Müller | Der falsche Fürst | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 241 Seiten

Müller Der falsche Fürst


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-96112-399-5
Verlag: Charles Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 241 Seiten

ISBN: 978-3-96112-399-5
Verlag: Charles Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Frankfurt, Mitte des 17. Jahrhunderts. Der zehnjährige Johannes muss miterleben, wie seine Eltern scheinbar grundlos durch die Hand des Hauptmanns August von Bremer ermordet werden. Johannes soll ebenfalls sterben. Doch der beauftragte Gehilfe des Hauptmannes, der Johannes in einem Fluss ertränken soll, hat Mitleid und lässt den Jungen entkommen. Nach tagelanger Flucht erreicht Johannes Dortelweil, wo ihn eine Bauernfamilie aufnimmt. Jahre später eskaliert ein Streit mit einem Bauern aus der Nachbarschaft. Johannes erschlägt im Zorn die Witwe des verfeindeten Bauern. Wieder muss er fliehen.Im nahe gelegenen Taunus schließt er sich, getrieben von Furcht, Hunger und Verzweiflung einer Räuberbande an. Hier erlernt er das unehrenhafte, aber sehr lukrative Handwerk des Taschendiebstahls und Betruges. Visionen vom großen Geschäft treiben ihn alsbald zurück in seine Heimatstadt, wo er mit wagemutigen Betrügereien ein reicher und in der feinen Gesellschaft geachteter Mann wird. Niemand ahnt, mit welch Geschick und Hinterlist Johannes den Frankfurter Geldadel narrt. Eines Tages erfährt er, dass August von Bremer als Stadtrat ernannt soll. Johannes sieht die Stunde der Rache gekommen. Er setzt nun alles daran, den Tod seiner Eltern zu rächen. Dieser letzte Betrug soll der größte sein, den er jemals eingefädelt hat. August von Bremer soll seines Lebens nicht mehr froh werden. Doch er hatte nicht damit gerechnet, welche unglaubliche Überraschung ihn in August von Bremers Haus erwartet.

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Der Überfall


Semplet aliquid haeret -

Etwas bleibt immer hängen

Es war eine schwülwarme Sommernacht im Jahre 1636. Der lange Krieg hatte das Land noch immer fest in seinem Würgegriff.

Die Männer kamen wie aus dem Nichts. Plötzlich standen sie im Zimmer. Alles ging so schnell. Johannes Wagner, Sohn der mittellosen Leibeigenen Bernwardt und Martha Wagner, schreckte in seinem kleinen Bett hoch. Die Dunkelheit in der kargen Holzhütte, die umgeben von ausgedörrtem Boden in einem kleinen Dorf vor den Toren der Stadt Frankfurt lag, hielt den knapp zehnjährigen Jungen noch gefangen. Verschlafen, die blonden Haare wirr vom Kopf abstehend, versuchte er, Schärfe in den Blick seiner blauen Augen zu bekommen. Eben noch hatte er auf einer saftig grünen Wiese gespielt, alles war schön und warm gewesen. Jetzt, aus seinen Träumen gerissen, lag er, nur bekleidet mit einem alten abgetragenen Hemd, das zudem noch schmutzig und löchrig war, auf seinem Strohlager. Um ihn herum standen mehrere fremde Männer und sagten seltsame Dinge.

»Wo kommt der denn jetzt auf einmal her?«, hörte Johannes einen der Männer sagen.

»Wusstet Ihr, dass sie ein Kind haben?«, fragte ein Anderer.

»Natürlich, ich hatte es nur vergessen«, sagte ein Dritter.

Johannes spürte eine eiskalte Hand im Nacken. Aber da war keine Hand. Nur die Angst. Diese Männer wirkten bedrohlich. Der Junge spürte instinktiv, dass sein Leben in Gefahr war. Starr saß er in seinem Nachtlager und bat den lieben Gott zu machen, dass es aufhört.

»Und jetzt?«

»Verdammt!«

»Meint Ihr, er hat etwas gesehen?«

»Kann man nicht wissen.«

»Was sollen wir mit ihm machen?«

»Ersäuft ihn im Bach!«

»Aber er ist doch noch ein Kind!«

»Das uns an den Galgen bringen kann, vergiss‘ das nicht, Schrummbiegel!«

»Ihr seid wirklich grausam, mein Herr.«

»Vielen Dank. Ich fühle mich geehrt.«

»Edgar, erledigt das!«

»Wieso ich?«

»Weil ich es sage!«

»Aber ich wollte meinen Saft auch noch loswerden.«

»Pech gehabt.«

»Herr, darf ich derweil, … wo ihr doch mit ihr fertig seid … da dachte ich ...«

»Na gut, aber mach schnell.«

Edgar schaute seinen Herrn ungläubig an und rührte sich nicht vom Fleck.

