E-Book, Deutsch, 119 Seiten
Lamm Demenz – Land des Vergessens
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-86321-677-1
Verlag: Mabuse
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein literarischer Erfahrungsbericht
E-Book, Deutsch, 119 Seiten
ISBN: 978-3-86321-677-1
Verlag: Mabuse
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Erhält ein Familienmitglied, eine Freundin oder ein Bekannter die Diagnose Demenz, ruft das oft eine große Verunsicherung hervor. Sofort tauchen Fragen auf wie "Wie muss ich mich verhalten?" und "Ist von nun an alles anders als vorher?".
Auf einfühlsame Weise nimmt Rita Lamm, erfahrene Krankenschwester und Tochter eines an Demenz erkrankten Vaters, die Leser:innen an die Hand und begleitet sie in das "Land des Vergessens". Sie erzählt kurze Geschichten aus dem Alltag und gibt Tipps für die Kommunikation und Pflege – ohne das Wichtigste aus dem Blick zu verlieren: die menschliche Begegnung. Auf diese Weise lösen sich Berührungsängste auf und die Unsicherheit schwindet.
Eine bereichernde Lektüre für alle, die mit Menschen mit Demenz zu tun haben
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Medizin, Gesundheit: Sachbuch, Ratgeber
- Sozialwissenschaften Pädagogik Pädagogik Pädagogik: Sachbuch, Ratgeber
- Geisteswissenschaften Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft: Lyrik und Dichter
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Klinische und Innere Medizin Alzheimer und Demenz
Weitere Infos & Material
Kapitel 1: Reisevorbereitungen 11
Dieses Buch möchte eine Einladung sein 11
Woher ich die Erfahrung habe, um dieses Buch zu schreiben? 12
Kein klassischer Ratgeber 14
Was man so denkt, über Menschen mit Demenz 15
Die tickt halt nicht mehr richtig! 17
Mit einer Demenz kann man … 18
Eine Reise in ein unbekanntes Land, das vielleicht gar nicht so weit weg ist 19
Bringen Sie Zeit mit! 20
Ein offenes Herz … 20
Empathie 21
Der Ton … 22
Kapitel 2: Reisegedanken und -geschichten 23
Auf eine Art bin ich frei! 23
Zeitreisende 24
Halt suchen 25
Tagtäglich Notizen machen 26
Die Traumwandelnden 26
Was für eine Frage 27
Inselhopping! 27
Gefühl und Verstand 28
Ungefilterte Gefühle 29
Tradition, Rituale und Körperlichkeit 30
Das Amen in der Kirche! Glaube 31
… Music was my first love. And it will be my last … 32
Ein Apfel und ein Messer 34
Erst mal eine rauchen! 34
Zu Tisch bitten, aber wie? 35
Gleiche Augenhöhe 35
Wie es wohl ist 36
Herausforderndes Verhalten 37
Zeit, heimzugehen 38
Toilettengang – Ein großes Thema 39
Menschen mit Demenz im Krankenhaus 41
Boxen, schlagen gilt nicht 42
Was tun im Moment? Stopp! 43
Pflegestress 44
Das wäre eine Revolution und eigentlich nur human 45
Ganz im Hier und Jetzt 45
Gemeinsam den Moment genießen oder die Kunst des Seins 46
Gemeinsames Schweigen … 46
Aktion! Gemeinsam handeln! 47
Pflege mit einer Hand in der Hosentasche 48
Positiv verstärken, Vertrauen geben 49
Im Gespräch flanieren … 49
Gemeinschaft spüren … Sich im Pool bewegen 50
Der erste Kontakt oder Ich fühle mich gut an 51
Wie mag es wohl sein? 54
Zu kalt, zu heiß, zu laut … 54
Achtsam sein 55
Austausch im Team 56
Du, bloß kein Du! Professionelle Distanz 57
Ich als Pflegeperson … 59
Validation 59
Identität stärken – Ein kleines Beispiel 60
Die Fassade halten 61
Hin- und weg… hingehen 62
Hin- und weggehen 62
Angst und eine schreckliche Situation 63
"Ich geh dann mal" – Situative Übergänge 64
Ich werde gebraucht 65
Sinnhaftigkeit 66
Routine … Sicheres Terrain, Müdemacher … 66
Feinstofflich unterwegs 68
Ich spüre, was dich bewegt 68
Resonanz, Stimmungen sind ansteckend! 69
Ein Ausflug mit Heimfahrservice 70
