Lercher | Zornige Väter | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 115 Seiten

Reihe: Lisa Lercher Krimis

Lercher Zornige Väter

Kriminalroman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7099-3567-5
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 5, 115 Seiten

Reihe: Lisa Lercher Krimis

ISBN: 978-3-7099-3567-5
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In ihrem Kriminalroman "Zornige Väter" blickt die österreichische Krimiautorin Lisa Lercher hinter die Kulissen vermeintlich funktionierender Familien - und trifft wieder den Nerv unserer Zeit:
Zwischen unerbittlichen Scheidungskriegen, radikalen Väterorganisationen und ihrer als Alleinerzieherin verzweifelnden Freundin droht die engagierte Beamtin Anna Posch zu zerbrechen. Sie gerät in einen Strudel aus illegalen Machenschaften und muss sich die Frage stellen: Sind Familienglück und ewige Liebe wirklich nur noch Illusion?
Lisa Lercher in Höchstform: Ein gesellschaftspolitisches Dauerthema, gewürzt mit packender Krimispannung.

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Die Situation ist eindeutig - eine Frau in den Armen eines Mannes. Es könnte ein romantischer Anblick sein, wäre es nicht die falsche Frau in den Armen des falschen Mannes. Die Türschnalle entgleitet meiner Hand und schnellt nach oben. Thomas wendet den Kopf. In seiner Miene findet sich nicht die Spur eines schlechten Gewissens. Yasemin hat mich wohl nicht bemerkt. Ihr Kopf lehnt noch immer an seiner Schulter. Ich stehe unschlüssig in der Tür. Für einen empörten Abgang ist inzwischen zu viel Zeit verstrichen. Außerdem, woher nähme ich mir eigentlich das Recht? Thomas kann im Grunde tun und lassen was er will, Frauen umarmen, so viele er will. Er ist nichts weiter als ein Kollege. Einer von denen, die ich nett finde. Sehr nett sogar - zumindest bis vor zwei Minuten. Eine Strähne hat sich aus Yasemins Hochsteckfrisur gelöst und ringelt sich auf der blitzblauen Seidenbluse. Der wadenlange dunkle Rock spannt um ihren Hintern. Hat sie zugenommen? „Komm rein!“ Thomas winkt mich näher. Der hat Nerven! Erst jetzt bemerke ich, dass Yasemins Oberkörper zuckt. Ein kurzer Schluchzer bestätigt meinen zweiten Eindruck. Yasemin weint. „Was ist los?“ Thomas deutet auf den Schreibtisch. Eine Zeitung liegt aufgeschlagen neben dem Telefon. Blutiges Familiendrama im Advent, lese ich. Ein niedliches Kleinkind mit Zöpfchen lächelt mir entgegen. Daneben das Foto eines Buben, der mit großen Augen traurig in die Kamera schaut. Kindern und Ehefrau die Kehle durchgeschnitten. Täter nach missglücktem Selbstmordversuch im Koma. Die Schlagzeile sagt im Grunde alles. Trotzdem verstehe ich immer noch nicht, warum Yasemin weint. Neben der Zeitung steht ein Aschenbecher mit drei Zigarettenstummeln. Zwei davon haben Lippenstiftreste am Filter. Eigentlich ist Rauchen in den Amtsräumen verboten. Seit wann raucht Yasemin? „Was ist los?“ wiederhole ich meine Frage. Yasemin löst sich langsam aus Thomas’ Umarmung. Ihr Gesicht ist fleckig, die Lider vom Weinen geschwollen. DieWimperntusche hat schwarze Schlieren unter ihren ausdrucksvollen dunklen Augen hinterlassen. Sie wischt sich mit dem Handrücken über die Nase. „Hallo“, murmelt sie. Wortlos reiche ich ihr ein Taschentuch und schäle mich dann endlich aus meinem Anorak. „Ich hol uns Kaffee.“ Thomas lässt mich mit meiner Kollegin allein. Yasemin setzt sich schwerfällig auf ihren Bürostuhl. Sie wirkt erschöpft und irgendwie gealtert. Ihr Blick bleibt an der Meldung über die grausamen Morde hängen, ihre Lippen beginnen zu zittern. Als hochqualifizierte Fachkraft der Wiener Hotline für soziale Notlagen sollte ich wissen, was in solchen Situationen zu tun ist. Ich fühle mich überfordert. Schließlich nehme ich die Zeitung, falte sie und lege sie neben mich auf den Aktenschrank. Ich greife nach Yasemins Hand. Sie zuckt zusammen. „Ich hätte es verhindern können!“, stammelt sie. Was hätte sie verhindern können? Den Amoklauf dieses Wahnsinnigen, der seine Familie ins Jenseits befördert hat? Thomas betritt mit drei Plastikbechern auf einem Clipboard, das als Tablett dient, das Zimmer. Er drückt Yasemin einen der Becher in die Hand. In manchen Situationen hilft es, sich irgendwo festzuhalten. „Was hättest du verhindern können, Yasemin?“ Thomas lehnt am Fensterbrett und nimmt einen Schluck von seinem Kaffee. Meine Kollegin reagiert nicht. „Yasemin hat die Familie gekannt. Sie war mit Fatma befreundet!“, erklärt er. „Verwandte?“ Seit ich mit Yasemin das Büro teile, habe ich einiges über türkische Familienclans gelernt. Der Zusammenhalt ist eng, das soziale Netz funktioniert vielfach besser als bei uns. Aber natürlich gibt es auch Schattenseiten. „Fatma ist eine Schulfreundin.