»Was ist? Willst du Wurzeln schlagen?«, fuhr dieser Edgar an. »Geh und wirf den Balg in den Fluss, ich muss zurück nach Frankfurt, man wartet auf mich. Wir haben heute Abend ein Bankett.«

Zögerlich trat Edgar auf Johannes zu, während die beiden anderen Männer den Raum so schnell verließen, wie sie ihn betreten hatten. Der Junge saß immer noch wie gelähmt in der Ecke und verschanzte sich hinter seiner löchrigen Decke. Der Mann, der auf Johannes zukam, stank fürchterlich. Eine Fahne aus Alkohol, Zwiebeln und modrigem Geruch umgab ihn. Johannes ekelte sich. Jetzt, wo sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er mehr erkennen. Der Mann war gekleidet wie ein Soldat. Er trug langes, zotteliges Haar und hatte einen löchrigen Bart, der nicht das ganze Gesicht bedeckte. Sein Wams war in der Körpermitte von einem schmutzigen Rot. Die Ärmel waren braun. Auf seiner Brust trug er ein Wappen, und in seiner Hand hielt er einen Dolch.

Sekunden später hatte Edgar den Jungen mit einem schnellen Griff eingefangen. Johannes versuchte zwar, sich zu wehren, hatte aber mit seiner schmächtigen Gestalt gegen den großen Mann keinerlei Aussicht auf Erfolg. Er schlug wild um sich, traf zwar den Angreifer, doch seine kindlichen Schläge blieben ohne Wirkung. Der Riese umschlang den Jungen mit seinen kräftigen Armen, packte ihn und trug ihn ins Nachbarzimmer. Dort wartete schon Schrummbiegel mit einem Seil. Johannes wurde mitsamt seiner Decke gefesselt, sodass er sich nicht mehr rühren konnte. Die Fesseln schnürten ihm ins Fleisch seiner jungen Haut und zwangen ihn zur Regungslosigkeit. An Flucht war nicht zu denken. Er lag auf dem gestampften Lehmboden der Hütte und starrte seine Peiniger an. Ohne dass er es wollte, brannten sich die Gesichter dieser Männer in sein zehnjähriges Gehirn ein. Dort würden sie für immer sein und ihn bis ans Ende seiner Tage verfolgen. Der Anführer, an dem der Junge von Edgar vorbei geschleift wurde, war sehr viel kleiner als die beiden anderen und von gedrungener Statur, aber nicht so schmutzig wie seine Helfer. Er trug auch ein andersfarbiges Wams. Seines war blau. Es zierte indes dasselbe Wappen. Unter dem Wams trug der Mann ein Kettenhemd, das ihm fast bis zu den Knien reichte. Johannes konnte eine grüne Hose und schwere, schwarze Stiefel erkennen.

Der Anführer trug sein blondes Haar lang und hatte ein glatt rasiertes Gesicht. Über seinem linken Auge hatte er eine kleine Narbe, und als er sich umdrehte und Johannes direkt ansah, erschrak der Junge. Seine Augen waren unterschiedlich gefärbt. Das linke war blau und das rechte braun. Eine angsteinflößende Laune der Natur.

Tränen der Wut rannen Johannes über das schmale Gesicht. Dann sah er seine Eltern. Sie lagen regungslos auf dem harten Boden. Sein Vater starrte ihn mit offenen Augen an.

»Vater, so helft mir doch!«, rief Johannes, doch sein Vater rührte sich nicht. Er starrte ins Nichts. Er war tot. Dem Jungen schnürte es die Kehle zu.

»Mutter«, schrie, nein - krächzte Johannes. »Hilfe!«

Doch seine Mutter konnte ihm nicht helfen. Auch sie lag regungslos, mit seltsam leeren Augen, die sonst so hell geleuchtet hatten, auf dem Boden. Blut lief ihr über das Gesicht. Eine Strähne ihres dunkelblonden Haares hing ihr unbeachtet in die Stirn. Johannes sah noch, wie sich Schrummbiegel auf sie legte, gierig keuchte und mit seiner Hüfte auf und ab wippte. Seine Mutter zuckte im selben Rhythmus. Ihr Gesicht war dabei ausdruckslos. Johannes wusste nicht, was hier geschah. Er wusste nur, dass seine Mutter wie eine Fremde auf ihn wirkte.

