Maly | Die Kinder von Schönbrunn | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten

Reihe: Die Schönbrunn-Saga

Maly Die Kinder von Schönbrunn

Träume von einer besseren Welt
23001. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8437-2756-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Träume von einer besseren Welt

E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten

Reihe: Die Schönbrunn-Saga

ISBN: 978-3-8437-2756-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Schloss Schönbrunn wird ein Kinderheim. In der angrenzenden Schönbrunner Schule schlägt die Geburtsstunde der Reformpädagogik. Eine Frau kämpft für einen neuen Weg der Erziehung und ihr großes Glück. Wien, 1922: Der Krieg ist vorbei, der Kaiser hat abgedankt, in Wien haben nun die Roten das Sagen. Für Emmas Schwester Greta ist es trotz dem Aufschwung immer noch schwer, den Verlust ihres Ehemanns zu akzeptieren. Ihre gemeinsame Tochter Gisela ist Gretas Sonnenschein, doch sie sehnt sich nach einer Berufung. Bei einem Besuch im Tiergarten trifft sie zufällig eine Gruppe junger Frauen, die die Erzieherschule im Schloss Schönbrunn besuchen. Greta ist nach dem Gespräch von den neuen Erziehungsmethoden begeistert und entschließt sich spontan zu der Ausbildung. Doch schon bald stößt sie auf erste Konflikte, denn nicht jeder ist von ihrer pragmatischen Art begeistert ...  Greta gibt so schnell nicht auf und zieht Michael Brenner, einen Dozent der Schönbrunner Schule, auf ihre Seite. Der überzeugte Sozialdemokrat hat ein Auge auf sie geworfen und auch Greta fühlt sich zu ihm hingezogen ...  Kann sie Gustav endlich gehen lassen, um ihr neues Glück  zu finden?
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2


Zum ersten Mal in ihrem Leben spazierte Greta allein durch den Schlossgarten von Schönbrunn. All die Jahre, die sie in der Nähe wohnte, war sie immer in Begleitung hier gewesen. Als kleines Mädchen mit ihren Eltern, doch von dieser Zeit hatte sie kaum noch Bilder im Kopf. Ihre Mutter Hermine Moser war kurz nach Emmas Geburt gestorben. Der schreckliche Verlust hatte ihren Vater verändert und zu einem ernsten Mann gemacht. Aber Ausflüge in den Zoo hatte er trotzdem noch mit seinen Töchtern unternommen. Als junge Frau war Greta mit Gustav hergekommen und in den letzten Jahren mit Gisela. Ihre Tochter hatte die Leidenschaft für Tiere von ihrem Großvater und ihrer Tante übernommen. Grundsätzlich mochte Greta Tiere, aber sie empfand jedes Mal ein beklemmendes Gefühl, wenn sie die eleganten Giraffen, die mächtigen Elefanten oder Löwen in den winzigen Käfigen eingesperrt sah. Unruhig liefen die armen Kreaturen an den eng gesetzten Gitterstäben auf und ab, so als würden nicht nur ihre Körper, sondern auch ihr Geist darin gefangen gehalten. Viel lieber spazierte Greta durch den ehemals kaiserlichen Schlossgarten, der seit Kriegsende für alle Wiener und Wienerinnen geöffnet war. Lange war darüber diskutiert worden, was aus den kaiserlichen Besitzungen werden sollte. Nach Kriegsende hatte man Kriegsinvaliden in den Räumlichkeiten des Schlosses untergebracht, aber als man sah, wie sehr das wertwolle Inventar darunter litt, war man wieder davon abgekommen. Der Schaden, der in wenigen Monaten entstanden war, war enorm. Greta lief den Weg vom Schloss zur Gloriette, wo Kaiser Franz Joseph einst mit seiner Geliebten Katharina Schratt gefrühstückt hatte. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick bis zum Stephansdom. Die akkurate Symmetrie ging auf Maria Theresias Architekten zurück. Die Kaiserin hatte Schönbrunn zu ihrer Lieblingssommerresidenz ausbauen lassen, und ihr Ehemann, Franz Stephan von Lothringen, der zeit seines Lebens an Naturwissenschaften interessiert gewesen war, hatte den Grundstein für die kaiserliche Menagerie gelegt. Greta hatte dieses Wissen nicht aus der Schule, sondern von ihrem Vater, der sie nicht nur mit Informationen über die Tiere, sondern auch über die Geschichte des Tiergartens gefüttert hatte.

