Michaud | Durch die Tore des Todes | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 600 Seiten

Michaud Durch die Tore des Todes

Victor Lessard ermittelt. Band 2

E-Book, Deutsch, 600 Seiten

ISBN: 978-3-455-01120-3
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Neues vom kanadischen Meister des Thrillers 
Als der Kopf eines hohen Beamten der Polizei von Montreal gefunden wird, muss Victor Lessard in einem heiklen Fall ermitteln, denn Verdächtige gibt es genug – und nicht zuletzt in den eigenen Reihen. Ausgerechnet als Sergent-Détective Victor Lessard während der Abwesenheit seines Vorgesetzten vertretungsweise die Mordkommission von Montreal leitet, wird im Müll der Kopf eines hochrangigen Polizeibeamten gefunden, für den Lessard früher einmal gearbeitet hat. Nun müssen Lessard und seine Partnerin Jacinthe Taillon ermitteln – und zwar so schnell wie möglich, denn der Mörder hat einen Brief hinterlassen, in dem er nicht nur Philosophen zitiert, sondern auch ankündigt, dass weitere Köpfe rollen werden …
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Cover
Titelseite
Widmung
Motto
Maxime
48. Unter der Erde
49. Das schwarze Zimmer
Erster Tag
Achter Tag
Neunter Tag
Zehnter Tag
Zwölfter Tag
Nachwort, Danksagung und Blablabla
Über Martin Michaud
Impressum


