E-Book, Deutsch, 184 Seiten
Müller Zwölf Tage im Mai
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-99110-162-8
Verlag: Buchschmiede
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 184 Seiten
ISBN: 978-3-99110-162-8
Verlag: Buchschmiede
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Das Leben von Johannes Schweiger, einer fiktiven Person, neigt sich seinem Ende zu. Schließlich ist er beinahe neunzig Jahre alt. Die meisten Alten erwarten sich nicht mehr viel vom Leben, schon gar nicht von einer Zukunft; sie geben (sich) auf, schalten in den Vergangenheitsmodus und versuchen, die längst vorbei geflogenen Tage in schönsten Bildern zu malen. Schwaiger ist anders; er denkt anders. Für ihn liegt die Zukunft geheimnisvoll und spannend vor ihm. Er plant sie nicht; er lässt sie auf sich zukommen. Eines hat er gelernt: Alles hat einen Sinn; die Freude wie das Leid, das Glück und auch das Unglück. Das, was er in der Vergangenheit hatte, konnte er immer nur mit den Augen der damaligen Gegenwart beurteilen. Doch die danach folgenden Jahre relativierten vieles. Für Johannes Schwaiger liegt klar auf der Hand: Von längst vergangenen Ereignissen, Beobachtungen und Erfahrungen lerne, die Gegenwart - ein Wimpernschlag - genieße mit allen Sinnen, auf die Zukunft freue dich!
Harald Müller, Jahrgang 1945, emerit. Grundschulpädagoge Als einer, der nicht nur in die Hungerjahre, sondern auch in die Schweigejahre hinein geboren wurde, versuche ich mit meinen Recherchen, über jene Zeit mehr zu erfahren. Die Vergangenheit - unser aller Vergangenheit - zu kennen, ohne sich darin zu verfangen oder sie zu verherrlichen, ist von eminenter Bedeutung für unser gegenwärtiges Leben. Nur wenn ich die Vergangenheit kenne, kann ich die Gegenwart richtig verstehen, und vielleicht gelingt es mir dann, die Zukunft besser gestalten. Bisherige Publikationen: Die Nixen aus dem Krotenbach, eine Sammlung von Kunstsagen Tatort Brunn, wahre Kriminalfälle in eine Erzählung verpackt Zahlreiche religionsphilosophische Aufsätze Gespräche mit Gott
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Donnerstag, 2. Mai 2019 Er sieht die Zeitung, die noch ungelesen auf dem Tisch vor ihm liegt. Ach, die sollte ich auch noch durchblättern. Sein Blick bleibt an der Überschrift hängen, und viele Gedanken kommen in ihm hoch. Die letzten vier Jahrzehnte waren von einer unglaublichen Durchmischung der Völker und Kulturen geprägt. Vielleicht wird man in dreihundert Jahren diese kurze Epoche mit „Zweite Völkerwanderung“ bezeichnen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts – der Alte erinnert sich; da war er gerade einmal 70 – kam es durch die Freizügigkeitsregeln in der Europäischen Union zu einer echten Völkergemeinschaft im Handel und am Arbeitsmarkt. Zusehends wurden die ehemaligen Gastarbeiter durch Arbeitskräfte aus Osteuropa verdrängt. Viele, vor allem Menschen aus den Balkanstaaten, gingen zurück in ihre Heimatländer, die in der Zwischenzeit einen höheren Standard erreicht hatten. Aber dann passierte das, was viele Menschen vorausgesehen hatten. Eine unglaubliche Häufung von kleinen politisch und religiös bedingten Kriegen im vorderasiatischen und im afrikanischen Raum führte zu massiven Flüchtlingsströmen ins „Gelobte Land“ Europa. Die von den Kolonialmächten einst ausgeraubten Gebiete in Afrika waren verödet. Die Landwirtschaft auf dem Niveau des europäischen Mittelalters. Mühsam und grausam wurde von den dereinst Rechtlosen und Unterdrückten versucht, demokratische Strukturen nach dem Vorbild der Alten Welt aufzubauen, was an Autokraten und an der vorherrschenden Korruption scheitern musste. Letzteres