E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Korte / Miketta Gute Idee!
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-641-30864-3
Verlag: DVA
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In sieben Schritten kreativ denken lernen
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-641-30864-3
Verlag: DVA
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In ihrem Buch erklären der Hirnforscher Prof. Dr. Martin Korte und die Journalistin Gaby Miketta, wie es gelingt, gewohnte Denkweisen hinter sich zu lassen und zu neuen originellen Lösungen zu kommen – egal, ob am Arbeitsplatz, in Schule oder Ausbildung oder im Privatleben. »Gute Idee!« zeigt,
• was kreatives Denken ausmacht,
• wie und unter welchen Voraussetzungen Ideen im Gehirnentstehen,
• wie sich kreatives Denken mit einfachen techniken und Übungen erlernen lässt und
• wie kreative Menschen mit unterschiedlichsten Berufen und Berufungen zu neuen Einfällen gelangen.
Eine praxisnahe Anleitung für alle, die nicht länger auf gute Ideen warten wollen!
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
KAPITEL 1
STAUNEN: Was ist Kreativität
»Kreativität kann fast jedes Problem lösen. Der schöpferische Akt, die Überwindung der Gewohnheit durch Originalität, überkommt alles.«
George Lois, Artdirector (1931 – 2022)
Woher hatte der spanische Architekt Antoni Gaudí (1852 – 1926) die Idee, Fenster in seinen Baukunstwerken wie in der Sagrada Familia und der Casa Batlló in Barcelona keineswegs viereckig zu gestalten, sondern sphärische und unfassbar farbenfrohe Formen aller Art zum Einsatz zu bringen? Diese Fenster entsprechen keinesfalls dem, was Kinder zeichnen, wenn wir sie bitten, ein Fenster zu malen. Überhaupt erfüllen Gaudís Werke nicht die standardisierten, uns selbstverständlich erscheinenden Kriterien von Architektur.
Der kanadisch-amerikanische Architekt Frank Gehry (geboren 1929) vermeidet in seinen Bauten gerade Wände. Geschwungene Formen wie beim Guggenheim Museum in Bilbao oder dem Vitra Design Museum in Weil am Rhein sind sein Markenzeichen. Die Walt-Disney-Konzerthalle in Los Angeles ahmt eine Wellenform nach; das Lou Ruvo Center for Brain Health in Las Vegas ähnelt optisch stark der äußeren Form eines Gehirns. Für unsere an bekannte Häuserformen gewöhnte Augen haben die Gehry-Bauten einen ikonischen Charakter. Wer sie sieht, vergisst sie nicht.
Aber auch auf einer etwas kleineren Ebene – nicht minder erstaunlich – entsteht Neues: In Kitas bauen Kinder ein Spielhaus aus Eierkartons, in Panama entstanden Häuser aus rund 10 000 handelsüblichen Plastikflaschen. Das Bottle Village Project ist zeit- und kosteneffektiv, und die luftgefüllten PET-Flaschen isolieren erstaunlich gut. In der französischen Normandie entstehen Recyclinghäuser aus Autoreifen! Eine wirklich verblüffend simple Idee setzten 2023 fünf Studentinnen der Universität Hohenheim um. Sie entwickelten eine nachhaltige essbare Verpackung aus Eierschalen, zum Beispiel für Tütensuppen. Einfach Wasser drauf und die Verpackung löst sich auf, ohne Müll zu hinterlassen. Die zermahlenen Eierschalen wurden zuvor mit Eiweiß, Wasser und Bindemittel vermischt und dann im Ofen getrocknet. Bei 20 Milliarden Eiern, die in Deutschland jährlich verspeist werden, besteht an diesem Rohstoff kein Mangel. Die Idee ist wirklich clever.
Die Liste ließe sich seitenlang fortführen, weil eigentlich überall erstaunliche Ideen entstehen. Meist bleibt die simple Frage: Wie seid ihr nur darauf gekommen?
