Orth | Absolutely ausgesperrt | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Orth Absolutely ausgesperrt

Wie ich 700 Kilometer durch England reiste und immer draußen blieb | Der humorvolle Bericht einer verrückten Reise in Zeiten der Pandemie
22001. Auflage 2022
ISBN: 978-3-492-60274-7
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie ich 700 Kilometer durch England reiste und immer draußen blieb | Der humorvolle Bericht einer verrückten Reise in Zeiten der Pandemie

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-492-60274-7
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Vor den Türen der Briten Von London bis Newcastle, ohne einen Innenraum oder ein geschlossenes Fahrzeug zu betreten - so trotzt Bestsellerautor Stephan Orth in England der Pandemie. Er wandert, radelt und paddelt, zeltet in Vorgärten, Wäldern und Stadtparks. In Manchester jubelt er bei einem Fußballmatch, in Oxford erlebt er die Eigenarten britischer Trinkkultur, am Rochdale-Kanal entdeckt er das schönste Klo der Welt. Er schildert, wie er sich mit Brexit-Fans und streitlustigen Katzen auseinandersetzt, mit Obdachlosen, Lebenskünstlern und Umwelt-Aktivisten ins Gespräch kommt. Dabei greift sein mitreißender Bericht hochaktuelle Themen auf, zeigt, wie Spaß trotz Verzicht möglich ist - und wird zum Plädoyer für eine neue Art des Reisens. »Stephan Orth versteht es hervorragend, Land und Leute für den Leser lebendig werden zu lassen.« WAZ

Stephan Orth, Jahrgang 1979, studierte Anglistik, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Journalismus. Von 2008 bis 2016 arbeitete er als Redakteur im Reiseressort von SPIEGEL ONLINE, bevor er sich als Autor selbstständig machte. Für seine Reportagen wurde Orth mehrfach mit dem Columbus-Preis ausgezeichnet. Er ist Autor des Nr.1-Bestsellers »Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt«. Bei Malik erschienen seine Bücher »Opas Eisberg«, die SPIEGEL-Bestseller »Couchsurfing im Iran«, »Couchsurfing in Russland« (ausgezeichnet mit dem ITB BuchAward), »Couchsurfing in China«, »Couchsurfing in Saudi-Arabien« und zuletzt sein England-Reisebericht »Absolutely ausgesperrt«. Er lebt in Kyjiw und Hamburg.
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5. August 2021


Noch nie habe ich mich in einem Flughafen so wohlgefühlt. Das ist bemerkenswert, denn ich kann Flughäfen normalerweise nicht ausstehen, und das Terminal 2 von London Heathrow wirkt mit seinen Chrom- und Beigetönen etwa so gemütlich wie ein mikrobiologisches Hochsicherheitslabor, nur mit höheren Decken.

Aber da fängt es schon an: Decken sind was Feines. Außerdem ist es warm, und die Ressourcenlage ist gut. Eis-Automaten, Schokoriegel-Automaten und SIM-Karten-Automaten, dazu gibt es Trinkwasserspender und USB-Steckdosen für Handys und sogar diese kabellosen Ladeflächen, die aussehen wie Herdplatten. Theoretisch könnte man hier wochenlang überleben.

Mein Rucksack wird hereingefahren wie ein roter Käfer in Rückenlage, ein organischer Fremdkörper auf dem steril sauberen baggage carousel Nummer 4. Ich habe keine Eile und lasse meine 11,8 Kilo Besitz noch eine Ehrenrunde drehen, während die letzten zwei Passagiere aus meinem Flugzeug ihre Rollkoffer zum Ausgang ziehen. Dann bin ich allein. Allein an einem Donnerstagmorgen um zehn Uhr in der Gepäckhalle des Flughafens, der bis vor einem Jahr der meistbesuchte Europas war.

Meine orangefarbene Goretex-Jacke ist neben dem Rucksack der zweite Farbtupfer in dieser beige-silbernen Maschinenwelt. Sieht sicher gut aus auf den Überwachungsbildschirmen, wie im Intro eines Endzeitfilms. 1800 Kameras sichern jeden Winkel von Terminal 2. Falls mich ein Security-Mitarbeiter beobachtet, irgendwo in einem fensterlosen Raum voller Monitore, muss ich auf ihn wirken wie ein Teilnehmer eines Live-Escape-Games, dem keiner erklärt hat, dass es dabei ums zügige Rauskommen geht.

Denn eigentlich sind Gepäckausgaben Transitzonen, Nicht-Orte zwischen Passkontrolle und Arrivals, Schleusen für Menschenmassen: Passagiere ohne Zeug rein, Passagiere mit Zeug raus. Ein Nervositätsort, ein Ungeduldsort. Die Einreise ist geschafft, jede weitere Verzögerung nervt. Mit jeder zusätzlichen Warteminute wächst die Angst, Lieblingsjeans und Lieblingsparfüm könnten versehentlich in Manila oder Burkina Faso gelandet sein.

Stellt sich die Befürchtung dann als unbegründet heraus, wandeln die Passagiere die Erleichterungsenergie in Bewegungsenergie um und hetzen im Eiltempo zum »Nothing to declare«-Gang. Niemand hält sich länger als unbedingt notwendig in einer Gepäckbandhalle auf. Niemand außer mir.

Zunächst inspiziere ich das Fressalienangebot. Sechs Chipsvariationen, neun Ben & Jerry’s-Eissorten, zwölf Arten Schokoriegel. Viel Fett und Zucker, wenig Vitamine. Nun, bei dem, was ich vorhabe, darf ich nicht wählerisch sein. Mithilfe meiner Kreditkarte lasse ich die Maschine Produkte namens Starburst, Mars und Galaxy über Schwellen namens E 5, D 8 und D 1 schubsen. Ein kleiner Vorrat kann nicht schaden, später wird es schwierig mit der Versorgung.

Das Klo ist sauber und das Musikprogramm aus unsichtbaren Lautsprechern sensationell. »Wonderwall«. »Wannabe«. »Angels«. Ich kann mich nicht daran erinnern, auf irgendeinem Klo der Welt bessere Musik gehört zu haben. Da haben wir es, gleich am Anfang, das beste England überhaupt: 90er-Jahre-England, Musik-England, Kreativ-England. Das England, das ich einmal geliebt habe.

»How was your washroom experience?«, fragt ein silberner Aufkleber am Spiegel über dem Waschbecken. Darunter sind Spuren von Klebstoff erkennbar, hier hing mal ein Monitor mit



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