Lütge / Esfeld | Und die Freiheit? | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Lütge / Esfeld Und die Freiheit?

Wie die Corona-Politik und der Missbrauch der Wissenschaft unsere offene Gesellschaft bedrohen. Wider das Staatsversagen und die Rhetorik der Angst
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7453-1630-8
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie die Corona-Politik und der Missbrauch der Wissenschaft unsere offene Gesellschaft bedrohen. Wider das Staatsversagen und die Rhetorik der Angst

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

ISBN: 978-3-7453-1630-8
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Erlaubt die aktuelle Pandemie die anhaltende und gravierende Einschränkung unserer Freiheit? Unter Experten ist es umstritten, mit welcher Strategie dem Coronavirus zu begegnen ist. Doch unsere Regierenden setzen auf harte Maßnahmen und bilden mit deren Fürsprechern eine mächtige Einheit. Ja, sie scheinen Gegenstimmen gar systematisch auszublenden. Der Wissenschaftsphilosoph Michael Esfeld und der Ethiker Christoph Lütge beanstanden in dieser Hinsicht eine höchst bedenkliche Einseitigkeit der Politikberatung. Sie machen deutlich, dass es keine gesicherten Erkenntnisse gibt, die drastische Corona-Maßnahmen rechtfertigen, und verweisen das Argument, diese seien evidenzbasiert, ins Reich der Mythen. Lütge und Esfeld lassen keinen Zweifel daran, dass das schwerfällige Krisenmanagement der Regierung einem großen Versagen gleicht und die Kollateralschäden des Lockdowns dessen Nutzen weit übersteigen werden. Zugleich zeigen sie Wege auf, wie dieser und zukünftigen Krisen besser beizukommen ist. Unsere freiheitliche Lebensweise ist ein hohes Gut - Zeit, sie wieder in den Blick zu nehmen!

Prof. Dr. Christoph Lütge hat den Lehrstuhl für Wirtschaftsethik an der TUM inne und ist seit 2019 Direktor des TUM Institute for Ethics in Artificial Intelligence. Als Gastwissenschaftler war er u.a. in Taipeh, Kyoto sowie an der Harvard University tätig. Nachdem er sich wiederholt kritisch zur Corona-Politik äußerte, wurde er von Markus Söder aus dem nur scheinbar unabhängigen Bayerischen Ethikrat entlassen. Prof. Dr. Michael Esfeld hat seit 2002 den Lehrstuhl für Wissenschaftsphilosophie an der Universität Lausanne inne und ist seit 2010 Mitglied der Leopoldina. 2013 erhielt er den Forschungspreis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Er gehört dem akademischen Beirat des Liberalen Instituts der Schweiz an. Im Dezember 2020 kritisierte er in einem offenen Brief die Forderung der Leopoldina nach einer Verschärfung des Lockdowns als politischen Missbrauch der Wissenschaft.
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KAPITEL 1


STAATSVERSAGEN – RESÜMEE
EINES ZUSAMMENBRUCHS


Im März 2020 war klar, dass die epidemiologische Faktenlage mit früheren Virusausbrüchen vergleichbar war. Doch die Reaktionsweise darauf war eine vollkommen andere. Ein Faktor, der dabei eine Rolle spielte, war sicher die seinerzeit aufkommende oder sich verstärkende Panik. Die wiederum beruhte unter anderem darauf, dass die Medien Fotos verbreiteten, die Angst erregten. Politiker dachten vor diesem Hintergrund, sie könnten es sich nicht leisten, dass auch in unseren Krankenhäusern Fotos wie jene entstehen könnten, die damals unter anderem aus Italien, etwa aus dem schon fast sprichwörtlich gewordenen Bergamo, zu uns drangen. Wissenschaftler sollten eigentlich diejenigen sein, die auch in solchen Situationen einen kühlen Kopf bewahren und nicht in Panik verfallen. Ihre Aufgabe ist es, binnen kurzer Zeit die Faktenlage zu überprüfen, um dann die geeigneten Reaktionsmöglichkeiten zu erwägen. Die derzeitige Faktenlage war nämlich vergleichbar mit den früheren Ausbrüchen, zudem hat es in den vergangenen Jahrzehnten durchaus bemerkenswerte Fortschritte sowohl in medizinischer als auch in technischer Hinsicht gegeben. Wir haben heute wesentlich schnellere Mittel der Kommunikation, wir müssen nicht mehr einen Brief auf eine lange Reise schicken und dann auf Antwort warten. Wir können über Computer kommunizieren, uns etwa per Video-Schalte direkt mit Menschen aus völlig anderen Regionen der Erde unterhalten und uns ohne zeitliche Verzögerung auf den neuesten Stand bringen. All dies könnte unter anderem etwa zur Überlegung führen, ob man nicht die medizinische Strategie wechseln solle oder müsse. Doch das fand eben nicht statt. Stattdessen wählte man einen radikalen Strategiewechsel: weg von der Medizin hin zu politischen Maßnahmen. Ein solcher Strategiewechsel kann aber nie allein durch medizinische Fakten begründet werden.