Ausgebrannt und alleingelassen 72
Was für eine Gesellschaft … 73
Kapitel 3: Reisetipps für Angehörige 75
Was Angehörige fühlen 75
Aufbruch … Übergang und Abschied 76
Das Tor zur Demenz oder von allem was! 77
Hadern 77
Wut und Verzweiflung 78
Ein großer Wirrwarr im Kopf und in der Seele 78
Der Neurologe, die Schulmedizin an der Seite 80
Die Depression 81
Hochintelligent und jetzt so was 82
Eine Demenz ist kein Beinbruch! 83
Eine Demenz ist ein Lebensabschnitt! 83
Ein Blick zurück in die Geschichte 84
Und meine Generation … 86
Wechselnde Rollen 87
Alte Konflikte brechen auf 87
Wer soll das bezahlen? Pflegegrade, Anträge,
Hilfsmittel, Pflegekasse, Gelder, Leistungen 88
Trauer in Raten und/oder Annehmen 89
Was füllt mein Herz, was nährt meine Seele? Selbstpflege 90
Keine Nerven mehr 91
Es kann sein … 92
Netze flechten und sich Hilfe holen 93
Sozialstation/Ambulante Pflegedienste 94
Noch ein Wort zu den Pflegediensten 94
Mach mal Pause 95
Stundenweise Betreuung zu Hause 96
Betreuungsangebote außer Haus 96
Tagespflege 98
Kurzzeitpflege 99
Der Weg ins Heim 99
Heime und ihr Ruf 100
Von Bayern nach Berlin 100
Mehr als frische Wäsche 101
Beim Besuch im Pflegeheim – Ein Horrorszenario 102
Besuch im Pflegeheim und wieder gehen 103
Zwischen den Welten 103
Du 104
Wo ist daheim? 104
Weit weg von dir in Erinnerungen 105
Die Hände meines Vaters 106
Isolation 107
Neue Kontakte 108
Loslassen 109
Begleiten, begleiten, begleiten auf vielerlei Art! 111
Das große Warum … 112
Annehmen 112
Vielleicht schließt sich ein Kreis … 113
Die Sache mit dem endgültigen Abschied 114
Sie feierten das Leben und den Tod 115
Der rote Milan 116
(.)
Kapitel 1: Reisevorbereitungen
Dieses Buch möchte eine Einladung sein
Dieses Buch, das Sie vielleicht gerade in einer Buchhandlung in die Hand genommen haben, möchte eine Einladung sein. Vielleicht kennen Sie jemanden mit Demenz, vielleicht ist in Ihrer Familie, in Ihrem Freundeskreis jemand, der die Diagnose Demenz gestellt bekommen hat, und Sie denken mit gemischten Gefühlen an diesen Menschen und an Ihre Beziehung, an die Zukunft. Sie fragen sich: Wie soll ich damit umgehen? Wie wird es sein, sich immer wieder mit diesem Wissen und der sich verändernden Situation zu begegnen? Wie gehe ich mit der Ehefrau meines besten Freundes um? Wie werden die vertrauten gemeinsamen Unternehmungen sich verändern? Sind sie überhaupt noch möglich? Was kommt da auf uns alle zu? In Deutschland gibt es zurzeit mehr als 1,6 Millionen Menschen mit Demenz. Laut Bundesgesundheitsministerium erkrankt weltweit alle drei Sekunden ein Mensch an Demenz. So ist es nicht verwunderlich, dass auch Sie früher oder später mit dieser Art von Sein in Berührung kommen. Mit diesem Buch möchte ich Sie mitnehmen und auf einem besonderen Weg begleiten. Es ist ein Weg in eine Welt, die viele fürchten und vielen ein großes Unbehagen bereitet. Er ist voller Hindernisse und bringt uns in Situationen, die man nicht unbedingt erleben möchte. Aber wie auf jedem Weg gibt es auch positive Erlebnisse, wie auf jeder Wanderung gibt es auch schöne Aussichten und sonnige und bereichernde Erfahrungen. Das Thema Demenz ist ein Lebensbereich, mit dem man eher nichts zu tun haben möchte. Aber vielleicht gelingt es Ihnen, eine andere Herangehensweise zu finden. Vielleicht gelingt es Ihnen, mehr zu erfahren über das Wesen der Begegnung zweier Menschen unter diesem Himmel, über das Lachen und das Weinen, das Zusammensein irgendwo zwischen Himmel und Erde. Ich möchte Ihnen von unvergesslichen Momenten erzählen, die sehr berührend waren, und von Begegnungen großer Intensität und Nähe. Woher ich die Erfahrung habe, um dieses Buch zu schreiben?