Schnell war die Sache erledigt. Der Mann, der sich an Johannes Mutter vergangen hatte und die gleiche Kleidung trug wie Edgar, ließ von seinem Opfer ab. Johannes sah im dämmrigen Licht, dass seine Mutter weinte.

»Na, Bürschchen. Wie fühlt man sich so wehrlos?« Schrummbiegel hatte sich über den Jungen gebeugt, während er noch an seiner Hose nestelte.

Er war hässlich. Dünnes Haar, faule Zähne und pockennarbige Haut. Über seiner Oberlippe wucherte ein Bart, in dem noch Essensreste hingen. Sein Atem stank erbärmlich. Der Schurke lachte böse. Johannes spuckte ihm ins Gesicht.

»Du kleine Ratte«, schrie Schrummbiegel. »Dir werde ich ...«

Statt weiter zu reden, schlug er Johannes. Er trug einen schweren Ring, mit dem er dem Kind eine klaffende Wunde über dem linken Auge zufügte. Sofort lief das Blut über das zarte Gesicht des Jungen. Es tat weh, doch Johannes lächelte trotzdem.

»Ganz so wehrlos war er dann wohl doch nicht«, erkannte Edgar.

»Halt's Maul und wirf das dreckige Balg in den Fluss, wie es der Hauptmann gesagt hat.«

Edgar hob Johannes kommentarlos auf und legte ihn über seine Schulter. Der Junge wehrte sich nach Kräften, kam aber gegen den Hünen nicht an. Beinahe gemütlich trottete der mit dem Bündel in Richtung des Flusses. Um sie herum begrüßten die ersten Vögel unbeeindruckt und laut zwitschernd den Tag. Die Hütte, die Johannes mit seinen Eltern bewohnte, lag abseits am Rande eines kleinen Wäldchens. Die Wagners waren sehr arm und mussten sich deshalb mit der engen und zugigen Unterkunft begnügen. Für ein Haus im Dorf hatte es nie gereicht. Manchmal musste Bernwart Wagner Vater stehlen, damit sie wenigstens eine dünne Suppe zum Essen hatten. Aber wenigstens hatten sie den großen Krieg bisher überlebt.

Bis zum Fluss mussten sie ein ganzes Stück laufen. Als sie außer Hör- und Sichtweite der Hütte waren, legte Edgar den Jungen sanft ab. Der große Mann blickte in die völlig verängstigten Augen des Buben und hockte sich vor ihn.

»Jetzt beruhige dich erst mal, Junge«, sprach er mit tiefer Stimme.

Johannes versuchte zwar, sich zu beruhigen, erkannte aber nicht ganz den Sinn darin. Sein Leben war verwirkt, da war es ziemlich schwierig, sich zu beruhigen.

»Ich werf' dich nich' in den Fluss«, sprach der Riese ruhig.

»Erschlagt Ihr mich etwa?«, fragte der Junge und blickte ihn mit erstaunten Kinderaugen an.

»Ich tu' dir gar nix.«

Johannes war verwirrt. Noch vor wenigen Augenblicken wollte dieses Monster seiner Mutter wehtun, und jetzt verschonte er sein Leben. Argwohn beschlich Johannes. Was hatte dieser Mensch mit ihm vor?

»Ich sag' dir was, mein Kleiner. Ich hab' das mit deinen Eltern nich' gewollt. Aber wenn der Hauptmann sich was in den Kopf gesetzt hat, sind wir einfachen Soldaten machtlos. Er ist nun mal mein Befehlshaber, was soll ich tun? Ich hätte deiner Mutter nie ein Leid angetan ... und dir schon lange nicht.«

Johannes starrte den Fremden ungläubig an.

»Ich lass' dich laufen und erzähl‘ den anderen, dass du tot bist. Du musst mir nur eines versprechen.«

»Alles!«

 »Du musst weit weglaufen und darfst dich hier niemals wieder blicken lassen. Ist das klar?«

Johannes nicke heftig.

»Wenn dich der Hauptmann irgendwo wiedererkennt, sind wir beide so gut wie tot. Hast du mich verstanden?«

»Jawohl, hab' ich!«, bestätigte Johannes. Seine Stimme zitterte.

Edgar löste die Fesseln, wickelte den Jungen aus der Decke und füllte sie mit Steinen. Dann band er das Seil darum und warf das Ganze in den Fluss, wo es schnell versank.

»So, und jetzt lauf, so schnell du kannst, ich halte die Anderen noch eine Weile auf.«

Johannes lief los, doch...



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