war jedoch in der Kolonialherrschaft der Briten, Deutschen, Franzosen und Italiener entstanden. Nun klopfen sie also an die Tür Europas und verlangen: Gebt uns zurück, was ihr euch rechtswidrig angeeignet habt! Wir wollen es in Naturalien; so nehmt gefälligst unsre Kinder auf und gebt ihnen Nahrung und Arbeit! An eurem Wohlstand klebt das Blut unsrer Ahnen. Und hört auf, mit uns Geschäfte zu machen, indem ihr unsren Machthabern Waffen verkauft. Wir brauchen Brot und keine Gewehre. Ja, so vernimmt man die Flüchtlinge reden. Der Alte hört aber auch die Europäer antworten: Löst eure Probleme selbst! Was können wir dafür? Das sind die Fehler unsrer Vorfahren! Wir haben gelernt, dass Vermögen und Leistung ständig maximiert werden müssen; das lernen bei uns die Kinder schon in der Volksschule. Wer nicht mitkommt, ist ein Versager und hat selbst Schuld. Maximierung zu erreichen, kennt keine Abstriche. Bleibt, wo ihr hingehört! Euer Aussehen, eure Religion und eure Kultur sind uns fremd. Auch im vorderen Orient zerfleischen die verschiedenen Interessen der Großmächte sämtliche Ansätze von Demokratie. Was einst Hochblüte der Kultur war, liegt in den Trümmern weltlicher und religiöser Machtspiele. So wie in allen Religionen gibt es die beiden Pole: Die Bewahrer und die Erneuerer. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppierungen liegt darin, dass die einen vor allem die alten Traditionen, die den Kern der Botschaft überdeckt haben, schützen und erhalten wollen, und die andren die Traditionen wegkehren wollen, um zum wichtigen Inneren zu gelangen. Doch oft versagt das Wort. Und wenn das Wort versagt, regieren die Fäuste. In den Ländern Asiens und Afrikas leben die Menschen genauso wie in andren Regionen unseres Planeten. Für viele ist Religion, ist ihre Religionsgemeinschaft wichtig. Die viel größere Anzahl von ihnen steht aber der Religion gleichgültig gegenüber. Eine kleine Gruppe hat sich radikalisiert. Aber diese im Vergleich winzige Masse teilt sich nochmals auf. Die einen demonstrieren mit geradezu unbändiger Wollust, dass sie anders sind; Konflikte, auch gewaltsame, sind vorprogrammiert. Den andren in dieser fundamentalen Gruppierung ist die Religion egal; sie haben das gewaltbereite Tier in sich entdeckt, und es geht ihnen nur mehr ums Morden. Dies alles ist neben dem Klima und dem Ausufern im Finanzsektor die größte Herausforderung dieser zweiten großen Völkerwanderung. Der alte Mann hat in seinem Leben so viel erlebt, dass er dies schon mit Sorge sieht, aber nicht verzweifelt ist, wie so viele seiner Altersgenossen. Denn er weiß: Für alles findet der Mensch im Endeffekt eine Lösung. Liegt das Geschick der Menschheit in ihrer Hand? Oder ist so ein Unterfangen maßlose Anmaßung? Eigenartig, das alles hat in mir eine Überschrift in der Zeitung ausgelöst?, denkt der alte Mann. Er weiß aber auch, dass man in dieser Zeitung auch den passenden Artikel zur Schlagzeile lesen sollte: In einer Pizzeria in Linz-Urfahr kam es zwischen dem türkischstämmigen A. B. und dem Studenten Ch. D. zu einer Auseinandersetzung mit tödlichem Ausgang: A. B., gebürtiger Österreicher aus Salzburg, 32 Jahre alt, stach den 25-jährigen Widersacher mit einem Pizzamesser, welches er an sich gerissen hatte, mehrmals in Bauch und Brust. Bei seiner Einvernahme gab der junge Mann an, dass er die Ehre seiner Schwester rächen wollte. Der Student soll sich vor zehn Tagen während einer Faschingsfeier an F. E. , der Schwester des Täters, einer Mitstudentin vergangen haben. Diese Mordtat zeigt wieder einmal, wie sehr unsere europäischen Werte durch islamistische Traditionen in Gefahr geraten sind. Die Forderung