Klugmann | Wendlandt und Süß | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 368 Seiten

Reihe: Buchhändler Süß und Bürgermeister Wendlandt

Klugmann Wendlandt und Süß

Dorfroman
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8392-7722-5
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Dorfroman

E-Book, Deutsch, Band 1, 368 Seiten

Reihe: Buchhändler Süß und Bürgermeister Wendlandt

ISBN: 978-3-8392-7722-5
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ein Dorf in Unruhe! Am Ortsrand von Wortleben entsteht ein neues Wohngebiet - aber nicht in der traditionellen Form großkotziger Fertighäuser im Bausparkassen-Stil. Stattdessen steht das jüngste KoDorf-Projekt vor der Fertigstellung: „Communitys für neues Leben und Arbeiten auf dem Land“.
Ein Teil der Bewohner freut sich auf die neuen Nachbarn, viele bleiben skeptisch. Bürgermeister Wendlandt schwankt zwischen Gönnerhaftigkeit und Misstrauen. Und Buchhändler Uwe Süß fragt sich, was passiert, wenn seine Lebensweise nicht mehr so hip wirkt wie er bisher dachte …

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Adolf Wendlandt schlug beide Handflächen auf den Schreibtisch, stemmte sich in die Höhe und sagte mit der Stimme, die ein Viertel seiner Überzeugungskraft ausmachte: »Ich träume ja wohl.« Uwe Süß studierte gelassen den Kalender an der Wand von Wendlandts Arbeitszimmer und sagte: »Frau Kubinke hat meinen Rat gesucht, den ich ihr nicht versagen konnte. Und auch nicht wollte.« »Weil du so glücklich warst, dass sich endlich ein Dummer findet, der sich von dir Rat erhofft.« »Den Rat gibt’s gratis obendrauf. Vor allem geht es darum, dass der Wille der Bevölkerung nach langer Zeit mal wieder Zugang zum politischen Entscheidungsprozess findet.« Der Bürgermeister begab sich auf eine der Runden durch sein Büro, womit er ein Ausmaß von Verärgerung signalisierte, das nach einer körperlichen Reaktion verlangte. »An Ihren Stiefeln klebt Lehm«, sagte Süß. »Lehm kriegt man wieder weg. Was nur schwer wieder weggeht, ist dieses selbstgefällige Grinsen auf deinem Gesicht.« »Wie gesagt: eine Bürgerin und nebenbei auch Wählerin. Und sie kam freiwillig. Freiwillig zu mir und nicht zu euch.« »Gratuliere. Knapp zehn Jahre im trostlosen Amt des Oppositionsführers, und schon verirrt sich eine Bürgerin zu euch. Wenn es auch die größte Trantüte im ganzen Ort ist.« »Trudchen ist nicht langsam, sie ist gründlich.« »Und eine Trantüte.« »Wir befinden uns in Norddeutschland und nicht in der Karibik. Hier darf man langsamer gehen …« »… und denken.« »Auch das. Denn nun hat sie ihre Sorge bei uns abgeladen, wo sie optimal aufgehoben ist. Der Lehm fällt ab! Das gibt doch Flecken auf Ihrem geschmackvollen Stragula.« Wendlandt blieb vor Süß stehen und sagte knurrend: »Wenn in meinem Haus Dreck abfällt, macht meine Anna den weg. Es sei denn, ich habe die Toilette vollgekotzt, was höchstens zweimal im Jahr vorkommt: einmal beim Schützenfest und einmal nach der Weihnachtsfeier. Wie es guter alter Brauch ist. Ihre Frau hat es da natürlich besser. Bei ihr fällt kein Lehm ab, sondern höchstens ein Bein oder ein Stück Leber.« »Meine Frau ist keine Chirurgin und auch keine Metzgerin, sondern Kinderärztin. Vor allem ist sie berufstätig, was man nicht von jeder Frau in unserer Gemeinde behaupten kann.« »Abgesehen vom Lager.« »Wir wollten doch diesen Ausdruck künftig vermeiden, weil er falsche Assoziationen hervorruft.« »Dann eben die grüne Hölle.« »Auch dieser Begriff ist weit entfernt von einer optimalen Beschreibung des Wohngebiets, das sich gerade zum Kraftquell von Wortleben entwickelt.