Vor diesem Hintergrund ist zunächst ein Fachbegriff zu erwähnen: die Non-pharmaceutical interventions (NPIs), die nicht pharmazeutischen Interventionen. Es handelt sich also um Eingriffe, die nicht darin bestehen, beispielsweise Medikamente einzunehmen oder Menschen zu impfen. Allgemeine Hygieneempfehlungen wie etwa Hände waschen und Räume lüften sind solche nicht pharmazeutischen Interventionen, da sie Anweisungen an die ganze Gesellschaft sind. Der springende Punkt ist der Übergang von Hygieneempfehlungen zu politischen Anordnungen. Ein Beispiel dafür stellen die mittlerweile hinlänglich bekannten Lockdowns dar oder etwaige Ausgangsbeschränkungen sowie die Pflicht, in Innenräumen, zum Teil sogar in Außenbereichen, Masken zu tragen, die für uns alle inzwischen zu einem alltäglichen Begleiter geworden sind. Genau solche Maßnahmen aber waren es, die zuvor ausdrücklich nicht empfohlen wurden – das gilt nicht zuletzt auch für die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Koordinierungsbehörde der Vereinten Nationen für das internationale öffentliche Gesundheitswesen.

Es darf aber auch nicht verschwiegen werden, dass es einige medizinische Experten aus dem Bereich der Virologie gab, auf die plötzlich sehr stark gehört wurde, wie beispielsweise Christian Drosten, Virologe und Institutsdirektor an der Berliner Charité, dazu zählen aber auch die sogenannten Modellierer. Zu nennen ist hier insbesondere Neil Ferguson vom Imperial College in London, der in seiner Studie von Mitte März 2020 Berechnungen vorlegte, nach denen in den Vereinigten Staaten rund 2,2 Millionen und in Großbritannien 500 000 Menschen an den Folgen von Covid-19 sterben könnten, wenn die Politik keine Gegenmaßnahmen ergreife. Hinzu kamen noch weitere Personen, die speziell aus dem virologischen Lager stammen. In der Folge ist es dann zu einer sehr starken Einseitigkeit in der Debatte gekommen. Letztlich war es somit zwar nicht ein rein politischer Strategiewechsel. Vielmehr haben die Politiker sich sehr früh diejenigen Wissenschaftler gezielt herausgesucht, die bereit waren, einen Strategiewechsel von medizinischen zu repressiven politischen Maßnahmen mitzutragen.

Dahinter verbarg sich wiederum jene Panik, die den Beginn des Corona-Ausbruchs begleitete. Auch die Politiker sahen die Bilder aus dem chinesischen Wuhan oder aus Italien, und sie stellten sich die Frage, ob so etwas auch bei uns geschehen könnte. Weil es aber bei uns nicht geschehen durfte, hat sich vor diesem Hintergrund eine gewisse Eigendynamik entfaltet. In der Folge kam es zu massiven Grundrechtseinschränkungen. Schulen wurden geschlossen, Menschen in Quarantäne gesteckt, Ausgangsbeschränkungen und nächtliche Ausgangssperren und sogar Berufsverbote verhängt. Bestimmte Berufsgruppen – viele Selbstständige, Künstler und Veranstalter können ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben, mancher Kulturbetrieb wird nach dem Ende der Maßnahmen nicht wieder öffnen, weil ihm in der Zwischenzeit die finanziellen Mittel ausgegangen sind. Womöglich werden die Menschen an den Wochenenden auf absehbare Zeit nicht mehr die gewohnten Musikclubs besuchen können, weil es sie einfach nicht mehr gibt. Der bekannte Münchner Club Pacha machte im März 2021 mit einer stadtweiten Plakatkampagne darauf aufmerksam, dass Clubs seit mittlerweile 365 Tagen geschlossen sind. Auch das geht nicht ohne Spuren an den Menschen vorbei, es belastet viele mittlerweile massiv. Feiern gehört zum Leben dazu, ein zeitweises Aussetzen versteht man – aber nicht einen kompletten Shutdown über ein ganzes Jahr.

