Mohr Verzeih Dir!
13001. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8437-0547-9
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Inneren und äußeren Frieden finden mit Ho'oponopono
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Reihe: Ullstein eBooks
ISBN: 978-3-8437-0547-9
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Manfred Mohr ist Seminarleiter, Autor und Coach. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht vor allem die Vertiefung des Herzkontaktes. In seinen Workshops und Vorträgen bringt er die Menschen ins Erleben und lässt sie den Wunsch ihres Herzens spüren. Er ist der Ehemann der im Oktober 2010 verstorbenen Bestsellerautorin Bärbel Mohr und lebt mit den gemeinsamen Kindern in der Nähe von München. Manfred Mohr möchte das geistige Erbe seiner Frau bewahren und weiterführen.
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Zur Liebe braucht es Unvernunft
Die Liebe ist der Liebe Preis. (Friedrich Schiller)
Und nur der ist etwas, der etwas liebt.
Nichts sein und nichts lieben ist identisch. (Ludwig Feuerbach)
Das Bild des Tropfens ist auch ein guter Einstieg, um einen wesentlichen Aspekt von Liebe unter die Lupe zu nehmen. Wenn zwei Tropfen sich annähern, dann kommt ganz von selbst ein Punkt, bei dem sie sich gegenseitig aufsaugen, um miteinander zu verschmelzen. Plötzlich macht es schwupp, und es ist nur noch ein einziger doppelt so großer Tropfen da. Meine Kinder spielen dieses Tropfenspiel gern auf einer Glasscheibe. Es ist ja auch faszinierend, dabei zuzusehen, wie vollkommen der eine Tropfen im anderen aufgeht. Um verschmelzen zu können, geben beide Tropfen ihre alte Natur auf, um eins werden zu können. In dieser Formulierung erinnert mich das Verhalten der beiden Tropfen sehr an eine Liebesbeziehung unter uns Menschen.
Wenn ich mich verliebe, muss ich auch eine alte Form aufgeben. Vielleicht kennst du das ja selbst. Als ich Bärbel kennenlernte, war schon nach wenigen Monaten klar, dass wir eine Familie gründen wollten. Also zog ich von Köln nach München und ließ sehr viel hinter mir. Ich gab meine behagliche Junggesellenbude auf, suchte mir eine neue Arbeitsstelle und verabschiedete mich von den engsten Menschen um mich herum – Familie, Freunde und Nachbarn. Ich gab meine alte Umgebung auf, um eine neue Form zu finden. Gemeinsam mit Bärbel gründete ich eine kleine Familie. Dies war nun meine neue Lebensstruktur. Wie die beiden Tropfen gab ich mein altes Leben auf, um einen neuen Anfang zu wagen.
Mein altes Leben in Köln war mir bestens bekannt. Jeden Winkel meiner damaligen Wohnung kann ich noch heute genauestens beschreiben. Mit meinem Umzug nach München war eine große Anzahl von Unwägbarkeiten verbunden: Wie würde meine neue Arbeitsstelle sein? Was erwartete uns im Umfeld der neuen Wohnung? Welche Herausforderungen warteten auf mich, wenn bald unsere Zwillinge zur Welt kamen? Sicher kennst du auch diese merkwürdige Angst in dir, die sich immer dann einstellt, wenn Veränderungen anstehen. Mein Verstand möchte heute schon wissen, was morgen in München auf mich zukommt. Dem Ruf meines Herzens zu folgen bedeutete, die Liebe an die erste Stelle zu setzen. Und meinen Verstand mit seinen Zweifeln schlafen zu schicken.
Liebe verbindet.
Verstand trennt.
Liebe überwindet die Trennung.
So, wie es für uns Menschen natürlich und grundgegeben ist, aus Liebe zu heiraten und eine Familie zu gründen, selbstverständlich ist es für zwei Tropfen, sich zu vereinen. Alles auf dieser Welt folgt diesem Prinzip, immer auf seiner speziellen Ebene.
