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E-Book

E-Book, Deutsch, 201 Seiten

Papsdorf Wie Surfen zu Arbeit wird

Crowdsourcing im Web 2.0

E-Book, Deutsch, 201 Seiten

ISBN: 978-3-593-40750-0
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Wer heutzutage im Internet surft, wird immer häufiger zum »Mitmachen« aufgefordert. User können hier eine Bewertung abgeben, dort eine Idee posten, an einem Designwettbewerb teilnehmen oder ein Logo erstellen. In der Summe vollbringen diese arbeitenden User, oft ohne es zu wissen, wertschöpfende Tätigkeiten von hoher ökonomischer Bedeutung. Dieses als »Crowdsourcing« umschriebene Phänomen ist in seiner Dynamik und Bedeutung gegenwärtig noch nicht abschätzbar. Gleichwohl bietet das vorliegende Buch einen beispielreichen Überblick über verschiedene Arten von Crowdsourcing sowie eine Analyse der Entstehung, Eigenschaften und Wirkung des jungen Phänomens.
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Inhalt

Vorwort von G. Günter Voß

1 Einleitung

2 Crowdsourcing - eine neue Form der Arbeitsorganisation
2.1 Phänomenologie fünf exemplarischer Fälle
2.1.1 DELL IdeaStorm
2.1.2 InnoCentive
2.1.3 Spreadshirt
2.1.4 CrowdSpirit
2.1.5 BILD Leserreporter
2.1.6 Zwischenbetrachtung
2.2 Modi der Integration von Usern in Unternehmen
2.2.1 Der offene Ideenwettbewerb
2.2.2 Der ergebnisorientierte virtuelle Microjob
2.2.3 Die userdesignbasierte Massenfertigung
2.2.4 Die auf Userkollaboration basierende Ideenplattform
2.2.5 Die indirekte Vernutzung von Usercontent
2.2.6 Integrationsmodi und Arbeitsgegenstände
2.3 Konzeptualisierung
2.3.1 Definition und Konzept
2.3.2 Angrenzende Phänomene im Internet

3 Ortsbestimmung eines jungen Phänomens
3.1 Gesellschaftstheoretische Einbettung
3.1.1 Versuch einer Theorie der Informationsgesellschaft
3.1.2 Daniel Bell - Die postindustrielle Gesellschaft
3.1.3 Manuel Castells - Das Informationszeitalter
3.1.4 Schlussfolgerungen für Crowdsourcing
3.2 Unternehmenszentrierte Interpretationen der Entstehung von Crowdsourcing
3.2.1 Systemische Rationalisierung als betriebliche Strategie
3.2.2 Mass Customization
3.2.3 Von Open zu User Innovation
3.2.4 Interaktive Wertschöpfung
3.2.5 Fazit oder: Outsourcing neu erfinden
3.3 Userzentrierte Interpretationen der Entstehung von Crowdsourcing: Der Arbeitende Kunde
3.3.1 Die Entwicklung des aktiven Konsums
3.3.2 Die These eines neuen Typus Konsument
3.3.3 Crowdsourcing - konzeptionelle Erweiterungen des Arbeitenden Kunden
3.3.4 Exkurs: Kreative Klasse, Ideenwirtschaft und digitale Bohème
3.3.5 Fazit: Von geschickter Nutzung und Vernutzung

4 Userpartizipation und -motivation aus kultursoziologischer Perspektive
4.1 Ein neuer Geist des Kapitalismus
4.1.1 Die projektbasierte Polis als Resultat der Künstlerkritik
4.1.2 Der Geist in Aktion - Crowdsourcing und die projektbasierte Polis
4.1.3 Crowdsourcing: Sozialkritik war gestern
4.2 Die spezifische Kultur des Internets
4.2.1 Techno-Eliten und FLOSS-Aktivisten
4.2.2 Hacker-Kultur und Online-Arbeitsethik
4.2.3 Von virtuellen Gemeinschaften zum Web 2.0
4.2.4 E-Business, Internetökonomie und Prosumerismus
4.2.5 Internetkultur und die Partizipation an Crowdsourcing

5 Diskussion
5.1 Arbeiten statt Surfen
5.2 Crowdsourcing als Herausforderung für die Arbeitssoziologie
5.3 Crowdsourcing aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive

6 Schlussbetrachtung

Literatur


Ansatzpunkte für die "Entdeckung" des neuen Phänomens

Die folgende Studie verfolgt im Wesentlichen zwei Fragestellungen: Zum einen gilt es, ein umfassendes Verständnis des jungen Phänomens zu erarbeiten, und zum anderen werden spezifische Aspekte, wie die Frage nach der Motivation der Crowdsourcees, einer theoretischen Betrachtung unterzogen.