des Innenministers, solche Terroristen ins Ausland zu verfrachten oder, wenn dies nicht möglich ist, in einem finsteren Loch vermodern zu lassen, sind also durchaus berechtigt. Obwohl in beinahe jeder zweiten Ausgabe des Sensationsblattes solch haarsträubende Berichte zu lesen sind, ist der Alte jedes Mal von neuem erschüttert. Darüber entsetzt, wie Stimmungen des Pöbels, der Extremisten und der vielen ganz einfach nur unwissenden Mitmenschen immer wieder verstärkt und missbraucht werden, um geistigen Völkermord zu begehen und zu modernen Kreuzzügen aufzurufen. Da werden gefährliche „Wahrheiten“ unter die Masse der Leser gebracht und zu kollektiven Wahrheiten verformt. An dem, was der junge Mann aus Salzburg gemacht hat, gibt es sicherlich nichts zu beschönigen; Ehrenmorde entsprechen nicht unsrer Tradition. Wir führen in solchen Fällen oft die feinere Klinge, indem wir unsren Kontrahenten nicht bloß bei Gericht anzeigen, sondern ihn schon vor der Gerichtsverhandlung gesellschaftlich fertig machen, was nicht selten zu einem Suizid geführt hat. Sollte B. das Messer an sich gerissen haben, das auf dem nächstbesten Tisch lag, dann wäre seine Tat als Totschlag und nicht als Mord zu bewerten. Was berichten Zeugeneinvernahmen? Was sagen die Tatzeugen aus? Ist dem Reporter der Unterschied zwischen dem Islam und dem Islamismus nicht klar oder vermischt er beides absichtlich? Wie weit ein waschechter Populist gehen kann, haben die Aussagen des Innenministers in letzter Zeit immer mehr gezeigt. Für solche Menschen gibt es nur Schwarz und Weiß, Gut und Böse, Christen und „Islamisten“, brave Inländer (alle) und kriminelle Ausländer (alle). Die Angst, seine Machtposition zu verlieren, in die er durch sein großes Mundwerk gerutscht ist, wird immer stärker und ist gepaart mit der Angst vor Veränderung. Er hat gar kein Interesse, Lösungen für neue Herausforderungen im Gesellschaftsleben zu finden. Mit allen Mitteln versucht er, sich an längst vergangene mittelalterliche Werte zu klammern. Er fühlt sich in nahezu grotesker Weise dabei fortschrittlich und hält sich als einzigartigen Beschützer des Wahren und Guten. Nicht zuletzt lebt er politisch nur aufgrund solcher opportunistischer Schmierblätter. Es fragt sich, wie weit der Schreiber solcher Zeilen tatsächlich im Fahrwasser dieser gefährlichen Menschen aktiv mitmischt oder bloß in Sensationsgeilheit schwimmt? Der Journalist weiß ganz genau, dass sich Schlagzeilen einprägen, und dass seine Leser oft aus kognitiven Gründen gerade einmal diese Headline lesen und verstehen können. Hauptsache, die Botschaft kommt an. Es geht ihm also gar nicht um seriöse Berichterstattung, sondern um Manipulation. Genauso agieren ja auch die Politiker mit ihren Botschaften auf Plakaten. Diese Zeitungsüberschrift ist das beste Beispiel für Manipulation; manipulare – die Hand füllen, eine Handvoll. Eine kurze Information, die der emotionalen Erpressung dient. Es beginnt damit, dass sie das Denken einengt, gleichsam zusammendrückt auf die Behauptung: „Alles, was mit Islam zu tun hat, ist schlecht“. Drohung, Bedrohung wird angedeutet: „Der Islam ist eine ernste Gefahr für dich“. Deine bisherige Meinung wird verstärkt oder unterschwellig abgewertet: „Das alles ist für mich eine Bestätigung“ oder „Du bist zu leichtgläubig in Sachen Gefahr“. Zugleich werden Schuldgefühle vermittelt: „Warst nicht auch du einer, der vor Jahren gesagt hat, dass alle ein Recht auf Asyl haben? Jetzt siehst du, was du mit deiner angeblichen Menschlichkeit angerichtet hast“. Meister der Manipulation verstehen es, ihre Machtposition zu nutzen, um ihre Beziehungen und einen starken Draht zu den...