Leitner | Alpengold 356 | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 356, 64 Seiten

Reihe: Alpengold

Leitner Alpengold 356

Wenn ein Mädchenherz erwacht
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7517-1695-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wenn ein Mädchenherz erwacht

E-Book, Deutsch, Band 356, 64 Seiten

Reihe: Alpengold

ISBN: 978-3-7517-1695-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Bis zum heutigen Tag hat die schöne Maresi, Tochter des hochverschuldeten Glockenhof-Wirts, stets alle Männer abgewiesen. Keiner war dem anspruchsvollen Dirndl gut genug, keiner konnte Maresis Herz gewinnen.
Dann aber quartiert sich im Dorfgasthof Felix Ulmer ein - attraktiv, charmant und sehr geheimnisvoll. Er gesteht dem bezaubernden Mädchen seine Liebe, und Maresis Herz steht plötzlich in Flammen. Spät erfährt sie, dass Felix ihr nicht seinen richtigen Namen genannt hat und dass er aus einem ganz bestimmten Grund in den Glockenhof gekommen ist.
Maresi ist verzweifelt. Wie soll sie den Liebesschwüren eines Mannes glauben, der mit einer Lüge in ihr Leben getreten ist?

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Wenn ein Mädchenherz erwacht

Sie verliebt sich ausgerechnet in den Feind des Vaters

Von Monika Leitner

Viele Jahre ist es her, seit ihr Bruder über Nacht vom Glockenhof verschwand – und bis heute weiß Marie-Theres nicht, warum. Die Mutter wurde damals krank vor Kummer und starb bald darauf, der Vater schweigt nach wie vor hartnäckig und wird von Jahr zu Jahr verbitterter.

Marie-Theres wünscht sich nichts sehnlicher, als ihren Bruder irgendwann wiederzusehen und die Wahrheit zu erfahren. Da tauchts eines Tages ein geheimnisvoller Fremder auf dem Glockenhof auf – und mit ihm erwacht nicht nur Marie-Theres' Herz, sondern auch auf die Fragen der Vergangenheit gibt es eine erschütternde Antwort ...

Der große Saal des hübschen Hotels Schwarzwaldmädl in Hügelau war voll besetzt. Der Bürgermeister hatte zur Hochzeit seiner Tochter geladen, und es hatte keinen gegeben, der dieser Einladung nicht gefolgt wäre.

Gerold Weber, der einunddreißigjährige Wirt, hatte sich in der Welt umgeschaut und den Meistern in die Töpfe geblickt, wann immer er konnte. Nach der Lehre beim eigenen Vater hatte er in berühmten Speiselokalen im nachbarlichen Elsass gearbeitet, danach hatte er sich zwei Jahre lang als Koch auf einem noblen Kreuzfahrtschiff verdingt.

Kein Wunder, dass die in Grolsheim gelegene Hotelfachschule den jungen Meister bald zu Lehrgängen engagiert hatte. Auch in der Jury saß Gerold Weber. Unbestechlich fällte er sein Urteil und gab er seine Benotung.

Marie-Theres Ginhart hatte vor Kurzem ihre zweijährige Ausbildung mit einem hervorragenden Zeugnis abgeschlossen. Als sie dann noch bei dem halbjährlich stattfindenden Probekochen den ersten Preis davengetragen hatte und eine Urkunde von Gerold Weber bekam, war sie überaus stolz darauf.

Noch stolzer aber war sie, als er ihr dann angetragen hatte, das Hochzeitsessen für die Bürgermeisterstochter gemeinsam mit ihm zusammenzustellen und zuzubereiten.

Jetzt waren die Gäste voll des Lobes über die klare Wildkraftsuppe mit einer Einlage, die sie noch nie gegessen hatten und die Marie-Theres Ginhart erfunden hatte: Flaumige Nockerln aus Fasanenleber. Danach gab es badischen Hecht, Spanferkel-Rücken und Maultäschle, deren pikante Füllung ein Geheimnis von Gerold Weber war. Nach der deftigen Käseplatte gab es eine Süßspeise, deren von ihr erfundenes Rezept Marie-Theres nicht einmal Gerold verraten hatte. Es waren weiße Pfirsiche in schaumigem Quittengelee mit Zitronensaft und dazu hauchdünne Nussflädle.