Es wird also im ersten Teil des Buches danach gefragt, was Crowdsourcing im Detail ausmacht. Ausgehend davon, dass bisher nur einzelne und nur bedingt konsistente Definitionen des Gegenstandes vorliegen, ist zunächst die Vielzahl an Fällen von Crowdsourcing zu kategorisieren und zu strukturieren. Daraus wird eine Gegenstandsbeschreibung mit Kernmerkmalen des Phänomens und eine Abgrenzung zu ähnlichen Phänomenen entwickelt. Als zweiter Aspekt folgt eine theoretische Verortung von Crowdsourcing im Sinne eines analytischen Zugangs. Die Diskussion grundlegender Arbeiten zur nachindustriellen Informationsgesellschaft ermöglicht dabei als ersten Schritt eine gesellschaftstheoretische Einbettung. Daraufhin wird Crowdsourcing aus Unternehmens- und aus Userperspektive untersucht. Ziel ist es, Entwicklungen aufzuzeigen, die zur Entstehung von Crowdsourcing-Phänomenen geführt haben und diese damit zumindest partiell zu erklären.

Den Gegenstand des zweiten Teils der Arbeit bildet die Frage nach den Gründen, warum Individuen an - aus rationalen Gesichtspunkten mit einer ungünstigen Kosten-Nutzen-Bilanz versehenen - Crowdsourcing-Projekten teilnehmen. Die bisher im Kontext von FLOSS-Projekten, der Mitarbeit in kommerziellen Unternehmen (Bateson 1985; Michel 2000; Voswinkel 2000) und auch von Selbstbedienungstechnologien (Dabholkar 1996; Dabholkar u.a. 2003; Meuter u.a. 2000) untersuchten Aspekte bilden hierzu erste Ansatzpunkte. Dieser Schritt stellt den Versuch dar, einen den Einzelaspekten übergeordneten theoretischen Zugang zur Frage der Partizipation zu schaffen. Hierzu wird angenommen, dass es spezifische kulturelle Faktoren sind, die Subjekte zur Teilnahme bewegen.

Die These eines kulturellen Leitmotivs, das die Partizipation sichert, wird in der Folge in zwei Stränge differenziert. Zunächst ist auf das Konzept des "Neuen Geist des Kapitalismus" von Luc Boltanski und Eve Chiapello (2003) zurückzugreifen. Die Autoren beschreiben dabei den Kapitalismus als ein normatives System, dem es fortwährend gelänge, die gegen ihn vorgebrachte Kritik in sich zu integrieren und somit Individuen kontinuierlich zu motivieren, am (kapitalistischen) Akkumulationsprozess teilzunehmen. Ausgehend von der Sozial- und Künstlerkritik der 1960er Jahre stellen Boltanski und Chiapello in ihrer Studie fest, dass sich der Kapitalismus vor allem aufgrund der Entfremdungskritik in Richtung Flexibilität, Mobilität, Kreativität und Eigenverantwortung für die Arbeitnehmer gewandelt habe. Der dem Künstlerleben entlehnte Zugewinn an Freiheit im weitesten Sinne (zu weiten Teilen zu Lasten der Sicherheit) führe so unter anderem zum Wandel von einem Konzern- zu einem in der projektbasierten Polis begründeten Netzwerkkapitalismus. Ausgehend von diesen Gedanken ist zu untersuchen, inwiefern der neue Geist des Kapitalismus auch die Kundenarbeit im Internet mithilfe der angedeuteten Mechanismen in bestehendem Umfang ermöglicht.

