E-Book, Deutsch, Band 2, 352 Seiten
Reihe: Doppelgänger-Agentur
MacKay Doppelgänger-Agentur, Band 2 - Double Blush
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-473-51212-6
Verlag: Ravensburger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2, 352 Seiten
Reihe: Doppelgänger-Agentur
ISBN: 978-3-473-51212-6
Verlag: Ravensburger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nina MacKay begann ihre schriftstellerische Karriere auf der Online-Plattform Wattpad, wo sie mehrere Preise für ihre Geschichten gewann. Bis heute schreibt sie humorvolle Romane für Jugendliche und junge Erwachsene. Im realen Leben arbeitet sie als Marketing Managerin. Außerhalb ihrer Arbeitszeiten erträumt sie sich eigene Welten und führt imaginäre Interviews mit ihren Buchfiguren. Vorzugsweise mit literweise Kaffee im Gepäck.
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ICH ATME EIN, ICH RASTE AUS.
Ich fühlte mich wie ein menschlicher Kratzbaum, bestrichen mit Erdnussbutter. Während Mr Popsicle an meiner Hand leckte, brach zu meinen Füßen die Babykätzchen-Hölle los.
Die von der besonderen Horrorsorte. Inklusive Kätzchen, die meine Schubladen ausräumten.
»Charlie, nein. Lass das! Copper, runter von meinem Fuß.«
»Brauchst du Hilfe?« Kolly sah von den fünf Papptellern auf, die sie gerade mit Katzenfutter bestrich.
Kurz zog sich mein Herz bei diesem Anblick zusammen. Noch vor ein paar Monaten hatten wir alles in einzelnen Schälchen zubereitet und vor dem Tod meiner Mutter sogar das teure Rawfood verfüttert. Aber das war momentan nicht mehr drin. Das Geld vom Sommerfest war für Charlies Operation draufgegangen sowie für ziemlich viele Impfungen plus Kastrationen. Übrig war im Grunde nichts mehr, außer noch mehr Tierarzt-Schulden. Immerhin konnte Charlie dank des Eingriffs wieder laufen. Dafür hatte sich der Aufwand in letzter Zeit tausendfach gelohnt.
»Nein, es ist alles okay«, antwortete ich Kolly so überzeugt wie möglich. »Gehen wir raus zu Sawyer.«
Kolly kräuselte die Nase, schwieg jedoch. Wahrscheinlich nahm sie mir das überhaupt nicht ab, dass alles okay war. Obwohl … es war wirklich offensichtlich, in welcher Lage ich mich befand.
Ich pflückte mir die kleine getigerte Katze vom Oberschenkel und nahm die Kratzer in Kauf, die die Flauschkugel auf meinen nackten Oberschenkeln hinterließ. »Klettern kannst du sogar noch besser als gerade laufen, hm?«
Fünf Pappteller zur Fütterungszeit an fünfzehn Kätzchen und zwei erwachsenen Katern vorbeizubalancieren, war wirklich nur was für Profis. Aber immerhin lagen wir bei unter zwanzig zu vermittelnden Kätzchen. Mr Popsicle und Charlie zählten nicht zu dieser Gruppe dazu, da sie meine eigenen Katzen waren.
Draußen im Gras lag Sawyer auf dem Rücken und starrte in den Himmel.
»Achtung, die Kavallerie ist im Anmarsch«, rief Kolly ihrem besten Freund zu.
Zeitgleich mit Lucifer, der seinen Kopf aus der Hundehütte streckte, setzte sich Sawyer auf, strich sich einmal durch die dunklen Strubbelhaare und grinste. Die Sonne hatte seine Stirn rötlich verfärbt, was selbst unter den braunen Strähnen zu erkennen war. »Das war nicht zu überhören.«
Tatsächlich hörte sich das Miauen wie die berühmte Chinesische Wasserfolter an – wenn sie von der akustischen Sorte gewesen wäre. Jedenfalls hörbar aufdringlich. Doppelt so aufdringlich – genau genommen. Einfach das allerbeste Geräusch der Welt für meine Ohren.
