Politkovskaja | In Putins Russland | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Politkovskaja In Putins Russland


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-8321-8276-2
Verlag: DuMont Buchverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-8321-8276-2
Verlag: DuMont Buchverlag
Format: EPUB
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>In Putins Russland<, das 2005 erstmals auf Deutsch erschien, beschreibt die ersten Jahre der Regentschaft Wladimir Putins, in denen er die russische Wirklichkeit von heute, das »System Putin«, etablierte. Die Moskauer Journalistin Anna Politkovskaja, die am 7. Oktober 2006 bei einem Mordanschlag starb, zeigt eindrucksvoll, dass eine autoritäre und menschenverachtende Politik von Anfang an Putins Russland prägte. Ihr Buch bietet ein tiefes Verständnis der Person Putin und des heutigen Russlands. Ihre Analysen haben nichts von ihrer Aktualität verloren, was insbesondere in Deutschland überraschen mag, da man hier vor allem unter der Kanzlerschaft Gerhard Schröders weiter auf dem aus der Entspannungspolitik stammenden politischen Kurs blieb. Eingeführt wird diese Neuausgabe durch ein Vorwort von Anke Hilbrenner, Professorin für Osteuropäische Geschichte. Sie erläutert die Reportagen, die die Jahre 2000 bis 2003 umfassen, vor dem Hintergrund der heutigen politischen Lage.

ANNA POLITKOVSKAJA wurde 1958 in New York geboren und wurde 2006 ermordet. Sie war die international bekannteste russische Journalistin, mit ihren Berichten und Reportagen über Tschetschenien erlangte sie Berühmtheit und wurde mit zahlreichen Preisen geehrt. Sie arbeitete für die Moskauer Zeitung >Novaja Gazeta<. Am 7. Oktober 2006 wurde Anna Politkovskaja im Aufzug ihres Wohnhauses in der Moskauer Lesnaja-Straße durch mehrere Schüsse getötet. Anna Politkovskaja erhob zeit ihres Lebens ihre krit
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EINFÜHRUNG ZUR NEUAUSGABE VON ANKE HILBRENNER


DAMALS UND HEUTE IN PUTINS RUSSLAND


»Man will nicht glauben, dass der politische Winter wieder für Jahrzehnte in Russland Einzug hält. Man möchte so gern leben. Man möchte, dass die Kinder in Ruhe aufwachsen, dass die Enkelkinder in Freiheit geboren werden.« Diese Zeilen schreibt Anna Politkovskaja im Herbst des Jahres 2004 anstelle eines Nachworts in der ersten Auflage ihres Buches »In Putins Russland«. Die Tragödie von Beslan am 1. September 2004, bei der nordkaukasische Terroristen in einer Schule mehr als 1100 Kinder und Erwachsene in ihre Gewalt brachten, von denen nach offiziellen Angaben bei der Erstürmung des Gebäudes 331 starben, hatte diese Ergänzung nötig gemacht. Dennoch könnten ihre Worte heute aktueller kaum sein. Als russische Truppen am 24. Februar 2022 völkerrechtswidrig in die Ukraine einmarschierten und einen brutalen Krieg gegen die Ukraine als Staat, aber auch gegen die Zivilbevölkerung begannen, da rieben sich viele Menschen im sogenannten Westen verwundert die Augen. Über 30 Jahre nachdem der Kalte Krieg mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion offiziell zu Ende gegangen ist, hat erneut ein Krieg begonnen, in dem Russland auf der anderen Seite steht. Der politische Winter, vor dem Anna Politkovskaja bereits im Herbst 2004 gewarnt hatte, ist endgültig zurückgekehrt.

Die Journalistin und damals vor allem im Ausland berühmte Kritikerin von Wladimir Putin wurde am 7. Oktober 2006 im Fahrstuhl ihres Moskauer Wohnhauses brutal ermordet. So schrecklich diese Tat war, überraschend kam sie nicht. Bereits im Jahr 2004, zur Entstehungszeit des vorliegenden Buches, wäre Anna Politkovskaja beinahe einem Giftanschlag zum Opfer gefallen. Sie überlebte nur knapp. Ihr Tod war zudem nur einer in einer Reihe unaufgeklärter politisch motivierter Mordfälle. Betroffen waren vor allem Aktivisten, oppositionelle Politiker und kritische Journalisten, etwa aus der Redaktion der Zeitung »Novaja Gazeta«, der auch Politkovskaja angehört hatte. Dass diese tödlichen Verbrechen keinesfalls einer fernen Vergangenheit angehören, zeigt der Giftanschlag auf Alexei Nawalny am 20. August 2020, der in Deutschland, wo Nawalny behandelt wurde, für großes Aufsehen sorgte.

Doch jenseits der Kontinuität von Giftanschlägen gegen Kritiker stellt sich natürlich die Frage: Was kann dieser Text, der mittlerweile über 15 Jahre alt ist, heute für unser Verständnis von »Putins Russland« leisten?

