E-Book, Deutsch, 432 Seiten
Lancelot Die Zeit
2. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7504-4797-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 432 Seiten
ISBN: 978-3-7504-4797-4
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Autor Stefan Köbrich, geboren 1968 in Hirschberg an der Saale, schreibt seit nunmehr 10 Jahren unter dem Pseudonym Sir Lancelot, aber bisher nur für sich privat. Jetzt möchte er sich seinen Wunsch erfüllen und das erste Buch mit der Öffentlichkeit teilen. Leider wurde das Exposé von allen angeschriebenen Verlagen abgelehnt. In der Coverdesignerin Juliane Schneeweiss, fand er eine hilfreiche Freundin, die ihm das Buchcover erstellte und den Selbstverlag BoD empfahl. Sie ermutigte ihn, seinen Weg zu gehen. Die zweite überarbeitete Auflage gehört zur Buchreihe "Die Zeit".
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1: Der Fund
1960 im Süden von England.
Ein junger Mann ging auf einer Allee geradewegs auf ein altes Haus zu, in dem er ein Interview führen sollte. Die lange Kastanienallee säumte auf beiden Seiten den Weg zu dem schon etwas baufälligen Gemäuer. Es fiel ihm schwer, über das nasse Kopfsteinpflaster zu gehen. Mit seinen ausgelatschten Schuhen rutschte er immer wieder zwischen die Steine. Ständig knickte er um und musste den Pfützen ausweichen. Das war nicht nur nervig, sondern auch sehr schmerzhaft. Fast so schmerzhaft wie seine Tasche. Diese alte, braune Ledertasche hatte er sich umgehängt. Sie war schwer. Ein Tonbandgerät mitzunehmen – wer kam denn auf so eine Idee? Sein Chef hatte darauf bestanden, eine Tonaufnahme zu bekommen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte er nur einen Schreibblock und einen Bleistift mitgenommen, um sich Notizen zu machen. Der Gurt drückte auf seiner Schulter und die machte sich schmerzhaft bemerkbar. Er war aber energisch und entschlossen. Seit Monaten hatte er schon keinen Auftrag mehr von seiner Zeitungsagentur bekommen. Die Miete war schon längst überfällig. Ohne diesen Job würde er mal wieder auf der Straße sitzen.
Kalt war der Morgen, aber den leicht süßlichen Geruch der Kastanienblüten nach dem Regen genoss er so richtig in vollen Zügen.
Seltsam, dass es hier so still war. Wo war das laute Vogelzwitschern, das ihn sonst jeden Tag gegen vier Uhr morgens aus dem Schlaf riss? Er versuchte, zwischen den Zweigen die einheimischen Vögel zu finden, aber vergebens. Nichts rührte sich. Nur die Sonne blinzelte ihm durch die regennassen Blätter ins Gesicht, sodass er die Augen zu Schlitzen zusammenkneifen musste. Plötzlich näherte sich von hinten ein klackerndes Geräusch. Erschrocken drehte er sich um und konnte gerade noch zur Seite springen. Eine pechschwarze Kutsche mit zwei Pferden, die schon weißen Schaum vor dem Maul hatten, preschte an ihm vorbei. Natürlich landete er bei dem Sprung zur Seite mit seinen Schuhen in einer Pfütze.
Na großartig, dachte er sich, mit nassen Füßen zum Interview. Wenn ich mir da nur keine Erkältung einfange. Wer hatte es nur um diese Zeit so eilig, dass der die Pferde so antrieb?
Als er das Haus erreichte, hielt er kurz inne. Es war ein altes Herrenhaus mit grauen Backsteinen.
Wilder Wein hatte schon fast das ganze Haus erobert. Vom Dach bis zur Treppe wucherte er in einem satten Grün vor sich hin.
Zehn lange, vom Zahn der Zeit angenagte Stufen führten zu der großen Eingangstür aus Eichenholz, an der er weder eine Glocke noch einen Türklopfer fand.
Es sah aus, als ob die Tür fest im Griff von Spinnen war und deren Netze die ganze Tür zusammenhielten.
Rechts und links neben der Tür schlugen die Fensterläden im Rhythmus des sanften Windes, der immer wieder kurz ums Haus wehte, gegen die Scheiben. Sein Herz schlug schon bis zum Hals bei dem Gedanken, was ihn drinnen erwarten würde, wenn es hier draußen schon so unheimlich war.
An der Tür hinter dem wilden Wein, der darüber wucherte, befand sich ein verrosteter Ring eines Türklopfers. Den habe ich ja noch gar nicht gesehen, dachte sich der Journalist.
Wahrscheinlich hielt der Wein neben den Spinnennetzen ebenfalls das ganze Haus zusammen.
Der Journalist zögerte kurz, doch dann streckte er die Hand durch die Weinranken nach dem Ring aus. Sofort zuckte er wieder zurück. Etwas Schwarzes sprang auf ihn zu und bevor er deuten konnte, was es war, machte er lieber einen Ausfallschritt zurück.
Das hätte er sich besser überlegen sollen. Die oberste Stufe, die nach unten führte, war doch näher hinter ihm, als er gedacht hatte.
Er fiel rücklings die Treppe hinunter und landete unsanft, mit dem Po voran, in der Pfütze vor dem Haus. Bevor er sich aber sammeln konnte, nahm er dieses Etwas wahr, das ihn besprungen hatte. Es saß auf seiner Krawatte und blickte ihn mit acht Augen an.
»Eine Spinne!«, schrie er vor lauter Angst und schlug wie wild auf sich und die Spinne ein. Als er seine Augen wieder öffnete und die Hände im Griff hatte, war nur noch eine grüne schleimige Masse auf seiner Krawatte übrig.