“ Yasemin wischt sich über die Augen, die Schlieren der Wimperntusche zeichnen ein neues Muster auf ihre hohen Backenknochen. „Das tut mir leid. Furchtbar, so was“, sage ich betroffen. „Aber was hättest du tun können?“ Yasemins Augen sind vom Weinen gerötet, ihre Nase ist geschwollen. „Sie hat mich um Hilfe angefleht.“ Sie wird von einem neuerlichen Schluchzen geschüttelt. „Hat sie sich bedroht gefühlt?“ Yasemin nickt. „Ich habe ihr geraten, mit den Kindern ins Frauenhaus zu flüchten. Wir wissen ja, dass es immer gefährlich wird, wenn sich die Frauen trennen wollen. Er ist total ausgeflippt, als sie ihm vor zwei Wochen gesagt hat, dass sie weg will. Die Nachbarn haben die Polizei geholt.“ „Ist er weggewiesen worden?“, frage ich, weil sich die Möglichkeit, einen gewalttätigen Partner mit Hilfe der Polizei aus der unmittelbaren Umgebung der Opfer entfernen zu lassen, in der Praxis sehr bewährt hat. „Ja. Er hat sich aber auch total aufgeführt. Fatma hat mich noch am selben Abend aus dem Krankenhaus angerufen.“ „Sie war verletzt?“ Aus Yasemins Augen purzeln Tränen, sie schnieft. „Mmh.“ „Ihre Nase war gebrochen. Ansonsten das Übliche, blaue Flecken und eine geprellte Schulter, weil er sie gegen den Kasten gestoßen hat“, ergänzt Thomas. Obwohl seine Stimme sachlich klingt, höre ich die unterdrückte Wut. Ich erinnere mich, dass Thomas gesagt hat, er wäre gern einmal für eine halbe Stunde mit einem dieser Typen allein in einem Zimmer. Den meisten wäre er vermutlich gewachsen, muskulös und durchtrainiert wie er ist. Aber ich weiß auch, dass das keine Lösung ist - selbst wenn die Vorstellung in manchen der Fälle, mit denen wir zu tun haben, etwas Befreiendes hat. Yasemin schnäuzt sich ausgiebig. Ich schubse die Papiertaschentücher in ihre Richtung. Sie zieht ein frisches Tuch aus der Packung und wischt sich über Augen und Mund und sagt: „Und ein gebrochenes Handgelenk.“ Mein Blick fällt auf die Zeitung. Die Story ist natürlich auch der Aufmacher für die Titelseite des kleinformatigen Blatts, das gratis in jeder U-Bahnstation aufliegt. Welcher Chefredakteur würde sich so was entgehen lassen? Fatma war ausgesprochen hübsch, eigentlich eine Schönheit. Ich versuche, mir die junge Frau mit aufgeplatzten Lippen und einem blauen Auge vorzustellen. Sie wirkt so glücklich, lächelt mit strahlenden Augen von dem Foto. Wie konnte er ihr das antun? Als hätte Yasemin meine Gedanken erraten, sagt sie: „Er war so wahnsinnig eifersüchtig. Dabei hat er überhaupt keinen Grund gehabt. Fatma war ihm immer treu. Ich glaube, dass sie ihn trotz allem geliebt hat.“ Wenn ich nicht wüsste, dass sie mindestens so viel Fachwissen wie ich hat, müsste ich jetzt zu einem langen Monolog ansetzten - über Abhängigkeiten, Manipulation, fehlendes Selbstwertgefühl und so weiter. So belasse ich es bei einem knappen „Kein Mensch will geschlagen werden“. „Natürlich nicht.“ Thomas rückt von der Fensterbank ab und stützt sich mit den Unterarmen auf die Lehne eines der Besuchersessel. „Aber du sieht ja oft genug, wie schwierig es ist, Beziehungen zu beenden, auch wenn sie einen fast schon umbringen. Es nützt halt nichts, wenn dir alle anderen sagen, du sollst dich endlich trennen. So lange du selber nicht soweit bist, wirst du immer eine Entschuldigungen finden, warum du weiter machst, warum du ihm noch eine allerletzte Chance gibst oder warum er wieder einmal nicht allein schuld ist.“ Mir braucht er keine Vorträge halten! „Sie wollte sich ja trennen, hat sogar schon einen Termin in der Frauenberatungsstelle gehabt und sich wegen der Scheidung informiert. Und er ist wegen der Körperverletzung angezeigt worden und hat ein Betretungsverbot gekriegt.“ „Und wie ist das dann passiert?“ Ich deute auf die Zeitung. Yasemin schüttelt den Kopf. Sie klammert sich an ihre Kaffeetasse. „Ich weiß nicht. Gestern haben wir noch … wenn ich das geahnt hätte … ich hätte …“, stammelt sie. Thomas hockt sich neben Yasemin. Er streichelt über ihre Hand. Die Vertraulichkeit der Geste stört mich. Der Silberring an seinem Mittelfinger blitzt auf. „Yasemin hat gestern am Nachmittag noch mit Fatma telefoniert. Ihr Mann wollte sich unbedingt zu einer Aussprache treffen. Yasemin hat ihr natürlich abgeraten. Noch dazu, wo die Pistole verschwunden war.“ „Welche Pistole?“ Ich rutsche nach vorne auf die Sesselkante. „Fatmas Mann war Polizist. Er hat sie mehrfach mit seiner Dienstwaffe bedroht, einmal sogar abgedrückt.“ Das wird ja immer besser! Wieso weiß ich nichts von dieser...


Lisa Lercher, geboren 1965 in Hartberg/Steiermark. Studium der Erziehungswissenschaften in Graz, lebt seit 1989 in Wien. Neben ihrer Tätigkeit in der Bundesverwaltung schreibt sie seit 2001 Kriminalromane und Kurzkrimis, u.a. Die Mutprobe (2006), der für den ORF/MDR verfilmt wurde.



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