« »Vor 20 Jahren war es eine wunderschöne grüne Hölle. Naturbelassen und praktisch unzugänglich, bevor deine Gesinnungsgenossen begannen, die Natur zu zerstören, um Platz für ihre Carports und Steingärten zu schaffen.« »Das war ein hässlicher Wanderweg von eineinhalb Metern Breite, da haben die Leute ihre Hunde ausgeführt, mehr ist da nicht passiert.« »Aber nach jedem Meter Wanderweg kam der nächste Meter Wanderweg und danach … und danach … Du verstehst das Prinzip? Wir haben nur eine Schöpfung!« »Wow! Dieses Wort aus dem Mund eines Großbauern, dessen Berufsstand wie kein zweiter in den letzten Jahrzehnten Natur zerstört hat.« »Wir ernähren dich und deinesgleichen. Ohne uns könntet ihr nicht leben wie die Maden im Speck.« »Ich bin Buchhändler, ich bin der beste Schutz gegen sinnlosen Fernsehkonsum. Ist das nichts?« »Ich komme sehr gut ohne solche Geschäfte aus, wo du immer das Gefühl hast, dass du im nächsten Moment von einem umstürzenden Bücherregal erschlagen wirst. Ich habe schon davon geträumt.« »Dann fang mit einem E-Book an. Das erhöht deine Lebenserwartung.« »Auch noch in der Freizeit Bildschirme, radioaktive Strahlung und Stromschläge! Das könnte dir so passen. Erst attackiert ihr uns mit euren Röntgenstrahlen. Jetzt legt ihr mit Buchstrahlen nach! Irgendwie muss der werktätige Teil der Bevölkerung ja kaputtzukriegen sein.« »Das ist polemisch.« »Solang es wahr ist, kann ich damit leben. Was ich drüben im Lager besonders wenig leiden kann, ist diese Angewohnheit der Besserverdiener, ihre Großkotzautos unübersehbar vor dem Haus zu parken. Bevor du bei denen an der Tür klingeln kannst, ist dir schon die Lust vergangen.« »Nicht jeder verfügt über Scheune und Gerätehaus, wo er seine Panzer unauffällig unterbringen kann.« »Meine Fahrzeuge erfüllen einen nützlichen Zweck, sie sind Arbeitsgeräte. Ich brauche keine SUVs, die so hoch sind, dass man einen Tritt braucht, um den Sitz zu erreichen.« »Ich gebe zu, es kam zu Übertreibungen.« »Übertreibung ist gut! Übertreibung klingt wie Ausnahme und Ausrutscher. Im Lager sind sieben bis acht von zehn Wagen solche Panzer, die sogar im Stehen Benzin verbrauchen.« »Das können Sie nicht wissen. Sie weigern sich ja mit Händen und Füßen, Ihren Fuß … ach du meine Güte! Ihre Spione sind wieder unterwegs! Sie schicken wieder ihre Kreaturen los, die sich nicht zu schade sind, anderen Menschen ins Fenster zu schauen. Und in den Carport. Womit tarnt ihr euch diesmal? Mit einem Sack über dem Kopf? Oder wieder mit diesen albernen Sturzhelmen, mit denen ihr alle ausseht wie Schwerbehinderte beim Ausflug?« »Darf ich das so zitieren?« »Muss nicht.« »Ich würde aber doch gern …« »Wie gesagt: muss nicht.« Der Bürgermeister nahm wieder Platz. Eine Weile sprach niemand. Dann sagte der Oppositionsführer: »Sie überlegen gerade, wie lange es noch dauern kann, bis aus den vielen neuen Hausbesitzern im Neuen Dorf Wählerstimmen werden.« »Die wählen nicht. Keine Wahl könnte deren Lebensstandard verbessern. In der halben Stunde, die sie durch den Gang ins Wahllokal verlieren, können sie sich eine ihrer Serien ansehen oder auf der Terrasse herumschlaumeiern.« »Im Neuen Dorf wohnen fast nur Briefwähler.« »Warum überrascht mich das nicht? Dann müssen sie nicht Boden betreten, den unsereins betritt. Und im Wahllokal müssten sie ja einen Stift anfassen, den vielleicht gerade ein Bürgermeister angefasst hat.« »Haben Sie Ihren Glücksstift verloren?« »Ach ja, richtig. Noch ein Grund, warum diese Gutverdiener unter sich bleiben. Mich wundert, dass du und deine Brigade noch nicht den Antrag gestellt haben, für die nächste Wahl einen Stimmzettel-Bringdienst einzurichten. – Ich sehe dir an, dass du gerade darüber nachdenkst.