Fast scheinen sich die beiden Tropfen zu erinnern, wie sie einstmals im Ozean gemeinsam geschwommen sind. Dann folgten sie dem Kreislauf des Wassers, wurden Dampf, dann Wolke und regneten schließlich auf die Erde. Es war ihr natürlichster Instinkt, dem sie dabei folgten.
Als ich Bärbel kennenlernte, waren wir beide uns sofort so merkwürdig vertraut, so als würden wir uns schon eine Ewigkeit kennen. Es war für uns beide nur natürlich, zusammenzukommen und eine Familie zu gründen. Es war für uns beide, als sollte es einfach so sein.
Darum birgt dieses Verhalten der Wassertropfen für mich eine tiefe Faszination. Sie scheint mir so vertraut. Wenn es so ist, dass Liebe die ganze Welt durchdringt und verbindet, dann wirkt sie in allem, was ist. In Menschen, Tieren, Steinen, in den Pflanzen, dem Wasser und der Erde. Könnte man dann so weit gehen und sagen, Pluspol und Minuspol ziehen sich an, weil sie sich lieben? Umkreist der Mond die Erde, weil sie sich so ungemein sympathisch finden? Sind Magnetismus und Gravitation vielleicht beide im Grunde nur derselbe Ausdruck von Liebe, die zusammenführen möchte, was zusammengehört? Um die Trennung zu überwinden? Mir jedenfalls ist dieser Blickwinkel irgendwie ungemein sympathisch.
Für uns Menschen ist Liebe jedenfalls immer auch mit dem Dilemma verbunden, zwischen Herz und Kopf hin- und hergerissen zu sein. Jeder von uns hat in seinem Leben schon bestimmte Erfahrungen gemacht, und in Bezug auf Liebe waren sie mitunter auch schmerzvoll. Unser Verstand möchte uns deshalb vor weiteren unliebsamen Erfahrungen schützen und schenkt uns Zweifel und Fluchtinstinkte, wenn die neue Liebe lockt. Unser Herz aber will es wagen. So braucht es auch Mut, um sich neu zu verlieben, und eine gehörige Portion Unvernunft. Unser Verstand kann die mit der sich entfachenden Liebe einhergehenden Gefühlswallungen einfach nicht verstehen. Gefühle sind eben eine ganz andere Ebene als der Verstand. Jeder von uns kennt doch dieses innere Wechselspiel von Hoffen und Harren, wenn die Liebe zu einem anderen Menschen sich gerade entfalten möchte. Und wie schön, denn ohne dieses Hin- und Hergerissensein wären unsere Lyrik, die Dichtkunst und auch unsere persönlichen Dramen um einiges ärmer. Ein bisschen Romeo oder Julia sind wir doch alle gern, oder?
Es ist die tiefste Eigenart von Liebe, uns eine ganze Fülle von Gefühlen schenken zu wollen. Liebe kann schön sein. Liebe kann Glück schenken. Liebe kann wehtun. Liebe ist so. Der Dalai Lama sagt deswegen: »Großes Glück und große Liebe bedeuten großes Risiko.« Denn alles auf dieser Welt ist vergänglich.
Darum vergleiche ich die Liebe auch gern mit einer Rose. Sie ist wunderschön, ihr Duft kann verzaubern. Und doch birgt sie in sich die Gefahr, durch ihre Dornen zu stechen und zu verletzen, wenn ich sie pflücken möchte, um sie in meinen Besitz zu bringen. Mal Hand aufs Herz: Was wäre die Rose ohne ihre Dornen? Wäre es noch eine Rose?