4. Die Mülltaucher
Die pralle Sonne spiegelte sich auf den Motorhauben der Einsatzfahrzeuge, die die Kreuzung zwischen dem Boulevard Saint-Laurent und der Avenue Duluth absperrten. Und an der Ecke der Rue Saint-Dominique und Napoléon bot sich genau der gleiche Anblick. Absperrbänder hinderten die Fußgänger daran, auf dem Bürgersteig weiterzugehen. Im flackernden Warnlicht schirmten die Polizisten den gesicherten Bereich vor Schaulustigen ab. Falls es sich nicht bereits herumgesprochen hatte, würde das Gerücht sich in Windeseile verbreiten: In einem Abfallcontainer hatte man einen Kopf entdeckt. Deutlich mehr Polizeibeamte als sonst waren zum Einsatz abkommandiert worden. Das war immer dann der Fall, wenn ein Polizist getötet worden war. Die Polizei ist eine Gemeinschaft. Wird einer von ihnen im Dienst getötet, rückt das Rudel zusammen und schließt die Reihen. Auf dem Straßenabschnitt, in dem sich der Container befand, wimmelte es nur so von Technikern der Spurensicherung. Noch bevor Jacinthe und Victor dort ankamen, hatten sie die Schachtel mit dem Kopf in Eis gelagert und ins Labor des Gerichtsmediziners Jacob Berger in die Rue Parthenais bringen lassen. Berger, mit dem die beiden Ermittler häufig zusammenarbeiteten, war bereits mit der Autopsie beschäftigt. Eine junge Frau saß an der Bürgersteigkante und beantwortete seit kurzem die Fragen des Sergent-Détective. Sie war ungefähr zwanzig Jahre alt, trug weinrote ziemlich abgewetzte Doc Martens, einen schwarzen Taftrock und ein Hemd in den Farben des Vereinigten Königreiches. »Mein Freund und ich gehen kein Risiko ein, Fleisch und Milchprodukte rühren wir nicht an. Normalerweise ist der Container hier einer der besten Plätze. Bäckereiabfall ist am saubersten. Alles, was sie tagsüber nicht verkaufen, packen sie in eine Tüte. Sonst nichts. Sie wissen, dass wir vorbeikommen.« Eine Laufmasche in ihren roten Strumpfhosen gab den Blick auf ein Stück ihres Knies frei; offenbar hatte sie geweint, ihre mit Khôl umrandeten Augen waren schwarz verschmiert, und als sie sich die Augen wischte, hatte sie die restliche Schminke über ihr bleiches Gesicht verteilt. »Die Eigentümer der Bäckerei sind Portugiesen … Sie lassen uns die Brioches, Kuchen, und manchmal ist sogar frisches Brot in der Tüte. Das schmeckt super. Als ich die Schachtel gesehen habe, dachte ich erst, da sei ein Kuchen drin.« Den makabren Fund hatte das junge Pärchen im Container hinter der Bäckerei gemacht, in der Rue Duluth. Jacinthe befragte den jungen Mann, während Victor sich mit seiner Freundin unterhielt. »Weißt du noch, ob du Fliegen bemerkt hast, als du die Schachtel geöffnet hast?« Er hatte ihr eine Zigarette angeboten, die jetzt zwischen den Fingern der jungen Frau zitterte, als sie sie an den Mund führte. Sie nahm einen Zug. »Nein«, erwiderte sie mit erstickter Stimme, »weder im Container noch in der Schachtel. Wenn Fliegen dran sind, lassen wir die Hände davon.« Sie starrte auf den Boden zwischen ihren Stiefelspitzen, öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, und klappte ihn dann wieder zu. In ihren weit aufgerissenen Augen schimmerten Tränen. Beruhigend legte ihr Victor eine Hand auf den Arm. »Lass dir Zeit, Miranda. Kein Problem.« Sie holte tief Luft. »Am schlimmsten ist, dass ich es zuerst nicht mal so besonders eklig fand. Ich habe ganz instinktiv reagiert, noch bevor ich überhaupt kapiert habe, was ich da sehe. Ich wusste, dass irgendwas nicht stimmt, aber erst nachdem ich die Schachtel wieder zugemacht habe, wurde mir klar, was da drin ist.« Schweigend wartete Victor, bis sie weitersprach. Miranda trat die Zigarette mit dem Schuh aus. Dann hob sie den Kopf und sah ihm direkt in die Augen. »Allein der Gedanke, dass ein Mensch einem anderen so was antut. Ich … ich kann es einfach nicht fassen, nicht verstehen. Ich habe immer gedacht, Leute, die so verrückt sind, würden nur im Film vorkommen, nicht in meiner Welt. Nicht direkt vor meiner Nase. Wenn ich mir vorstelle, es könnte jemand gewesen sein, dem ich schon auf der Straße begegnet bin, wird mir richtig schlecht.« Victor nickte. Miranda erinnerte ihn an Charlotte, seine Tochter. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und getröstet, ihr gesagt, dass einer, der zu dicht am Abgrund stand, Gefahr lief abzustürzen; er hätte ihr leise von den alten Gesetzen der Welt erzählt, die so ungerecht und erbarmungslos waren, hätte ihr zugeraunt, dass nichts existierte, dass alles existierte. Victor wusste, wie gerade jene Bilder, die man angestrengt zu vergessen suchte, immer wieder aufs Neue auftauchten, beschmutzt von der Zeit und den Erinnerungen. Im Unterschied zu der jungen Frau hatte sich Victor jedoch längst an diese Bilder gewöhnt. »Weißt du, Miranda, niemand dürfte je so etwas sehen wie das, was ihr beide in dieser Schachtel entdeckt habt. Und jetzt möchte ich, dass du zusammen mit deinem Freund nach Hause gehst. Vergesst alles, was ihr erlebt habt und versucht, auf andere Gedanken zu kommen.