Müller | Adiós, Aachen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 8, 208 Seiten

Reihe: Kommissar Fett und Co. ermitteln

Müller Adiós, Aachen

Kriminalroman
2024
ISBN: 978-3-7349-3002-7
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 8, 208 Seiten

Reihe: Kommissar Fett und Co. ermitteln

ISBN: 978-3-7349-3002-7
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Eine tote Spanierin und ein ermordeter Bischof geben den Aachener Kommissaren Rätsel auf. Wurde der Bischof Opfer einer Intrige? Wer ist die Spanierin mit den vielen Identitäten? Sie hatte Beziehungen zu einem Abgeordneten, einem Offizier vom Fliegerhorst Nörvenich und stammte aus Fuerteventura. Plötzlich schalten sich in beide Fälle Geheimdienste ein. Da erkennen die Kommissare Fett und Conti die riesige Bedrohung für die Region: Heiligtumsfahrt und Reitturnier absagen? Oder gilt die Drohung dem Fliegerhorst Nörvenich?

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DER ERSTE FALL UND RAMBAZAMBA
Fett drückte die Aus-Taste des Radios mit solcher Wucht, dass der Apparat fast durch die Wand gedonnert wäre. Wieder eine Backfischmoderatorin mit unerträglich guter Laune. Dieser penetrante Frohsinn der jungen Frauen im Radio und in der Glotze! Welche Lachpillen schluckten die vor Arbeitsbeginn? Wer konnte um 5 Uhr morgens diese Laune haben? Was koksten die, was warfen die ein? War Cannabis schon seit Jahren legalisiert? Hatte er was verpasst? Wann wurde endlich das Schlechte-Laune-Radio erfunden? Die ständige Verjüngung der Moderatoren brachte keine Verbesserung. Blöde Fragen, dümmliches Lachen, ewige Duzerei. Vielleicht musste ein Graue-Panther-Radio erfunden werden. Wie hieß die Tante? Trude Unruh. Auch tot. Fett schaltete die Kaffeemaschine ein: »Schale leeren!« – Fing ja gut an. Er leerte die Schale nicht, kochte Wasser, kippte zwei Teelöffel Nescafé in die rote Tasse, ein Schuss Milch und heißes Wasser drüber. Dunkelheit über Aachen. Fett schaufelte nach dem ersten Kaffee am Freitagmorgen Wasser in sein Gesicht. Mehrfach hielt er seine Hände – wie früher in der Kirche zur Gabe der Hostie – unter den Wasserstrahl. Kaltes Wasser an einem kalten Morgen im Januar 2023. Erkannte er sich im Spiegel? Er schnitt seinem Gegenüber eine Grimasse: alter weißer Mann. Zweites Frühstück: Kaffee und Streuselbrötchen von der Nobis-Filiale gegenüber. Erdbeermarmelade war ausreichend vorhanden. Draußen war es nass, feucht. Wieder kein Frost, kein Schnee. Was für ein merkwürdiger Fall, dieser erste Fall des Jahres. Die Tote lag zwei Wochen vor dem Mord am Weihbischof direkt nach Silvester verkrümmt zwischen den Betonhöckern des Westwalls bei Schmithof. Dornen, Gräser, Sträucher, Stacheldraht und mittendrin die bekleidete Tote. Sie wies keine Kampfspuren auf. Die Untersuchung der Kleidung brachte kein Ergebnis. Der Fundort war nicht der Tatort. Ein Schuss in den Hinterkopf mit einer Pistole Kaliber 9 Millimeter, Fabrikat unbekannt, jedenfalls keine Glock, Walther, Browning, Heckler & Koch oder SIG Sauer. Alles Hinweise auf eine Exekution. Keine Sexualstraftat, niemand vermisste sie. Warum waren ihre schwarzen Haare abgeschnitten? Grobe Schnitte in glänzendes, schwarzes Haar. Laut Doktor Schunkert war sie über 60 und am Abend vorher ermordet worden. Bauer Schultheis fand sie nur deshalb, weil ein Schaf ausgebüxt war und sich zwischen den Sträuchern und Betonhöckern verheddert hatte. Warum lag sie zwischen den Betonhöckern, bereits übel zugerichtet von Rotwild und Krähen? Die Veröffentlichung des Fotos brachte den Durchbruch: Ines Villoslada, Jahrgang 1956, Spanierin. Früher arbeitete sie bei der Aachener Spedition Ibero-Aixport. Erich Bender, Prokurist, hatte sie Ende letzter Woche auf die Spur gebracht. Er konnte sich sehr gut an sie erinnern. »Eine wahre Schönheit. Sie sprach fast akzentfrei Deutsch. Perfekt bei der Arbeit. Nur unnahbar.