Sawyer half uns, die Pappteller so aufzustellen, dass alle Kätzchen gut drankamen und sich gleichmäßig verteilten.
Der Anblick trieb mir wie immer eine Mischung aus Freudentränen und Tränen, die meinen Versagensängsten geschuldet waren, in die Augen. Wobei es sich heute eher um Letztere handelte. Wieder mal stieg diese starke Sehnsucht nach meiner Mom und meiner Grandma in mir auf. Zu niemandem sonst aus meiner Familie hatte ich mehr Kontakt, seit wir zu dritt aus Costa Rica ausgewandert waren. Inzwischen war nur noch ich übrig geblieben.
»Das waren so ziemlich die letzten Futterdosen.« Komisch, ich hätte nie gedacht, dass ich mir selbst die billigen, die stark nach Thunfisch rochen, einmal zurückwünschen würde.
Kolly hob Zelda zur Seite, damit sie nicht beim Essen halb über ihrem Bruder lag. »Sollen wir für dich einkaufen fahren?«
Ich schluckte. Nett von den beiden. Wieder einmal. »Gern, holt einfach, was immer ihr für meine verbliebenen zwölf Dollar kriegen könnt.«
»Kein Problem, ich lege zwanzig Dollar drauf«, sagte Kolly, so als wäre es nichts.
Für mich war es jedoch zu viel. »Nicht schon wieder. Ihr könnt mir nicht dauernd aus der Patsche helfen. Vielleicht kommen heute noch ein paar Spenden rein, oder jemand füllt online einen Adoptionsantrag für eine der Katzen aus.«
Obwohl ich meinen Blick auf den Boden richtete, bemerkte ich, wie Kolly und Sawyer einander ansahen. Ich kannte diese Blicke.
Schweigend nahm sich Sawyer eins der kaputten Angelspiele, die ich für die Katzen gehäkelt hatte, und knotete die Fäden wieder zusammen.
»Weißt du«, begann Kolly mit ihrer besänftigenden Stimme, mit der sie normalerweise auch mit den ganz schwachen Kätzchen sprach, »es ist nicht schlimm, Hilfe anzunehmen.«
»Ach?« Ich bedachte sie mit einem Seitenblick, woraufhin sie schuldbewusst die Lider niederschlug.
Wir wussten alle nur zu genau, wie sie vor ein paar Wochen in die Schlagzeilen geraten war, weil sie ein Hilfsangebot ausgeschlagen hatte. Bei einem Ausflug in die Hills war sie in eine Felsspalte gerutscht und hatte sich nicht von Lincoln, dem Double, das sie zu dieser Zeit betreut hatte, retten lassen wollen. Lincoln, der jetzt ihr fester Freund war.
Zelda würgte, und ich streichelte der kleinen Katzendame über den Rücken. Dabei fiel mein Blick auf die ganzen Teehandschuhe im Gras, mit denen die Katzen so gern spielten. Meine Erfindung – eigentlich dazu gedacht, sich nicht die Hände an heißen Tassen zu verbrühen. Nur momentan waren mir die Menschen ausgegangen, denen ich Teehandschuhe schenken konnte. »Vielleicht könnte ich ein paar Teehandschuhe verkaufen«, murmelte ich, wobei ich selbst nicht ganz davon überzeugt war. Dazu musste man jede Menge Marketing machen, und das kostete Zeit, die ich definitiv nicht hatte. Abgesehen davon, dass das keine großen Gewinne versprach, da musste man sich nur meinen kümmerlichen Etsy-Shop einmal ansehen.
»Oder …« Kolly tippte sich ans Kinn. »Du fängst in der Double-Agentur meiner Mom an. Ich weiß, dass sie Unterstützung sucht, und du könntest kurzfristig einsteigen, selbst für eine kurze Zeit. Sicher würde sie dir auch das Gehalt wöchentlich ausbezahlen. Kein Thema.«
Ich verzog das Gesicht. »Also ich und Doubles betreuen, das halte ich für keine besonders gute Idee. In dem Bereich habe ich absolut keine Erfahrungen.« Büroarbeit und Doppelgänger mit mehr Allüren, als ich Kätzchen beherbergte. Allein bei dem Gedanken verspannten sich meine Nackenmuskeln, und ich ließ meine Schultern kreisen.