Auch bei der Tatsache, dass Menschen ihre Familienmitglieder nicht mehr treffen dürfen, handelt es sich um einen massiven Eingriff in die Grundrechte und auch in die Menschenwürde. Einen Eingriff, den es in Friedenszeiten in unserer modernen Geschichte so noch nicht gegeben hat. Was stattgefunden hat, war also nicht einfach die Wahl einer anderen Vorgehensweise als in der Vergangenheit, sondern der Wechsel von medizinischer zu politischer Bekämpfung der Ausbreitung des Virus, der durch die medizinischen Fakten nicht begründet werden kann. Doch je strikter man vorgeht, desto bessere Begründungen für dieses Vorgehen müssen auch geliefert werden.

Letztendlich ist es notwendig, die verschiedenen Aspekte des Problems zu begreifen. Genau das war bis zu diesem Zeitpunkt auch unter den Wissenschaftlern, besonders den Epidemiologen Konsens. Lassen wir die über fünfzig Jahre zurückliegende Hongkong-Grippe einmal außer Acht: Es gab danach noch weitere Epidemien wie etwa die Schweinegrippe, eine beim Menschen pandemisch aufgetretene virale Atemwegserkrankung, in den Jahren 2009 und 2010, die sich als aufgeblasene Panikmache herausstellte. Auch damals wurde Impfstoff gekauft – der anschließend entsorgt – sprich: weggeworfen – wurde. Daraus hätte man lernen müssen. Dennoch wurden im Jahr 2020 plötzlich andere Schlussfolgerungen gezogen.

Noch im März 2020 allerdings erklärte das Bundesgesundheitsministerium unter anderem über die sozialen Medien, es gehe das Gerücht um, dass man im großen Stile Grundrechtseinschränkungen einzuführen plane. Das entspreche jedoch nicht den Tatsachen, sei einfach falsch – die Menschen wurden aufgefordert, den »unsinnigen« Gerüchten keinen Glauben zu schenken. Was aus heutiger Sicht an die Aussagen des ehemaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht vom Juni 1961 erinnert, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu bauen.

Aber zurück zu dem eigentlichen Punkt: Es gab einen tiefgreifenden Strategiewechsel, für den eine Legitimation benötigt wurde, die allerdings auf normalem demokratischem und rechtsstaatlichem Wege nicht zu erreichen war. Denn dieser Weg beruht darauf, dass die Grundrechte anerkannt werden. In einem demokratischen Rechtsstaat können Grundrechte nämlich nicht generell eingeschränkt werden, und es ist auch nicht möglich, den Menschen vorzuschreiben, wie sie ihre sozialen Kontakte zu gestalten haben, oder die Ausübung ihres Berufs zu verwehren. Daher musste also die Wissenschaft herhalten, um all dies zu legitimieren. Die Wissenschaft aber kann dieses Vorgehen nur dann legitimieren, wenn sie unter politischem Druck steht und ihr Vorgehen ändert: Wissenschaft arbeitet nämlich immer so, dass aufgrund der Faktenlage verschiedene Handlungsstrategien mit stichhaltigen Gründen diskutiert werden, weil keine bestimmte Handlungsstrategie aus den Fakten folgt. Mit diesem Vorgehen lassen sich aber nicht politische Zwangsmaßnahmen legitimieren. Es gibt innerhalb der Wissenschaft – gerade im Kreis der Virologen und Epidemiologen – solche, die ein rein medizinisches Vorgehen für richtig halten wie bei allen früheren Virusausbrüchen. Ihnen gegenüber stehen andere – Drosten in Deutschland, Ferguson in Großbritannien –, die schon immer politische Maßnahmen zur Virusbekämpfung befürwortet hatten. Damit nun Wissenschaft als Legitimation für politische Zwangsmaßnahmen herhalten konnte, musste letztere Gruppe so in der Öffentlichkeit präsentiert werden, dass sie für die Wissenschaft als Ganzes spricht...


Prof. Dr. Christoph Lütge hat den Lehrstuhl für Wirtschaftsethik an der TUM inne und ist seit 2019 Direktor des TUM Institute for Ethics in Artificial Intelligence. Als Gastwissenschaftler war er u.a. in Taipeh, Kyoto sowie an der Harvard University tätig. Nachdem er sich wiederholt kritisch zur Corona-Politik äußerte, wurde er von Markus Söder aus dem nur scheinbar unabhängigen Bayerischen Ethikrat entlassen.

Prof. Dr. Michael Esfeld hat seit 2002 den Lehrstuhl für Wissenschaftsphilosophie an der Universität Lausanne inne und ist seit 2010 Mitglied der Leopoldina. 2013 erhielt er den Forschungspreis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Er gehört dem akademischen Beirat des Liberalen Instituts der Schweiz an. Im Dezember 2020 kritisierte er in einem offenen Brief die Forderung der Leopoldina nach einer Verschärfung des Lockdowns als politischen Missbrauch der Wissenschaft.



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