« »Mein Gesichtsausdruck ist stoisch und neutral.« »Ausdruckslos. Das ist wahr. Wie hält deine Frau das jeden Tag aus? Oder lebt ihr in zwei Wohnungen? Zwei Betten?« »Zwischen meine Frau und mich passt nicht mal ein Blatt Papier …« »… passt kein Buch. Das wäre das passendere Bild gewesen. Und Trudchen kann sich ihre Ampel aus dem Kopf schlagen. Sag ihr das, wenn du sie siehst. Oder ich sag es ihr. Ich habe nämlich keine Probleme damit, politische Entscheidungen zu verkünden, hinter denen meine Partei, meine Überzeugung und ich persönlich stehen. Wir brauchen keine Verkehrsampel im Dorf. Ende der Durchsage.« »Ich warne! Die Uhr tickt bereits, bis unsere neuen Mitbewohner die Straßen um die beiden Kindergärten und um die Schulen als Krisenregion erkennen werden.« »Bis heute ist es ruhig geblieben. Und der spezielle Straßenverlauf spielt mir in die Karten. Unsere Kleinkinder-Hotspots sind weit von der Hauptstraße entfernt. Gefährlich wird es erst, wenn Trudchen ein Kind kriegt und es von seiner Mutter diese unübertreffliche Lahmarschigkeit erbt. Dann sehe ich für die Lebenserwartung des Zwerges schwarz.« »Darf ich das so zitieren?« »Muss nicht.« »Sie wollen wirklich das Thema Ampel zum Heiligen Gral hochstilisieren? Verkehrsampeln besitzen einen hohen Nutzwert. Im Extremfall können sie Leben retten.« »Ja, im Extremfall. Aber bis es so weit ist, steht das Ding rum und belästigt das harmonische Ortsbild. Und immer dieses Rot Gelb Grün Rot Gelb Grün und zurück. Davon kriegst du doch einen epileptischen Anfall, wenn du zehn Minuten davorstehst und dir das anguckst. Rot Gelb Grün Rot Gelb Grün …« »Kollege Wendlandt!«, rief der Buchhändler, »wenn Ihnen die Arbeit im Dienst an unserer Bevölkerung Zeit lässt, geschlagene zehn Minuten darauf zu verwenden, das ordnungsgemäße Funktionieren einer Verkehrsampel …« »Komm runter, Junge. Deine Vorträge haben die Neigung, ins Pathetische und Alberne abzurutschen.« »Ich bin durchaus zu Sacharbeit fähig.« »Sagt der Mann, der fünf Zentimeter davon entfernt ist, in seinem Buchladen eine Lottoannahme einzurichten, damit er mal wieder mehr als einen einzigen Kunden gleichzeitig sieht.« »Wer sagt das? Woher wisst ihr das? Wen habt ihr bestochen? Und womit? Vor allem: womit?« »Ruhig atmen! Ganz ruhig atmen! Deine drei Semester Betriebswirtschaft kann bei uns mittlerweile jeder Säugling herunterbeten, so oft lässt du das nebenbei fallen.« »Es ist nicht gelogen.« »Klar doch. Du und deine Genossen und die Wahrheit: Das ist ein infernalisches Trio, bei dem du die Pauke spielst. Wahrscheinlich seid ihr wirklich musikalischer als wir. Dafür sind wir erfolgreicher. 68,7 Prozent bei meiner ersten Wahl und bis heute immer wenigstens doppelt so viel wie ihr. Wo habt ihr gelegen, als du deine Visage...


Klugmann, Norbert
Norbert Klugmann, Jahrgang 1951, hat bisher 80 Romane veröffentlicht. Schwerpunkte sind Krimi, Drama, Satire, Melo, Jugendbuch. Klugmanns Stärken sind der Dialog und die Nachbarschaft von Alltag und Anarchie. Seine Vielseitigkeit zeigt sich in Romanen über die Welt des Sports, Geschlechterkriege, Karrieren, bizarre Charaktere, aktuelle Kommunalpolitik und historische Themen. Viermal begleitete er die Hebamme Trine Deichmann durch das Lübeck des 17. Jahrhunderts. Das süffige Genre des Weinromans bereicherte er mit drei Romanen um den smarten Marchese. 2022 erschien Klugmanns Roman über die deutschlandweit bekannte und bis heute andauernde Serie mit ca. 30 Unfällen von Hamburger Senioren beim Ausparken: „Bitte parken Sie nicht in unserem Schaufenster“.



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