Die Reportagen von Anna Politkovskaja zeigen uns, wie das gegenwärtige Russland Putins, das aufgrund des russischen Krieges gegen die Ukraine wieder in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses gerückt ist, im Laufe der Jahre entstanden ist. Anhand der bewegenden Porträts von Tanja, Mischa, Lena und Rinat, vier ganz normalen Menschen, die Politkovskaja uns aufgrund ihrer Nähe zu ihnen nur mit Vornamen vorstellt, malt sie mit wenigen Pinselstrichen ein treffendes Bild der sowjetischen und postsowjetischen Gesellschaft aus der Perspektive der Menschen, die mit der Erfahrung des Umbruchs der 1990er Jahre sozialisiert worden sind. Das Leben in der späten Sowjetunion hat Alexei Yurchak mit seinem Buch »Everything Was Forever, Until It Was No More«, das ebenfalls 2005 erschienen ist, auf den Punkt gebracht: »Für die Menschen, die in der Sowjetunion lebten, war der Zusammenbruch beides zugleich: völlig unerwartet und dennoch nicht überraschend. Im Moment des Zusammenbruchs wurde plötzlich offensichtlich, dass das Leben in der Sowjetunion immer zugleich stagnierend und ewig, lebendig und marode, trostlos und verheißungsvoll gewesen war. Auch wenn diese Eigenschaften einander scheinbar ausschlossen, existierten sie doch und ermöglichten sich sogar gegenseitig.«

Diese Gleichzeitigkeit von Trostlosigkeit und Verheißung erleben auch Politkovskajas Protagonisten. Und mit dieser Erfahrung im Gepäck werden sie mit dem radikalen Verschwinden der Gewissheiten in den 1990ern konfrontiert. Das Ende der Sowjetunion bietet einige Chancen, die etwa Tanja mutig ergreift, aber auch zahlreiche Enttäuschungen, vor allem für Mischa. Die Transformationszeit stellte einige der postsowjetischen Machtstrukturen auf den Kopf, andere wurden in diesen Jahren sogar noch verstärkt. Die 1990er Jahre mit ihrer Allgegenwart des Chaos sind im heutigen Russland Putins das Gegenbild der idealisierten russischen Gegenwart und Zukunft; sie werden stets als Motiv angegeben, diese Zeit und ihre Zumutungen und Widersprüche nie wieder erleben zu wollen.

Dieses Gegenbild stellt eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Putins Russland dar. Mindestens ebenso wichtig ist ein Krieg, der zu Anna Politkovskajas Lebensthema wurde. Der Tschetschenienkrieg fand in Europa zu wenig Beachtung und wurde viel schneller wieder vergessen, als die dort geschlagenen Wunden heilen konnten.

Vor allem der sogenannte Zweite Tschetschenienkrieg ist eng mit dem Aufstieg Wladimir Putins zur Macht verbunden. Den Anfang dieses Krieges markierten die Explosionen von zwei Wohnblöcken in Moskau, bei denen über 200 Menschen starben. Offiziell wurden tschetschenische Terroristen für die Anschläge verantwortlich gemacht. Demgegenüber vermuten Journalisten und Oppositionelle, dass der russische Geheimdienst FSB in die Taten verwickelt war. Die Sprengstoffattentate wurden jedenfalls zum Anlass für ein erneutes russisches militärisches Eingreifen in Tschetschenien genommen, was wiederum Putins Chancen im Rennen um die Präsidentschaft im März 2000 erhöhte.

Putins Russland entstand also mithilfe eines Krieges, und der russische Krieg gegen die Ukraine ist vielleicht ein guter Zeitpunkt, um sich daran zu erinnern. Anna Politkovskaja offenbart in ihren Büchern und Reportagen »die Wahrheit über den Krieg«. Sie zeigt, wie die einfachen Soldaten auf russischer Seite in diesen Krieg geschickt wurden, welcher Gewalt sie durch die eigenen Vorgesetzten ausgesetzt waren, und wie ihre Leichen beim Rückzug auf dem Schlachtfeld liegengelassen und vergessen wurden. Sie beschreibt, wie Offiziere Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, Plünderung und Folter, befahlen. Sie schildert, wie eine korrupte Justiz Mörder und Vergewaltiger von tschetschenischen Mädchen und Frauen unbehelligt ließ. Die Lektüre ist nach den Nachrichten von den Massakern der russischen Armee in Butscha und anderen ukrainischen Städten noch wichtiger geworden, zeigt sie doch, dass die Art der russischen Kriegsführung in der Ukraine keinesfalls neu ist und bereits ausführlich in der russischen Öffentlichkeit und vor russischen Gerichten diskutiert wurde.

