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E-Book, Deutsch, Band 2891, 128 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Küster Der Wald

Natur und Geschichte

E-Book, Deutsch, Band 2891, 128 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-73217-1
Verlag: C.H.Beck
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Der Wald hat wieder Konjunktur. Für die meisten ist er Inbegriff von Natur, Gegenwelt zur Zivilisation. Dieser Band setzt den vielen Mythen und Mutmaßungen über das einmalige Naturphänomen Wald eine anschauliche Darstellung seiner permanenten Entwicklung und Veränderung entgegen. Der Wald ist nicht Wildnis, aber er dient auch nicht nur ökonomischen Interessen und der Erholung: Gerade angesichts der Erderwärmung kommt einer nachhaltigen und langfristigen Waldwirtschaft wachsende Bedeutung zu. Der Wald hat nicht nur eine Geschichte, stets ist er auch ein Spiegel unseres Umgangs mit der Natur.
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Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Zum Buch;2
4;Über den Autor;2
5;Impressum;4
6;Inhalt;5
7;Einleitung;7
8;1. Was ist ein Wald?;9
9;2. Der Baum;17
10;3. Vom Steinkohlewald zum Wald von heute;28
11;4. Der Wald als Ökosystem;37
12;5. Sukzessionen im Wald;53
13;6. Wälder der Erde: eine Momentaufnahme;60
14;7. Wald und Mensch in verschiedenen Landnutzungssystemen;73
15;8. Gewerbliche Nutzung des Waldes;82
16;9. Nachhaltigkeit im Wald;90
17;10. Ideen zum Wald;99
18;11. Schutz für den Wald;109
19;Literaturhinweise;120
20;Bildnachweis;122
21;Register;123