Diese verwirrende Eigenschaft der Liebe hat besonders Schiller auf den Punkt gebracht. Liebe ist wunderschön. Und Liebe kann Schmerz bereiten. Wer liebt, ist bereit, beide Seiten dieser Medaille anzunehmen. »Die Liebe ist der Liebe Preis.«
Die Liebe ist das Feuer des Lebens, sie kann Begeisterung entzünden und sie kann uns verbrennen. Zu lieben bedeutet, diese beiden Seiten der Liebe zu akzeptieren. Wer den Preis der Liebe erringen möchte, ist gleichzeitig auch bereit dazu, den Preis dafür zu zahlen. Zu lieben bedeutet, Ja zu sagen mit allen Konsequenzen. Wer den Vertrag der Liebe unterschreibt, der steht damit auch gern für das Kleingedruckte ein. Liebe ist so. Man kann sie nur annehmen, wie sie ist. Darum scheint es mir so, als wären in dieser grundsätzlichen Eigenschaft von Liebe schon ihr ganzer Sinn und ihre Bestimmung verborgen: Annahme. Liebe bedeutet Annahme. Wenn ich liebe, nehme ich die Freuden und Leiden der Liebe in Kauf. Beim Gehen des Weges der Liebe erhalte ich darum meine Lektionen der Annahme unablässig, indem ich den geliebten Menschen so annehmen kann, wie er ist. Mit allen guten und allen schlechten Eigenschaften. Mit allen Begabungen und allen Fehlern. Nach Tucholskys Motto: »Man muss die Menschen so nehmen, wie sie sind. Es gibt keine anderen.«
Gerade unsere engsten Partnerschaften schenken uns dazu besonders gut Gelegenheit. Bei Bärbel und mir war es ein stetiger Prozess. Beide waren wir sehr unterschiedlich, sodass wir lernen durften, auch die Sichtweise des anderen anzunehmen und zu respektieren. Die Geburt unserer Zwillinge stellte uns dann vor ganz neue Herausforderungen, die es auch zu lieben und anzunehmen galt. Wir sind daran gewachsen. Schließlich sorgte Bärbels Krankheit dafür, auch diese Seite des Daseins anzunehmen und dankbar zu sein für die gemeinsame Zeit miteinander. Und auch der Tod ist Teil unseres Lebens. Auch er möchte als Stufe unseres Weges integriert und angenommen sein. Dann schenkt uns vielleicht die Liebe und die Demut vor ihm die nötige Kraft, unser Feuer so groß werden zu lassen, dass wir auch den Sturm des Lebens in der Art zu verstehen lernen, wie es ein arabisches Sprichwort nahelegt: »Der Sturm lässt die Kerze verlöschen, aber er facht das Feuer an.«
Für mich ist die Liebe wie dieser Sturm. Wenn ich mich vor ihm verstecke, werde ich niemals die Erfahrung geschenkt bekommen, durchgepustet zu werden, um ganz zu entflammen. Dann bleibt mein Licht immer klein. Ganz Ja zur Liebe zu sagen bedeutet für meinen Verstand ein Risiko. Ist mein Feuer groß genug? Werde ich diese Herausforderung meistern? Wird es wehtun?
In der Liebe gehören Glück und Schmerz zusammen. Das eine gehört untrennbar zum anderen. Sie werden nur im Doppelpack geliefert. Und genau um dieses Paradoxon dreht sich unser Leben. Genau das macht unser Leben aus. Nur wer liebt, lebt wirklich, wie Ludwig Feuerbach sagt: »Und nur der ist etwas, der etwas liebt. Nichts sein und nichts lieben ist identisch.« Wer nicht wagt zu lieben, der lebt darum frei nach dem Motto »Wasch mich, aber mach mich bitte nicht nass!«. Erst die Liebe macht das Leben lebenswert. Erst wenn ich den Mut habe, aus dem Nest zu hüpfen, werde ich wissen, wie berauschend und kostbar die Fähigkeit zu fliegen ist. Und natürlich gibt es die Gefahr, dabei abzustürzen.
Unser Verstand wird sich im stillen Kämmerlein genau...