« Sie starrte vor sich hin und nickte. In der Straße waren Motorengeräusche zu hören, Autotüren fielen zu. Weitere Einsatzfahrzeuge waren eingetroffen. »Außerdem möchte ich dir ein Versprechen abnehmen«, fuhr Victor fort. »Ein Versprechen?« »Ja. Sobald du wieder an diese furchtbaren Bilder denken musst, stellst du dir stattdessen einfach ein Flusspferd vor. Versprich mir das.« Sie musterte ihn fragend mit zusammengeschobenen Brauen, wurde aber nicht recht schlau aus seiner Miene. Dann lächelte sie zaghaft. »Ein Flusspferd?« Mit aufgeblasenen Backen und ausgebreiteten Armen verdeutlichte Victor, was er meinte. »Ja, genau, ein Flusspferd.« Miranda lächelte über das ganze Gesicht. »In Ordnung.« »Versprochen?« Sie nickte bekräftigend. Er reichte ihr seine Visitenkarte und bedachte sie zum Abschied mit einem väterlich besorgten Blick. »Wenn dir noch was einfällt, rufst du mich sofort an, egal zu welcher Uhrzeit.« Victor erhob sich und reichte ihr die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Miranda bedankte sich, drehte sich um und ging in Richtung Bäckerei davon. Der Polizist schob sich die Ray-Ban auf die Nase und sah ihr nach, als sie zu ihrem Freund hinüberging, der bereits auf sie wartete, an die Mauer gelehnt und die Hände in den Taschen. Jacinthe hatte offenbar erheblich weniger Zeit für ihre Befragung gebraucht. Jetzt musste er seine Partnerin nur noch finden.   Zuerst hielt er in der Nähe des Streifenwagens Ausschau nach ihr und dann am Tatort, konnte sie aber nirgends entdecken. Blitzlichter flackerten durch die schmale Straße, als die Spurensicherung Aufnahmen des Müllcontainers und der direkten Umgebung machte. Rings um den Container waren an allen Objekten, bei denen es sich möglicherweise um Indizien handelte, nummerierte Markierungskegel platziert, unter anderem an zwei Dosen Farbspray, einer alten Socke, einer Kopfhörerverpackung sowie gebrauchten Batterien. Victor umrundete das Gebäude und steuerte auf den Eingang der Bäckerei zu. An der Tür blieb er stehen und grinste spöttisch. An der Ladentheke deutete Jacinthe auf die kleinen Törtchen, die in einer Kühlvitrine lagen. Hinter der gläsernen Theke war der Besitzer des Ladens bereits eifrig damit beschäftigt, alles, was sie auswählte, in einer Schachtel anzuordnen. Als Victor näher kam, bezahlte sie gerade. »Und deine Diät?« Auf frischer Tat ertappt wich Jacinthe einen Schritt zurück, war aber gleich wieder obenauf und musterte ihn angriffslustig. »Die sind natürlich für Lucie!« Jacinthes Freundin, vegetarisch und asketisch lebend, war ein ebenso sanftmütiges wie geduldiges Wesen und arbeitete als Bibliothekarin in der Stadtbücherei. Victor hielt sich zwar mit einem Kommentar zurück, ließ sich aber nicht zum Narren halten: Lucie machte sich nichts aus Süßigkeiten. Seine Teamkollegin beugte sich zu ihm vor und schnupperte bedeutungsvoll. »Und selbst? Wieder heimlich gequalmt?« »Das war ich nicht«, log er. »Miranda hat eine geraucht.« Jacinthe grinste. »Miranda? Ihr habt euch ja schnell angefreunde t… Ich wette, du hast ihr deinen berühmten Flusspferdtrick verraten.« Victor überging den Spott. »Und wie war’s mit ihrem Freund?« »Na ja, der typische kleine Anarcho-Hipster vom Plateau. Hat mich total zugetextet. Solche Leute ertrag ich einfach nicht! Verdammt, was für Scheißtypen.« Mit gesenkter Stimme fuhr sie fort: »Wir suchen uns das Essen doch nicht im Abfall zusammen, weil wir kein Geld haben, Mann. Nein, damit wollen wir zeigen, dass der beschissene Kapitalismus einfach versagt hat.« Sie lachte etwas gekünstelt. »Hast du eigentlich gewusst, dass es schon eine Bezeichnung für dieses Herumwühlen im Abfall gibt? Das nennt sich nämlich …« Sie zog ihr Notizbuch aus der Tasche und fing auf der Suche nach dem Eintrag an zu blättern. Victor konnte helfen. »Dumpster diving«, sagte er. »Ach, du kennst das? Hm, wer so was macht, muss schon richtig scharf auf Ärger sein, oder?« Victor zuckte die Schultern und verkniff sich die Antwort. Dass er die Idee ganz interessant fand, führte doch nur zu endlosen Diskussionen. »Und sonst? Hast du den Besitzer der Bäckerei befragt?« Sie nickte und rollte mit den Augen. Natürlich hatte sie sich den vorgenommen. »Erst den Besitzer, dann seine Frau. Sie wohnen direkt über dem Laden. Er hat den Sack mit Abfall zwischen 23 Uhr und Mitternacht in den Müll geworfen und nichts...


Michaud, Martin
Martin Michaud hat als Musiker und Anwalt gearbeitet, bevor er zu schreiben begann. Heute ist er einer der erfolgreichsten Krimi-Autoren Kanadas. Seine Reihe Mord in Montreal wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Arthur Ellis Award und der Prix Saint-Pacôme für Kiriminallitertaur. Martin Michaud lebt in Montreal.

Martin Michaud hat als Musiker und Anwalt gearbeitet, bevor er zu schreiben begann. Heute ist er einer der erfolgreichsten Krimi-Autoren Kanadas. Seine Reihe Mord in Montreal wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Arthur Ellis Award und der Prix Saint-Pacôme für Kiriminallitertaur. Martin Michaud lebt in Montreal.


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