»Für deinen Pfirsich kriegscht noch einen Extrapreis, Mädle«, rief Gerold Weber freudestrahlend aus, als er in die Küche kam, wo Marie-Theres leicht erschöpft und zerzaust am Tisch lehnte.

»So was hätte sie noch nie gegessen und ich ja auch net. Das Rezept darfst dir patentieren lassen, ich werde das dem Fachausschuss deutscher Küchenmeister vorschlagen.«

»Wirklich?«, rief Marie-Theres und wischte sich eine Strähne ihres dunkelbraunen Haares unter die Kochhaube zurück. »Das freut mich aber schon narrisch, da hat sich's Probieren und Sinnieren gelohnt.«

»Ruh dich aus und komm hinein, sie warten auf dich, Marie-Theres«, bat Gerold Weber, der braunhaarige und für seine Jahre etwas zu beleibte junge Wirt des Schwarzwaldmädl. »Sie wollen dich doch beglückwünschen zu deinen Künsten. Und mich auch.«

Marie-Theres sah ihn fragend an, und er lachte leicht verlegen. »Na ja, zu dir wollen sie mich beglückwünschen.«

Brüsk wandte sich Marie-Theres ab.

»Ich muss noch helfen, die Platten mit dem Schwäbischen Apfelkuchen und der Schwarzwälder Kirschtorte zum Kaffee herzurichten. Die anderen werden damit allein net fertig.«

Eine Unmutsfalte bildete sich auf seiner Stirn, und Marie-Theres wollte rasch gutmachen, dass sie etwas schroff gewesen war.

»Wenn sie mich loben, hab ich es dir zu verdanken, Gerold. Da hab ich viel abgeschaut und gelernt, schon in der Fachschule und erst recht hier, wo ich seit einer Weile mitmachen darf.« Lachend zog sie sich die Haube vom Kopf. »Heute Abend zeigst du mir noch einmal die ganze Kalkulation von dem Hochzeitsessen, das hast du mir versprochen, Geri. Ich muss ja so etwas wissen, wenn ich daheim den Glockenhof führen werde.«

Er runzelte die Stirn, wollte schon sagen: Ach, das wirst du nie, weil ich dich vorher heirate und dein Vater dich gar nicht daheim haben will. Aber als er ihre ernsten Augen sah, schwieg Gerold.

Draußen im Schankraum wurden streitende Stimmen laut, und der junge Wirt eilte hinaus, um die Ruhe wiederherzustellen.

Seufzend ging Marie-Theres in den kleinen Raum neben der Küche, der als Umkleide für das Küchenpersonal diente, das nicht im Haus wohnte.

Sie wusch sich das heiße, verschwitzte Gesicht und die Arme, kämmte sich und zog das dort bereitgehängte alte Kärntner Dirndlkleid an. Es hatte ihrer Urgroßmutter gehört, die einst aus dem Drautal hinauf nach Velldach gekommen war, um Jakob Ginhart zu heiraten. Sehr spät hatten die beiden ihren einzigen Sohn Lauritz bekommen.

Als sie das Kleid ansah und dann überstreifte, überfiel Marie-Theres wieder das Heimweh nach ihrem Alpental, das Heimweh nach dem Glockenhof unter den zerklüfteten Wildhörnern, das Heimweh nach dem dunklen See ihrer Kindheit, in dem sich der Weißenstein wie ein Diamant gespiegelt hatte.

Trauer lag in ihren schwarzen Kirschenaugen, als Marie-Theres den Ausschnitt des Gewandes zurechtzupfte und in den Spiegel sah. Sie wusste: Es war nicht nur diese Sehnsucht nach der Heimat, sondern stärker noch das Heimweh nach dem Vater, den sie so sehr liebte. Warum hielt er sie fern vom Velldacher Alpental, fern von sich?

