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E-Book

E-Book, Deutsch, 72 Seiten

Reihe: Ratgeber für Angehörige, Betroffene und Fachleute

Mayer Schriftspracherwerbsstörungen

Ein Ratgeber für Therapeuten, Pädagogen und Eltern

E-Book, Deutsch, 72 Seiten

Reihe: Ratgeber für Angehörige, Betroffene und Fachleute

ISBN: 978-3-8248-9964-7
Verlag: Schulz-Kirchner
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Kinder mit Schriftspracherwerbsstörungen können wesentliche Inhalte von Texten nur dann erkennen, wenn die zentralen Informationen ausdrücklich benannt werden und die Texte nur wenig ablenkende Informationen beinhalten.

Das selbstständige sinnentnehmende Lesen von Texten ist aber eine Kompetenz, die nicht nur in der Schule, sondern später auch in der Arbeitswelt in fast allen Berufen erwartet wird.

Der Ratgeber wendet sich deshalb an all diejenigen, die beruflich oder privat mit Kindern mit Schriftspracherwerbsstörungen zu tun haben, und beantwortet häufige Fragen zu den Themen Früherkennung, Diagnostik und Förderung:

- Welche Fähigkeiten braucht ein Kind, um einen gelesenen Text verstehen zu können?
- Wie entwickelt sich das Lesen und Schreiben normalerweise?
- Was sind Schriftspracherwerbsstörungen und woran erkennt man sie?
- Welche Risikofaktoren gibt es?
- Welche Maßnahmen können zur Vorbeugung von Schriftspracherwerbsstörungen veranlasst werden?
- Warum und wann sind Fördermaßnahmen sinnvoll?

Therapeuten, Pädagogen und Eltern erhalten umfassende Informationen, wie der schriftsprachliche Erwerbsprozess in Vorschule, Schule und zu Hause gefördert werden kann. Ein umfangreiches Glossar erklärt Fachbegriffe zu Schriftsprachentwicklung, literacy und der Informationsverarbeitung von Laut- und Schriftsprache.
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Weitere Infos & Material