Ich war und bin nah dran an dem Thema und ich kann aus einem reichen Fundus von alltäglichen und praxisnahen Erfahrungen schöpfen. Ich kann aus der Perspektive der betroffenen An- und Zugehörigen erzählen. Mein Vater litt fast zwölf Jahre lang an einer SAE; eine degenerative Hirnerkrankung, bei der kleinste Blutgefäße „verkalken“ und viele Fähigkeiten zunehmend verloren gehen. Ich begleitete ihn viele Jahre, vom Beginn der Erkrankung mit psychischen Leiden wie Depressionen, Ängsten, Wahnvorstellungen bis hin zu dem sogenannten Immigrieren (dem In-sich-Zurückziehen) und den endlosen Tagen und Nächten allein in einem Zimmer im Pflegeheim. Als er im Sterben lag, saßen meine Familie und ich eine Woche lang an seinem Bett und waren schließlich um ihn, als er starb. Mehrere Jahre arbeitete ich als Pflegefachkraft in einer Wohngruppe für Menschen mit Demenz. In dieser intensiven Zeit bekam ich vermutlich nur den Hauch einer Ahnung, wie Menschen mit Demenz sich selbst und andere erleben. Viele der Personen, von denen ich erzählen werde, sind inzwischen verstorben. Die Zeit, in der ich in der Demenz-WG arbeitete, war für mich eine neue besondere berufliche Herausforderung, aber auch eine neue zwischenmenschliche Erfahrung. Durch die professionelle Sicht auf die Themen Demenz und Altern erfuhr ich einen Perspektivwechsel, der mir sehr half, mit der Erkrankung meines Vaters besser klarzukommen. Es wurde mir möglich, ihn viel mehr so zu lassen, wie er war, ihn da zu lassen, wo er war. Irgendwo zwischen den Welten. Ich konnte seine Situation, seine Form des Seins und das, was es mit uns als Familie machte, viel besser akzeptieren, ja annehmen. Auf meinen Touren von Haus zu Haus in der häuslichen oder auch ambulanten Pflege sah ich, wie viel Angehörige leisten und wie ihre Liebe, ihre Bereitschaft, sich für die Betroffenen aufzuopfern, sie manchmal langsam und stetig auslaugte. Ich sah, wie sie jede Stunde, Tag und Nacht, rund um die Uhr, über Jahre für ihre Liebsten da waren. Gemeinsam suchten wir nach Wegen, um den Alltag zu gestalten und Freiräume und Erholungsphasen zu schaffen für die Pflegenden. Gemeinsam überlegten wir, wie wir die Möbel umstellen konnten, um Stürze zu vermeiden, um das Zuhause den veränderten Fähigkeiten der Person mit Demenz anzupassen, damit sie länger zu Hause leben konnten und nicht ins Heim mussten. Alt sein und alt werden, gebrechlich werden, ist, obwohl wir in einer stark alternden Gesellschaft leben, noch immer ein Tabubereich. Wenn es überhaupt geht, möchte ich den Betroffenen eine Stimme geben. All diesen Menschen, die in Seniorenheimen, Pflegeheimen, Seniorenresidenzen, Altenheimen oder wie die Verwahrungsorte für unsere Eltern und alternden Verwandten noch genannt werden, leben, die sich verloren und alleingelassen und unverstanden fühlen. Kein klassischer Ratgeber