Der weiße Kies knirschte unter ihren Schuhen, als sie die kleine Anhöhe bestieg. Sauber gestutzte Buchsbäume und in barocken Mustern gepflanzte Sommerblumen ließen den einstigen Glanz der Habsburgermonarchie erahnen. Seit zwei Jahren wurden die Parkanlagen wieder gepflegt. Kurz nach Kriegsende, als niemand so recht gewusst hatte, was mit dem Schloss und der Menagerie passieren würde, war die Anlage überwuchert worden. Auch die Zukunft des Zoos war ungewiss gewesen. Die Stadt Wien hatte geplant, auf dem Gelände eine Hühnerfarm zu errichten. Es war dem vehementen Widerstand der Wienerinnen und Wiener zu verdanken, dass die Pläne nicht umgesetzt worden waren. Für Greta war der Erhalt des Zoos ein Zeichen dafür, dass die winzige Republik eine Zukunft hatte. Auch wenn viele Österreicher daran zweifelten und sich nach der Monarchie sehnten.

Als Greta auf der Aussichtsplattform vor der Gloriette angekommen war, war sie etwas aus der Puste, und unter ihrem gelben Sonnenhut schwitzte sie. Greta nahm ihn ab und wischte mit dem Handrücken über ihre feuchte Stirn. Der Himmel war wolkenlos, und die Sonne nahm mit jeder Stunde an Kraft zu. Das war im August nicht ungewöhnlich. Es wäre vernünftiger gewesen, zum Donaukanal zu fahren, an die Alte Donau oder nach Kritzendorf, wo sich jetzt die Badehungrigen im kühlen Nass vergnügten. Doch allein hätte sie dazu nicht den Mut aufgebracht. Sie war stolz, dass sie sich zu einem Spaziergang in den Schlossgarten hatte überwinden können.

Greta lehnte sich an die Steinmauer und streckte das Gesicht dem lauen Wind entgegen, der ihr sanft über die Wangen strich und ihre erhitzte Haut abkühlte. Ihr Blick glitt über den Garten. Zwei Liebespaare flanierten Hand in Hand Richtung Schloss. Dahinter erblickte Greta eine Familie. Ein kriegsverwundeter Vater, dem der rechte Arm fehlte, seine Frau und zwei Kinder. Das Bild invalider Männer war zur Selbstverständlichkeit geworden. Ebenso die vielen Arbeitssuchenden, die mit einem Kartonschild in der Hand an den Straßenecken standen und darauf warteten, dass jemand ihnen eine Tätigkeit anbot. »Suche Arbeit jeder Art«, »Bin arbeitslos« oder »Habe Hunger« war auf den Schildern zu lesen. Zwei von ihnen hatten am Eingang zum Park gestanden. Greta wünschte, Gustav wäre mit dem Verlust eines Arms oder seines Arbeitsplatzes davongekommen.

Der Gedanke an ihren Mann ließ sie sich noch einsamer fühlen. Sie schaute sich um. Bis auf eine alte Frau, die allein auf einer Parkbank saß, war sie die einzige Person im ganzen Park, die ohne Begleitung unterwegs war. Als Greta die Augen zusammenkniff, erkannte sie, dass selbst die Frau nicht ganz allein war. Ein kleiner Dackel lag zu ihren Füßen im Schatten eines Kastanienbaums. Greta drehte sich weg. Spätestens am Wochenende würde sie wieder mit Gisi vereint sein. Erleichtert über diesen Gedanken, setzte sie ihren Sonnenhut auf und machte sich auf den Heimweg.

Diesmal ging sie langsamer, um nicht erneut aus der Puste zu kommen. Als sie die kleine Anhöhe hinter sich gelassen hatte, kam ihr eine Gruppe von zehn Frauen entgegen. Die meisten waren deutlich jünger als Greta. Sie lachten und scherzten miteinander und liefen direkt auf das Schloss zu. Durch einen der Nebeneingänge betraten sie das Gebäude. Greta fragte sich, was sie wohl im Schloss vorhatten, als sie von hinten angerempelt wurde. Vor Schreck ließ sie ihre Handtasche fallen.

»Verzeihung!« Eine helle Stimme entschuldigte sich.