Wer bin ich?
Wenn Sie Ihren Charakter einem Tier zuschreiben sollten, welches wäre es?
Wie sehen Sie sich? Welche Eigenschaften schreiben Sie dem Tier zu? Was wäre Ihr Lebenspartner oder Ihre Lebenspartnerin? Entscheiden Sie spontan, was Sie gerne sein wollen: Schildkröte, Tiger, Elefant, Spitzmaus, Eisbär, …? Lange zu überlegen, ergibt keinen Sinn.
Kommt Kunst von Können?
Einzigartigkeit und eine spezielle Handschrift zeichnen Künstler per se aus, aber es gibt einige, da steht die Idee, etwas auffällig Neues zu schaffen oder schaffen zu müssen, stärker im Fokus als bei anderen. Stellvertretend für viele Künstler seien hier die Maler Georg Baselitz, Gerhard Richter und Gotthard Graubner genannt; alle drei bekannt für einen augenfälligen charakteristischen Kunststil, der ein wenig aus der Not geboren wurde.
Baselitz (geboren 1938) stellte seine Bilder Ende der 1960er und in den 1970er Jahren im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf. Er malte seine Figuren einfach verkehrt herum, auf dem Kopf stehend, also abstrakt. Richter (geboren 1932) perfektionierte in dieser Zeit seine fotorealistischen Abmalungen. Er verwischte seine Pinselstriche, so wirkte das Bild nicht mehr wie ein Foto, sondern abstrakter. Eine Verfremdungstechnik, die ihn weltberühmt machte. Graubner (1930 – 2013), mit Richter befreundet, spannte die Leinwand für seine Bilder über dicke Lagen von Watte und synthetischen Stoffen – so entstanden in den 1960er Jahren seine charakteristischen dreidimensionalen, objekthaften »Kissenbilder«. Farbe und Form mischen sich zu Bild und Skulptur.
Alle drei – Baselitz, Richter, Graubner – setzten sich mit ihrem Stil, mit ihren neuen Ideen von anderen Künstlern ab. Warum? Weil man auffallen musste, um in jener Zeit in der Kunst seinen Platz zu finden. Natürlich haben die hier genannten Künstler ein viel reicheres Repertoire und viele weitere Entwicklungen durchgemacht als hier skizziert. Was man an den drei Beispielen aber sieht: Großes entsteht, wenn man es anders macht als die anderen oder das Bedürfnis spürt, es anders machen zu müssen.
Die vielen Dimensionen des Begriffs Kreativität
Einfallsreichtum, Originalität, Vorstellungsvermögen, Schaffenskraft, Fantasie, Genialität, Erfindungsgabe, … Allein die vielen Synonyme des Wortes Kreativität zeigen auf, wie unterschiedlich wir sie definieren. Ist etwas kreativ, wenn es etwas Besonderes ist oder einzigartig, originell, ideenreich, innovativ erschaffen wurde? Oder wenn das vermeintlich Unmögliche dadurch möglich wird? Ist sie ein schöpferischer, spiritueller Akt? Braucht es eine Inspiration, was etwa »Einhauchung« bedeutet? Sind Menschen bereits kreativ, wenn sie das Übliche variieren? Oder müssen sie dazu erst etwas Neues kreieren, etwas von Dauer und Wert erschaffen haben? Oder gar eine eigene Kreation erstellt haben, die auch urheberrechtlich geschützt ist?
Dies alles sind wertaufgeladene Schlagworte, die dennoch nur begrenzt den Kern dessen erfassen, was Kreativität ausmacht.
Der Begriff leitet sich aus dem Lateinischen – Schöpfung – ab und bezeichnet eine Fähigkeit, produktiv gegen Regeln zu denken und Neues zu erschaffen, aus dem wir Nutzen ziehen können. Das ist eine Art offizielle Umschreibung, die noch auf Immanuel Kant zurückgeht (Kritik der Urteilskraft).