1. Was ist ein Wald?
Eine Antwort auf die Frage, was ein Wald ist, findet man im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm: «unter wald versteht man jetzt eine gröszere, dicht mit hochstämmigem holz, das aber mit niederholz untermischt sein kann, bestandene fläche. Wald unterscheidet sich von dem einen geringeren umfang habenden hain, wo die bäume auch weiter auseinanderzustehen pflegen (…), und dem aus niederholz bestehenden gebüsch.» Genauer kann Wald kaum definiert werden. Aber Wissenschaftler würden gerne exakter sein. Wie groß muss die von Bäumen bestandene Fläche sein, um als Wald zu gelten, wie hoch das «hochstämmige Holz»? Wo liegt der Unterschied zwischen Wald und Hain, wie weit stehen die Bäume in einem Hain und in einem Wald auseinander, und wie unterscheidet man den Wald von dem aus Niederholz bestehenden Gebüsch? Immer wieder wurde versucht, das zu präzisieren, etwa dadurch, dass man die Mindesthöhe der Bäume, ein Mindestmaß an Größe des Baumbestands oder einen Prozentanteil der Fläche festlegte, die von Bäumen bestanden sein mussten, damit man von einem Wald sprechen konnte. Aber keine dieser Definitionen übertrifft die aus naturwissenschaftlicher Sicht vage Erläuterung des Begriffs durch die Philologen, die am Deutschen Wörterbuch arbeiteten. Forstwissenschaftler halten sich meist an eine rechtliche Definition des Waldes, die im Bundesforstgesetz niedergelegt ist: Danach ist ein Wald «jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche. Als Wald gelten auch kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen, Waldwege und Lichtungen.» Diese Definition steht mit derjenigen im Deutschen Wörterbuch im Widerspruch. Denn im Forstgesetz geht es um die Betriebsflächen des Försters und nicht um einen Pflanzenbestand. Auch ein Naturwissenschaftler, ein Ökologe oder ein Vegetationsgeograph würde nur einen Bestand von Bäumen als Wald bezeichnen. In der Biologie ist der Wald eine Pflanzenformation, also eine Ansammlung vieler Pflanzen gleicher Form, in diesem Fall eine Ansammlung von Bäumen. Eine Lichtung gehört aus ökologischer Sicht nicht zum Wald. Für die Ökologie ist das Vorhandensein oder die Ausbildung eines Waldbinnenklimas ein entscheidendes Kriterium, das ein Wald aufweisen muss. Bei Sonnenschein dringt im Wald weniger Lichtenergie an den Erdboden vor als in der Umgebung eines Waldes. Der größte Teil an Licht wird vom Blätterdach der Waldbäume reflektiert. Aus diesem Grund steigt an einem Sonnentag die Temperatur im Wald nicht so stark an wie außerhalb, und es verdunstet weniger Wasser. Eine beträchtliche Menge an Feuchtigkeit wird im Wald zurückgehalten. Das Waldbinnenklima hat auch eine große Bedeutung für die Umgebung des Waldes. Die sich dort stärker erwärmende Luft steigt auf, und der Luftdruck nimmt ab. Es bildet sich ein Gebiet tiefen Luftdrucks. Nicht so im Wald. Dort bleibt das Niveau des Luftdrucks bestehen; er ist bald höher als außerhalb des Waldes, so dass man von der Ausbildung eines räumlich begrenzten Hochdruckgebietes sprechen kann. Nun kommt es zu einer ausgleichenden Luftbewegung vom Gebiet hohen Luftdrucks in das Gebiet tieferen Drucks, und es weht kühle und feuchte Luft aus dem Wald mit der dort dicht gepackten Luft in dessen Umgebung, in der die Moleküle der Luft einen höheren Abstand untereinander haben. Das «kühle Lüftchen», das aus dem Wald in dessen Umgebung weht, trägt zur Stabilisierung des Lokalklimas auch außerhalb des Waldes bei, indem es dort zu einer Abkühlung führt. Andere Verhältnisse stellen sich nachts ein: Dann wird warme Luft vom Blätterdach des Waldes zurückgehalten, während sie von den Freiflächen abgestrahlt wird. Auch im Lauf der Jahreszeiten spielt das in heimischen Wäldern eine Rolle. Außerhalb des Waldes gibt es noch spät im Frühjahr und bereits früh im Herbst Frost, aber im Wald liegt die Temperatur dann oft über dem Gefrierpunkt, und das sogar bei unbelaubten Bäumen. Auch der Gang der Temperatur im Jahreslauf ist im Wald gleichmäßiger als im Offenland, in einem Waldland insgesamt stärker ausgeglichen als in einem komplett waldfreien Gebiet. Im Winter hält sich die Wärme eher zwischen den Bäumen, der Schnee taut schneller, weil er nicht nur auf den Erdboden, sondern auch auf die Bäume fiel. Man kann alle diese lokalklimatischen Eigenheiten messen, sie führen aber auch nicht zu einer grundsätzlich besseren Klärung der Frage, was denn ein Wald sei. Denn in einem dichten Waldbestand bildet sich das Waldbinnenklima besser