Greta drehte sich um. Eine Frau in ihrem Alter stand vor ihr. Sie bückte sich nach der Tasche. Genau wie Greta hatte sie das dunkle Haar auf Kinnlänge gekürzt. Sie trug skandalös moderne Hosen. Sie waren gerade geschnitten und erinnerten an die Bilder, die man von glamourösen Schauspielerinnen aus Hollywood kannte. Das Gesicht der Frau war kantig und ihr Lächeln von einer einnehmenden Freundlichkeit. »Ich bin wieder einmal zu spät dran und mit meinen Gedanken ganz woanders«, sagte sie.

»Es ist nichts passiert«, beruhigte Greta. Sie unterließ es, sich die Seite zu reiben, wo der Ellbogen der Fremden gerade gelandet war.

»Gehören Sie zu den Frauen, die gerade ins Schloss gegangen sind?«

»Oh, mein Gott. Ich wusste, dass ich zu spät bin. Der Einführungsvortrag hat hoffentlich noch nicht begonnen.«

»Einführungsvortrag?«, wiederholte Greta neugierig.

»Ein neuer Ausbildungslehrgang der Schönbrunner Erzieherinnenschule beginnt im Herbst. Heute findet ein Informationsvortrag statt.«

»Ich wusste nicht, dass im Schloss eine Erzieherinnenschule untergebracht ist«, gab Greta zu. Sie hatte in der Zeitung gelesen, dass es ein Kinderheim im Schloss gab. Von einer Ausbildungsstätte hatte sie noch nichts gehört.

»Die Schule soll einzigartig sein«, meinte die Frau. »Hier werden völlig neue Wege in der Pädagogik beschritten.«

»Was für neue Wege?«, fragte Greta.

Die Fremde schaute auf eine hübsche goldene Armbanduhr an ihrem Handgelenk. »So schnell kann ich das alles nicht erklären. Warum kommen Sie nicht einfach mit und hören sich den Vortrag an?«

»Muss man denn nicht angemeldet sein?«

»Ich hoffe nicht«, sagte die Frau lachend. »Ich bin es nämlich nicht, und ich will unbedingt an dem Kurs teilnehmen.« Jetzt erst bemerkte Greta, dass der Mund der Frau geschminkt war. Sie hatte ein dezentes Rot auf ihre Lippen aufgetragen. Auch das war ungewöhnlich. Es galt als verwerflich, die natürliche Schönheit mit künstlichen Hilfsmitteln nachzubessern.

Greta dachte nach. In einem Vortragssaal mit anderen Frauen zu sitzen erschien ihr deutlich erstrebenswerter, als allein durch den Park zu spazieren und sich dabei einsam zu fühlen.

»Ich komme gerne mit.«

»Sehr gut!« Die Freude der Fremden wirkte echt. »Ich bin übrigens Melanie.«

Greta ergriff die Hand, die ihr entgegengestreckt wurde. »Ich bin Greta.«

»Ist es in Ordnung, wenn wir uns duzen?«, fragte Melanie.

»Das fände ich schön.«

Gemeinsam liefen sie zum Seiteneingang. Es war das erste Mal, dass Greta das Schloss betrat. Sie hatte sich immer vorgestellt, dass die Wände aus purem Gold bestanden und die Decke mit Tausenden Spiegeln versehen waren. Möglich, dass es solche Räume in Schönbrunn gab. Aber dieser Seiteneingang schien den Dienstboten vorbehalten gewesen zu sein. Die Wände waren hell verputzt, der Treppenaufgang schlicht, ebenso der schmiedeeiserne Handlauf. Nur die reichlich mit Stuck verzierte Decke gab einen zarten Hinweis darauf, dass hier noch vor ein paar Jahren die Habsburger gewohnt hatten. Auf einer hellen Tür neben dem Eingang hing ein Zettel, darauf stand in handgeschriebenen Großbuchstaben: EINFÜHRUNGSVORTRAG IM ERSTEN STOCK.

»Na bitte«, sagte Melanie. »Nichts wie hoch mit uns.«

Rasch eilten sie die Treppe hinauf. Oben gab es einen weiteren Zettel mit einem Pfeil, der zu einer Tür wies....


Maly, Beate
Beate Maly, geboren in Wien, ist Bestsellerautorin zahlreicher Kinderbücher, Sachbücher und historischer Romane. Ihr Herz schlägt neben Büchern für Frauen, die gegen alle Widerstände um ihr Glück kämpfen.



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