Politkovskaja beschreibt bereits im Jahre 2004, was dieser Krieg mit der Gesellschaft macht, die entfernt von den Schauplätzen des Grauens scheinbar in Frieden lebt: »Wir sind in den letzten Jahren ganz schön verroht und verkommener geworden. Das fällt immer mehr auf. Und je länger der Krieg im Kaukasus dauert, desto mehr werden viele Tabus zu gewöhnlichen, alltäglichen Dingen. Mord? Kein Problem. Raub? Na und. Beute? Ein Gesetz.« Die damaligen Beutezüge erinnern allzu sehr an die Banalität der Gier, mit der Soldaten der russischen Armee Dinge des alltäglichen Gebrauchs, vor allem Waschmaschinen und Kühlschränke, aus Häusern im ukrainischen Kriegsgebiet transportieren und sie zu ihren Familien schicken. In den frühen 2000ern nahm die russische Öffentlichkeit die Folgen der »Anti-Terror-Operation« in Tschetschenien weitgehend ungerührt zur Kenntnis: »Die Massenmorde wühlten das Land nicht auf, kein Fernsehsender zeigte die Aufnahmen von den ermordeten tschetschenischen Kindern.« Diese Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Opfer dieses Krieges herrschte allerdings auch unter den westlichen »Freunden« Russlands. Die frühen 2000er Jahre waren die Zeit, in der sich die besonderen (energie-)wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sowie die Männerfreundschaft zwischen dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Wladimir Putin intensivierten.

Parallel zu diesen guten Beziehungen haben Gewalt, Korruption und die Dysfunktionalität der Institutionen die russische Gesellschaft bereits seit geraumer Zeit von innen heraus zerstört. Zum Beispiel beschreibt Politkovskaja, wie der Staat ohne jede Empathie mit den Opfern des Terrorismus umging, während zugleich der von Putin erklärte Krieg gegen den Terrorismus mit aller Härte geführt wurde. Die Angehörigen der Menschen, die bei der Erstürmung des Musical-Theaters »Nord-Ost« im Oktober 2002 ums Leben gekommen waren, reichten vergebens eine Klage gegen den Einsatz von Gas bei der »Befreiungsaktion« ein, der 130 Menschen das Leben kostete. Die Richterin erniedrigte und beleidigte die Geschädigten auf kaum vorstellbare Weise. Besonders leidvoll erfuhren jene Geiseln, die selbst namentlich von den Behörden als nicht-russisch, als muslimisch oder gar tschetschenisch identifiziert wurden, die Indifferenz von Justiz und Strafverfolgungsbehörden gegenüber dem Leid der Geiseln und ihrer Familien. Statt wie Opfer behandelte man sie wie (Mit-)Täter; einigen verweigerte man zum Beispiel medizinische Hilfe. Sie wurden als Verdächtige verhaftet und verhört. Dieser kaltschnäuzige Umgang mit den Opfern von Terroranschlägen und ihren Angehörigen evoziert aber auch die Erinnerung an den Umgang mit den Geschädigten des sogenannten NSU in Deutschland. Auch die Diskussionen um die Entschädigung der Hinterbliebenen der während der Olympischen Spiele 1972 getöteten israelischen Athleten verweisen auf die Kontinuität der Marginalisierung von Terrorismusopfern nicht nur »in Putins Russland«.

Warum hat die Gewalt gegen die Menschen in Tschetschenien die Menschen in Russland, aber auch in Deutschland, nicht bereits Anfang der 2000er Jahre aufgerüttelt? Warum wurde der russische oberste...


Politkovskaja, Anna
ANNA POLITKOVSKAJA wurde 1958 in New York geboren und wurde 2006 ermordet. Sie war die international bekannteste russische Journalistin, mit ihren Berichten und Reportagen über Tschetschenien erlangte sie Berühmtheit und wurde mit zahlreichen Preisen geehrt. Sie arbeitete für die Moskauer Zeitung ›Novaja Gazeta‹. Am 7. Oktober 2006 wurde Anna Politkovskaja im Aufzug ihres Wohnhauses in der Moskauer Lesnaja-Straße durch mehrere Schüsse getötet. Anna Politkovskaja erhob zeit ihres Lebens ihre krit

Umbreit, Hannelore
HANNELORE UMBREIT, geboren in Thüringen, lehrte nach ihrem Studium der Sprach- und Übersetzungswissenschaft am Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie der Universität Leipzig. Aus dem Russischen übersetzte sie u. a. Texte von Nina und Jekaterina Sadur, Michail Jelisarow und Alexander Kabakow.

Zemme, Ulrike
ULRIKE ZEMME, geboren 1956 in Linz, gestorben 2017 in Wien, studierte in Salzburg und arbeitete als Dramaturgin am Wiener Burgtheater, seit 1998 war sie am Theater in der Josefstadt in Wien. Aus dem Russischen übersetzte sie u. a. Stücke von Anton Cechov, Maksim Gorkij, Isaak Babel und Aleksandr Nikolaevic Ostrovskij und Prosa von Konstantin Vaginov, Jurij Mamleev und Aleksandr Nikolaevic Ostrovskij.



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