« Das Seufzen bei den letzten Wörtern verstanden Fett und Conti. Die Personalakte war unauffällig. Mitte der 80er-Jahre kam sie nach Aachen, sprach bereits gut Deutsch, fing als Aushilfe in der Abteilung Südeuropa an, besuchte das Abendgymnasium, Abitur. Schließlich leitete sie die Abteilung für Spanien. Niemand kannte sie näher. Sie sei freundlich gewesen, manche sprachen von verschlossen, unnahbar. Belegschaftsfeste habe sie in der Regel gemieden. Im Laufe der Zeit sei sie von allen akzeptiert worden. Ein Leben ohne Ecken, Kanten, Vorlieben, Hobbys. Während in der Ukraine die Raketen und Todesdrohnen einschlugen, Frauen, Kinder, Greise um ihr Leben zitterten, macht das Böse auch bei uns keine Pause, dachte Fett. Wie in den Nachrichten: Tod, Verstümmelung, Mord, Folter, Entführung, Attentate, Sabotage, Tod um Mitternacht, Tod am Abend. Fett wollte sich nicht daran gewöhnen. Er spürte, dass der Krieg, der fast ein Jahr dauerte, zu einem alltäglichen Begleiter wurde. Das Leben schritt einfach voran, hinweg über die alten und neuen Opfer. Ganzjährig Karneval, ein Event nach dem anderen, Festival auf Festival – je mehr Ungemach, umso mehr Rambazamba, so schien es ihm. Die Täter, die sollen nicht davonkommen, sagte sich Fett und brach auf ins Präsidium. Ach, der Wagen! Er rief Conti an, bat um eine Mitfahrgelegenheit wegen Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit. Dann holte er das Klapprad aus dem Keller, baute es zusammen und fuhr zur Promenadenstraße. Auf dem Weg zu Contis Wohnung registrierte er die vielen Lastenfahrräder, die Profis auf den Mountainbikes in Warnkleidung, Helm, wasserdichten Schuhen, die ihn auf seinem Klapprad mitleidig belächelten, links und rechts überholten, bei Rot über die Ampel jagten und querende Fußgänger mit aggressivem Klingeln von der Straße scheuchten. Sakra, die rasten so blöd wie die tiefergelegten Tuninggurken der jungen Tattoo-Könige. Sie waren die Guten, die in ihrer Funktionskleidung die Welt retteten, auch wenn Fußgänger zwischen Speichen und Bremsscheibe landeten. Fett und Conti standen mit zwei Kaffeebechern, Aufdruck »GdP Gewerkschaft der Polizei – Tut dir gut«, vor dem Fenster ihres Büros und schauten in Richtung A44. »Wir kennen ihren ehemaligen Arbeitsplatz, sie war nicht verheiratet, kein Mann, keine Angehörigen, keine Freunde, für die Arbeitskollegen in der Spedition die freundliche Spanierin, nach der sich die Männer den Kopf verdrehten. Vor über 30 Jahren nach Aachen gekommen, keine Spuren in ihrer Wohnung in der Peliserkerstraße. Die war klinisch sauber. Fast zu sauber. Nur die Streichholzschachtel vom Pony-Club, die auf dem Wohnzimmertisch lag, die müssen wir noch checken. Sie traf irgendwo den Täter, der brachte sie um und fuhr die Leiche zum Westwall. – Was soll das?« Fett war ratlos. Es war dunkel um 8 Uhr an diesem Januartag. Der Kaffee schmeckte fad. Frau Hof wechselte ständig die Kaffeebohnen. Auf ihre Schnäppchen war sie stolz, genau wie auf den Rabatt für die zehnte Zumba-Stunde. Conti fuhr durch die schwarzen Haare, schüttelte sich, sie war lange nicht beim Friseur gewesen. »Die Spanierin sah verdammt gut aus. Eine schöne Frau. Viel jünger als 67. Und sie soll keinen Mann gehabt haben?« »Vielleicht stand sie auf Frauen«, sagte Fett. »Glaube ich nicht.« »Glauben und wissen. Wir wissen nichts über sie. Wo traf sie ihren Mörder?« »Mörderin.« »Vielleicht. Wo kaufte sie ein, was machte sie am Feierabend?« »Warum benutzte sie Prepaid-Handys?« »War sie ein Callgirl, eine Escortdame?