»Das bekommst du schon hin.« Kollys Augenbrauen hüpften, während sie ihre Mundwinkel hob, als glaubte sie bei dieser Sache voll und ganz an mich. Es fehlte nur noch, dass sie mir einen Daumen hoch zeigte. »Ist nicht anders, als auf diesen Sack voll Flöhe aufzupassen. Der Job ist als Assistentin von Caleb und Bria ausgeschrieben. Du brauchst keine Vorkenntnisse, sie werden dir alles zeigen, so wie Caleb damals mir. Und solange du tagsüber unten in L.A. arbeitest, schmeißen Sawyer, Leila, deine Nachbarin und ich den Laden.«
»Aber dazu müsste ich unter Menschen.« Zweifelnd zog ich die Nase hoch. »Du weißt schon, dass ich mehr soziale Kontakte zu meinen Socken als zu meinen Mitmenschen pflege.« Ich deutete von meinen selbst gestrickten Socken zu den Katzen und dann zu Sawyer und Kolly. Sawyers Freundin Leila und meine Nachbarin Mrs Larson mitgerechnet, waren die vier so ziemlich die einzigen Menschen, mit denen ich mich regelmäßig austauschte.
»Ja und? Das schaffst du schon.« Kolly sah mich fest an. »Ich muss sowieso noch einige Wochen meine Sozialstunden bei dir verrichten. In der Zeit kannst du es dir leisten, anderswo Geld zu verdienen, während ich bei den Katzen die Stellung halte.«
»Eigentlich brauche ich das Geld.« Ich seufzte. Aber Doubles? Diese Rockstar-Doubles samt der Original-Band hatten Kolly damals einiges abverlangt.
»Du schaffst das.« Sawyer warf mir eine dunkelrote Häkelangel zu, an der ein Mini-Walfisch hing.
Kolly nickte. »Alles im Leben hat seinen Preis, Lexi. Es kommt darauf an, was du bereit bist zu zahlen.«
Ja, was war ich bereit zu zahlen? Gedankenverloren betrachtete ich die Kätzchen. Für diese kleinen Racker war ich bereit, so ziemlich alles zu geben.
Später, als die anderen längst gegangen waren, goss ich mir mit heißem Wasser eine Tütensuppe auf. Natürlich war das Gemisch im Beutel längst abgelaufen und schmeckte entsprechend. Krümelig. Ranzig. Ich verzog den Mund. Selbst Mr Popsicle warf mir einen mitleidigen Blick von seinem roten Kissen aus zu.
»Ich weiß, ich weiß.«
Er fixierte mich aus trüben Augen.
Seufzend hielt ich ihm den Becher Nudelsuppe hin. Mr Popsicle schnupperte daran, ehe selbst er würgte.
»Das hab ich mir gedacht«, murmelte ich, ehe ich eins meiner gestrickten Abtropfsiebe von der Ablage nahm, die Suppe hindurch in den Ausguss kippte und alles, was im Strickmuster hängen blieb, im Müll entsorgte.
Ich sah auf die Uhr. Was machte ich jetzt mit den angefangenen zehn Minuten, ehe ich die Inkubatoren reinigen musste? Im Radio lief ein Break-up-Song von Taylor Swift, den ich lauter stellte. Dazu musste ich mich etwas strecken, denn das Gerät stand auf dem obersten Regalbrett einer abgewetzten Kommode. Sobald meine Fußballen wieder auf dem Boden aufsetzten, fiel mein Blick ein Stück nach unten auf die Schublade.
Mr Popsicle gab ein klägliches Miauen von sich.
»Du willst mir also bei der Post helfen?« Mit zwei Fingern strich ich ihm über das weiche Fell zwischen den Ohren.
Er war der Nächste von uns beiden, der in Richtung von der Schublade spähte. War das ein Zeichen? Augenblicklich spannte sich meine Nackenmuskulatur an, und ich starrte überallhin, nur nicht zur Kommode. Andererseits hatte ich die Schublade schon wieder deutlich zu lange ignoriert.
Es war Zeit. Mit...