E-Book, Deutsch, Band 1, 528 Seiten
Reihe: Wind Weaver
Johnson The Wind Weaver
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98978-037-8
Verlag: Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sturmverführt | Der Auftakt der fantastischen Romantasy-Trilogie
E-Book, Deutsch, Band 1, 528 Seiten
Reihe: Wind Weaver
ISBN: 978-3-98978-037-8
Verlag: Forever
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Julie Johnson stammt aus dem Nordosten der USA und ist internationale Bestsellerautorin. Wenn sie nicht gerade schreibt, sammelt sie Stempel im Reisepass. Sie hat über 20 Romane veröffentlicht, die in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt wurden. Julie ist auf Instagram (@author_julie) und man kann auf ihrer Website (www.juliejohnsonbooks.com) mit ihr in Kontakt treten.
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Kapitel 1
Die Schlinge scheuert mir am Hals, eine todbringende Kette.
Ich spüre meinen Puls als stetigen Stakkatoschlag unter der empfindlichen Haut. Angst habe ich keine mehr. Die war mit den Händen gekommen, die mich schmerzhaft gepackt, und mit den knurrenden Jagdhunden, die mich durch das wilde Marschland verfolgt hatten. Dann war sie gemeinsam mit der Sonne hinter den Horizont getaucht und in der erdrückenden Dunkelheit verschwunden.
Wie sagte Eli immer?
Angst bedeutet bloß, dass du etwas zu verlieren hast.
Jetzt bleibt mir nichts mehr. Nur noch mein Leben, und das ist niemandem mehr viel wert.
Schon gar nicht meinen Entführern.
»Verschlagenes kleines Biest, was?« Irgendwo zu meiner Linken stößt jemand ein barsches Lachen aus. »Haben die halbe Einheit gebraucht, um sie aufzuspüren. Ein Dutzend Männer. Drei Tage mussten wir in dem verdammten Sumpf zubringen, mit lauter Wespen und Schlangen und Spinnen. Knietief im Matsch und Moor und wer weiß was für einem Mist. Als es gestern dunkel wurde, ist sie uns beinahe aus dem Netz geschlüpft.« Seine Spucke trifft mich an der Wange. »Drecksfae.«
Die zweite Stimme klingt jünger und bebt ein wenig. Ein frischer Rekrut vielleicht, den das endlose blutige Kriegsspiel der Sterblichen noch nicht so abgestumpft hat. »Sie ist einfach … sie ist so jung.«
»Lass dich nicht vom Schein trügen, Junge. Nichts als Faetrickserei. Sie verbergen ihre wahre Natur hinter hübschen Gesichtern und lieblichem Lächeln, genau wie giftige Blumen. Früher einmal konnten dir manche von ihnen mit ihrem Trugzauber alles Mögliche vormachen. Oder dich direkt in den Abgrund locken, während du felsenfest davon überzeugt warst, einfach bloß über eine Wiese voller Gänseblümchen zu hüpfen.«
Der jüngere Soldat holt hörbar Luft. Sein Schrecken bleibt mir trotz meiner Augenbinde nicht verborgen.
»Keine Angst, Junge. Solche Magie hat hier in der Gegend seit knapp zwei Jahrhunderten niemand mehr beobachtet.« Der mit der barschen Stimme lacht in sich hinein. »Wenn wir mal welche erwischen, so wie das mickrige Ding hier, sind es meistens Halblinge. Überbleibsel aus der Zeit vor der Säuberung, als Mischehen noch nicht verboten waren. Die können genauso wenig zaubern wie du und ich.«
Darauf folgt gedehntes Schweigen. Zwischen den beiden Männern eröffnet sich ein Abgrund der Stille.
»Was natürlich nicht heißt, dass sie völlig wehrlos sind«, fährt der ältere Krieger beinahe wie zur Rechtfertigung fort. »Die würde uns im Schlaf aufschlitzen, wenn wir nicht aufpassen. Vergiss das nie.«
»Wie habt Ihr sie am Ende gefangen?«
»Haben sie an der Roten Klamm zur völligen Erschöpfung getrieben. Das Erz im Gestein dort verwirrt sie. Dann leidet ihr Orientierungssinn, und sie können nicht mehr klar denken.« Er atmet geräuschvoll aus. »Kein Feind ist unbesiegbar, nicht mal ein verdammter .«
Bei dem Schimpfwort spanne ich mich an, und die Fesseln schneiden mir in die Brust, obwohl ich versuche, mich nicht zu rühren. . Diese Beleidigung verwenden die Soldaten, die mich gefangen halten, ständig, zischen sie mir bei der Wachablösung leise zu oder werfen am Lagerfeuer unbekümmert damit um sich. Als würde es ihre Barbarei irgendwie leichter erträglich machen, eine ganze Art auf ihr auffälligstes Merkmal – die spitzen Ohren – zu reduzieren. Jedes Mal, wenn ich das Wort höre, regt sich stiller Zorn in meinem Innern. Wie ein verletztes wildes Tier, das sich nach Vergeltung sehnt, die mir niemals zuteilwerden wird.