Verdammt, dachte er. Wie sehe ich denn jetzt aus! So kann ich doch nicht zum Interview erscheinen.
Völlig durchnässt und die Angst noch im Nacken, stieg er die Stufen wieder nach oben und mit seinem ganzen Mut klopfte er mit dem Ring an die Tür. Zwei dumpfe Schläge hallten in das Haus. Stille. Nur die vielen Spinnen zogen weiter ihre Netze um den Eingang, als ob sie verhindern wollten, dass er hineinging.
Die Tür öffnete sich plötzlich, aber nur langsam mit einem knarrenden Geräusch. Es schien, als ob sie vor Schmerzen jammerte. Da sind wir ja schon zwei, dachte er sich und zwang sich ein Lächeln ins Gesicht.
Eine junge Dame wurde durch den Türspalt von der aufgehenden Morgensonne geblendet. Sie fragte mit zusammengekniffenen Augen nach dem Begehr des jungen Mannes. Nachdem er sich erklärt hatte, wurde die Tür ganz geöffnet.
»Mein Gott, wie sehen Sie denn aus?«, fragte sie den jungen Mann.
Er hatte schnell seine Misere erklärt und bekam etwas Trockenes zum Anziehen. »So, das sollte genügen, bis Ihre Sachen trocken sind.«
Er bedankte sich bei der Haushälterin. Doch sie gab ihm zu verstehen, dass es ja ihre Arbeit als Bedienstete sei.
»Warten Sie hier, junger Mann.« Dann verschwand sie nach oben. Der Journalist schlenderte ein wenig im Eingangsbereich herum. Alles war mit weißen Tüchern verhüllt. Der Staub wurde bestimmt schon Monate nicht mehr weggewischt. Es sah so aus, als ob die Zeit hier stehengeblieben wäre.
»Junger Mann«, schallte es von oben aus der Bibliothek. »Kommen Sie bitte hoch.«
»Wo ist er?«, fragte der junge Mann, der übrigens Journalist bei der London Times war. »Guten Tag, Professor«, sagte er höflich.
Es vergingen einige Minuten des Schweigens bis …
»Die Zeit. Die Zeit. Wie soll ich es nur wiedergutmachen?«, sagte der Professor mit heiserer Stimme.
Im Lehnstuhl saß ein grauhaariger Mann, schätze mal so um die 90 Jahre, und starrte aus dem Fenster. Im Kamin war nur noch ein Stück Holz, das mit einer kleinen Flamme vor sich hin glimmte.
»Ich wollte nicht, dass es so weit kommt«, sagte ich zu dem Journalisten.
»Was wollen Sie wiedergutmachen und was sollte nicht so weit kommen?«, fragte er mich.
Der Journalist stellte sich als Joe Hager vor. Übrigens sah er genauso aus, wie er hieß. Groß, dünn und von blasser Gestalt. Bestimmt kam er nicht viel raus, um zu recherchieren, sondern saß im Times-Keller, um den wichtigeren Journalisten die Artikel zu schreiben.
Er hockte sich auf das Parkett neben meinen Lehnstuhl. Ich hob langsam, wie in Zeitlupe meinen Kopf. »Am besten fange ich ganz von vorn an.«
Joe stellte sein Mikrofon auf einen kleinen Beistelltisch, drückte den Aufnahmeknopf des Tonbandes und machte es sich bequem.
Ich schaute nachdenklich zu Joe Hager und fing an, ihm meine Geschichte zu erzählen.
Es begann vor ungefähr fünf Jahren. Ich war in der Blüte meines Lebens. So Mitte 40, hatte alles: ein Haus und eine wunderschöne Frau. Sina war ihr Name. Außerdem war ich ein erfolgreicher Archäologe. Dieser schicksalhafte Tag war kein Tag wie jeder andere. Alles ging schief an diesem Morgen und es war nicht einmal Freitag, der 13.
Sogar die Natur war irgendwie anders. Die Vögel sangen nicht wie jeden Morgen, die Sonne ging blutrot am Horizont auf und der Nebel lag wie ein weißes Tuch auf der Wiese vor dem Haus. Ach übrigens habe ich mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Eric Le Grand. Ich war auf der Suche nach einem Buch, das ich schon lange der Bibliothek schuldig war. Überall suchte ich es. Nichts, wie vom Erdboden verschwunden. Doch da war noch der uralte Keller von diesem Haus, in den ich so ungern ging. Der war bestimmt doppelt so alt wie das Haus selbst.
Schon bei diesem Modergeruch schnürte es mir die Kehle zu. Überall Spinnweben und diese feuchten, kalten Steine, brr, einfach schauderhaft. Man kam sich vor wie in einer dunklen Gruft. Lebendig begraben. Aber das war die einzige Stelle, an der ich noch nicht war. Ich nahm also meinen ganzen Mut zusammen und natürlich eine Taschenlampe, weil ja das Licht im Keller wie immer nicht ging. Sollte ich wohl doch mal reparieren. Stufe für Stufe ging ich langsam hinunter. Der Lichtstrahl der Lampe immer schwenkend vor mir her. In dem fahlen Licht der Lampe kamen Gerümpel, Holzkisten, Flaschen und Regale mit uralten Staubschichten zum Vorschein. Wo soll ich hier das Buch nur finden? Plötzlich gab die Lampe ihren Geist auf. Ich klopfte noch ein paarmal auf das Batteriefach, aber es blieb dunkel. Auf einmal verspürte ich einen Schlag auf den Kopf und mir wurde schwarz vor Augen. Kurze Zeit später rappelte ich mich mit Kopfschmerzen wieder auf. Ich musste mich an einem Balken gestoßen haben. Da das ja heute nicht mein Tag war, fiel auch noch die Kellertür mit einem lauten Knall ins...




