« Er griff mit der rechten Hand nach hinten auf den Rücksitz, langte nach einem dünnen Heftchen. Der Wagen kam kurz ins Schlingern.
Marten nahm das Heft entgegen.
bewahren. Eine Handreichung.
»Okay. Was ist das?«
»Eine Art Manifest. Offiziell natürlich nicht von ihnen, den Autor oder die Autorin kann man nicht feststellen. Es geht ihnen um Provokation. Um Störung. Gewalt gegen Sachen ist legitim, wenn es dem Ziel dient, heißt es unter anderem darin. Wie verhalten bei Polizeieinsätzen, passiver Widerstand.« Der Mann redete sich in Rage.
Wenn Provokation das Ziel war, dann hatte es erreicht.
Das Display im Armaturenbrett zeigte einen eingehenden Anruf an: »Wache«. Erst kurz darauf ertönte der Klingelton. Stephanus nahm den Anruf an. Ein Einbruch in einer Ferienwohnung, meldete der Kollege mit sächsischem Akzent. Wahrscheinlich ein Kollege vom Festland, der in der Urlaubszeit auf der Insel aushalf.
»Beim Wasserturm«, murmelte Stephanus. Er sah zu Marten hinüber. »Das ist etwas abseits …«
»Übernehmen Sie ruhig, ich komme allein klar.«
»Okay, ich fahre zum Objekt. Bin in zehn Minuten da«, antwortete Stephanus seinem Kollegen, dann beendete er den Anruf. »Ich lasse sie im Zentrum raus, wenn das in Ordnung ist.«
»Wo kann ich da die Aktivisten jetzt finden?«, fragte Marten.
»Sie haben einen Infostand beim Musikpavillon. Glauben Sie mir, Sie können sie gar nicht verfehlen.«
»Haben Sie ein Bild von dieser Wanda Biek?«
»Nein, tut mir leid. Auch in den sozialen Medien hat sie keine Porträtfotos eingestellt. Blonde Haare, eher dünn, so einsfünfundsiebzig groß, schätze ich. Sie werden sie schon finden.«
Marten stieg bei der Strandstraße aus. Zu seiner Rechten war der Neue...