Nie hatte sie heimfahren dürfen in all der Zeit, die sie nun bei der Tante im Schwarzwald war.

»Sich einmal durchbeißen und den Wünschen nicht nachgeben, das stärkt fürs ganze Leben, Maresi«, hatte der Vater gesagt. »Wenn du mit der Schul' fertig bist, dann sehen wir weiter.«

Zwei-, dreimal hatte er sie in Hügelau besucht, immer nur einen Tag lang, als triebe eine innere Unruhe ihn so bald schon wieder fort von ihr.

Beim letzten Mal, vor einem Dreivierteljahr, am Weihnachtstag, hatte er durchblicken lassen, dass er ihr ganz gern die Zügel vom Glockenhof in die jungen Hände legen würde.

»Schau, dass du möglichst viel profitierst von der Schule, nicht nur das Theoretische. Danach kannst du ja irgendwo eine Stellung annehmen, um in die Praxis zu kommen.«

»Eine Stellung?« Wie ein Aufschrei war es aus ihr gebrochen. »Willst du mich denn nimmer daheim haben, nimmer bei dir, Vater?«

Er hatte die Lippen zusammengepresst und war weiß geworden. Kummervoll hatte er sie angeschaut, mit einem rätselhaften Ausdruck in den Augen.

»Freilich will ich, aber ich will zugleich doch auch das Beste für dich, Dirndl«, hatte der Vater erwidert.

»Das Beste ist daheim, davon bringst du mich nicht ab, und ich denk', wenn ich schon gelernt hab, früher auf der Hauswirtschaftsschule und jetzt das Hotelfach, dann setz' ich meine Kraft doch am gescheitesten für die eigene Sache ein, oder?«

»Ja, freilich«, hatte der Vater zugegeben. »So ist es ja auch geplant, und ich tät' lügen, wenn ich verschweigen würde, dass mir deine Hilfe schon recht käm'. Ich fühl' mich arg müd' und über meine Jahre hinaus verbraucht.«

»Dann sei doch froh, dass du mich hast, Vater!«

»Das bin ich, Maresi, weiß Gott«, hatte er gerufen. Und leise hinzugesetzt: »Aber ich möchte dich vor allem Übel behüten.«

Seither zerbrach sich Marie-Theres den Kopf darüber, welches Übel im Besonderen der Vater damit wohl gemeint haben konnte.

***

Am Abend kamen Gerold und Marie-Theres nicht mehr zu den Abrechnungen. Im großen Saal ging es hoch her, denn die Musik spielte zum Tanz auf.

Natürlich absolvierte der junge Wirt alle Pflichttänze, aber so oft wie möglich holte er Marie-Theres und wirbelte mit ihr über das Parkett.

So manches Mädchen aus Hügelau und noch mehr deren Mütter sahen mit schiefem Lächeln, wie sich der Wirt um die »Auswärtige«, die hier bei ihnen doch gar nichts zu suchen hatte, bemühte.

Gerold hatte Marie-Theres die entscheidende Frage noch nicht gestellt. Sie spürte seine Wünsche jedoch schon lange, und es hätte nicht seines festen Zugriffs beim Tanz und der beredten Sprache seiner Augen bedurft, um ihr die ihren zu öffnen.

***

Der nächste Tag, an dem die Wirtschaft geschlossen war, verging mit Aufräumarbeiten nach der turbulenten Hochzeitsfeier. Nach ein paar Stunden bekam das Personal frei, es durfte nicht um den wohlverdienten Ruhetag gebracht werden.

»Jetzt reicht es aber, Marie-Theres, du hast genug geschuftet den ganzen Tag und hockst jetzt schon zwei Stunden über den Büchern«, sagte Gerold am Nachmittag.

»Ich bin nicht müde, Geri, überhaupt nicht. Mir ist es wichtig, dass ich das alles versteh', weißt du.«

Er ging zu ihr hin und setzte sich auf die...



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