Den zweiten Strang des kultursoziologischen Zugangs bildet die Betrachtung einer spezifischen Internetkultur. Komplementär zur These des neuen Geistes des Kapitalismus wird davon ausgegangen, dass das Handeln im Internet einer spezifischen normativen Leitidee unterliegt, die unwiderruflich in der Entstehung und bisherigen Geschichte des WWW verankert ist. Das Web wird dabei als ein Raum für Ideale aufgefasst, die vielmals offline nicht zu realisieren sind. Als Leitbilder fungieren der freie Zugang zu Informationen, ein liberaler und toleranter Umgang der Teilnehmer, freie und kritische Meinungsäußerung, altruistische Kollaboration, individuelle Partizipation oder die Vernetzung über nationale und soziale Grenzen hinweg. Charakteristisch ist zudem ein antikommerzieller und zum Mainstream gewissermaßen oppositioneller Impetus, der sich etwa in den unzähligen FLOSS- oder Creativ-Commons-Projekten ausdrückt. Es wird angenommen, dass die Internetkultur entscheidenden Einfluss auf die wirtschaftlichen Aktivitäten im Internet ausübt. Vor allem jenseits des reinen E-Commerce ("Click & Buy") zeigt sich, dass eben nicht nach streng rationalen Regeln gespielt wird und der Aspekt der Gewinnerzeugung seitens der Individuen in den Hintergrund rückt. In einer kritischen Lesart kann davon ausgegangen werden, dass neuerliche Ausbeutungsstrategien gerade unter dem "Deckmantel" der Demokratisierung von Produktionsstrategien im Internet realisiert werden.

Verstärkt wird diese Entwicklung durch die Entstehung des so genannten Web 2.0, das die User befähigt, selbst "Content" zu produzieren; also eigene Homepages und Blogs zu erstellen, Videos und Musik auf Plattformen bereitzustellen, sich in Communitys zu vernetzen und an Projekten mitzuarbeiten. Die Crowdsourcing-Projekte gleichen in Rhetorik, Optik und Stil in starkem Maße Web 2.0-Projekten, die hauptsächlich als Freizeitaktivität und nicht als Arbeit begriffen werden. Gerade das Web 2.0 kann als Möglichkeit der Realisation des Web-Ideals gelten, ein antielitäres und allseitig offenes Medium zu sein. Crowdsourcing jedoch stellt den Gegenpol im Sinne einer Vermarktwirtschaftlichung individueller Potenziale dar. In diesem Spannungsfeld den "Link" zu erarbeiten, ist unerlässlicher Teil der Prüfung der These.

Zusammenfassend lauten die zu entfaltenden Thesen zur Partizipation der User an Crowdsourcing-Projekten:

Der von Chiapello und Boltanski konstatierte neue Geist des Kapitalismus vermag gerade im Internet, die neuen Ansprüche der Subjekte an Arbeit in die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems zu integrieren und somit Crowdsourcing als manifesten Modus dieses Prozesses zu ermöglichen.
Dem Internet wohnt eine durch seine Genese und Entwicklung bedingte Kultur der Partizipation, des Engagements und der Selbstverwirklichung inne, die Individuen zur Teilnahme an Crowdsourcing-Projekten veranlasst.

Damit verbindet diese Arbeit sowohl kultursoziologische, arbeitssoziologische, konsumsoziologische als auch wirtschaftssoziologische respektive betriebswirtschaftliche Aspekte. Dies ist weniger auf eine fehlende Perspektive zurückzuführen als auf die Vielseitigkeit des Gegenstandes sowie den Anspruch einer ganzheitlichen Betrachtung des Phänomens. So ist es gerade Ziel der vorliegenden Studie, die Analyse von Crowdsourcing nicht unnötig auf ein singuläres Interpretationsschema zu verengen, sondern eine Vielzahl an Zugängen im Sinne einer einführenden Erschließung des Themas zu eröffnen. Dementsprechend wird neben der zielgerichteten Argumentation zur Prüfung der Annahmen auch Wert auf das Aufzeigen von Widersprüchen, Inkonsistenzen und Ambivalenzen gelegt. Dies ist deshalb wichtig, weil der Gegenstand der Untersuchung genau genommen noch im Entstehen begriffen ist und zudem einem permanenten Wandel unterliegt. Eine abschließende Betrachtung erscheint damit wenig sinnvoll.


Christian Papsdorf ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Technischen Universität Chemnitz.


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