Lercher Der letzte Akt
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7099-3566-8
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 1, 110 Seiten
Reihe: Lisa Lercher Krimis
ISBN: 978-3-7099-3566-8
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Auf eigene Faust
Um der Schauspielerin Antonia dabei zu helfen, einem sexistischen Stadtrat einen Denkzettel zu verpassen, beschafft ihr die Beamtin Anna belastende Unterlagen. Doch als Antonia stirbt, findet die harmlose Verschwörung ein jähes Ende. War es Selbstmord, ein Unfall, oder gar Mord?
Anna will das Rätsel um Antonias Tod lüften und beginnt zusammen mit ihrer besten Freundin, der Gelegenheitsjournalistin Mona, Nachforschungen. Ohne es zu merken, bewegt sich Anna plötzlich auf immer dünner werdendem Eis ...
Eingebettet in ein authentisches Setting mit einem erfrischend natürlichen Personal, besticht Lisa Lercher in ihrem mitreißenden Krimidebüt mit präzisen Milieustudien und trockenem Humor.
***Packende Krimihandlung rund um ein gesellschaftspolitisches Dauerthema. Authentische Dialoge und atemlose Spannung garantiert!***
Weitere Krimis von Lisa Lercher:
- Der Tote im Stall. Kriminalroman
- Ausgedient. Kriminalroman
- Die Mutprobe. Kriminalroman
- Zornige Väter. Kriminalroman
- Mord im besten Alter. Kriminalroman
Autoren/Hrsg.
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“Na endlich”, Thomas mürrischer Gesichtsausdruck spricht Bände. “So ein freundlicher Empfang, eine Wohltat am frühen Morgen.” Thomas ist nicht in der Stimmung, sich von meinem Sarkasmus entwaffnen zu lassen. “Heute war schon die Hölle los und du kommst zu spät.” Seine Correktness kann mich manchmal auf die Palme bringen. Ich atme tief durch, bevor ich antworte. “Sorry, mein Wecker war nicht eingeschaltet und meine innere Uhr geht manchmal nach.” Thomas wirft mir einen gelben Zettel auf den Tisch. “Du sollst dich beim Chef melden, Mona Dingsbums anrufen und die Beratungsstelle für vergewaltigte Frauen will auch einen Rückruf.” Ich hasse es, mit Aufträgen bombardiert zu werden, noch ehe ich meinen Morgenkaffee getrunken habe. Ich knalle meinen Rucksack auf den Tisch und ziehe meinen Mantel demonstrativ langsam aus. Dann krame ich nach meinem Frühstück, einem Kürbiskernweckerl mit Käse und lege es auf den gelben Zettel. Den Rucksack hänge ich mit meinem Mantel in den Spind. Thomas sieht mir währenddessen ungeduldig zu. “Der Chef klang dringend,” setzt er nach. “Ist schon gut. Ich bin weder blind, noch taub und auch nicht blöd”, stelle ich erbost klar, “und ich habe keinen Bock, mich von dir anmeckern zu lassen, nur weil ich eine halbe Stunde zu spät bin.” Thomas schnaubt verärgert und klappt den Ratgeber, der vor ihm auf dem Schreibtisch liegt, heftig zu. So aufgebracht habe ich ihn selten erlebt. Selbst wenn er sich mit unserem Chef streitet, wirkt er versöhnlicher als jetzt. Ich frage mich, welche Laus ihm über die Leber gelaufen ist. Vielleicht hatte er Krach mit seiner Freundin? Hat er momentan überhaupt eine Freundin? Es ist verwunderlich, wie wenig ich über Thomas’ Privatleben weiß. Dabei ist er einer der wenigen Männern, mit denen ich von Zeit zu Zeit intime Gespräche führe. So viel Offenheit kenne ich nur von wenigen Männern aus meinem Bekanntenkreis. Es