« »In dem Alter? – Die Konten waren nicht überfüllt.« Conti dachte über Escortdame nach. Fett zeigte auf die Aufnahme einer Betriebsfeier aus dem Jahr 2010. Ines Villoslada schaute ernst, nachdenklich. Die langen Haare fielen zur Seite. Sie trug eine hellblaue Jeans, weiße Bluse, braune Lederjacke, braune Pumps. Neben ihr wirkten die Kolleginnen blass wie die Europaletten der Spedition. »Eine schöne Frau. Sag ich doch.« Conti schaute auf das Foto. Fett nickte, stellte den Kaffee auf den Schreibtisch, schüttelte den Kopf. Exekution ging ihm nicht aus dem Sinn. Das Wetter war wieder umgeschlagen. Zehn Grad um 8 Uhr. Der Großeinsatz in Lützerath am Braunkohletagebau Garzweiler stand bevor. Orden wider den tierischen Ernst für Außenministerin Baerbock, Karlspreis für Selenskyj. Schlechte Laune bei den Kollegen, Überstunden und keine Rückendeckung von der Politik für Lützerath. Von Winter keine Spur. Eher Erinnerung an 2019, den damaligen Einsatz in Simonskall, die erste Zusammenarbeit mit Conti. Fett verdrängte die Erinnerungen, beide Fälle verlangten seine Konzentration. Er bemerkte, dass Conti ihn häufiger einlud, keine Winterdepression bei ihm aufkommen lassen wollte. Er brachte den Crémant, sie kochte Risotto, sie hörten Gianna Nannini und AnnenMayKantereit, lachten und schwiegen, erzählten von ihrem Leben, den verlorenen Hoffnungen, den kleinen Träumen, den kleinen Freuden. Manchmal diskutierten sie über die Bambisierung: Lützi, Hambi und Danni. Die Verniedlichung diente der Inbesitznahme, der Verharmlosung, holte die Austragungsorte für den besseren Planeten in die Bullerbü-Welt der sogenannten Aktivisten. Die Kinderwelt mit Bambi und diesem Alm Öhi oder Ödi war die gute und heile Welt. Kinder an die Macht: Kinderparlamente, Kinderräte bis hin zu »Fridays for Future« und »Letzte Generation«. Hier die braven Bambisten, dort behelmte Polizisten. Zack, war die Polizei der böse Onkel. Wer gut war zu den Bäumen, wer als Lastenradfreak durch die Fußgängerzone donnerte, der war moralisch an der Spitze der Gesellschaft. Im Märchen vom Rotkäppchen war der Wolf der böse Wolf. Von romantisierenden Bambifreunden wieder in die Eifel gebracht, riss er bei Mützenich und Mechernich und Reichenstein Schafe und Ponys. Bauern, Schäfer und Pferdebesitzer verzweifelten. Bestimmt waren Schafe und Ponys selbst schuld. Bambi – er dachte an Jogi, Hansi, Klinsi und den Niedergang der deutschen Fußballnationalmannschaft. An Steffi und Nancy im Kabinett. Auch zu viel Bambisierung. Eine Nation im Schlafwandlermodus, wach nur bei der lauten Frau mit den aufgerissenen Augen, er meinte diese Barbara Schönewald oder so ähnlich, die Geheimwaffe der öffentlichen TV-Sender mit dem Angebot für das Publikum ab 70. Die Alternative lautete Hirschhausen oder Kai Pflaume. Super! Dazu Dauerevents in jedem Ort des Rheinlands: ganzjährig kölsche Feste mit Dauer-Verhöhnerung, Karneval im Sommer und Tannenbaumweitwurf vor Heiligabend. All das mäanderte Fett an diesem Januarmorgen durch den Kopf, als er den faden Kaffee in der Teeküche in den...


Müller, Olaf
Olaf Müller wurde 1959 in Düren geboren. Er ist gelernter Buchhändler und studierte Germanistik sowie Komparatistik an der RWTH in Aachen. Seit 2007 leitet er den Kulturbetrieb der Stadt Aachen. Sprachreisen führten ihn oft nach Frankreich, Italien, Spanien sowie Polen und Austauschprojekte in Aachens Partnerstädte Arlington (USA), Kostroma (Russland) und Reims (Frankreich). Als junger Segelflieger erlebte er die Eifel aus der Luft, als Wanderer heute vom Boden. „Adiós, Aachen“ ist sein neunter Kriminalroman im Gmeiner-Verlag.



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