| Lesen- und Schreibenlernen ist ein Entwicklungsprozess Um deutlich zu machen, dass das Lesen- und Schreibenlernen eine Entwicklungsaufgabe darstellt, die in die gesamte sprachlich-kognitive Entwicklung des Kindes eingebettet ist und insbesondere in engem Zusammenhang mit vorschulisch erworbenen (meta-)sprachlichen Kompetenzen steht, wird in diesem Ratgeber der Begriff Schriftspracherwerb bzw. Schriftspracherwerbsstörungen favorisiert. Die Verwendung dieser Terminologie macht deutlich, dass es sich bei der Schrift um ein System handelt, mit dem Sprache visuell symbolisiert wird. Während uns die Sprache ermöglicht, Dinge, Handlungen, Situationen und Eigenschaften aus der Realität durch Wörter zu symbolisieren, werden diese Wörter in der Schrift durch visuelle Symbole abgebildet („Schriftsprache als Algebra der Sprache“, Wygotski 1971). Daraus lässt sich bereits ableiten, dass Kinder mit sprachlichen Beeinträchtigungen ein besonderes Risiko haben, im Laufe der Grundschulzeit Schriftspracherwerbsprobleme zu entwickeln. Auf diesen Aspekt wird im Kapitel Spracherwerbsstörungen als Risikofaktor für die Ausbildung von Schriftspracherwerbsstörungen noch genauer eingegangen. Durch eine entwicklungsorientierte Betrachtung schriftsprachlicher Kompetenzen konnte deutlich gemacht werden, dass es sich beim Lesen- und Schreibenlernen nicht um einen zeitlich begrenzten, in sich geschlossenen Lernprozess handelt, bei dem anfänglich erworbene Fähigkeiten sukzessive perfektioniert werden. Viel besser lässt sich der Schriftspracherwerb als Entwicklungsprozess interpretieren, der sich in unterschiedliche Phasen gliedern lässt, in denen sich die Kinder von unterschiedlichen Strategien leiten lassen und sich nach und nach ein differenzierteres und präziseres Wissen über den Gegenstand Schriftsprache aneignen. Diese Entwicklung beginnt nicht erst mit der systematischen Instruktion in der ersten Klasse, vielmehr lassen sich bereits im Vorschulalter wichtige Vorläuferfähigkeiten identifizieren, die einen Einfluss auf den Schriftspracherwerb in der Schule haben. Präliteral-symbolische Phase: Im Vorschulalter kann das Kind wichtige präliterale Erfahrungen machen, die seine lautsprachlichen Fähigkeiten ausbauen und ihm auf implizite Weise unterschiedliche Facetten der Schriftsprache nahebringen. In dieser Phase können Eltern ihr Kind in kindgemäßer und spielerischer Form durch unterschiedliche „?literacy-Aktivitäten“ unterstützen. Im Zusammenhang mit dem Schriftspracherwerb kommt dabei insbesondere einer dialogisch ausgerichteten Bilderbuchbetrachtung eine wesentliche Rolle zu (s. Kap. Literacy-Aktivitäten als präventive Maßnahmen im Vorschulalter und in Eingangsklassen). Im Vergleich zum Umgang mit realen Gegenständen verlangt die Bildbetrachtung ein höheres Maß an Abstraktionsfähigkeit, da im Buch eine Reduktion auf zweidimensionale Flächen stattfindet. Die Erfahrungen mit Bilderbüchern provozieren Gestaltungen auf produktiver Seite. Das Kind beginnt aufgrund motorischer Schwierigkeiten noch recht unvollkommene Bilder zu malen und ihnen eine Bedeutung zu geben. Wie die Bildanschauung auf das Lesen vorbereitet, bereitet das grafische Gestalten unmittelbar auf das spätere Schreiben vor. Abb. 2: Dialogische Bilderbuchbetrachtung im familiären Umfeld Gegen Ende dieser Phase lassen sich sowohl auf rezeptiver als auch auf produktiver Seite qualitative Veränderungen identifizieren. Während Kinder zu Beginn noch versuchen, das Gemeinte konkret darzustellen, fallen beim Schreibprodukt in Abbildung 3 v. a. die Tendenz zur linearen Anordnung und die Verwendung kleinerer buchstabenähnlicher Zeichen auf. Solche „Kritzelbriefe“ werden von den Kindern (evtl. mit Unterstützung der Eltern) als Einkaufslisten, Wunschzettel und Briefe an die Großeltern interpretiert. Abb. 3: Eine Schreibprobe aus der präliteral-symbolischen Phase (Anna, 3;7) In der rezeptiven Modalität beginnt das Kind gegen Ende dieser Phase mit dem „Vorlesen“ seiner Bücher („So-tun-als-ob-Lesen“, Kirschhock 2004, 304). Dies wird daran deutlich, dass die ?Prosodie deutlich ausgeprägter und die Sprechweise deutlicher und langsamer ist, auf grammatikalisch wohlgeformte Sätze geachtet und direkte Rede eingebaut wird. Die zentrale Fähigkeit, die Kinder in dieser Phase erwerben können, ist ein Verständnis für die kommunikative Funktion der Schriftsprache zu entwickeln. Schreiben und Lesen sind nicht nur Techniken, vielmehr handelt es sich primär um ein Kommunikationssystem, mit dessen Hilfe Wünsche und Bedürfnisse mitgeteilt und Geschichten erzählt werden können, das aber auch als Gedächtnisstütze fungieren kann. Konkrete Vorschläge zur Umsetzung dieser „literacy-Aktivitäten“ im Elternhaus