»So schwer ist es auch wieder nicht, sie zu töten. Brauchst nur die richtige Waffe«, prahlt der ältere Soldat mit seinem Wissen. »Eisen ist natürlich am besten. Aber in Wahrheit kann man sie auch einfach mit irgendwas abstechen. Spitze bluten genau wie alle anderen Tiere im Wald. Hat dich dein Alter nie zum Jagen mitgenommen? Hast du noch nie ein Reh ausgeweidet?«
»Nein … Ich … Wir …« Der junge Soldat tritt von einem Fuß auf den anderen, man hört das Laub unter seinen Stiefeln rascheln. »Wir sind Kleinbauern, Herr.«
»Kleinbauern?«
»Ja, Herr. Wir verzehnten ein Stück Land an der Küste. Bauen hauptsächlich Eisbeeren an.«
Der Ältere schnaubt. »Eisbeeren? Na, das passt ja gut zu dem Einsatz hier, das kann ich dir sagen. Schweinekalt so nah an den Cimmerer Bergen.«
Hinter meiner Augenbinde stelle ich mir die Situation vor. Ein Soldatenlager, alle seit Wochen unterwegs und witterungsgeplagt. Das knisternde Feuer soll die Kälte abhalten – und Wölfe. Eine einfache Mahlzeit köchelt auf den Kohlen.
Der Wind trägt den Geruch von Fleisch zu mir herüber, und mein Magen knurrt. Höchstwahrscheinlich Hase oder Ochse. Vielleicht Wildschwein, falls einer von ihnen gut genug mit Pfeil und Bogen umgehen kann. In ihren Reihen gibt es doch sicher Jäger. Männer, die auch andere Beute aufspüren können als mich und meinesgleichen. Wobei sie, wenn man uns essen könnte, das vermutlich auch tun würden.
Dieser Winter ist besonders erbarmungslos.
Ich frage mich, welchem Königreich sie wohl angehören, welchem der kriegerischen Herrscher sie ihren Eid geschworen haben. Wahrscheinlich demjenigen, der seine Truppen nach Seahaven geschickt und den Sternenwald angezündet hat – und damit das einzige Zuhause, das ich jemals hatte.
Jemand zieht an den Fesseln an meinen wunden Handgelenken. Ich höre das zischende Geräusch, kurz bevor mich der Schmerz durchfährt. Es riecht nach verkohltem Fleisch.
Es ist mein eigenes, das verbrennt.
Ich muss meine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht zu schreien – aber diese Genugtuung werde ich den Soldaten nicht geben. Ich atme tief durch und presse das Rückgrat gegen die Rinde des Baums, an den sie mich gebunden haben, versuche, nicht ohnmächtig zu werden.
»Siehst du die Blasen?«, fragt der Ältere. »Als hätte ich sie mit einem lodernden Scheit berührt!«
»J-ja«, stammelt der Junge. »Ich sehe es.«
Das Eisen lässt eine immer weiter anschwellende Flut der Qual aufbranden – auch jetzt noch, obwohl meine Handgelenke ohnehin schon beinahe bis auf die Knochen und Sehnen versengt sind. Jede Bewegung der Ketten löst neue Pein aus.
»Wann …« Der junge Rekrut räuspert sich. »Wann werden sie sie …«
»Sie aufhängen? Kann nicht mehr lange dauern. Commander Scythe wird bis Mitternacht eintreffen. Der Captain sagt, wir dürfen sie ohne seine Genehmigung nicht anrühren.«
»Wieso?«
»Will sich wohl selbst vergewissern, dass sie auch wirklich tot sind, oder so. Noch mal gegen die Asche treten, ob sich nicht doch noch was rührt. Scheint mir übertrieben, aber so lautet der Befehl von König Eld, also halte ich mich dran. Erst aufhängen, dann abfackeln.« Ich höre, wie eine Feldflasche entkorkt wird. Schluckgeräusche. Durchatmen. »Bei Faehinrichtungen geht der Aberglaube gern mal mit den Leuten durch. Wirst schon sehen, Junge.«
»Ach so …« Der junge Mann klingt nicht ganz überzeugt. »Als ich mich verpflichtet habe, hätte ich nicht gedacht, dass wir Halblinge jagen müssen. Ich wusste gar nicht, dass es noch welche gibt.«
»Sind auch nicht mehr viele. Schon gar nicht so weit oben in den Mittlanden. Unten in den Südlanden herrschen … andere Gepflogenheiten. Du solltest den Himmeln danken, dass du nicht an der Grenze zu den Reaches stationiert bist. Da dreht sich einem der Magen um, nach allem, was ich gehört habe. Und dabei habe ich gar nicht viel gehört.«
Mein Herz setzt aus. Mir sind die Gerüchte darüber nicht erspart geblieben, was in den Südlanden mit Halblingen geschieht. Nicht alle jedenfalls. Eines Abends gab Eli mir bei einem guten Schluck Whiskey einen kurzen Einblick in diese Finsternis.
Ich zwinge mich, diese Gedankengänge zu unterdrücken. Sie führen zu nichts Gutem.
»Junge, bewahre einfach einen kühlen Kopf, eine ruhige Hand und stell keine Fragen. Dann passiert dir schon nichts. Das ist ein Job wie jeder andere – hör nicht auf irgendwelches Gerede.« Der ältere Mann spricht leiser weiter. »Ich schwöre dir, manchen Männern geht richtig einer ab, wenn eine Fae am Strick baumelt. Das ist noch mal eine ganz andere Mordlust, verstehst du?«
»Wie abscheulich!«
»Aye. Ist aber so.« Er trinkt noch einen ordentlichen Schluck aus der Flasche. »Vor langer Zeit, als ich genauso ein Jungspund war wie du, gab es hier in der Gegend noch mehr Spitze. Meine Einheit ist eines Tages über eine ganze Familie gestolpert, die hatten sich in einer Höhle hinter einem Wasserfall versteckt. Mit grünlicher Haut und Haaren wie Schilf...