aus als in einem lichten Baumbestand, in einem großen Wald besser als in einem kleinen. Sogar unter einem Einzelbaum oder unter einer Hecke, einem sehr kleinen «Wald» also, entwickeln sich Ansätze eines Waldbinnenklimas. Ganz klar ist aber: Das Waldbinnenklima entsteht nicht in allen forstlichen Betriebsbereichen, nicht über der Waldwiese, nicht über einem Kahlschlag. Die ökologische Definition bietet auch keine absolut klare Möglichkeit, zwischen einem Wald und einer Einfamilienhaussiedlung zu unterscheiden, in der es ebenfalls viele Bäume gibt. Auf einer Landkarte wird die Villensiedlung als bebauter Bereich angegeben, aber für viele Organismen ähneln die von Bäumen bestandenen Gärten einem Wald sehr stark. Sowohl im Wald als auch in solchen Gärten leben Amseln, Meisen oder Eichhörnchen, die man für typische Waldtiere hält, die aber heute vielleicht noch viel stärker charakteristisch für die in Gehölzbestände eingewachsenen Vorstadtsiedlungen geworden sind. Man muss sich also damit zufriedengeben, dass man zwar wie selbstverständlich zu wissen meint, was ein Wald ist, aber dass es keine klare Definition für ihn gibt. Man kann einen Wald als Landschaft auffassen. Dann wird klarer, wie man bei einer Definition von Wald vorgehen muss. Jede Landschaft ist stets von natürlichen Entwicklungen, oft vom kultivierenden Einfluss des Menschen und immer von den Ideen geprägt, die über die Landschaft entwickelt werden. Ideen zur Landschaft gehen vom Menschen aus, eine Landschaft ist daher stets kulturell konstruiert: Auch ein Wald, der noch nie bearbeitet wurde, also als «Urwald» gelten mag, wird aus kultureller Sicht erkannt und als solcher bezeichnet. Jeder Wald ist daher insgesamt sowohl von Natur als auch von Kultur geprägt, wobei die Kultur zu einem Teil den kultivierenden Einfluss des Menschen meint und zu einem anderen Teil die Ideen, die von Menschen zum Wald geäußert werden. Die Natur des Waldes tritt uns in seinem augenblicklichen Erscheinungsbild entgegen. Aber zu jedem Moment laufen dort natürliche Entwicklungen ab, die zu Veränderungen führen. Diese Prozesse sind für die Naturwissenschaft interessant: Fotosynthese und Atmung, die Beteiligung am Kreislauf des Wassers, das Wachstum der Pflanzen, die davon abhängige Entwicklung der Tierwelt und das Nahrungsnetz, die Symbiosen der Bäume und anderer Pflanzen mit anderen Lebewesen, in deren Verlauf Mineralstoffe durch die Bäume und den ganzen Wald transportiert werden oder Stickstoff aus der Luft fixiert wird, das Absterben der Bäume, der Abbau biologischer Substanz, der Ersatz eines abgestorbenen Baumes durch einen anderen, neu nachwachsenden. Alle diese natürlichen Entwicklungen führen auf lange Sicht zu Veränderungen des Waldes: Neue Baumarten breiten sich aus, andere verschwinden. Nichts bleibt konstant, wo Natur herrscht. Daher muss Natur auch als Prozess beschrieben werden. Kultur des Waldes meint in erster Linie dessen Nutzung, die auf sehr verschiedene Weise betrieben werden kann. Die Kultur des Waldes, die Gewinnung des sehr wichtigen und beliebten Rohstoffes Holz, kann ebenso wie natürliche Einflüsse zu einer Veränderung des Waldes führen. Man kann aber auch anstreben, einen Wald so zu pflegen, dass er als Landschaft stets ein gleiches Aussehen aufweist. Dazu muss Holz entnommen werden, das ja natürlicherweise nachwächst; nach dem Fällen eines Baumes wird die Naturverjüngung des Waldes gefördert, oder es werden neue Bäume gepflanzt. Man kann mit dem Anstreben von Stabilität das kulturelle Ziel verbinden, eine bestimmte Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten in einem Vegetationsbestand zu erhalten. Man kann sich auch dazu entschließen (auch das ist Kultur), einen Wald nicht zu bewirtschaften und auf diese Weise den natürlichen Entwicklungen freien Lauf zu lassen. Falsch aber ist es, davon auszugehen, dass Wald von Natur aus stabil ist, durch menschliche Eingriffe aber destabilisiert, aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Denn ein natürliches Gleichgewicht gibt es nicht; die vom Naturwissenschaftler betrachtete Natur führt stets zur Veränderung, genauso wie die Eingriffe des Menschen, wenn man es sich nicht zum Ziel macht, einen Wald so zu hegen und zu pflegen, dass er sich nicht verändert. Dies ist aber einzig als ein kulturelles Ziel zu...


Hansjörg Küster ist Professor für Pflanzenökologie am Institut für Geobotanik der Leibniz Universität Hannover.


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