macht Spaß, sich mit Thomas zu unterhalten - normalerweise. Im Augenblick glaube ich aber nicht, daß es Sinn macht, ihn auf seine üble Laune anzusprechen. Abgesehen davon habe ich keine Lust, mich als Florence Nightingale zu betätigen und seelische Verletzungen zu versorgen. Ich bin mehr als verstimmt, meinen Tag mit einem derart mies gelaunten Kollegen beginnen zu müssen. Sogar die Lust auf den Kaffee ist mir inzwischen vergangen. Ich klemme meinen Tischkalender unter den Arm und suche nach einem Kugelschreiber. Dann verlasse ich wortlos das Zimmer. Der Chef logiert ein Stockwerk höher. Das hat den Vorteil, daß er es sich genau überlegt, ob er sich über die 17 Stufen in den zweiten Stock begeben soll, um uns bei der Arbeit zu kontrollieren. Meist ist ihm das Treppensteigen zu mühsam und er zitiert uns zur Befehlsausgabe zu sich. Im Stiegenhaus begegnet mir Oberamtsrat Medelka. Mein freundliches “Guten Morgen Herr Oberamtsrat”, quittiert er mit einem kurzen Kopfnicken, würdigt mich jedoch keines Blickes. Er vertraut anscheinend darauf, daß sich Emanzen, wie ich seiner Meinung nach eine bin, einfach in Luft auflösen, wenn man sie lange genug ignoriert. In einer anderen Epoche hätte er seine Abneigung sicher deutlicher ausgelebt. Vielleicht mit einem Buckelkorb auf dem Rücken, mit dem er im Wald Holz für den Scheiterhaufen gesammelt hätte. Diese Vorstellung würde ich ihm gern bei Gelegenheit auseinandersetzen. Ich fürchte nur, daß ich die Chance dazu nie bekommen werde. Antonia wird einiges an Überzeugungskraft aufbieten müssen, um den Oberamtsrat von der Förderungswürdigkeit ihres Projektes zu überzeugen. Er hat nämlich ein gewichtiges Wort in der Zuerkennung von Budgetmitteln mitzureden. “Herein”, antwortet eine sonore Frauenstimme auf mein Klopfen. Frau Wallner zieht die Kopfhörer von ihren Ohren. Sie ist offensichtlich dabei, einen Brief vom Diktaphon in den Computer zu tippen. Um ihre auftoupierte Dauerwellenfrisur nicht in Unordnung zu bringen, hat sie das Gerät so aufgesetzt, daß der Bügel unter ihrem Kinn hervorragt. Neben der Tastatur liegen zwei große runde Ohrklips. Vermutlich Lapislazuli in Gold gefaßt. Das blaue Oberteil ihres Kostüms ist weit ausgeschnitten. Auf dem Ansatz ihres mächtigen Busens liegt verloren ein zum Klips passender Anhänger. Er hebt und senkt sich sanft, als würde er auf Wellen schaukeln. “Guten Morgen Frau Doktor. Nehmen sie bitte einen Augenblick Platz. Der Herr Senatsrat telefoniert gerade.” “Danke”, sage ich und setze mich in einen der beiden Sessel, die neben dem Buchenholztisch in der Besucherecke stehen. Frau Wallner lächelt mir ermutigend zu. Ihr mütterliches Gehabe wirkt, sofern man dafür empfänglich ist, beruhigend, wenn man zum Chef zitiert wird und nervös auf das, was nun kommen wird, warten muß. Manchmal frage ich mich, ob er seine Opfer über eine versteckte Kamera beobachtet. Ich sehe ihn vor mir, wie er sich schadenfroh die Hände reibt, während er zusieht, wie sein Opfer zunehmend die Nerven verliert und sich verstohlen die klammen Hände an der Hose oder am Rock abwischt. Mich würde interessieren, nach welchen Kriterien er entscheidet, daß der oder die Betreffende weich genug gekocht ist, und er sie oder ihn hereinholen läßt. “Alles in Ordnung?” fragt Frau Wallner besorgt. “Ja, warum?” ob sie mir meine Nervosität anmerkt? “Sie sehen blaß aus.” “Das macht mein niedriger Blutdruck. Ich brauche am Morgen einige Zeit, bis der Kreislauf anspringt,” versuche ich abzulenken. “Möchten Sie vielleicht eine Tasse Kaffee?” Unter anderen Umständen würde ich mit Freuden annehmen. Nachdem mein Adrenalinspiegel ohnehin bereits sehr hoch ist, würde ein Kaffee diesen Zustand nur noch verstärken. Ich lehne dankend ab. ‘Was macht dich so hektisch?’ frage ich mich, um mich zu beruhigen. Senatsrat Schneider macht mich immer nervös. Irgendwie ist mir seine Gegenwart unangenehm. Ich kann den Grund dafür nicht nennen. Dazu kommt, daß ich schon immer Angst vor Cholerikern hatte. Vielleicht weil sie mich an meinen Vater erinnern. Oft genügen winzige Anlässe, um den Senatsrat in einen rasenden Berserker zu verwandeln. Seit seine Abteilung verkleinert worden ist, ist es noch schlimmer geworden. Frau Wallner scheint gut mit ihm auszukommen. Vielleicht fürchtet er sich vor seiner resoluten Vorzimmerdame, die in einer Wagner Oper ohne Schwierigkeiten als Brunhilde einspringen könnte. Wahrscheinlich will er sie auch nur bei Laune halten, weil sie als Barriere zum Pöbel unverzichtbare Dienste leistet. Sie hält ihm unangenehme Anrufe vom Leib, verleugnet ihn, wenn es nötig ist und versorgt ihn jeden Vormittag mit einem geschälten Apfel. Frau Wallners manikürter Zeigefinger mit dem blutrot gelackten Nagel drückt auf die Sprechanlage. “Herr Senatsrat, die Frau Doktor wäre jetzt da”, flötet sie, nun mindestens eine Oktave höher. “Soll hereinkommen”, knattert eine Männerstimme aus dem Apparat. Die Stimme könnte genausogut einem Meuchelmörder gehören, der uns den alten Sklaventreiber vom Hals geschafft hat und im Augenblick noch neben dem reglosen Körper des Senatsrats verweilt, um im nächsten Moment aus dem Fenster zu fliehen. 'Aber würde ein Mörder auf die Sprechanlage reagieren und so riskieren, entdeckt zu werden? fragt die Stimme in mir, die sich schon öfter als Gärtner mit der Heckenschere im Garten meiner blühenden Phantasie betätigt hat. Frau Wallner lächelt schon wieder. “Der Herr Senatsrat läßt bitten”, übersetzt sie und blinzelt mir verschwörerisch zu. Während ich aufstehe, wische ich meine feuchten Hände ein letztes Mal an der schwarzen Flanellhose ab. Als ob ich es geahnt hätte, daß mir heute noch ein Termin beim Chef bevorsteht, habe ich anstatt der Jeans ein amtsgemäßes Outfit gewählt. Schwungvoll klopfe ich an die Doppelflügeltür. “Herein,” höre ich undeutlich, bevor ich die große Messingklinke herunterdrücke. Die Tür öffnet sich mit einem leichten Quietschen, das den Senatsrat offenbar nicht genug stört, um es von einem Haustechniker beheben zu lassen. Möglicherweise hat er aber auch schon einen diesbezüglichen Antrag gestellt und muß nun das übliche halbe Jahr auf die Erledigung warten. Der dicke Perserteppich, auf den der Senatsrat aufgrund seines Dienstalters und seiner Stellung Anspruch hat, schluckt meine Schritte, die weiterhin forsch hätten klingen sollen. Die Einrichtung des Zimmers könnte man als gediegen und ein wenig altmodisch bezeichnen. Der Computer auf kleinen Beistelltischchen, das so gar nicht zum Rest des Mobiliars paßt, wirkt wie ein Vorbote kommender...