finden sich im Kapitel Literacy-Aktivitäten als präventive Maßnahmen im Vorschulalter und in Eingangsklassen. Logographemische Phase: In der sogenannten logographemischen Phase erkennen die Kinder, dass die Zeichen der Schrift Symbole für Sprache darstellen. Während alphabetische Schriften aber die phonologische Struktur der Lautsprache abbilden, besteht das wesentliche Charakteristikum der logographemischen Strategie darin, dass die Kinder eine aus der Erwachsenenperspektive falsche, arbiträre, unsystematische Assoziation zwischen einem „Wortbild“ und der Bedeutung des Wortes ausbilden. Es handelt sich um eine rein visuelle Vorgehensweise. Die Kinder orientieren sich an einigen besonders hervorstechenden visuellen Merkmalen der Graphemfolge, die sie mit der Bedeutung verknüpfen. Erwachsener: Kennst du das Wort schon? Kind: Oma Erwachsener: Woher weißt du das denn? Kind: Wegen dem großen Kreis. Auch auf produktiver Seite geht das Kind rein visuell vor. Bei Schreibversuchen findet keine auditive Analyse im Sinne eines Vorsprechens des Wortes und der Isolierung der Einzellaute mit anschließender Zuordnung des entsprechenden Buchstabens statt, vielmehr werden einige wesentliche, visuell besonders hervorstechende Merkmale des Wortes aus dem Gedächtnis wiedergegeben (Abb. 4). Abb. 4: Wie Heike „Heike“ schreibt (Sassenroth 1991, 49) Da Kinder im deutschsprachigen Raum bereits von Beginn des schulischen Schriftsprachunterrichts an die systematische Verknüpfung zwischen Buchstaben und Lauten erlernen und mit dem alphabetischen Prinzip der Synthese von Einzellauten sowie der Analyse von Wörtern in kleinere Einheiten konfrontiert werden, dürfte diese logographemische Strategie im deutschsprachigen Raum nur von untergeordneter Bedeutung sein. Aufgrund des stark einzellautorientierten Unterrichts in Ländern mit recht eindeutiger Buchstaben-Laut-Zuordnung lassen sich Wimmer und Hummer (1990) zufolge hierzulande bei den wenigsten Kindern Anzeichen einer logographemischen Strategie beobachten. Auch Klicpera et al. (2013) sprechen von einer möglichen, aber nicht zwingend auftretenden, kurzen rudimentären Phase logographischen Lesens in der Vorschulzeit. Alphabetische Phase: Entsprechend ist der Erwerb der alphabetischen Strategie die erste echte Hürde, die Kinder im Rahmen des schriftsprachlichen Anfangsunterrichts bewältigen müssen. Die zentralen Fähigkeiten, die in dieser Phase erworben werden, sind das langsame Erfassen der ?Phonem-Graphem-Korrespondenzen, das Erlernen des synthetisierenden Lesens und des lautgetreuen Aufschreibens von Wörtern. Die vom Erwachsenenstandpunkt falsche Annahme der logographemischen Strategie, dass Schrift Bedeutungen abbildet, wird in der alphabetischen Phase überwunden. Die Kinder erleben durch eine entsprechende Gestaltung des schriftsprachlichen Anfangsunterrichts, dass es sich bei der Schrift um eine systematische Abbildung der ?Phonologie der Lautsprache handelt. Die in dieser Phase erworbene Lesetechnik des phonologischen Rekodierens zeichnet sich dadurch aus, dass die Kinder die einzelnen Buchstaben eines Wortes bewusst in die entsprechenden Laute umwandeln und zu einer Lautfolge zusammensetzen. Bei der analogen Anwendung der indirekten (segmentalen) Schreibstrategie (= lautgetreues Schreiben) erlernen die Kinder, ein Wort in seine Einzellaute zu segmentieren und den identifizierten Lauten die entsprechenden Buchstaben zuzuordnen. Für den vollständigen Erwerb der ?indirekten Lese- und ?segmentalen Schreibstrategie benötigen Kinder einen längeren Zeitraum, der sich üblicherweise mindestens über das gesamte erste Schuljahr erstreckt. Da sich in den Lese- und Schreibversuchen in dieser Phase auch qualitative Unterschiede identifizieren lassen, wurde sie von einigen Autoren in Zwischenstadien gegliedert. Kirschhock (2004) beispielsweise beschreibt die Entwicklung des Lesens innerhalb der alphabetischen Strategie folgendermaßen: Ausgehend von einer...


Dr. Andreas Mayer
Sprachheilpädagoge mit langjährigen Erfahrungen im Unterricht mit lese-rechtschreibschwachen Kindern. Seit 2007 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sprachbehindertenpädagogik in schulischen und außerschulischen Bereichen an der Universität zu Köln. Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind neben der Diagnostik von Sprach- und Sprechstörungen sowie der spezifischen Akzentuierung des Unterrichts im Förderschwerpunkt Sprache v. a. die Theorie und Praxis gestörter Schriftspracherwerbsprozesse. 2014 hat er seine Habilitation zum Thema ?Früherkennung und Prävention von Schriftspracherwerbsstörungen im inklusiven Unterricht? erfolgreich abgeschlossen.


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