Dieses Buch soll kein „typischer Ratgeber“ mit Regeln von eins bis zehn sein: Wenn dies ist, tue dies usw. Es soll ein Türöffner sein, ein Schlüssel zum Herzen, zum eigenen und zu dem des Gegenübers. Wenn es gelingen würde, die Tür auch nur einen Spalt breit zu öffnen, wäre ich schon sehr froh. Ich möchte nicht alles, was mit dem Thema Demenz und Alter zu tun hat, schönreden und bunt anmalen. Es soll auch keine Gefühlsduselei sein, wenn ich von berührenden Momenten spreche oder von bewegenden Erlebnissen. Demenz hat so viele Facetten! Ich möchte keine akademische Arbeit verfassen, Menschen mit Demenz darstellen oder gar klassifizieren und die verschiedenen Formen beschreiben. Dies ist in ihrer Vielfältigkeit und durch die persönlichen Schicksale gar nicht möglich. Viele Seiten des Buches erzählen kleine Geschichten und Gedanken, die sich bildreich aneinanderreihen und mit Leich tigkeit gelesen werden können. So kann aus einzelnen Momenten und Begebenheiten ein Gesamtbild, ein Mosaik zusammenwachsen, und man kann sich in vielem wiederfinden. Mein Wunsch wäre es, dass Sie sich etwas verstanden, getröstet und gestärkt fühlen. Auch möchte ich über meine Kolleg:innen, also Pflegende, Alltagsbetreuer:innen, Altenpfleger:innen, Gesundheits- und Krankenpfleger:innen sprechen, von deren besonderer Situation, ihrer „emotionalen“ Leistung und ihrem manchmal fast übermenschlichen Beitrag für eine wärmere und herzlichere Atmosphäre in Senioreneinrichtungen. Ich hoffe, dass auch sie sich hier gesehen und verstanden fühlen und sich wertvolle Tipps holen können. Ich möchte in diesem Buch den An- und Zugehörigen einen großen Raum geben, über ihre manchmal übermächtigen Gefühle sprechen, Dinge benennen, die so mancher im stillen Kämmerlein mit sich ausmacht oder kaum aushält. Ich möchte ihnen Hinweise geben, wo und wie man sich wertvolle Hilfe und Unterstützung holen kann. Was man so denkt, über Menschen mit Demenz
In unserer Gesellschaft, die ihren Fokus auf Leistung, äußerlich sichtbare Werte, Gewinnmaximierung gesetzt hat, passen Menschen mit Demenz nicht in das Alltagsgeschehen, nicht ins Bild. Ja, sie scheinen wie eine große Zumutung, wie eine unfassbare Herausforderung. Menschen mit Demenz stören. Man versteht sie nicht. Sie sind wie Sand im Getriebe. Sie scheinen wie eine unheilvolle Bedrohung und wie eine Mahnung, die man nicht hören will. Sie bringen uns mit etwas in Kontakt, sie sprechen etwas in uns an, das wir nicht gebrauchen können, mit dem wir uns nicht auseinandersetzen wollen. Wir wollen geistig fit sein, wir wollen alles verstehen und organisieren können, unser eigenes Leben regeln können. Die Veränderungen unserer Zeit erfassen und adäquat agieren und reagieren können. Wir wollen auf der (geistigen/mentalen) Höhe sein. So leben, dass wir alles gestalten können. So leben, dass wir auch neue Ideen und Aufgaben oder Herausforderungen unserer Zeit locker erfassen und verstehen können. Wir wollen up to date sein. Menschen mit Demenz zeigen uns, wie es ist, nicht mehr zu funktionieren. Menschen mit Demenz sind die Verräter:innen unserer Errungenschaften, sie sind die, die sich eine Flucht erlauben, aus den Normen ausbrechen, die sie uns womöglich selbst ein Leben lang eingebläut haben. Sie sind die, die flüchten, aus festen Strukturen, aus dem Status, alles zu wissen und zu können, aus dem Bild, alle Aufgaben unseres Lebens bewältigen zu können, auf alle Fragen eine Antwort zu haben. Sie sind die Gesellschaftsflüchtigen. Sie sind die, die uns verlassen, ganz still und heimlich oder laut und vehement, mit Geschrei und Flüchen Tag für Tag, Nacht für Nacht, über die Jahre … Dabei gibt es doch den Spruch: „Keiner verlässt den Saal!“ Der Vater war doch immer verlässlich, er hat mich Treue und Pflichtbewusstsein und Korrektheit gelehrt. Auf ihn war ein Leben...