»Kreativ sein« wird konnotiert mit Fantasie, Witz, Intellektualität oder zumindest mit einer handwerklichen Begabung wie Malen, Kochen oder Schreinern. Es wird gehandelt wie eine Geheimformel. Es entzieht sich der exakten Verortung und einfachen Erklärungen.
Kreativtraining
Was fällt Ihnen spontan ein?
Vervollständigen Sie diese kleine Ideensammlung. Welche Worte umschreiben Kreativität?
Natürlich wird wissenschaftlich intensiv untersucht, was genau Kreativität ist. Aber seit dem Jahr 2000 sind gerade einmal 30 000 Fachartikel zum Thema erschienen. Klingt nach viel? Nicht im Vergleich zu den Publikationen aus anderen Forschungsfeldern: Innerhalb der letzten 15 Jahre wurden mehr als 1,8 Millionen wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht, die das Stichwort »Kaffee« enthielten. Dagegen wird Kreativität, diese so wichtige und neben der Sprache menschlichste aller kognitiven Tätigkeiten, eher stiefmütterlich behandelt. Dieser Umstand ist misslich und wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass Kreativität sich mit den reduktionistischen Werkzeugen einer sezierenden Wissenschaft in Laborsituationen nur schwer untersuchen lässt. Die eine festgelegte Kreativitätsforschung existiert nicht.
Kreativität ist ein gedankliches Monster, manchmal kaum wahrzunehmen, mal drohend vor einem stehend. Es ist ein unglaublich riesiges Geflecht von unterschiedlichen Erklärungsansätzen, Einstellungen, Perspektiven. Die Religion betrachtet Kreativität aus einem völlig anderen Blickwinkel als die Ökonomie, die Pädagogik sieht andere Punkte als die Philosophie, der Psychologe erforscht Kreativität unter anderen Aspekten als der Neurobiologe, der Künstler versteht etwas gänzlich anderes darunter als der Handwerker.
Sind die Aktivistinnen und Aktivisten der »Letzten Generation«, auch »Klima-Kleber« genannt, kreativ, weil sie Anfang 2022 für sich einen Weg entdeckten, Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu generieren? Diese Beurteilung dürfte vom ideologischen, politischen und juristischen Standpunkt abhängen.
Jeder von uns entwickelt eine persönliche spezifische Vorstellung davon, was »kreativ sein« und »kreativ leben« bedeutet. Und das ist auch gut so.
Nur durch diese Vielfalt bleibt Kreativität der Motor für die Zukunft, für gesellschaftliche, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Entwicklung.
Kreativität ist aber auch der Motor der Evolution für die Entstehung der unterschiedlichen Arten und der speziellsten Ausformungen des Lebens: der schnelle Gepard und das gemächliche Faultier, die zwei Gramm schwere Etruskerspitzmaus und der 190 Tonnen schwere Blauwal, der Wanderfalke und der Tiefseeoktopus, die geselligen Delfine und die eher einsamen Schildkröten.
Genmutationen befeuern die Kreativität in der Natur in reinster Form. Die Selektion – nicht jede genetisch neue Variante ist tauglich, manche auch eine Sackgasse – sortiert nach Nützlichkeit und Anpassungsfähigkeit. Hier ähneln allein schon die Begrifflichkeiten den oben genannten Beschreibungen dessen, was Kreativität ausmacht. Der Konsens ist: Die Wissenschaft bezeichnet etwas als kreatives Denken, wenn etwas NEUES und zugleich NÜTZLICHES dabei generiert wird. Diese Definition grenzt ein wenig das ab, was wir als Kunst bezeichnen. Kunst muss nicht nützlich sein, außer dass sie unser Leben bereichert, auf gesellschaftliche Missstände hinweist, uns erfreut, uns zum Nachdenken anregt – sicher eine andere Art von Nutzen für die Gesellschaft und jeden Einzelnen von uns.
Gourmetidee
Sandwich...